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Rasche Diagnose und effiziente Therapie der Gicht

<p class="article-intro">Die Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung, ihre Prävalenz nimmt weiter zu. Ziel ist es, die Gicht auch als chronische Erkrankung wahrzunehmen und nicht nur den Gichtanfall als einmaliges Ereignis. Denn das Problem sind im Verlauf neben der Nierenfunktionseinschränkung die kardiovaskulären Ereignisse!</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Gichttherapie besteht aus zwei Konzepten: Gichtanfallstherapie und harns&auml;uresenkende Komponente.</li> <li>Die bei einer Gichtattacke wirksamen Therapeutika haben auf die zugrunde liegende Ursache der Hyperurik&auml;mie keine Auswirkung!</li> <li>Gichtkristalle k&ouml;nnen durch eine konsequente Senkung der Serumharns&auml;ure auf &lt;6mg/dl aufgel&ouml;st werden.</li> <li>Als diagnostischer Goldstandard gilt der Kristallnachweis in der Synovialfl&uuml;ssigkeit. Die Diagnose Gicht kann aber bei klarer Klinik auch klinisch gestellt werden.</li> <li>88 % der Gichtpatienten erleiden im ersten Jahr nach dem ersten Anfall erneut einen Gichtanfall, 78 % innerhalb von zwei Jahren.</li> <li>W&auml;hrend des Anfalls ist der Harns&auml;urewert oft normal.</li> </ul> </div> <p>Harns&auml;ure im Blut ist prinzipiell nichts Schlechtes. Immerhin stellt sie 50 % der antioxidativen Kapazit&auml;t des Plasmas. Intrazellul&auml;r d&uuml;rfte sie jedoch &ndash; durch Aktivierung der Xanthinoxidase &ndash; eher prooxidativ wirken. Auff&auml;llig ist, dass Affen und Menschen im Vergleich zu anderen S&auml;ugetieren relativ hohe Harns&auml;urespiegel aufweisen. Dies l&auml;sst vermuten, dass der Verlust der Harns&auml;ure spaltenden Urikase vor etwa 15 Mio. Jahren einen evolution&auml;ren Vorteil brachte &ndash; eventuell ein gr&ouml;&szlig;eres Gehirn (?). Bei Patienten mit Alzheimer, Parkinson und multipler Sklerose (MS oder Encephalomyelitis disseminata) werden oft sehr niedrige Harns&auml;urespiegel gefunden. Ein neuroprotektiver Effekt der Harns&auml;ure wird daher vermutet. Allerdings haben sich noch keine negativen Effekte auf das Nervensystem durch eine harns&auml;uresenkende Therapie gezeigt.</p> <h2>Der Gichtanfall</h2> <p>Beim akuten Gichtanfall werden Glukokortikoide, NSAR, Colchicin oder die Interleukin-1(IL-1)-Hemmer Anakinra (Kineret<sup>&reg;</sup>) und Canakinumab (Ilaris<sup>&reg;</sup>) empfohlen, wobei Anakinra f&uuml;r Gicht nicht zugelassen ist. Canakinumab ist zugelassen, kostet aber 12 000 Euro pro Spritze. Diese beiden IL-1-Hemmer wirken rasch und sicher auf den direkten Entz&uuml;ndungsmechanismus im Rahmen des Gichtanfalles (Inflammasom). Ich habe mit beiden IL-1-Hemmern sehr gute Erfahrungen bei schweren Gichtanf&auml;llen gemacht, vor allem dann, wenn diabetische Stoffwechsellagen oder kardiovaskul&auml;re Probleme vorliegen (Herzinsuffizienz, St. p. Myokardinfarkt, etc.). Diese Medikamente haben keinen Einfluss auf den Harns&auml;urespiegel, es sind &bdquo;reine&ldquo; Entz&uuml;ndungshemmer!<br /> Ideal ist es, das betroffene Gelenk zu punktieren und eine Injektion zu verabreichen. So ergibt sich neben der diagnostischen Punktion (Kristallnachweis) auch die M&ouml;glichkeit der Glukokortikoidinjektion und somit der raschen und effizienten (Schmerz-)Therapie.<br /> Colchicin wird viel diskutiert, es hat sicher seinen Stellenwert, wenngleich auch die Nebenwirkungen limitierend sind (76 % Diarrh&ouml;, 70 % Bauchschmerzen, 50 % Dyspepsie, 41 % Schwindel, 38 % Erbrechen). Auch das hohe Interaktionspotenzial sei erw&auml;hnt: z.B. mit Clarithromycin oder Statinen. Wenn es helfen soll, dann muss es innerhalb der ersten Stunden des Anfalls eingenommen werden.</p> <h2>Akuter Gichtanfall</h2> <ul> <li>Glukokortikoide (oral, intraartikul&auml;r, i.m.)</li> <li>nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR)</li> <li>Colchicin (1,2mg sofort, nach 1 Stunde 1x 0,6mg/keine Hochdosistherapie)</li> </ul> <h2>Prophylaxe</h2> <p>Die Evidenzlage bez&uuml;glich der Gichtprophylaxe ist d&uuml;nn, denn sie h&auml;ngt ma&szlig;geblich von der weiteren Harns&auml;urezufuhr des Patienten ab. In den Studien sind NSAR und Colchicin als gleichwertig einzustufen. Der Zeitraum der Prophylaxe wird in der aktuellen Literatur mit 2 bis 4 Monaten angegeben.