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Alkoholabhängigkeit und Therapieansätze

<p class="article-intro">Sucht hat biologische Grundlagen und wird in der Regel vom sozialen Umfeld erlernt. Einige psychische Störungen prädisponieren zusätzlich für ein Abdriften in die Alkoholsucht. Eine Kombination aus Pharmakotherapie und Psychotherapie kann die Lebenserwartung und -qualität erhöhen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bereits in der Kindheit und Jugend bestehen Beziehungen zu Personen, die abh&auml;ngiges oder s&uuml;chtiges Verhalten zeigen (Modelllernen). H&auml;ufig finden sich auch schwere soziale St&ouml;rungen in Herkunftsfamilien, oft auch kombiniert mit psychischen St&ouml;rungen. Allgemeine Kompetenzen zur Alltagsbew&auml;ltigung fehlen oder sind nur gering vorhanden. Es bestehen Defizite in der Selbstsicherheit und in der F&auml;higkeit, Beziehungen aufzubauen und zu leben. Eine kritische Einstellung zu Konsumverhalten im Allgemeinen und zum Konsum von Alkohol oder Nikotin ist oft nicht zu erwarten. Wenn es dann zu Krisensituationen kommt (Todesfall, Arbeitsplatzverlust, Wertekrise, Reifungskrise, Schmerzzust&auml;nde usw.), wird das Suchtmittel als Versuch zur Selbstbehandlung eingesetzt. Au&szlig;erdem wird Alkohol im Umfeld der Betroffenen oft verharmlost und dient als &bdquo;Bindemittel&ldquo; f&uuml;r eine soziale Bezugsgruppe (Freundeskreis, Familie, Kollegen).<br />Psychische St&ouml;rungen, wie etwa Depressionen, Schlafst&ouml;rungen, Angstst&ouml;rungen etc., k&ouml;nnen in die Sucht f&uuml;hren. Jeder dieser Faktoren f&uuml;r sich kann schon in die Alkoholabh&auml;ngigkeit f&uuml;hren. Eine Verbindung mehrerer der genannten Faktoren f&ouml;rdert die Suchtwahrscheinlichkeit enorm. Dennoch ist noch nicht hinreichend bekannt, warum Menschen letztlich s&uuml;chtig werden oder unter &auml;hnlichen Bedingungen nicht s&uuml;chtig werden. Der fr&uuml;hestm&ouml;gliche (und notwendige) Zeitpunkt f&uuml;r Hilfe ist den S&uuml;chtigen und ihrer Umwelt oft nicht oder nur vage bekannt. Die Verheimlichung wird oft selbst zum Symptom. Leichtfertige Ausreden verz&ouml;gern effiziente Hilfe oft um Jahre. Daher sind speziell am Beginn niederschwellige Angebote enorm wichtig (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1704_Weblinks_s44_1.jpg" alt="" width="1417" height="1025" /></p> <h2>Entzug (maximal 2 Wochen)</h2> <p>Die Anwendung von Benzodiazepinen ist international anerkannt, f&uuml;hrt jedoch immer wieder zur Entwicklung von kombinierten S&uuml;chten (Alkohol plus Benzo&shy;diazepine). Daher widmete sich die Forschung wieder mehr dem Bereich &bdquo;Alkoholentzug&ldquo;. Eine deutliche Erleichterung konnte mit der Substanz Gammahydroxybutters&auml;ure, als orale L&ouml;sung einzunehmen, gefunden werden. Sie hat keine sedierende Wirkung und l&ouml;st dennoch die Entzugssymptome. So kann bereits in der Entzugsphase, bei nicht sediertem Zustand, Motivationsarbeit geleistet werden.</p> <h2>R&uuml;ckfallprophylaxe</h2> <p>Waren es anfangs abstinenzerhaltende Mittel (Disulfiram, Antabus), so kamen Jahrzehnte sp&auml;ter Pharmaka auf den Markt, welche die Gier nach Alkohol, das &bdquo;Craving&ldquo;, verringern konnten, wie Naltrexon, Nalmefen und Acamprosat (im Handel: ReVia, Selincro und Campral). Diese Medikamente werden heute typenspezifisch eingesetzt (Tab. 2). <br />In den letzten Jahren bem&uuml;hte man sich auch um Alkoholreduktion als eigene Therapievariante. Man hatte erkannt, dass nur wenige Patienten eine immerw&auml;hrende Abstinenz erreichen k&ouml;nnen und dass es Zeitunterschiede im Reduzieren und Beenden des Konsums gibt. Vor allem aber hatte man erkannt, dass Sucht ein h&ouml;chst individuelles Ph&auml;nomen ist. Die Therapie muss daher ebenso individuell gestaltet werden. Und vermutlich stehen wir jetzt an der Schwelle zum n&auml;chsten Thema: Substitution bei Alkoholabh&auml;ngigen. Eine Substanz, die sich daf&uuml;r eignen w&uuml;rde, ist z.B. Gammahydroxybutters&auml;ure (im Handel als Alcover-Sirup).