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Die perfekte Behandlung für den nicht perfekten Patienten

<p class="article-intro">Im Allgemeinen stellen Guidelines ein wichtiges Tool für Behandlungsstrategien bei Erkrankungen dar. Es werden evidenzbasierte Empfehlungen bezüglich der Diagnostik bis hin zur Therapie gegeben. Dass auch die Guidelines einen gewissen Interpretationsspielraum zulassen, wird anhand des folgenden Fallbeispiels gezeigt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine fr&uuml;he Diagnose und optimale medikament&ouml;se Therapie bei Herzinsuffizienz sind wichtig.</li> <li>Erst dann an weitere Therapiem&ouml;glichkeiten denken (CRT, ARNI, Ivabradin).</li> <li>Patienten mit Herzinsuffizienz ben&ouml;tigen ein regelm&auml;&szlig;iges Follow- up beim Internisten bzw. Kardiologen.</li> </ul> </div> <p>Schon jetzt werden das Gesundheitssystem und die &Auml;rzte aufgrund steigender Inzidenz der Herzinsuffizienz vor erhebliche finanzielle und personelle Herausforderungen gestellt. Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden, sind alles andere als &bdquo;perfekte&ldquo; Patienten. Im Verlauf der chronischen Erkrankung kommt es aufgrund akuter Dekompensation zu h&auml;ufigen Rehospitalisierungen, welche mit einem erheblichen Anstieg der Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t einhergehen. Mithilfe der Guidelines soll eine zielgerichtete, symptomorientierte Therapie erfolgen, um Patienten zu stabilisieren, eine Progression der Erkrankung zu verhindern und die Prognose zu verbessern.</p> <h2>Fallbericht</h2> <p>Im M&auml;rz 2017 stellte sich erstmalig ein 71-j&auml;hriger m&auml;nnlicher Patient aufgrund von Thoraxschmerzen und Dyspnoe in unserer Ambulanz vor. Diese bestanden seit zwei Wochen und traten nicht nur schon bei geringster k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t, sondern auch in Ruhe auf. Sein kardiovaskul&auml;res Risikoprofil umfasste eine bereits behandelte arterielle Hypertonie, Hyperlipid&auml;mie, Diabetes mellitus 2 und eine positive Familienanamnese (Vater erlitt einen Herzinfarkt). Laut der Medikamentenanamnese wurde der Patient bereits seit einigen Jahren mit einem ACEHemmer, Betablocker, Statin, T-ASS, Spironolacton und Metformin, jeweils in Maximaldosis, behandelt. Das EKG bei Erstkontakt ist in Abbildung 1 zu sehen. Als einzige Auff&auml;lligkeit im Labor war das NTpro BNP erh&ouml;ht (3685pg/ml, normal &lt;125pg/ml), weswegen die station&auml;re Aufnahme zur weiteren Abkl&auml;rung erfolgte. Echokardiografisch wurde eine hochgradig reduzierte Linksventrikelfunktion mit einer EF von 15&ndash;20 % festgestellt. Da der Patient &uuml;ber typische AP-Symptomatik berichtete, erfolgte eine invasive Abkl&auml;rung mittels Koronarangiografie, in welcher die Koronargef&auml;&szlig;e unauff&auml;llig imponierten, womit eine isch&auml;mische Genese der Kardiomyopathie ausgeschlossen werden konnte. Wir stellten daher die Diagnose einer dilatativen Kardiomyopathie mit h&ouml;chstgradig eingeschr&auml;nkter Linksventrikelfunktion.</p> <p><strong>Guideline-basierte Therapieoptionen</strong><br /> Bei bereits etablierter optimaler medikament&ouml;ser Therapie empfehlen die Guidelines zur Behandlung der Herzinsuffizienz aus dem Jahr 2016 folgende 3 Therapiem&ouml;glichkeiten (Abb. 2):<sup>1</sup></p> <ol> <li>Etablierung eines Angiotensinrezeptor- Neprilysininhibitors (ARNI)</li> <li>Evaluation bzgl. kardialer Resynchronisationstherapie (CRT)</li> <li>Etablierung von Ivabradin Die Guidelines gaben uns in diesem Fall einen gewissen Spielraum zur weiteren Behandlung und somit stellten sich mehrere Fragen: Von welcher dieser Therapien w&uuml;rde unser Patient am meisten profitieren? Besteht die Option, alle Therapien gleichzeitig zu starten, und ist dies sinnvoll?</li> </ol> <p>Folgende &Uuml;berlegungen halfen uns in der Entscheidungsfindung: Der Patient hatte eine kurze Anamnese von symptomatischer Herzinsuffizienz und wies alle Kriterien f&uuml;r eine Klasse-IA-Empfehlung zur Versorgung mit einem CRT-System auf (typischer LSB, QRS &ge;150ms, LVEF &le;35 % ). In der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass eine fr&uuml;he CRT-Versorgung bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie und breitem LSB den gr&ouml;&szlig;ten Benefit bringen kann. Manche Patienten sind sogenannte &bdquo;Superresponder&ldquo;, also Patienten, bei denen sich die EF durch die kardiale Resynchronisation deutlich verbessert, wenn nicht sogar normalisiert.