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Diagnostische Kriterien und Differenzialdiagnosen

Das EKG bei Rechtsherzhypertrophie

<p class="article-intro">Die rechtsventrikuläre Hypertrophie (RVH), die pathologische Zunahme der Muskelmasse in der rechten Herzkammer, ist die Konsequenz einer chronisch erhöhten Arbeitsbelastung des Myokards. Im Folgenden möchten wir uns im Rahmen unserer EKG-Serie mit der Diagnostik dieses Krankheitsgeschehens befassen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Hintergrund</h2> <p>Die RVH ist meist die Folge anderer schwerer Grunderkrankungen, die entweder zu massiven Druck- und/oder Widerstandserh&ouml;hungen in den Pulmonalgef&auml;&szlig;en oder zu extremen Volumenzunahmen im rechten Ventrikel f&uuml;hren. Unter physiologischen Bedingungen ist der Ventrikel vor&uuml;bergehend in der Lage, derartige Belastungen zu kompensieren und ein Aufrechterhalten des Herzzeitvolumens zu garantieren. Im Falle einer Chronizit&auml;t ist eine Adaptierung des rechten Ventrikels an die vorliegenden abnormen Zust&auml;nde notwendig. Dieses sogenannte &bdquo;kardiale Remodeling&ldquo; &auml;u&szlig;ert sich in einer myokardialen Hypertrophie und Dilatation des rechten Ventrikels. Bei Progredienz der Erkrankung entwickelt sich die prim&auml;r stabile in eine maladaptive Hypertrophie, besser bekannt als manifeste Rechtsherzinsuffizienz, mit den anamnestisch erhebbaren klinischen Leitsymptomen wie Schwindelgef&uuml;hl, Dyspnoe, M&uuml;digkeit sowie Jugularvenenstauung, Aszites und/oder Bein&ouml;demen im Status. Die h&auml;ufigste Ursache einer RVH ist die pulmonale Hypertonie (PH). Hierzu z&auml;hlt vor allem die PH im Rahmen einer schweren Linksherzinsuffizienz. Die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) oder die chronische thromboembolische PH (CTEPH) sowie die PH bei bestehenden Lungenerkrankungen, wie zum Beispiel bei Lungenfibrose oder einem Lungenemphysem, f&uuml;hren oftmals zu einer RVH. Weitere &Auml;tiologien, die eine Widerstands- oder Volumenbelastung zur Folge haben, sind kongenitale oder erworbene Vitien, wie etwa die Fallot-Tetralogie, die Pulmonalklappenstenose oder ein Ventrikelseptumdefekt mit begleitendem relevantem Links-rechts-Shunt (Eisenmenger-Syndrom).<sup>1, 2</sup></p> <h2>RVH-Diagnostik mit dem Elektrokardiogramm</h2> <p>Die Wahrscheinlichkeit, eine RVH alleine mit dem Elektrokardiogramm (EKG) zu diagnostizieren, ist erwartungsgem&auml;&szlig; nicht sehr gro&szlig;. Studien weisen eine geringe Sensitivit&auml;t, jedoch hinsichtlich einzelner EKG-Kriterien eine hohe Spezifit&auml;t auf. Die gr&ouml;&szlig;te Chance, eine RVH im EKG richtig zu erkennen, besteht bei angeborenen Herzerkrankungen; bei erworbenen Herzerkrankungen und prim&auml;rer pulmonaler Hypertonie bei Erwachsenen ist diese geringer. Am niedrigsten ist die Genauigkeit bei chronischen Lungenerkrankungen.