© byryo iStockphoto

Das Prostatakarzinom im Fokus

<p class="article-intro">Drei Tage lang, vom 6. bis 8. September, hatte der Palazzo dei Congressi in Lugano seine Türen für die Schweizer Urologen geöffnet. Die Programmverantwortlichen um Prof. George Thalmann, Bern, hatten ein umfangreiches und vielseitiges wissenschaftliches Programm zusammengestellt. Es bot neben State-of-the Art-Vorträgen hauptsächlich jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Arbeiten in Posterdiskussionen und freien Mitteilungen vorzustellen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Einen breiten Raum nahmen auch in diesem Jahr wieder onkologische Arbeiten ein. Die meisten Arbeitsgruppen befassten sich mit dem Prostatakarzinom.</p> <h2>Diagnostik anhand von PI-RADS v2</h2> <p>Mit der &laquo;Korrelation des PI-RADS Version 2 im multiparametrischen Prostata-MRI mit dem Karzinomnachweis in der MRI-navigierten, Ultraschall-gesteuerten Prostata-Fusionsbiopsie&raquo; besch&auml;ftigte sich eine Arbeitsgruppe des Kantonsspitals Winterthur. Die Ergebnisse pr&auml;sentierte Anja Sauck. F&uuml;r die Studie sammelten die Wissenschaftler prospektiv die Daten von 228 MRI-navigierten, Ultraschall-gesteuerten Fusionsbiopsien, von denen 157 ausgewertet werden konnten. Die Prostatabiopsien wurden gezielt in den angegebenen MRI-L&auml;sionen und standardisiert &uuml;ber die restliche Prostata verteilt entnommen (Template-Biopsie). Sie wurden dann mit den PI-RADS-v2-Scores verglichen. Es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms mit dem PI-RADS-v2-Score und dem Volumen der entdeckten L&auml;sion ansteigt: Die Sensitivit&auml;t lag bei einem Score von 3 oder h&ouml;her bei 95,5 % , die Spezifit&auml;t allerdings nur bei 15,5 % . Daher bleibt vorerst die Biopsie der Goldstandard f&uuml;r die Diagnose eines Prostatakarzinoms.</p> <h2>Transperineale Prostatabiopsie unter Lokalan&auml;sthesie</h2> <p>Eine einfache, sichere und kosteng&uuml;ns&shy;tige Alternative zur transrektalen Prostatabiopsie (TRUS Bx) stellte Dr. med. Osama Shahin, Basel, vor. Die TRUS Bx ist der Goldstandard, da sie einfach und schnell unter Lokalan&auml;sthesie ausgef&uuml;hrt wird. Allerdings kommt es h&auml;ufig zu rektalen Blutungen und Infektionen. Vor allem aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresis&shy;tenzen der beteiligten Erreger sei dies problematisch, sagte Shahin. Er zeigte in einem Video die transperineale Prostatabiopsie (TP Bx) unter Lokalan&auml;sthesie. Ihr Vorteil: Das Rektum wird nicht ber&uuml;hrt und damit wird die Verschleppung von Darmbakterien vermieden. Shahin pr&auml;sentierte ausserdem die Daten von 212 Patienten, bei denen er zwischen Januar 2015 und M&auml;rz 2017 eine TP Bx unter Lokal&shy;an&auml;sthesie vorgenommen hatte. Die M&auml;nner hatten ein Durchschnittsalter von 66,3 Jahren und einen mittleren PSA-Wert von 5,9ng/ml. Es kam weder zu Infektionen noch zu Komplikationen, die einen Aufenthalt im Spital erforderlich machten. Blutungen kamen bei allen Patienten von selbst zum Stillstand und der Schmerz&shy;score erreichte im Mittel 2. Lediglich zwei M&auml;nner (0,9 % ) litten unter einem Harnverhalt. Die Rate an Prostatakarzinomdiagnosen lag bei 61,8 % . Die f&uuml;r den Eingriff notwendige Zeit und die Kosten waren vergleichbar mit der TRUS Bx. Shahin pl&auml;dierte daher f&uuml;r einen breiteren Einsatz dieser Methode, vor allem wegen des geringen Infektionsrisikos.