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Abklärung und Therapie der Harninkontinenz bei multimorbiden älteren Patienten

<p class="article-intro">Die Harninkontinenz gehört noch immer zu den großen Herausforderungen der Altersmedizin. Nicht selten fühlen sich die behandelnden Personen durch die komplexe Situation der multimorbiden älteren Patienten mit ihrer langen Liste an körperlichen und funktionellen Einschränkungen, Krankheitsdiagnosen und Medikamenteneinnahmen überfordert. Daher empfehlen nationale und internationale Fachgesellschaften ein definiertes systematisches Vorgehen bei der Abklärung und Therapie.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Harninkontinenz sollte heute nicht mehr als Krankheit im eigentlichen Sinne betrachtet werden. Sie ist vielmehr ein Symptom, die komplexe Folge verschiedener zugrunde liegender und sich potenziell gegenseitig verst&auml;rkender alters- und krankheitsbedingter Faktoren. Viele davon betreffen nicht direkt den Urogenitaltrakt, k&ouml;nnen aber dennoch eine Inkontinenz ausl&ouml;sen oder verschlechtern. <br /> Die h&auml;ufigsten zugrunde liegenden Ursachen und aggravierenden Faktoren k&ouml;nnen in vier Gruppen zusammengefasst werden:</p> <ul> <li class="Copy-Liste">Ursachen im Urogenitalbereich (Harnwegsinfekte, vulvovaginale Schleimhautdystrophien und lokale Infektionen, Beckenbodenschw&auml;che, Stuhlverstopfungen, lumbopelvische Schmerzen u.v.a.)</li> <li class="Copy-Liste">St&ouml;rungen in der neuronalen Steuerung (Demenzen, Morbus Parkinson, Depressionen, Schlafst&ouml;rungen, Einnahme von psychotropen Medikamenten, u.v.a.)</li> <li class="Copy-Liste">Altersabh&auml;ngige Erkrankungen und funktionelle Defizite (Herzinsuffizienz, chronischer Husten, Diabetes mellitus, Mobilit&auml;tseinschr&auml;nkungen, Allgemeinschw&auml;che u.v.a.)</li> <li class="Copy-Liste">Medikamentennebenwirkungen (Tab.)</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1705_Weblinks_s40.jpg" alt="" width="1417" height="965" /></p> <h2>Ursachensuche mittels Harninkontinenz-Assessment</h2> <p>Mithilfe eines gut geplanten Harninkontinenz-Assessments kann in jeder &auml;rztlichen Praxis oder station&auml;ren Einrichtung kosten- und zeiteffizient eine systematische Suche nach m&ouml;glichen zugrunde liegenden Ursachen begonnen werden. Obwohl ein Harninkontinenz-Assessment je nach den zur Verf&uuml;gung stehenden M&ouml;glichkeiten individuell zusammengestellt werden kann, sollten eine Harnuntersuchung, eine Restharnbestimmung, eine gezielte Anamnese und k&ouml;rperliche Untersuchung immer dabei sein. <br /> Zur Erleichterung der Anamneseerhebung k&ouml;nnen vorgedruckte Frageb&ouml;gen und Angaben aus Arztbriefen und Krankendokumentationen verwendet werden. Idealerweise sollten folgende Punkte abgefragt werden: Leidensdruck, Miktionsanamnese (subjektive Beschwerden, Miktionsfrequenz am Tag und in der Nacht, Miktions- und Inkontinenzmengen, Dysurie, Gef&uuml;hl der inkompletten Entleerung), bisherige Versorgung der Inkontinenz, Trinkanamnese, Stuhlverhalten.