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Jenseits der «Plenary Session», aber dennoch wichtig

Neuigkeiten vom ASCO 2017 zu Tumoren von Blase, Niere und Hoden

<p class="article-intro">Auch wenn es in diesem Jahr wieder die Studien zum Prostatakarzinom waren, die das meiste Interesse während des Kongresses der American Society of Clinical Oncology (ASCO) auf sich zogen und es auch in die begehrte «Plenary Session» schafften, sind die Ergebnisse zu Tumoren von Blase, Niere und Hoden nicht weniger wichtig. Im Falle des Einsatzes von Pembrolizumab in der Zweitlinientherapie von Urothelkarzinomen konnte sogar ein neuer Therapiestandard definiert werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Pembrolizumab ist neuer Standard in der Zweitlinientherapie metastasierter Urothelkarzinome nach Versagen einer vorangegangenen Platin-haltigen Therapie.</li> <li>Pazopanib ist nicht erfolgreich als adjuvante Therapie bei Nierenzellkarzinomen.</li> <li>Die Phase-II-Studie zum Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren bei refrakt&auml;ren Hodentumoren ist negativ.</li> </ul> </div> <h2>Neuer Standard in der Zweitlinientherapie von Urothelkarzinomen</h2> <p>So ganz neu waren die Daten nicht. Bereits im &laquo;New England Journal of Medicine &raquo; waren die Daten der KEYNOTE- 045-Studie zum Einsatz von Pembrolizumab publiziert worden, einem &laquo;Programmed death (PD-1)&raquo;-Checkpoint-Inhibitor; nun wurde deren Update in der &laquo;Oral Abstract Session&raquo; des diesj&auml;hrigen ASCO-Kongresses vorgestellt.<sup>1, 2</sup> In der multizentrischen, prospektiven, unverblindeten KEYNOTE-045-Studie erhielten 542 Patienten nach Versagen einer Platinhaltigen Therapie entweder Pembrolizumab in einer Absolutdosierung von 200mg (&laquo;flat dose&raquo;) alle drei Wochen bis zum Progress bzw. f&uuml;r eine Therapiedauer von maximal zwei Jahren oder alternativ eine Chemotherapie mit Vinflunin oder einem Taxan &ndash; je nach Entscheidung des behandelnden Teams &ndash; ebenfalls bis zum Progress bzw. bis zum Auftreten nicht akzeptabler Nebenwirkungen. Die Studie wurde von der Firma Merck finanziert und zusammen mit Angestellten der Firma Merck ausgewertet und publiziert. Die prim&auml;ren Endpunkte waren das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) und das Gesamt&uuml;berleben (OS). Eingeschlossen waren nahezu ausschliesslich Patienten mit einem sehr guten ECOG Performance Status (PS), also mit PS 0 oder 1. Mehr als 80 % der Patienten in beiden Studiengruppen hatten jedoch viszerale Metastasen, und fast 90 % der Patienten hatten bereits eine Erst- oder Zweitlinientherapie erhalten. Nur wenige Patienten waren nach Versagen einer neoadjuvanten oder adjuvanten Therapie eingeschlossen worden.<br /> Die mediane Therapiedauer betrug 1,5 Monate in der Kohorte mit Chemotherapie und 3,5 Monate in der Kohorte, die das Medikament Pembrolizumab erhielt. Insgesamt erlitten 437 der 542 Patienten (81 % ) bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten einen Progress und 334 (61 % ) Patienten starben. Wie auch bei Studien zum Einsatz von Checkpoint- Inhibitoren bei anderen Entit&auml;ten, war das mediane PFS zwischen den beiden Studiengruppen mit 2,1 Monaten nach Chemotherapie versus 3,3 Monate nach Pembrolizumab statistisch nicht signifikant unterschiedlich. Jedoch war sowohl das mediane OS (7,4 vs. 10,3 Monate) als auch das OS nach 12 Monaten (43,9 vs. 30,7 % ) signifikant g&uuml;nstiger nach Therapie mit Pembrolizumab.<sup>1</sup><br /> Die Ansprechraten waren in beiden Studienarmen mit 21,1 % nach Pembrolizumab und 11,4 % nach Chemotherapie gering. Das Ansprechen nach Pembrolizumab war jedoch signifikant l&auml;nger anhaltend als nach Chemotherapie, was den Unterschied im OS zugunsten von Pembrolizumab bei fehlendem Unterschied im PFS erkl&auml;rt.<br /> Der positive Einfluss von Pembrolizumab konnte &uuml;ber alle Subgruppen hinweg beobachtet werden und war sowohl gegen&uuml;ber den Taxanen als auch gegen&uuml;ber Vinflunin nachweisbar. Der Grad der Expression des PD-1-Liganden (PD-L1) oder infiltrierender Lymphozyten im Tumor schien keinen Einfluss auf das Ergebnis zu haben. Raucher schienen etwas mehr vom Einsatz von Pembrolizumab zu profitieren als Nichtraucher.