<br /><br /> <strong>Medikament&ouml;se Prophylaxe</strong></p> <ul> <li>Glukokortikoide (oral)</li> <li>NSAR</li> <li>Colchicin 0,5mg 1x1</li> </ul> <h2>Harns&auml;uresenkung</h2> <p>Eine medikament&ouml;se harns&auml;uresenkende Therapie ist indiziert, wenn innerhalb von 12 Monaten mindestens ein Gichtanfall, radiologische Zeichen, Tophi oder eine Uratnephropathie auftreten. F&uuml;r die Harns&auml;uresenkung werden die Urikostatika Allopurinol und Febuxostat eingesetzt. Diese beiden Medikamente werden aber erst nach einem Gichtanfall erstattet! Japan ist da schon weiter, dort werden Harns&auml;uresenker auch bei Bluthochdruck, chronischer Nierenerkrankung und erh&ouml;hten Harns&auml;urewerten verordnet. Der Zielwert liegt bei &lt;6mg/dl, bei toph&ouml;ser Gicht &lt;5mg/dl. Die Dauer wird in den deutschen Leitlinien mit ca. 3&ndash;5 Jahren angef&uuml;hrt.<br /> Nach Abklingen des Schubes wird mit Allopurinol, zuerst niedrig dosiert, begonnen. Die Dosis wird auf 300mg gesteigert, bis der Zielwert erreicht ist. Bei Niereninsuffizienz sind Dosisanpassungen erforderlich. M&ouml;gliche Nebenwirkungen sind Fieber, Exantheme, Hepatitis, Leukozytose und Eosinophilie. Juckreiz kann bei bis zu 20 % der behandelten Patienten auftreten. Bei Intoleranz, Kontraindikationen oder nicht ausreichender Wirksamkeit von Allopurinol ist Febuxostat das Mittel der Wahl. Febuxostat ist etwa doppelt so wirksam wie Allopurinol (aber zehnmal so teuer) und macht keine Therapieanpassung bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Nierenfunktionseinschr&auml;nkung erforderlich. Da bei Kreatinin-Clearance-Werten unter 40ml/min deutliche Dosisreduktionen von Allopurinol notwendig sind, empfehlen einige Autoren bei eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion eine prim&auml;re Therapie mit Febuxostat. Neuere Studien zeigen, dass Febuxostat bis zu einer gesch&auml;tzten glomerul&auml;ren Filtrationsrate (eGFR) von 15ml/min effektiv und sicher eingesetzt werden kann. Febuxostat interagiert nicht mit ACE-Hemmern, Cumarinen, Amoxicillin und Ampicillin. Mit Nebenwirkungen wie Schwindel, Diarrh&ouml;, Kopfschmerzen und &Uuml;belkeit muss jedoch auch hier gerechnet werden. Zu beachten ist, dass eine diabetische Stoffwechsellage die harns&auml;uresenkende Wirkung von Febuxostat einschr&auml;nkt. Benzbromaron ist nach wie vor optional angef&uuml;hrt, wurde aber wegen Nephropathie (Steinbildung) und Lebersch&auml;digungen vom Markt genommen.<br /> F&uuml;r besonders schwere therapieresistente F&auml;lle und f&uuml;r Patienten mit h&ouml;hergradiger Niereninsuffizienz sind als Ultima Ratio Infusionen mit Pegloticase zugelassen. In der Pipeline ist Lesinurad, ein oraler URAT1-Inhibitor, der direkt in der Niere die Harns&auml;ureausscheidung reguliert und in Kombination mit Allopurinol innerhalb von 4 Wochen bei 80 % der Patienten die Harns&auml;ure in den Zielbereich senken konnte. In naher Zukunft wird sich au&szlig;erdem Arhalofenat auf der Liste der Optionen finden, das ebenfalls urikosurisch wirkt. In Kombination mit Febuxostat konnten damit alle Patienten innerhalb von 2 Wochen in den Zielbereich gelangen (Harns&auml;ure &lt;6mg/dl) und auch (!) die Gichtanf&auml;lle reduziert werden. Voraussetzung f&uuml;r beide neuen Optionen ist allerdings eine intakte Nierenfunktion.</p> <h2>Ern&auml;hrungstechnische Optionen</h2> <p>Prinzipiell sind Extreme zu vermeiden, denn sowohl das Fasten als auch die &bdquo;V&ouml;llerei&ldquo; f&ouml;rdern massiv die Hyperurik&auml;mie. Gichtrezepte sind weit verbreitet, dennoch ist durch eine alleinige Ern&auml;hrungsumstellung die Gicht nicht kontrollierbar (Harns&auml;uresenkung um ca. 10&ndash;15 % ist m&ouml;glich). Gerade Ern&auml;hrungsumstellungen sind auf Dauer sehr schwierig umsetzbar. Ich empfehle &bdquo;kernreiche&ldquo; (also DNAreiche) Produkte zu meiden, klarerweise ist auch das Biertrinken zu unterlassen. Erw&auml;hnenswert ist aber, dass Kaffeekonsum das Gichtrisiko minimiert!</p></p>
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