</p> <h2>&laquo;Active surveillance&raquo;</h2> <p>Bei Prostatakarzinomen im fr&uuml;hen Stadium wird h&auml;ufig zum Mittel der &laquo;aktiven &Uuml;berwachung&raquo; (&laquo;active surveillance&raquo;, AS) gegriffen, um &Uuml;bertherapien zu vermeiden. Welches die optimalen Intervalle f&uuml;r die Untersuchungen sind, versuchte eine Arbeitsgruppe der Klinik f&uuml;r Urologie am Kantonsspital Winterthur in einer retrospektiven Analyse zu definieren. Sie werteten die Daten von 49 M&auml;nnern aus, die von Oktober 2005 bis Dezember 2016 unter AS standen. Eingeschlossen waren Patienten mit Gleason Score (GS) 3+3, maximalem Tumorbefall der Stanze von 50 % und maximal zwei befallenen Stanzen. Ihre PSA-Werte wurden alle sechs Monate bestimmt, Prostatabiopsien j&auml;hrlich transrektal oder transperineal entnommen. Rebiopsien erfolgten nur in Ausnahmef&auml;llen. Die MRI-Untersuchung war in der Regel an die MRI-TRUS gekoppelt. &Uuml;ber eine mittlere Beobachtungszeit von 25,8 (7&ndash;59) Monaten wurden insgesamt 184 PSA-Tests, 46 MRI und 96 Prostatabiopsien vorgenommen. Die mittlere Zeitspanne zwischen den Biopsien 1, 2 und 3 betrug 1, 19,5 und 20,4 Monate. Die Zeitspanne zwischen den PSA-Tests betrug jeweils durchschnittlich 9,6, 10,2 und 8,7 Monate. Von 49 M&auml;nnern erhielten sechs (12,2 % ) eine Therapie. Aus ihrer Analyse folgerten die Wissenschaftler, dass die AS weniger aktiv als vorgegeben erfolgt. Lediglich die PSA-Werte wurden in regelm&auml;ssigen Intervallen ermittelt, w&auml;hrend Prostatabiopsien nur alle 20 Monate entnommen wurden. Daraus ergebe sich die Frage, ob die aktive &Uuml;berwachung tats&auml;chlich &laquo;aktiv&raquo; ist oder ob ein gelockertes Schema im Rahmen der regelm&auml;ssigen Bildgebung mittels MRI sicher ist und sich durchsetzt, schlossen die Autoren.<br />Ob weitere diagnostische Massnahmen notwendig sind, bevor Prostatakrebspatienten AS erhalten k&ouml;nnen, untersuchten Urologen des Luzerner Kantonsspitals. Ihre Resultate stellte Dr. med. Christoph W&uuml;rnschimmel vor. Hintergrund der Untersuchung waren Ergebnisse retrospektiver Studien, die oft ung&uuml;nstige pathologische Prostatakrebs-Gradings bei Patienten zeigten, die f&uuml;r die AS geeignet gewesen w&auml;ren, sich aber f&uuml;r eine radikale Prostatektomie entschieden. Die Luzerner Studie untersuchte Unterschiede im Grading anhand von Auswertungen pr&auml;operativer und postoperativer Stanzbiopsien im Vergleich mit der histopathologischen Aufarbeitung des chirurgisch entfernten Karzinoms. Von 299 Patienten, die sich im Untersuchungszeitraum einer radikalen Prostatektomie unterzogen hatten, w&auml;ren 109 f&uuml;r die AS geeignet gewesen. Von diesen liessen sich 59 (54,1 % ) der Epstein-Gruppe 3 oder h&ouml;her und 7 (6,4 % ) der Epstein-Gruppe 4 oder 5 zuordnen. Bei 57 Patienten (52.3 % ) wurde das urspr&uuml;ngliche Epstein-Grading best&auml;tigt, 27 Patienten (24,8 % ) wurden hochgestuft. Auf alle eingeschlossenen Patienten gerechnet zeigte sich eine geringe &Uuml;bereinstimmung (0,20; p&lt;0,001) zwischen den pathologischen Befunden von pr&auml;operativer Biopsie und chirurgisch entfernter Prostata. Dies traf auch auf die potenziellen AS-Kandidaten zu. Hier lag die &Uuml;bereinstimmung zwischen den pathologischen Befunden von pr&auml;operativer Biopsie und Prostatapr&auml;parat bei 0,14 (p=0,01, geringe &Uuml;bereinstimmung). Das Fazit der Autoren: Bei Patienten, die sich aufgrund sonografischer transrektaler Prostatabiopsien f&uuml;r die AS entscheiden, ist die Gefahr gross, eine klinisch signifikante Krebserkrankung zu &uuml;bersehen.</p> <h2>Fokale Therapie des Prostatakarzinoms</h2> <p>Eine radikale Prostatektomie (RPE) und die Strahlentherapie der Prostata gehen mit teils starken unerw&uuml;nschten Nebenwirkungen wie Inkontinenz und erektiler Dysfunktion einher. Die fokale Therapie wird daher zunehmend als Alternative zur radikalen Behandlung bei Prostatakarzinomen mit intermedi&auml;rem Risiko angesehen.<br />Die onkologischen, funktionellen und psychologischen Ergebnisse einer fokalen Therapie des Prostatakarzinoms mit hochintensivem fokussiertem Ultraschall (HIFU) untersuchten Wissenschaftler des Universit&auml;tsspitals Z&uuml;rich. In einer prospektiven Studie wurden die Sicherheit, das funktionelle und das psychologische Outcome zw&ouml;lf Monate nach einer HIFU-Therapie untersucht. Die Resultate zeigte Dr. med. Julian Sonderer. Insgesamt wurden 74 M&auml;nner mit HIFU behandelt. Davon hatten 13 (17,5 % ) anschliessend Komplikationen (Clavien-Klassifizierung I&ndash;IIIb): Bei sechs Patienten kam es zu Harnwegsinfektionen, f&uuml;nf