</p> <h2>Bew&auml;ltigung einer Alkoholabh&auml;ngigkeit</h2> <p>Sucht ist eine Erkrankung und braucht eine klare Medikation (Medikamente f&uuml;r den Entzug, dann f&uuml;r die Basisst&ouml;rung und f&uuml;r die R&uuml;ckfallprophylaxe). Abh&auml;ngigkeit ist ein Hilfeschrei bei Defiziten, Leere, Problemen, Konflikten. Das Suchtverhalten ist ein misslungener Selbstbehandlungsversuch, ein Versuch, Probleme zu l&ouml;sen, sich zu verstecken, seiner Ohnmacht zu entkommen. Die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach erneutem Suchtverhalten und der Abstinenz begleitet die gesamte Heilungsphase und macht sich oft auch noch Jahre danach &uuml;berraschend bemerkbar. Der zur Bew&auml;ltigung von jeglicher Sucht notwendige Ver&auml;nderungsprozess sucht nach Gr&uuml;nden, wof&uuml;r das Suchtverhalten aufrechterhalten wurde/wird, sucht z.B. nach L&ouml;sungen von Beziehungskonflikten, Arbeitsproblemen, nach Symptomreduktion, nach besserer Gestaltung sozialer Probleme, nach Alternativen zur Alkoholabh&auml;ngigkeit. Eine Verinnerlichung solcher L&ouml;sungsstrategien wird angestrebt.</p> <h2>Der R&uuml;ckfall als Teil des Krankheitsverlaufes</h2> <p>Das st&auml;ndige Betonen der Vermeidung des R&uuml;ckfalls tr&auml;gt mehr zum R&uuml;ckfall bei als zur Abstinenz (&auml;hnlich wie: &bdquo;Dieser Flug ist ein Nichtraucherflug&ldquo;, &bdquo;Trinken Sie nicht&ldquo; oder &bdquo;Denken Sie nicht an ein rosa Nilpferd&ldquo;). Gunther Schmid nannte den R&uuml;ckfall &bdquo;einen Vorfall, der zeigt, dass noch einiges zu tun ist&ldquo;. Gemeint ist, dass der R&uuml;ckfall als etwas N&uuml;tzliches neu interpretiert werden sollte, aus dem Lernerfahrungen generiert werden k&ouml;nnen, die zur Bew&auml;ltigung der Abh&auml;ngigkeit beitragen. Selbstverantwortung und Selbstkontrolle sollen weiter gef&ouml;rdert werden, da sie jeder Kontrolle von au&szlig;en vorzuziehen sind.</p> <h2>Psychotherapie von Alkoholabh&auml;ngigkeit</h2> <p>Meist reicht ambulante Psychotherapie aus. Eine station&auml;re Psychotherapie sollte dann in Betracht gezogen werden, wenn es keine soziale Unterst&uuml;tzung im Umfeld gibt oder wenn die Partnerin/der Partner selbst abh&auml;ngig ist. Zahlreiche R&uuml;ckfallausl&ouml;ser in der Alltagsumgebung sowie misslungene ambulante Psychotherapien sprechen ebenfalls f&uuml;r eine station&auml;re Psychotherapie.</p> <h2>Psychotherapie bei Sucht und Abh&auml;ngigkeit</h2> <p>Es werden zun&auml;chst die individuellen Probleme herausgearbeitet und daf&uuml;r individuelle Behandlungsschritte geplant und durchgef&uuml;hrt. <br />1. Problemanalyse: In der Problemanalyse wird erarbeitet, warum die Sucht existiert und auch wann und wie sie entstanden ist (Einsicht in die Funktion des Suchtmittels finden). <br />2. Da der innere Druck gro&szlig; ist, mit dem Suchtverhalten weiterzumachen, wird zun&auml;chst an der Motivation zur Ver&auml;nderung gearbeitet (F&ouml;rderung der Ver&auml;nderungsbereitschaft).<br />3. Gemeinsames Therapieziel und Schritte zu dessen Erreichung festlegen.<br />4. Arbeit an den Ausl&ouml;sern, die immer wieder zum R&uuml;ckfall gef&uuml;hrt haben und weiterhin dazu f&uuml;hren werden.<br />5. Umgang mit der Grundst&ouml;rung (z.B. Angst) und Aufbau eines positiven Selbstbildes.<br />In der Psychotherapie soll nicht nur alkoholzentriert gearbeitet werden, sondern es sollen vor allem Probleme und Konflikte bearbeitet werden, die im Zusammenhang mit der Sucht stehen: z.B. Depressionen, &Auml;ngste, soziale Isolation, Arbeits- oder Schulprobleme, Freizeitdefizite, Partnerschaftsprobleme, sexuelle St&ouml;rungen, k&ouml;rperliche oder psychosomatische Erkrankungen, soziale &Auml;ngste und weitere psychiatrische St&ouml;rungen.<br />Mit diesem kombinierten pharmakotherapeutisch-psychotherapeutischen Ansatz k&ouml;nnen die Lebenserwartung und -qualit&auml;t erh&ouml;ht werden. R&uuml;ckf&auml;lle geh&ouml;ren, wie bei rezidivierenden Depressionen, zum Krankheitsbild. &lt;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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