<br /> Die Therapie mit Pembrolizumab war besser vertr&auml;glich als eine Therapie mit Taxanen oder Vinflunin. W&auml;hrend Pruritus nach Pembrolizumab als einzige Nebenwirkung h&auml;ufiger war als nach Chemotherapie, traten nach Chemotherapie die bekannten Nebenwirkungen wie Alopezie, Fatigue, Asthenie, Neutropenie und periphere Polyneuropathie insgesamt signifikant h&auml;ufiger auf. Autoimmunph&auml;nomene wie Hypothyreosen und Pneumonitiden waren nach Pembrolizumab selten.<br /> Pembrolizumab ist somit der erste Checkpoint-Inhibitor, mit dem ein &Uuml;berlebensvorteil gegen&uuml;ber einer konventionellen Chemotherapie in einer Phase-III-Studie in der Zweitlinientherapie des Urothelkarzinoms gezeigt werden konnte. Zudem war Pembrolizumab besser vertr&auml;glich. Weitere Checkpoint-Inhibitoren wie Atezolizumab, Nivolumab, Durvalumab und Avelumab wurden mit &auml;hnlichem oder sogar identischem Studiendesign untersucht. Checkpoint-Inhibitoren stellen damit den neuen Therapiestandard in der Zweitlinientherapie von Urothelkarzinomen dar. Allerdings sprechen nur ca. 21 % der Patienten auf eine Therapie an. Mit zu erwartenden monatlichen Therapiekosten von ca. 10 000 CHF verteuert dieser therapeutische Fortschritt die Behandlungskosten der Zweitlinientherapie von Urothelkarzinomen zudem massiv. Eine &Uuml;bersicht &uuml;ber die derzeitigen Therapiem&ouml;glichkeiten bei metastasierten Urothelkarzinomen gibt Tabelle 1.</p> <h2>Kein Stellenwert der adjuvanten Therapie bei fortgeschrittenen Nierenzellkarzinomen</h2> <p>Nierenzellkarzinome mit schlechtem Grading (G3 oder G4), fortgeschrittener Tumorgr&ouml;sse (T3 oder T4) sowie mit nachgewiesenem Lymphknotenbefall (N1) haben trotz kompletter Resektion ein hohes R&uuml;ckfallrisiko. Bereits im Jahr 2016 wurden die Daten der prospektiven, doppelblinden ASSURE-Studie erstmals publiziert, in der die adjuvante Gabe der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) Sunitinib oder Sorafenib f&uuml;r die Dauer eines Jahres nach kompletter Resektion gegen&uuml;ber Placebo verglichen wurde. Dabei konnte f&uuml;r keinen der beiden TKI ein Vorteil gegen&uuml;ber Placebo gezeigt werden.<sup>3, 4</sup> Am diesj&auml;hrigen ASCO-Kongress wurden die Daten der PROTECT-Studie vorgestellt, in der mit nahezu identischem Design die adjuvante Gabe des TKI Pazopanib &uuml;ber ein Jahr gegen&uuml;ber Placebo verglichen worden war.<sup>5</sup><br /> In der prospektiven, randomisierten, doppelblinden PROTECT-Studie erhielten 1538 Patienten mit lokal fortgeschrittenen Nierenzellkarzinomen nach kompletter Resektion &uuml;ber ein Jahr entweder Pazopanib in einer Dosierung von 800mg bzw. 600mg pro Tag oder Placebo. Die Studie wurde zun&auml;chst mit einer Dosierung von 800mg Pazopanib pro Tag begonnen. Nach wenigen Monaten musste jedoch die Dosierung von Pazopanib wegen Nebenwirkungen auf 600mg pro Tag zur&uuml;ckgenommen werden. Prim&auml;rer Endpunkt der Studie war das krankheitsfreie &Uuml;berleben (DFS) bei einer Dosis von 600mg.<br /> F&uuml;r den prim&auml;ren Endpunkt wurde die Studie nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 30 Monaten und nach insgesamt 350 Ereignissen in einer &laquo;Intention- to-treat&raquo;-Analyse ausgewertet. Das Ergebnis war mit einer Risikoreduktion (Hazard-Ratio, HR) von 0,86 bei einer Spanne von 0,70 bis 1,06 statistisch nicht signifikant und das Ergebnis der Studie somit negativ. F&uuml;r die Untergruppen der Patienten, welche die volle Dosis von 800mg Pazopanib toleriert hatten, sowie f&uuml;r die Gesamtgruppe aller Patienten war der Unterschied knapp positiv, mit einer Reduktion des Rezidivrisikos von 31 % bei den Patienten im Studienarm mit Pazopanib gegen&uuml;ber Placebo. Das Gesamt&uuml;berleben in der Studie war ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich, jedoch war f&uuml;r eine Aussage dar&uuml;ber die Nachbeobachtungszeit zu kurz.