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ERS 2017

Idiopathische Lungenfibrose: eine oder mehrere Krankheiten?

<p class="article-intro">Die Taxonomie der Lungenerkrankungen ist gegenwärtig generell in Diskussion. Damit drängt sich auch die Frage auf, ob es sich bei der idiopathischen Pulmonalfi brose überhaupt um eine eigenständige Erkrankung handelt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1705_Weblinks_s15_titel.jpg" alt="" width="2352" height="1424" /></p> <p>Die Diagnose der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) hat sich &uuml;ber viele Jahre und durch viele Studien langsam herausgebildet. Prof. Dr. Bruno Crestani von der Universit&auml;t Paris Diderot weist auf eine der ersten systematischen Beschreibungen der Erkrankung (damals noch kryptogene fibrosierende Alveolitis genannt) im Jahr 1980 hin.<sup>1</sup> In dieser, die Jahre 1955 bis 1973 umfassenden, Fallserie litten 30 % der Betroffenen unter &bdquo;Arthritis&ldquo; oder anderen immunologischen Erkrankungen. Bei Patienten mit in der Lungenbiopsie nachgewiesener Fibrosierung lag das F&uuml;nf-Jahres-&Uuml;berleben in dieser Publikation bei etwas unter 50 % . Crestani: &bdquo;Das ist auch ungef&auml;hr das &Uuml;berleben, das wir heute noch sehen.&ldquo; Die Studie untersuchte auch die Zusammenh&auml;nge zwischen Patientenalter und Prognose und fand das schlechteste Outcome bei Patienten &auml;lter als 70 Jahre. Auch daran hat sich bis heute nichts ge&auml;ndert. Crestani: &bdquo;Auch wenn diese Serie zweifellos Patienten enthielt, bei denen man heute keine IPF diagnostizieren w&uuml;rde, so kann man doch davon ausgehen, dass es sich zum Teil um eine IPF-Serie gehandelt hat.&ldquo;</p> <h2>Das Konglomerat der Pathologien entwirren</h2> <p>Der Terminus idiopathische Pulmonalfibrose wurde in den USA gepr&auml;gt. Urspr&uuml;nglich umfasste er vier verschiedene Formen interstitieller Pneumonie sowie eine Reihe weiterer Erkrankungen, alle mit unterschiedlicher Genese und Prognose.<sup>2</sup> Crestani: &bdquo;Das sehen wir heute nicht mehr so.&ldquo; Allerdings war die &bdquo;usual interstitial pneumonia&ldquo; (UIP) bereits Bestandteil dieses Krankheitsbildes. Im Jahr 2000 fand eine Studie in einer Serie von Patienten mit IPF nach damaligem Verst&auml;ndnis in 55 % der F&auml;lle eine UIP. Diese Patienten hatten mit einem F&uuml;nf-Jahres-&Uuml;berleben von 43 % und einem Zehn-Jahres-&Uuml;berleben von 15 % die schlechteste Prognose.<sup>3</sup> &bdquo;Das ist die Krankheit, die wir heute als IPF bezeichnen&ldquo;, sagt Crestani. Im Gegensatz zu den UIP-Patienten waren in dieser Kohorte von den Patienten mit zellul&auml;rer nicht spezifischer interstitieller Pneumonie (NSIP) nach 10 Jahren noch alle am Leben. Im Vergleich dazu war die Prognose einer fibrotischen NSIP mit einem Zehn-Jahres-&Uuml;berleben von 35 % deutlich schlechter. Dies konnte in weiteren Studien best&auml;tigt werden. Crestani: &bdquo;NSIP kann man auch nicht als benigne Erkrankung bezeichnen.&ldquo;<br />Die heute g&uuml;ltige Definition der IPF<sup>4 </sup>stammt aus dem Jahr 2011 und bezeichnet IPF als &bdquo;spezifische Form einer chronischen, progressiv fibrosierenden interstitiellen Pneumonie unbekannter Ursache, die prim&auml;r bei &auml;lteren Erwachsenen auftritt, auf die Lunge beschr&auml;nkt bleibt und mit dem histopathologischen und/oder radiologischen Muster einer UIP assoziiert ist.&ldquo; Crestani weist auf einen wesentlichen Vorteil dieser Definition hin: F&uuml;r die Diagnose wird keine Biopsie mehr ben&ouml;tigt. Daf&uuml;r gibt es Evidenz. Studiendaten zeigen, dass sich das &Uuml;berleben von bioptisch diagnostizierten IPF-Patienten nicht vom &Uuml;berleben jener Patienten unterscheidet, bei denen die Diagnose einer IPF allein radiologisch gestellt wurde<sup>5</sup>: &bdquo;Das legt zumindest nahe, dass wir mit beiden Methoden die gleiche Krankheit diagnostizieren.