<br /> Eine gezielte k&ouml;rperliche Untersuchung mit Inspektion und Palpation der Genitalregion ist vor allem bei Frauen eine unabdingbare Voraussetzung f&uuml;r jedes weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. Dabei k&ouml;nnen unter anderem Ver&auml;nderungen der Haut und Schleimhaut, Organsenkungen, Verletzungen oder Narben gefunden werden. Mit einer digitalen vaginalen Palpation k&ouml;nnen Schmerzen und die F&auml;higkeit oder Unf&auml;higkeit zu einer korrekten Kontraktion der Beckenbodenmuskeln festgestellt werden. Eine anale Palpation sollte zum Ausschluss von Stuhlimpaktionen im Rektum durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Die drei S&auml;ulen der Therapie</h2> <h2>Ursachen beseitigen</h2> <p>Aus dem Verst&auml;ndnis der Harninkontinenz als Symptom ergibt sich von selbst, dass der wichtigste Therapieansatz in der Behandlung und Beseitigung von zugrunde liegenden Ursachen und aggravierenden Faktoren besteht. Harnwegsinfekte k&ouml;nnen antibiotisch behandelt werden. Lokale &Ouml;strogenmangelzust&auml;nde und Infektionen bessern sich durch Applikation von &Ouml;stradiolpr&auml;paraten und erregerabh&auml;ngigen Therapien. Stuhlverstopfungen, Schmerz- und Irritationszust&auml;nde im kleinen Becken, Prostatahyperplasien und Tumoren m&uuml;ssen zielgerichtet behandelt werden. <br /> Wenn n&auml;chtliche Polyurie und Inkontinenzepisoden im Vordergrund der beklagten Symptome stehen, muss die kardiale Situation evaluiert werden. Durch die alters- und krankheitsabh&auml;ngige Einschr&auml;nkung der diastolischen Relaxationsf&auml;higkeit des Herzens kann es im Laufe des Tages zur Retention von Fl&uuml;ssigkeit kommen, die in der Nacht wieder ausgeschieden werden muss. Durch die Gabe von niedrig dosierten Diuretika am Morgen, Verordnen von St&uuml;tzstr&uuml;mpfen und Ersetzen von Medikamenten, die die Fl&uuml;ssigkeitsretention verst&auml;rken k&ouml;nnen (Kalziumkanalblocker, NSAR, einige Antidiabetika oder Antiepileptika), kann die n&auml;chtliche Harnausscheidung verringert werden. Verbesserung der Schlafqualit&auml;t und noch einmal eine ausreichende Stuhlregulierung k&ouml;nnen die Symptome noch weiter verbessern.</p> <h2>Drangsymptome lindern</h2> <p>Meistens werden die f&uuml;r die Patienten qu&auml;lenden Drangsymptome schon durch die Beseitigung der oben angef&uuml;hrten Ursachen gelindert. Weitere Verbesserungen k&ouml;nnen durch das Anpassen der Fl&uuml;ssigkeitszufuhr, ein Blasentraining mit Blasenentleerung zu bestimmten festgelegten Zeiten und das Erlernen von Drangbeherrschungsma&szlig;nahmen erreicht werden. Das Blasentraining kann medikament&ouml;s durch anticholinerg wirksame Pr&auml;parate unterst&uuml;tzt werden. Allerdings limitieren die h&auml;ufigen anticholinergen Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Sehst&ouml;rungen, Verschlechterung der kognitiven Situation) oft den Einsatz bei &auml;lteren Patienten.</p> <h2>Verschlussmechanismen verbessern</h2> <p>Leider wissen &auml;ltere Menschen oft nicht, was sie tun sollen, wenn sie dazu aufgefordert werden, die Beckenbodenmuskeln anzuspannen, um einen Harndrang zu unterdr&uuml;cken oder einen unfreiwilligen Harnabgang beim Husten zu verhindern. Sie k&ouml;nnen es aber lernen, wenn sie mit den richtigen Worten dazu angeleitet werden, die vorderen Beckenbodenmuskeln um die Scheide und die Harnr&ouml;hre bei der Ausatmung zu kontrahieren und hochzuziehen. Dann k&ouml;nnen durch eine einfache nebenwirkungsfreie Ma&szlig;nahme nicht nur eine erstaunliche Verbesserung der Blasenentleerung, sondern auch eine Kr&auml;ftigung der Becken- und Bauchmuskeln erreicht werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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