zeigten einen Harnverhalt und zwei ben&ouml;tigten eine transurethrale Prostataresektion (TURP) infolge von Obstruktionen. Daten der funktionellen Ergebnisse lagen von 30 Patienten vor. W&auml;hrend sich der Expanded Prostate Cancer Index Composite Score (EPIC) f&uuml;r Harninkontinenz und gastrointestinale Symptome zwischen dem Ausgangswert und dem nach zw&ouml;lf Monaten bestimmten Wert nicht signifikant unterschied (p=0,205 bzw. p=0,627), sank der International Prostate Symptom Score (IPSS) signifikant von 7 auf 4 (p=0,027). Dies galt allerdings auch f&uuml;r den International Index of Erectile Function 15 (IIEF-15) und den EPIC-Score f&uuml;r die Sexualfunktion, die beide signifikant abnahmen (jeweils p&lt;0,05). Sonderer wies jedoch darauf hin, dass bei manchen Patienten bereits vor der Therapie eine leichte erektile Dysfunktion bestanden habe. Die Werte f&uuml;r Angst und Depressionen (Hospital Anxiety and Depression Scale &ndash; HADS, Functional Assessment of Cancer Therapy-Prostate &ndash; FACT-P, Memorial Anxiety Scale for Prostate Cancer &ndash; MAX-PC) blieben unver&auml;ndert (HADS, FACT-P) oder nahmen ab (MAX-PC). <br />Dr. med. Ashkan Mortezavi ging in seinem Referat auf die onkologischen Out&shy;comes sechs Monate nach einer HIFU-Behandlung ein. Erfasst wurde die 30-Tage-Komplikationsrate; Endpunkte waren Symptome am Harntrakt, die erektile Funktion und die Lebensqualit&auml;t. Vor Therapiebeginn wiesen die meisten Patienten (64,9 % ) einen GS 7a auf, 21,6 % hatten GS 7b, 8,1 % GS 6 und 5,4 % einen GS &gt;7. Sechs Monate nach der Behandlung wurden von 57 Patienten Biopsien entnommen. Davon waren 31 frei von klinisch signifikanten Prostatakarzinomen, w&auml;hrend bei den anderen 26 Patienten Prostatakarzinome nachgewiesen wurden. Sieben von ihnen unterzogen sich einer RPE, jeweils neun erhielten eine Re-HIFU oder entschieden sich f&uuml;r die AS.<br />Dies zeige, dass die fokale HIFU-Therapie sicher sei und nur geringe Nebenwirkungen ausl&ouml;se, so Mortezavi. Die Rate an Rezidiven bzw. persistierenden Tumoren sei jedoch hoch und erfordere fr&uuml;hzeitige Biopsien zur Kontrolle.</p> <h2>Langzeitergebnisse der nervenschonenden RPE</h2> <p>Die Behandlung des Hochrisiko-Prostatakarzinoms ist eine Herausforderung f&uuml;r den Urologen. Dr. med. Thomas S. Bregy, Universit&auml;t Bern, zeigte, dass die negativen Folgen einer RPE wie Inkontinenz und erektile Dysfunktion durch eine nervenschonende Operation erheblich gemindert werden k&ouml;nnen, ohne das onkologische Ergebnis zu beeintr&auml;chtigen. In die Studie eingeschlossen waren 316 M&auml;nner mit Hochrisiko-Prostatakarzinom (Tumor &ge;pT3, PSA &gt;20ng/ml oder GS 8&ndash;10), die sich einer RPE und einer pelvinen Lymphadenektomie unterzogen hatten. Nach 3, 6, 12 und 24 Monaten postoperativ wurden Urinkontinenz (UK) und erektile Funktion (EF) beurteilt. Das Auftreten von Lokalrezidiven wurde prospektiv erfasst. UK-Raten nach nervenschonender Operation lagen zu den jeweiligen Untersuchungszeitpunkten bei 87 % , 93 % , 96 % und 98 % . Die Wahrscheinlichkeit einer UK drei Monate nach einem nervenschonenden Eingriff war im Vergleich zu einer nicht nervenschonenden Operation 2,5-mal h&ouml;her (p=0,02). Die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r eine intakte EF war 6, 12 und 24 Monate nach nervenschonender Prostatektomie sechs- bis zehnmal h&ouml;her (p&lt;0,0001, p=0,01, p=0,001). Zu den jeweiligen Untersuchungszeitpunkten betrugen die EF 17 % , 34 % , 52 % und 53 % . Dabei war die Komplikationsrate nicht h&ouml;her als bei Patienten, die nicht nervenschonend operiert worden waren. Des Weiteren wurden weder positive Absetzungsr&auml;nder noch Lokalrezidive h&auml;ufiger beobachtet (HR 1,09, p=0,9). Daher k&ouml;nne bei ausgew&auml;hlten Patienten mit einem Hochrisiko-Prostatakarzinom nervenschonend operiert werden, so Bregys Fazit.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 73. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie, 6.–8. September 2017, Lugano </p>
Back to top