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Soll ich – soll ich nicht?

Nephrologie und Angioplastie

<p class="article-intro">In der täglichen Praxis beschäftigt uns häufig die Frage nach der Indikation für die Zuweisung zur spezialärztlichen Mitbeurteilung. So auch bei Patienten mit Nierenproblemen: Wann sollte der Nephrologe zu Rate gezogen werden? Und bringt das überhaupt etwas in Bezug auf harte Endpunkte? Zur Behandlung von Nierenarterienstenosen: Wann ist eine Dilatation wirklich indiziert? Oder ist ein konservatives Management doch besser?</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Zuweisung in die nephrologische Sprechstunde sp&auml;testens bei eGFR &lt;30ml/min</li> <li>Bei Hypertonie, insbesondere mit koexistenter Albuminurie, und bei Diabetikern konsequenter Einsatz einer RAAS-Blockade (ACE-Hemmer oder Sartan)</li> <li>Im Rahmen der Abkl&auml;rung sekund&auml;rer Hypertonieursachen auch Suche nach Nierenarterienstenosen und interdisziplin&auml;rer Entscheid f&uuml;r die Behandlung dieser Stenosen &ndash; meist ist ein konservatives Management einer Angioplastie vorzuziehen.</li> </ul> </div> <h2>Fallbericht</h2> <h2>Anamnese und Befunde</h2> <p>Die Zuweisung der 56-j&auml;hrigen Patientin erfolgte zur Blutdruck- und Blutzucker- einstellung. Langj&auml;hrige Hypertonie- anamnese und zuletzt Hypertonie Grad 2 unter antihypertensiver Zweifachtherapie (Calciumantagonist und Betablocker). 1988 Erstdiagnose eines Diabetes mellitus, Insulintherapie seit 1999 (HbA<sub>1c</sub>-Wert 8,1 % ); keine Sekund&auml;rkomplikationen.<br />An relevanten Begleiterkrankungen war neben einer koronaren Herzerkrankung eine chronisch progrediente Niereninsuffizienz mit positivem Eiweissnachweis im Streifentest bekannt.<br />Bei den Abkl&auml;rungen fiel eine schwere Niereninsuffizienz mit nephrotischer Proteinurie (CKD Stadium G4 A3) auf. Ein eigentliches nephrotisches Syndrom (Trias Proteinurie, Hypoalbumin&auml;mie, &Ouml;deme) lag nicht vor. Das Urinsediment war bland, sonomorphologisch Nachweis eines m&auml;ssigen Nierenparenchymschadens und leichte Differenz der Poldistanzen (links 9cm, rechts 10cm). Die Duplexsonografie der Nierenarterien zeigte links eine mindestens 70 % ige arteriosklerotische Nierenarterienstenose. Der Widerstandsindex betrug links 0,59 und rechts 0,71, sodass wir aufgrund der apparativen Untersuchungen von einer relevanten Nierenarterienstenose links ausgingen.</p> <h2>Beurteilung</h2> <p>Pr&auml;terminale Niereninsuffizienz unter hypertensiven Blutdruckwerten mit Nachweis einer einseitigen Nierenarterienstenose. Was tun?</p> <h2>Differenzialdiagnose und weitere Abkl&auml;rungen</h2> <p>In Bezug auf die Entit&auml;t der Nephropathie kamen differenzialdiagnostisch in erster Linie eine Nephroangiosklerose bei langj&auml;hriger Hypertonie oder eine diabetische Nephropathie in Betracht. Die h&auml;ufig mit einer diabetischen Nephropathie assoziierten Stigmata einer beidseitigen Nierenhypertrophie und einer begleitenden diabetischen Retinopathie fehlten bei unserer Patientin. Die ausgepr&auml;gte Albuminurie k&ouml;nnte auch vor dem Hintergrund einer sekund&auml;ren fokal segmentalen Glomerulosklerose (FSGS) erkl&auml;rt werden, wie sie h&auml;ufig bei verschiedenen Nierenerkrankungen im Endstadium aufgrund eines glomerul&auml;ren Hyperfiltrationsschadens beobachtet wird. Wir entschieden uns f&uuml;r die Durchf&uuml;hrung einer Nierenbiopsie links mit zwei Fragestellungen: <br />1. Identifizierung der Nierengrunderkrankung. Da die Patientin f&uuml;r eine Nierentransplantation qualifiziert, ist es in Hinblick auf ein m&ouml;gliches Rekurrenzrisiko im Transplantat opportun, die Nierenpathologie zu kennen.