<sup>3, 4</sup><br /> Hinsichtlich der pathologischen Ver&auml;nderungen im Myokard lassen sich die elektrokardiografischen Zeichen einer RVH, die erst sichtbar sind, wenn die rechtsventrikul&auml;re Muskelmasse mehr als 50 % der des linken Ventrikels betr&auml;gt, erkl&auml;ren (Tab. 1). Die Hypertrophie des Myokards bewirkt eine Verschiebung des Vektors der elektrischen Erregung nach rechts, die &ndash; je nach Schweregrad der Erkrankung &ndash; mit dem Lagetyp eines Steil-, Rechts- oder &uuml;berdrehten Rechtstypes einhergeht (Abb. 1). Zus&auml;tzlich zu den erh&ouml;hten Amplituden in den Extremit&auml;tenableitungen II und III zeichnet sich in den Brustwandableitungen V1 und V2, die den rechten Ventrikel repr&auml;sentieren, ebenso eine beschleunigte R-Zacken-Progression ab. Der R/S-Umschlag ist somit nach rechts verschoben und wird bezeichnet als eine Rotation gegen den Uhrzeigersinn, die sich pathophysiologisch durch die Zunahme der zu depolarisierenden Herzmuskelzellen erkl&auml;ren l&auml;sst. Je weiter die RVH fortgeschritten ist, desto gr&ouml;&szlig;er ist die Amplitude der R-Zacke. Erg&auml;nzend ist zu sagen, dass ein begleitendes Q vor der R-Zacke in diesen ersten Brustwandableitungen eine abnormale septale Erregung repr&auml;sentiert, bei dem der Vektor eher nach hinten als nach rechts gerichtet ist &ndash; ein sogenannter QR-Komplex. Zu diesen oftmals schon blickdiagnostisch hohen R-Zacken in V1 (R &gt;0,7mV) zeigen sich in den entgegengesetzten Ableitungen V5 und V6 tiefe S-Zacken (S =0,7mV), eine sogenannte S-Persistenz. Zur Verifizierung einer Rechtsherzvergr&ouml;&szlig;erung kann, wie bei der Linksherzhypertrophiediagnostik, der Sokolow-Lyon-Index herangezogen werden. Eine RVH liegt somit vor, wenn der addierte Wert der R-Zacke in V1 oder V2 und der S-Zacke in V5 oder V6 einen Wert &uuml;ber 1,05mV ergibt. Weitere Scores in der RVH-Diagnostik sind eine R/S-Ratio in V1 mit einem Wert &uuml;ber 1 und eine R/S-Ratio in V6 unter 1. Die ver&auml;nderte beziehungsweise gest&ouml;rte Erregungsausbreitung im rechten Ventrikel kann sich als versp&auml;teter oberer Umschlagspunkt oder auch entsprechend dem Bild eines (inkompletten) Rechtsschenkelblocks (RSB) mit einer rsR&rsquo;- Konfiguration in den rechtspr&auml;kordialen Brustwandableitungen abzeichnen. Kleine S-Zacken in diesen Ableitungen sind weitere Hinweise auf eine beginnende Leitungsst&ouml;rung. Die nachfolgende Repolarisation bei h&ouml;hergradigen Formen hypertrophierter Ventrikel pr&auml;sentiert sich elektrokardiografisch in deszendierenden STStrecken- Senkungen sowie pr&auml;terminalen T-Wellen-Negativierungen bis teilweise hin zur Ableitung V4 und wird als bereits vorliegende Rechtsherzsch&auml;digung interpretiert.<sup>5, 6</sup> Bei Fortschreiten der Erkrankung, wenn die Belastung mittlerweile auch den rechten Vorhof betrifft, zeichnen sich erh&ouml;hte P-Wellen (&gt;0,25mV), genannt P-pulmonale oder auch P-dextroatriale Wellen, in den Ableitungen II und III ab.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s32_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="913" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="804" /></p> <h2>Differenzialdiagnosen zur RVH</h2> <p>Differenzialdiagnostisch zur RVH (Tab. 2) finden sich eine physiologische Verlagerung der elektrischen Herzachse nach rechts und folglich hohe R-Zacken in den rechtspr&auml;kordialen Ableitungen bei gesunden Neugeborenen und Kindern bis zum 8. Lebensjahr. Im Laufe der Entwicklung reduziert sich der prozentuelle Anteil bis zum 16. Lebensjahr auf ca. 10 % . Dies l&auml;sst sich dadurch erkl&auml;ren, dass sich die intrauterine physiologische rechtsventrikul&auml;re Hypertrophie, basierend auf der vorliegenden pulmonalen Hypertonie, im Laufe des Wachstums, vor allem binnen der ersten Lebensmonate, zur&uuml;ckentwickelt. In seltenen F&auml;llen wird bei klinisch gesunden jungen Erwachsenen eine R/S-Ratio &gt;1, jedoch h&auml;ufiger in V2 als in V1, aufgrund ausgepr&auml;gter anteriorer Kr&auml;fte weiterhin beobachtet.