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ERS 2017

Lungenhochdruck ist mehr als PAH

<p class="article-intro">Lungenhochdruck ist definiert durch einen pulmonalarteriellen Mitteldruck von mindestens 25mmHg. Damit handelt es sich um die hämodynamische Definition eines pathophysiologischen Zustandes und nicht um eine Krankheitsdefinition. Die Ursachen können vielfältig sein und müssen vor Beginn einer Therapie genau abgeklärt werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Definition des Lungenhochdrucks inkludiert eine pr&auml;kapill&auml;re und eine postkapill&auml;re Form. Es sind gegenw&auml;rtig mehr als 50 Erkrankungen bekannt, in deren Verlauf Lungenhochdruck auftritt. Wir gliedern diese Erkrankungen in f&uuml;nf Gruppen. Pulmonale Hypertonie alleine ist also noch keine Diagnose&ldquo;, sagt Prof. Dr. Nazzareno Gali&egrave; von der Universit&auml;t Bologna. Von den f&uuml;nf klinischen Gruppen betreffen drei die pr&auml;kapill&auml;re PH, n&auml;mlich die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH), die PH infolge von Lungenerkrankungen sowie die chronische thromboembolische PH (CTEPH). Postkapill&auml;rer Lungenhochdruck wird in der &uuml;berwiegenden Mehrzahl der F&auml;lle durch Erkrankungen des linken Herzens verursacht. Dar&uuml;ber hinaus gibt es F&auml;lle sowohl von pr&auml;kapill&auml;rer als auch postkapill&auml;rer PH infolge &bdquo;unklarer oder multifaktorieller Mechanismen&ldquo;. Insgesamt die mit Abstand h&auml;ufigste Form von Lungenhochdruck ist PH infolge einer Linksherzerkrankung. Alle diese Erkrankungen unterscheiden sich hinsichtlich der zugrunde liegenden Pathologie und des histologischen Bildes. Auch innerhalb der f&uuml;nf Gruppen bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Erkrankungen.<sup>1</sup></p> <h2>Unterschiedliche Pathologien, unterschiedliche Prognosen</h2> <p>Die einzelnen Gruppen der PH unterscheiden sich, so Gali&egrave;, auch im Hinblick auf die Prognose. Die beste &Uuml;berlebensrate &uuml;ber zehn Jahre zeigen Patienten mit CTEPH. Gali&egrave;: &bdquo;Hier haben wir eine potenziell kurative chirurgische Therapie sowie eine medikament&ouml;se Option.&ldquo; Medikament&ouml;se Behandlungen haben auch dazu gef&uuml;hrt, dass die PAH heute hinsichtlich des &Uuml;berlebens an zweiter Stelle steht. Patienten mit PH infolge von Herzerkrankungen haben ein schlechteres Outcome. Die ung&uuml;nstigste Prognose findet man jedoch bei PH infolge von Lungenerkrankungen. In dieser Patientengruppe &uuml;berlebt kaum ein Patient zehn Jahre. Gali&egrave; unterstreicht auch, dass gerade die beiden PH-Formen mit der besten Prognose relativ seltene Erkrankungen sind.<br /> Angesichts der unterschiedlichen zugrunde liegenden Pathologien sei es also nur naheliegend, so Gali&egrave;, dass die Wirksamkeit einer Therapie bei einer Form der PH keine R&uuml;ckschl&uuml;sse auf die Effektivit&auml;t bei anderen PH-Formen zul&auml;sst. Eine exakte Diagnose ist also unverzichtbar. Beispielsweise ist bekannt, dass bei Patienten mit PH infolge einer Linksherzerkrankung eine zus&auml;tzliche pr&auml;kapill&auml;re Komponente einen ung&uuml;nstigen prognostischen Faktor darstellt.<sup>2</sup> Nun habe man, so Gali&egrave;, versucht, diese Patienten mit zugelassenen PAH-Medikamenten zu behandeln und dabei nicht nur keinen Benefit, sondern sogar einen Trend zu h&ouml;herer Mortalit&auml;t beobachtet. Zu einem &auml;hnlichen Ergebnis gelangte die vor Kurzem am ESC-Kongress in Barcelona pr&auml;sentierte SIOVAC-Studie, in deren Rahmen Patienten mit persistierendem Lungenhochdruck nach einer Operation der Mitralklappe mit Sildenafil behandelt wurden. Die Behandlung f&uuml;hrte zu erh&ouml;hter Mortalit&auml;t.<sup>3</sup> Gali&egrave;: &bdquo;Damit haben die Leitlinien recht behalten. Medikamente f&uuml;r die PAH sollten nicht eingesetzt werden, wenn der Patient eine Linksherzerkrankung zeigt.