<sup>2&ndash;4</sup><br /> Da sich unser Patient bei Erstkontakt im NYHA-Stadium IV pr&auml;sentierte, starteten wir unmittelbar mit einem ARNI (Sacubitril/ Valsartan 49/51mg zweimal t&auml;glich) und etablierten eine geringe Dosis Furosemid (20mg einmal t&auml;glich). Bei Entlassung erhielt er au&szlig;erdem einen Termin zur CRT-Implantation f&uuml;r April 2017.</p> <p><strong>Geplante Wiederaufnahme</strong><br /> Bei Wiederaufnahme im April 2017 berichtete der Patient bereits &uuml;ber eine geringe Besserung seiner Symptomatik. In Ruhe war er beschwerdefrei, er hatte jedoch weiterhin Belastungsdyspnoe NYHA III. Vor der CRT-Implantation wurde eine weiterf&uuml;hrende Diagnostik veranlasst. Der Patient erhielt ein 24h-Holter-EKG und wurde einer kardialen MRT und einer Kontroll-Echokardiografie unterzogen.<br /> Bei unauff&auml;lligem MRT konnte eine andere Ursache der Kardiomyopathie ausgeschlossen werden. Im Holter-EKG zeigte sich ein durchgehender Sinusrhythmus mit einer mittleren Herzfrequenz von 75/ min. Bei Belastung hatte der Patient stets eine Sinustachykardie bis max. 116/min. Au&szlig;erdem hatte der Patient h&auml;ufige ventrikul&auml;re Extrasystolen, die insgesamt 12,6 % der Herzt&auml;tigkeit ausmachten. In der Kontroll-Echokardiografie wurde die Linksventrikelfunktion mit einer EF von 20 % berechnet.<br /> Dem Patienten wurde nun wie geplant ein CRT-D-System implantiert. Postoperativ war im EKG eine deutliche Reduktion der QRS-Breite zu verzeichnen (Abb. 3). Bevor der Patient entlassen wurde, entschlossen wir uns aufgrund der Holter- Aufzeichnungen, Ivabradin (5mg zweimal t&auml;glich) zu verschreiben.</p> <p><strong>Follow-up Juni 2017</strong><br /> Im geplanten Follow-up in unserer Herzinsuffizienzambulanz im Juni 2017 berichtete der Patient von einer deutlichen Symptombesserung. Er konnte zwei Stockwerke ohne Stehenbleiben bew&auml;ltigen und befand sich somit im NYHA-Stadium II. Echokardiografisch wurde eine Verbesserung der EF auf 25 % beschrieben, der linke Ventrikel imponierte wesentlich synchroner. Ein geringes biventrikul&auml;res Pacing von nur 89 % in der CRT-Kontrolle war haupts&auml;chlich durch die h&auml;ufigen ventrikul&auml;ren Extrasystolen bedingt. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass der maximale Benefit eines CRT-Systems von der H&auml;ufigkeit des biventrikul&auml;ren Pacings abh&auml;ngt (optimal &gt;96&ndash;98 % ).<sup>5</sup> Daher wurde die Dosis des Betablockers gesteigert (Bisoprolol 10mg &frac12;&ndash;0&ndash;1) und die Dosis von Sacubitril/Valsartan auf das Maximum erh&ouml;ht (97/103mg zweimal t&auml;glich).</p> <p><strong>Patient in NYHA II</strong><br /> In einer rezenten Kontrolle im August 2017 war der Patient klinisch stabil im NYHA-Stadium II. Die Linksventrikelfunktion war mit einer EF von 35&ndash;40 % nur noch mittelgradig reduziert. In der CRTKontrolle war das biventrikul&auml;re Pacing weiterhin bei 89 % . Aufgrund des guten Allgemeinzustands steigerten wir einerseits wiederholt den Betablocker (Bisoprolol 10mg zweimal t&auml;glich), andererseits wurde der LV-Trigger im Ger&auml;t aktiviert, welcher bei Auftreten von Extrasystolen biventrikul&auml;res Pacing aufrechterhalten soll. Bei Symptomverschlechterung k&ouml;nnte man in weiterer Folge eine Ablation der Extrasystolen erw&auml;gen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1704_Weblinks_kardio_1704_s32_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="864" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1704_Weblinks_kardio_1704_s33_abb2+3.jpg" alt="" width="1417" height="2656" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend sei hervorgehoben, dass dieser Patient innerhalb von vier Wochen alle drei Therapieoptionen bei guter Vertr&auml;glichkeit erhalten hat. In einem Zeitraum von circa f&uuml;nf Monaten hat sich nicht nur das NYHA-Stadium von IV auf II verbessert, sondern auch die EF von 15&ndash;20 % auf 35&ndash;40 % erholt.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2016; 37(27): 2129-200 <strong>2</strong> Castellant P et al.: Cardiac resynchronization therapy: &ldquo;Nonresponders&rdquo; and &ldquo;hyperresponders&rdquo;. Heart Rhythm 2008; 5: 193-7 <strong>3</strong> Killu AM et al.: Predictors and outcomes of &ldquo;superresponse&rdquo; to cardiac resynchronization therapy. J Card Fail 2014; 20: 379-86 <strong>4</strong> van Bommel RJ et al.: Characteristics of heart failure patients associated with good and poor response to cardiac resynchronization therapy: A PROSPECT (Predictors of Response to CRT) sub-analysis. Eur Heart J 2009; 30: 2470-7 <strong>5</strong> Hayes DL et al.: Cardiac resynchronization therapy and the relationship of percent biventricular pacing to symptoms and survival. Heart Rhythm 2011; 8: 1469-75</p> </div> </p>
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