<br /> Die PROTECT-Studie mit Pazopanib war somit f&uuml;r den prim&auml;ren Endpunkt nicht erfolgreich und erreicht damit vergleichbare Resultate wie zuvor diejenige mit den TKI Sunitinib und Sorafenib. Interessant ist, dass offenbar Nebenwirkungen bei identischer Dosierung dieser Medikamente von Patienten in der adjuvanten Situation weniger akzeptiert werden als bei metastasierter Erkrankung.<br /> Tabelle 2 fasst die Daten der drei vorliegenden Studien zur adjuvanten Therapie mit den drei TKI nach Nephrektomie zusammen. Eine adjuvante Therapie hat bis zum Vorliegen weiterer Daten keinen Stellenwert in der Behandlung lokal fortgeschrittener Nierenzellkarzinome.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_lo_onko_1705_s55_tab1+2.jpg" alt="" width="1419" height="2060" /></p> <h2>Hodentumoren &ndash; nur f&uuml;r Experten</h2> <p>Patienten mit Hodentumoren sollten grunds&auml;tzlich an einem Expertenzentrum vorgestellt werden, besonders bei Vorliegen einer metastasierten und erst recht bei rezidivierter und/oder refrakt&auml;rer Erkrankung. Wie bei anderen Krebserkrankungen auch werden vor allem bei refrakt&auml;ren Hodentumoren grosse Hoffnungen in die neuen Checkpoint-Inhibitoren gesetzt.<br /> Am diesj&auml;hrigen ASCO-Kongress wurden jetzt erstmals die Ergebnisse einer Phase-II-Studie zum Einsatz von Pembrolizumab bei Patienten mit refrakt&auml;rer, &laquo;unheilbarer &raquo; Erkrankung vorgestellt.<sup>6</sup> Trotz hoher PD-L1-Expression bei Seminomen und Nicht-Seminomen war die Studie negativ. Diese war in einem zweistufigen Design angelegt. Zun&auml;chst sollten 12 Patienten eingeschlossen werden. Bei einer Ansprechrate von mindestens 3 Patienten (25 % ) war geplant, die Studienrekrutierung fortzuf&uuml;hren; falls dieses Ziel nicht erreicht w&uuml;rde, war geplant, die Studie zu beenden. Leider erreichte keiner der 12 eingeschlossenen Patienten eine partielle oder gar komplette Remission. Bei 2 Patienten zeigte sich zwar eine radiologisch stabile Erkrankung, jedoch bei weiterhin ansteigenden Tumormarkern. Die Hoffnungen erf&uuml;llten sich daher f&uuml;r diese Patientengruppe nicht. Weitere Checkpoint-Inhibitoren werden im Rahmen sogenannter &laquo;Basket&raquo;-Studien auch bei Patienten mit refrakt&auml;ren Hodentumoren untersucht. Es bleibt abzuwarten, ob diese Checkpoint- Inhibitoren wirksamer sind.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bellmut J et al.: Pembrolizumab as second-line therapy for advanced urothelial carcinoma. New Engl J Med 2017; 376: 1015-26 <strong>2</strong> Bajorin DF et al.: Planned survival analysis from KEYNOTE-045: phase 3, open-label study of pembrolizumab (pembro) versus paclitaxel, docetaxel, or vinflunine in recurrent, advanced urothelial cancer (UC). J Clin Oncol 2017; 35 (suppl; abstr 4501) <strong>3</strong> Haas NB et al.: Adjuvant sunitinib or sorafenib for high-risk, non-metastatic renal-cell carcinoma (ECOG-ACRIN E2805): a doubleblind, placebo-controlled, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 387: 2008-16 <strong>4</strong> Haas NB et al.: Adjuvant treatment for high-risk clear cell renal cancer updated results of a high-risk subset of the ASSURE randomized trial. JAMA Oncol 2017; doi: 10.1001/jamaoncol.2017.0076 [Epub ahead of print] <strong>5</strong> Motzer RJ et al.: Randomized phase III trial of adjuvant pazopanib versus placebo after nephrectomy in patients with locally advanced renal cell carcinoma (RCC) (PROTECT). J Clin Oncol 2017; 35 (suppl; abstr 4507) <strong>6</strong> Adra N et al.: Phase II trial of pembrolizumab in patients (pts) with incurable platinum refractory germ cell tumors (GCT). J Clin Oncol 2017; 35 (suppl; abstr 4520) <strong>7</strong> Ravaud A et al.: Adjuvant sunitinib in high-risk renal-cell carcinoma after nephrectomy. N Engl J Med 2016; 375: 2246-54 <strong>8</strong> Galsky et al.: Treatment of patients with metastatic urothelial cancer &raquo;unfit&rdquo; for Cisplatin-based chemotherapy. J Clin Oncol 2011; 29: 2432-8</p> </div> </p>
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