&ldquo;<br /> Beim Lungenhochdruck infolge von Lungenkrankheiten wird zwischen drei zugrunde liegenden Pathologien unterschieden: COPD, interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) und der Kombination von COPD und ILD. Alle drei haben eine schlechte Prognose, die kombinierte COPD- und ILD-Pathologie jedoch die schlechteste mit einer F&uuml;nfjahressterblichkeit von fast 100 % . &bdquo;Das sind in der Regel auch die Patienten mit dem h&ouml;chsten pulmonalarteriellen Druck&ldquo;, betont Gali&egrave;. Auch bei diesen Patienten waren medikament&ouml;se Therapieversuche bislang erfolglos. So wurde k&uuml;rzlich eine Studie mit Riociguat in dieser Patientengruppe wegen erh&ouml;hter Mortalit&auml;t abgebrochen.<sup>4</sup> Auch in dieser Hinsicht entsprechen also die neueren Studienergebnisse den Empfehlungen der Leitlinien, die sich gegen einen Einsatz von PAH-Medikamenten bei Patienten mit PH infolge von Lungenkrankheiten aussprechen.</p> <h2>Neu bei CTEPH: pulmonale Ballonangioplastie</h2> <p>Deutlich besser sieht die Situation im Falle der CTEPH aus. Hier besteht seit Jahren bei geeigneten Patienten die Option der pulmonalen Endarteriektomie. Mittlerweile sind die Ballonangioplastie und die medikament&ouml;se Therapie f&uuml;r weit distale L&auml;sionen hinzugekommen. Die Zulassung von Riociguat in dieser Indikation beruht auf einer Studie mit nicht operablen CTEPH-Patienten, in der im Vergleich zu Placebo hochsignifikante Verbesserungen im Sechs-Minuten-Gehstrecken-Test erreicht werden konnten.<sup>5</sup> &bdquo;Bis jetzt haben wir allerdings keine Daten zu einem langfristigen Mortalit&auml;tsvorteil unter dieser Therapie&ldquo;, gibt Gali&egrave; zu bedenken. &bdquo;Wenn wir operieren k&ouml;nnen, ist die OP also vorzuziehen.&ldquo; K&uuml;rzlich vorgestellte Daten zeigen eine &auml;hnliche Wirksamkeit f&uuml;r Macitentan. <sup>6</sup> Als &bdquo;Newcomer&ldquo; bezeichnet Gali&egrave; die pulmonale Ballonangioplastie, ein Verfahren zur Rekanalisierung der Lungengef&auml;&szlig;e, das eine dreidimensionale Rekonstruktion des pulmonalen Gef&auml;&szlig;baums in der Bildgebung voraussetzt und bislang in diversen Fallserien bei inoperablen Patienten ausgezeichnete Ergebnisse gebracht hat.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1705_Weblinks_s20.jpg" alt="" width="1456" height="1050" /></p> <h2>Therapie der PAH: Kombinationen im Vorteil</h2> <p>Eine echte Erfolgsgeschichte ist die Therapie der PAH. Gali&egrave; verweist auf eine gro&szlig;e Zahl klinischer Studien, die zur Zulassung von mittlerweile 11 Medikamenten gef&uuml;hrt haben. Anhand ihres Wirkmechanismus lassen sich diese Medikamente in drei Gruppen einteilen: Sie greifen entweder in den Prostazyklin-Pathway, den Endothelin-Pathway oder den NO-Pathway ein. Gali&egrave;: &bdquo;Welche Ergebnisse wir damit erzielen, h&auml;ngt nicht so sehr von der gew&auml;hlten Substanz, sondern mehr von der gew&auml;hlten Strategie ab.&ldquo; So zeigt beispielsweise eine Metaanalyse f&uuml;r verschiedene Medikamente jeweils in Monotherapie eine Risikoreduktion im Hinblick auf die kurzfristige Mortalit&auml;t von 44 % .<sup>7</sup> Kam es unter Therapie zu einer Verschlechterung, wurde eine sequenzielle Therapie gew&auml;hlt, die sich ebenfalls in Studien bew&auml;hrt hatte. Eine Metaanalyse zeigt im Vergleich zur Monotherapie durch sequenzielles Add-on einer zweiten Therapie eine signifikante Reduktion des Risikos f&uuml;r klinische Verschlechterung (um 35 % ) sowie eine Reduktion der Mortalit&auml;t, die jedoch die Signifikanz verfehlte.