<br />2. Aussage &uuml;ber die Chronizit&auml;t und Reversibilit&auml;t des Nierenschadens zur Absch&auml;tzung der Prognose und potenziellen Effektivit&auml;t einer Dilatation der stenosierten Nierenarterie <br />In den feingeweblichen Untersuchungen des Nierengewebes zeigten sich eine schwere Nephroangiosklerose als Folge der arteriellen Hypertonie und auch eine beginnende diabetische Nephropathie (nodul&auml;re Glomerulosklerose Kimmelstiel- Wilson), daneben ein hoher Anteil ver&ouml;deter Glomerula und viel Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose als Ausdruck der Chronizit&auml;t der Nierenerkrankung.</p> <h2>Behandlung</h2> <p>Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz begleitet von hypertensiven Blutdruckwerten ist in Bezug auf die Physiologie bekannt, dass nach erfolgreicher Blutdruckeinstellung (welche zur Verhinderung von kardiovaskul&auml;ren Ereignissen priorit&auml;r ist) aufgrund der Reduktion des glomerul&auml;ren Filtrationsdruckes auch die GFR abfallen wird. Blieb also die Frage: K&ouml;nnen wir uns mittels Angioplastie der Nierenarterienstenose Nierenfunktion und Zeit erkaufen und zus&auml;tzlich die Blutdrucksituation verbessern? Da wir nach Blutdruckeinstellung von einer Dialyse- indikation ausgingen, die noch relativ niedrigen Widerstandsindices auf der nichtstenosierten rechten Niere f&uuml;r eine funktionelle Reserve sprachen<sup>1</sup> und wir bioptisch zwar viel Chronizit&auml;t, allerdings auch ein Verbesserungspotenzial der Nierenfunktion sahen, entschieden wir uns f&uuml;r eine Angioplastie der Nierenarterie. Begleitend wurden ein ACE-Hemmer (Indikation: grunds&auml;tzliche Erstlinienthe-rapie bei arterieller Hypertonie mit Proteinurie, Diabetes und Nierenarterienstenose) sowie ein Statin (Indikation: Fettstoffwechselst&ouml;rung und generalisierte Arteriosklerose sowie Minimierung des Risikos von Cholesterinembolien im Rahmen der Katheterintervention) begonnen.</p> <h2>Verlauf</h2> <p>Nach erfolgter Dilatation der Nierenarterienstenose (Abb. 1) kam es einerseits zu einer Konsolidierung der Blutdrucksituation und andererseits zu einer Verbesserung der Nierenfunktion (eGFR nach CKD-EPI vor Intervention 6ml/min, nach Intervention 15ml/min). Aktuell wird die Patientin f&uuml;r eine Nierentransplantation abgekl&auml;rt. Als &uuml;berbr&uuml;ckendes Dialyseverfahren bis zur Transplantation optiert die Patientin f&uuml;r eine Peritonealdialyse-Behandlung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s40.jpg" alt="" width="1417" height="998" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die fr&uuml;hzeitige Zuweisung zur nephrologischen Mitbetreuung ist Prognose-bestimmend und nach internationalen Richtlinien (KDIGO 20122, Abb. 2) sp&auml;testens bei einer eGFR &lt;30ml/min empfohlen. Ferner sollten eine Albuminurie wie auch eine glomerul&auml;re H&auml;maturie abgekl&auml;rt werden. Auch eine therapierefrakt&auml;re Hypertonie, Nephrolithiasis, heredit&auml;re Nierenerkrankungen (z.B. ADPKD) rechtfertigen eine nephrologische Konsultation. <br />In der Nierensprechstunde stellt sich zun&auml;chst die Frage nach der Ursache der Nierenerkrankung und es erfolgt die Indikationsstellung f&uuml;r eine allf&auml;llige Nierenbiopsie. Danach steht neben der Behandlung der Sekund&auml;rkomplikationen (renale An&auml;mie, renale Osteodystrophie, arterielle Hypertonie und metabolische Azidose) eine Progressionsverz&ouml;gerung der Nierenerkrankung im Zentrum der Betreuung. Dazu geh&ouml;ren neben einer m&ouml;glichst kausalen Therapie Massnahmen wie eine optimierte Blutdruckeinstellung, bei Diabetikern eine ad&auml;quate Blutzuckerkontrolle, die Behandlung von Fettstoffwechselst&ouml;rungen sowie die Initiierung von Lebensstilver&auml;nderungen