<sup>1</sup> Akut auszuschlie&szlig;en ist immer der lebensbedrohliche &bdquo;strictly&ldquo; posteriore Myokardinfarkt, der sich als Spiegelbild mit erh&ouml;hten R-Amplituden in den Ableitungen V1, V2 und aVR (R/S-Ratios =1) und ST-Strecken-Senkungen in V1 bis V3 abzeichnet.<sup>7</sup> Bei Verdacht sollten zum Ausschluss immer die die posteriore Ventrikelwand repr&auml;sentierenden Ableitungen V4r und V7&ndash;V9 geschrieben werden. Weitere Differenzialdiagnosen zur RVH, die eine erh&ouml;hte R-Amplitude in V1 aufweisen k&ouml;nnen, sind Lungenerkrankungen, wie das Lungenemphysem, das Pr&auml;exzitations- Syndrom, verschiedene seltene kongenitale Herzfehler sowie Fehlbildungen des K&ouml;rperbaus.<sup>1</sup> Zur gesicherten Diagnostik und Quantifizierung einer RVH sind die Bestimmung der Laborparameter (BNP, Elektrolyte, Kreatinin, Leberparameter) und die Durchf&uuml;hrung weiterer bildgebender Verfahren wie Echokardiografie, CT und MRT unumg&auml;nglich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s32_tab2.jpg" alt="" width="686" height="1612" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gertsch M et al.: Das EKG: Auf einen Blick und im Detail. Springer, 2008 <strong>2</strong> Ibrahim BS.: Right ventricular failure. EJournal of Cardiology Practice 2016; 14(32). https://www. escardio.org/Journals/E-Journal-of-Cardiology-Practice/ Volume-14/Right-ventricular-failure <strong>3</strong> Hancock EW et al.: AHA/ACCF/HRS recommendations for the standardization and interpretation of the electrocardiogram: part V: electrocardiogram changes associated with cardiac chamber hypertrophy: a scientific statement from the American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee, Council on Clinical Cardiology; the American College of Cardiology Foundation; and the Heart Rhythm Society. Endorsed by the International Society for Computerized Electrocardiology. J Am Coll Cardiol 2009; 53(11): 992-1002 <strong>4</strong> Nikus K et al.: Electrocardiographic recognition of right ventricular hypertrophy. Journal of Electrocardiology 2017 Sep 10. pii: S0022-0736(17)30328-X. doi: 10.1016/j. jelectrocard.2017.09.004. [Epub ahead of print] <strong>5</strong> Schuster HP, Trappe HJ: EKG-Kurs f&uuml;r Isabel: Thieme, 2005 <strong>6</strong> Autenrieth G et al.: Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gef&auml;&szlig;e. Berlin, Heidelberg: Springer, 2013 <strong>7</strong> Zema MJ, Kligfield P: Electrocardiographic tall R waves in the right precordial leads: vectorcardiographic and electrocardiographic distinction of posterior myocardial infarction from prominent anterior forces in normal subjects. J Electrocardiol 1984; 17(2): 129-37</p> </div> </p>
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