&ldquo;</p> <h2>Klinische Diagnose der Histologie ebenb&uuml;rtig</h2> <p>Die Diagnose wird in der Regel mittels hochaufl&ouml;sender CT (HRCT) gestellt, wobei die UIP durch einige besondere Charakteristika, allen voran ein &bdquo;Honigwabenmuster&ldquo; (honeycombing) auff&auml;llt. Damit kann eine definitive Diagnose gestellt werden. Schwierig wird es, wenn das Bild nicht eindeutig ist. Crestani: &bdquo;Dann ben&ouml;tigen wir eine Biopsie. Allerdings biopsiere ich diese Patienten nicht gerne, und meine Patienten wollen auch keine Biopsie. Hier haben wir also Bedarf nach Verbesserungen. Interessante Ans&auml;tze, zum Beispiel auf Basis von Biomarkern, gibt es. Allerdings sind Studien dazu noch im Laufen.&ldquo; Generell zeigen Studiendaten, dass Kliniker IPF-Diagnosen zumindest so zuverl&auml;ssig stellen, wie Radiologen oder Pathologen das k&ouml;nnen. Im Falle einer NSIP ist die diagnostische Trefferquote deutlich schlechter.<sup>6</sup> Dass die aktuellen Diagnosekriterien gut sind, erkenne man, so Crestani, nicht zuletzt daran, dass man weltweit ein &auml;hnliches Verhalten der Erkrankung und insbesondere eine vergleichbare Prognose findet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1705_Weblinks_s15_2.jpg" alt="" width="1460" height="1051" /><br />Auch ein pathophysiologisches Modell der IPF wurde mittlerweile ausgearbeitet. &bdquo;Alles beginnt mit der Alteration eines Typ-2-Pneumozyten. Wie es zu dieser Alteration kommen kann, ist nicht ganz gekl&auml;rt, aber es werden mechanische, endogene und exogene Noxen verd&auml;chtigt, wobei unter Letzteren beispielsweise Tabakrauch, Viren und Bakterien in Frage kommen&ldquo;, so Crestani. Die Voraussetzung f&uuml;r die Sch&auml;digung sind allerdings genetische Faktoren sowie das Alter. In dieser Situation beginnt der Pneumozyt unter anderem Cytokine, Chemokine, Lipide, Wachstumsfaktoren etc. auszusch&uuml;tten, die letztlich zur Aktivierung, Migration und Proliferation von Fibroblasten f&uuml;hren. Es kommt zur Narbenbildung in der Lunge.<sup>7</sup> &bdquo;Wir wissen noch nicht alles, aber wir haben ein gutes pathophysiologisches Modell f&uuml;r die IPF &ndash; was auch darauf hinweist, dass es sich hier um eine pathologische Entit&auml;t handelt.&ldquo; Auch Risikogene sind mittlerweile bekannt. Die transkriptomische Signatur einer IPF-Lunge unterscheidet sich sowohl von gesunden Kontrollen als auch von einer NSIP. Auf dieser Basis besteht Hoffnung, dass eine Abgrenzung der IPF von anderen Erkrankungen wie der hypersensitiven Pneumonitis anhand von Biomarkern m&ouml;glich werden k&ouml;nnte.<br />Und nicht zuletzt weist Crestani auf die beiden zugelassenen Therapien hin, f&uuml;r die man nicht nur die Wirksamkeit demonstrieren konnte,<sup>8, 9</sup> sondern f&uuml;r die man auch ausgearbeitete pathophysiologische Konzepte hat. Pirfenidon hat antifibrotische und entz&uuml;ndungshemmende Eigenschaften und reduziert unter anderem die Akkumulation von Entz&uuml;ndungszellen und die Fibroblastenproliferation. Im Gegensatz dazu ist Nintedanib ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der unter anderem den Rezeptor f&uuml;r den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) blockiert.</p> <h2>Bleibt es auch in Zukunft bei einer einzigen IPF-Diagnose?</h2> <p>Es sei allerdings, so Crestani, gut m&ouml;glich, dass sich das Konzept der IPF in den kommenden Jahren dahingehend ver&auml;ndern wird, dass man zur Definition unterschiedlicher Subtypen kommt oder dass weitere Erkrankungen in die IPF-Definition einbezogen werden. Zu Subtypen der Erkrankung k&ouml;nne man beispielsweise &uuml;ber die Erforschung der genetischen Hintergr&uuml;nde gelangen. Allerdings habe sich bereits gezeigt, dass die Verursacher einer famili&auml;ren IPF die gleichen Gene sind wie bei der spontanen Erkrankung.