und die Information &uuml;ber potenzielle Nephrotoxine (z.B. NSAR). Ferner erfolgen eine Aufkl&auml;rung &uuml;ber die m&ouml;glichen Verl&auml;ufe der Erkrankung sowie die fr&uuml;hzeitige Orientierung &uuml;ber die Optionen f&uuml;r Nierenersatzverfahren (H&auml;modialyse, Peritonealdialyse, Transplantation). Diese k&ouml;nnen dann ad&auml;quat vorbereitet werden: Im Falle einer gew&uuml;nschten H&auml;modialysebehandlung sollte fr&uuml;hzeitig operativ ein Gef&auml;sszugang (arterioven&ouml;se Fistel) angelegt werden, im Falle einer Transplantation k&ouml;nnen die notwendigen Abkl&auml;rungen von Empf&auml;nger und Spender sorgf&auml;ltig geplant werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s40_2.jpg" alt="" width="1419" height="1256" /><br />Bei unserer Patientin zeigte sich bioptisch eine diabetische Nephropathie. Der klassische Verlauf der &laquo;Zuckerniere&raquo; imponiert zun&auml;chst durch tiefnormale Serumkreatininwerte (als Ausdruck einer kompensatorischen Hyperfiltration &ndash; die Niere ist allerdings bereits krank). Parallel zeigt sich eine zunehmende Albuminurie, welche als Mikroalbuminurie bereits lange vor dem Kreatininanstieg nachweisbar ist. Es besteht eine strenge Indikation f&uuml;r eine RAAS-Blockade, einerseits zur Blutdruckeinstellung, andererseits zur Reduktion der auch prognostisch wichtigen Proteinurie. Rasch progrediente Verl&auml;ufe k&ouml;nnen innerhalb weniger Jahre von einer normalen Nierenfunktion zur terminalen Niereninsuffizienz f&uuml;hren.<br />Die Therapie von relevanten Nierenarterienstenosen hat sich im Verlauf der letzten Jahre stark gewandelt. W&auml;hrend die Indikation f&uuml;r Angioplastien zuvor inflation&auml;r gestellt wurde, weisen die Daten der STAR-3 und ASTRAL-Studie<sup>4 </sup>(2009) und der grossen CORAL-Studie5 von 2014 sowie einer aktuellen kumulativen Metaanalyse<sup>6</sup> darauf hin, dass ein konsequentes konservatives Management (inkl. optimierter Blutdruckkontrolle mittels RAAS-Blockade, bedarfsweise erg&auml;nzt mit einem Thiaziddiuretikum, Calciumantagonisten oder Aldosteronantagonisten) in den meisten F&auml;llen einer Angioplastie &uuml;berlegen ist. In der Praxis k&ouml;nnen allerdings nach sorgf&auml;ltiger Pr&uuml;fung folgende Patientengruppen dennoch von einer Angioplastie profitieren: therapierefrakt&auml;re Hypertonie, rezidivierendes &laquo;flash pulmonary edema&raquo; (Lungen&ouml;dem) oder sich rasch verschlechternde Nierenfunktion. In unserer Institution wird der Entscheid f&uuml;r eine Ballonangioplastie bei relevanten Nierenarterienstenosen im Rahmen eines interdisziplin&auml;ren Hypertonie-Boards gef&auml;llt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Radermacher J et al: Use of Doppler ultrasonography to predict the outcome of therapy for renal-artery stenosis. N Engl J Med 2001; 344: 410-7 <strong>2</strong> Kidney Disease: Improv- ing Global Outcomes (KDIGO) CKD Work Group: KDIGO Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Kidney Int 2013; 3(Suppl): 1-150 <strong>3</strong> Bax L et al: Stent placement in patients with atherosclerotic renal artery stenosis and impaired renal function: a randomized trial. Ann Intern Med 2009; 150: 840-8 <strong>4</strong> Wheatley K et al: Revascularization versus medical therapy for renal-artery stenosis. N Engl J Med 2009; 361: 1953-62 <strong>5</strong> Cooper CJ et al: Stenting and medical ther-apy for atherosclerotic renal-artery stenosis. N Engl J Med 2014; 370: 13-22 <strong>6</strong> Raman G et al: Comparative effectiveness of management strategies for renal artery stenosis: an updated systematic review. Ann Intern Med 2016; 165: 635-49</p> </div> </p>
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