<sup>8</sup> Mittlerweile werden auch Zulassungsstudien vor einer Hintergrundtherapie durchgef&uuml;hrt, untersuchen also eine sequenzielle Addon- Strategie. Gali&egrave; betont auch, dass Mortalit&auml;t zunehmend als Endpunkt herangezogen wird. Ein Beispiel ist die SERAPHIN- Studie, die die Kombination von Sildenafil und Macitentan mit Sildenafil plus Placebo verglichen und eine Risikoreduktion von 38 % hinsichtlich des kombinierten Endpunkts aus Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t gefunden hat.<sup>9</sup> Auch Selexipag wurde in der Zulassungsstudie in Kombination mit unterschiedlichen Hintergrundtherapien untersucht und zeigte sich um 40 % &uuml;berlegen hinsichtlich des kombinierten Morbidit&auml;ts- und Mortalit&auml;ts-Endpunktes. <sup>10</sup><br /> In der AMBITION-Studie wurde schlie&szlig;lich auch eine andere Strategie untersucht: die initiale Kombinationstherapie mit Ambrisentan und Tadalafil bei neu diagnostizierten Patienten. Im Vergleich zu einer initialen Monotherapie reduzierte diese Strategie das Risiko eines klinischen Versagens um rund 50 % .<sup>11</sup> Gali&egrave;: &bdquo;Wir sehen &auml;hnliche Effekte auch mit anderen Kombinationen. Der Vorteil liegt also in der Strategie und nicht in den spezifischen Substanzen.&ldquo; Dass es bislang nicht gelungen sei, einen signifikanten Mortalit&auml;tsvorteil durch Kombinationstherapien zu demonstrieren, sei auf die ebenfalls guten Ergebnisse und die geringe Mortalit&auml;t in den Monotherapie-Vergleichsarmen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Welche Patienten bereits initial eine Kombinationstherapie bekommen sollen, l&auml;sst sich anhand von Risiko-Charts gem&auml;&szlig; den Guidelines ermitteln.<sup>1</sup> Bei Patienten mit sehr hohem Risiko empfehlen die Leitlinien eine initiale Kombinationstherapie inklusive eines intraven&ouml;sen Prostazyklin- Analogons.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: State of the Art Session „Interstitial Lung Disease and Pulmonary Vascular Diseases“, <br>ERS International Congress, 12. September 2017, Mailand </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gali&egrave; N et al.: 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Heart J 2016; 37(1): 67-119 <strong>2</strong> Palazzini M et al.: Pulmonary hypertension due to left heart disease: analysis of survival according to the haemodynamic classification of the 2015 ESC/ERS guidelines and insights for future changes. Eur J Heart Fail 2017 [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Berme J et al.: Effect of sildenafil on clinical outcomes in patients with corrected valvular heart disease and residual pulmonary hypertension. ESC 2017, FP 3815 <strong>4</strong> Bayer Press Release 2016 <strong>5</strong> Ghofrani HA et al.: Riociguat for the treatment of chronic thromboembolic pulmonary hypertension. N Engl J Med 2013; 369(4): 319-29 <strong>6</strong> Ghofrani HA et al.: Efficacy and safety of macitentan for inoperable chronic thromboembolic pulmonary hypertension: results from the randomized controlled MERIT study. ATS 2017 <strong>7</strong> Gali&egrave; N et al.: Pulmonary arterial hypertension: from the kingdom of the near-dead to multiple clinical trial meta-analyses. Eur Heart J 2010; 31(17): 2080-6 <strong>8</strong> Lajoie AC et al.: Combination therapy versus monotherapy for pulmonary arterial hypertension: a meta-analysis. Lancet Respir Med. 2016; 4(4): 291-305 <strong>9</strong> Pulido T et al.: Macitentan and morbidity and mortality in pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 2013; 369(9): 809-18 <strong>10</strong> Sitbon O et al.: Selexipag for the treatment of pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 2015; 373(26): 2522-33 <strong>11</strong> Gali&egrave; N et al.: Initial use of ambrisentan plus tadalafil in pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 2015; 373(9): 834-44</p> </div> </p>
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