<sup>10</sup> Eine andere potenzielle Subgruppe sind IPF-Erkrankungen mit definierter Grundkrankheit. Nach aktueller Definition schlie&szlig;t eine Grundkrankheit eine IPF-Diagnose aus. Entwickelt ein Patient mit rheumatoider Arthritis eine von einer IPF nicht zu unterscheidende Lungenerkrankung, so spricht man nicht von einer IPF, sondern von einer RA-ILD. Aktuelle Ergebnisse der franz&ouml;sischen TRANSLATE-Studie zeigten jedoch zur allgemeinen &Uuml;berraschung, dass bei Patienten mit RA-ILD die gleichen Mutationen gefunden werden wie bei famili&auml;rer oder spontaner IPF.<sup>11</sup> Auch die Prognose der RA-ILD mit UIP-Muster ist mit einer IPF vergleichbar.<sup>12</sup> &bdquo;Ich bin allerdings der Ansicht, dass das unterschiedliche Erkrankungen sind, zwischen denen es gewisse &Uuml;berschneidungen gibt,&ldquo; erkl&auml;rte Crestani. &bdquo;Es wird uns nicht weiterbringen, wenn wir alle fibrotischen Lungenerkrankungen in einen Topf werfen.&ldquo;<br />Bericht: Reno Barth</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: State of the Art Session „Interstitial Lung Disease and Pulmonary Vascular Diseases“, ERS International Congress, 12. September 2017, Mailand </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Turner-Warwick M et al.: Cryptogenic fibrosing alveolitis: response to corticosteroid treatment and its effect on survival. Thorax 1980; 35(8): 593-9 <strong>2</strong> Katzenstein AL, Myers JL: Idiopathic pulmonary fibrosis: clinical relevance of pathologic classification. Am J Respir Crit Care Med. 1998; 157(4 Pt 1): 1301-15 <strong>3</strong> Travis WD et al.: Idiopathic nonspecific interstitial pneumonia: prognostic significance of cellular and fibrosing patterns: survival comparison with usual interstitial pneumonia and desquamative interstitialpneumonia. Am J Surg Pathol. 2000; 24(1): 19-33 <strong>4</strong> Raghu G et al.: An official ATS/ERS/JRS/ALAT statement: idiopathic pulmonary fibrosis: evidence-based guidelines for diagnosis and management. Am J Respir Crit Care Med. 2011; 183(6): 788-824 <strong>5</strong> Mogulkoc N et al.: Pulmonary function in idiopathic pulmonary fibrosis and referral for lung transplantation. Am J Respir Crit Care Med. 2001; 164(1): 103-8 <strong>6</strong> Walsh SL et al.: Multicentre evaluation of multidisciplinary team meeting agreement on diagnosis in diffuse parenchymal lung disease: a case-cohort study. Lancet Respir Med. 2016; 4(7): 557-65 <strong>7</strong> Selman M, Pardo A: Revealing the pathogenic and aging-related mechanisms of the enigmatic idiopathic pulmonary fibrosis. an integral model. Am J Respir Crit Care Med. 2014; 189(10): 1161-72 <strong>8</strong> King TE Jr et al.: A phase 3 trial of pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med. 2014; 370(22): 2083-92 <strong>9</strong> Richeldi L et al.: Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med. 2014; 370(22): 2071-82 <strong>10</strong> Evans CM et al.: Idiopathic Pulmonary Fibrosis: A Genetic Disease That Involves Mucociliary Dysfunction of the Peripheral Airways. Physiol Rev. 2016; 96(4): 1567-91 <strong>11</strong> Juge PA et al.: Shared genetic predisposition in rheumatoid arthritis-interstitial lung disease and familial pulmonary fibrosis. Eur Respir J. 2017; 49(5) <strong>12</strong> Kim EJ et al.: Usual interstitial pneumonia in rheumatoid arthritis-associated interstitial lung disease. Eur Respir J. 2010; 35(6): 1322-8</p> </div> </p>
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