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Chronische Vaginalinfektionen

Ohne Mikroskop geht es nicht

<p class="article-intro">Scheideninfektionen sind noch immer ein Tabuthema. Dabei leidet fast jede Frau mindestens einmal im Leben daran. Treten solche Infektionen wiederholt auf, beeinträchtigt dies die Lebensqualität der Betroffenen, aber auch ihrer Partner erheblich. Viele Frauen versuchen zunächst, sich mit „Hausmitteln“ selbst zu behandeln. Oft dauert es sehr lange, bis die Patientinnen eine adäquate Therapie erhalten, denn am Anfang steht die korrekte Diagnose durch den Gynäkologen, wie Prof. Armin Witt betont.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Sie sehen in Ihrer Ordination viele chronische Vaginalinfektionen. Wie gehen Sie diagnostisch vor?<br />Am Anfang steht immer eine umfassende Anamnese. Da einige meiner Patientinnen bereits l&auml;ngere Zeit an den Beschwerden leiden, bringen sie auch die Vorbefunde mit, die ich mir anschaue. Daran schlie&szlig;t eine sorgf&auml;ltige klinische Untersuchung an, bei der auch ein Abstrich abgenommen wird. Um eine korrekte Diagnose zu stellen, ist es unerl&auml;sslich, sich diesen nach einer Gramf&auml;rbung unter dem Mikroskop anzusehen. Nat&uuml;rlich kann man auch nativ mikroskopieren, aber beurteilt sollte immer nach den Spiegel- oder Nugent-Kriterien werden, denn nur so k&ouml;nnen Art und Grad der Infektion bestimmt werden. Wichtig ist nat&uuml;rlich auch, andere Ursachen f&uuml;r die Beschwerden auszuschlie&szlig;en, zum Beispiel einen &Ouml;strogenmangel oder Hautkrankheiten wie Lichen sclerosus oder Psoriasis. Handelt es sich eindeutig um eine Infektion, die bereits l&auml;ngere Zeit besteht, kann das Anlegen einer Kultur hilfreich sein.</p> <p><strong><em>Wie lange dauert es im Schnitt, bis eine endg&uuml;ltige Diagnose mit Erregerbestimmung vorliegt?</em></strong><br />Das ist innerhalb von 24 Stunden m&ouml;glich, wenn man die Abstriche selbst f&auml;rbt. Das ist eine Sache von wenigen Minuten. In meiner Ordination mache ich das am Ende des Tages. Ich f&auml;rbe alle Abstriche, die ich an dem Tag genommen habe, und schaue sie mir anschlie&szlig;end unter dem Mikros&shy;&shy;&shy;kop an.</p> <p><strong><em>Welche pathogenen Erreger finden sich am h&auml;ufigsten?</em></strong><br />Am h&auml;ufigsten sind verschiedene Hefepilze wie Candida albicans, Candida glabrata, Candida krusei und andere. Es kommen aber auch bakterielle Infektionen vor. Die bakterielle Vaginose ist ein Missverh&auml;ltnis der Bakterien in der Scheidenflora, also wenn anaerobe Keime wie Gardnerella, Bacteroides etc. &uuml;berwiegen und die Laktobazillen verdr&auml;ngen. H&auml;ufig finden sich in den Abstrichen auch Streptokokken, Staphylokokken, Ureaplasmen und E. coli, doch diese geh&ouml;ren zur normalen Flora der Anogenitalregion und m&uuml;ssen nicht behandelt werden. Eine Antibiotikagabe ist hier nicht indiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1702_Weblinks_s34.jpg" alt="" width="2149" height="649" /></p> <p><strong><em>Wie sieht die Behandlung aus?</em></strong><br />Wichtig ist, dass sie erregerspezifisch erfolgt &ndash; und Antibiotika sollten nur eingesetzt werden, wenn es sich tats&auml;chlich um eine bakterielle Vaginose handelt. Bei mit Antibiotika vorbehandelten Patientinnen liegt zudem oft ein Mangel an Laktobazillen vor, der behoben werden sollte.</p> <p><strong><em>Pr&auml;parate, die Laktobazillen enthalten, gibt es viele. Wie w&auml;hlen Sie das richtige aus?</em></strong><br />Es gibt unterschiedliche Laktobazillenst&auml;mme. Daher unterscheiden sich auch die Pr&auml;parate, je nachdem, welchen Stamm sie enthalten. Ich setze bei meinen Patientinnen deshalb oft auch Kombinationen mit unterschiedlichen St&auml;mmen ein. Wichtig ist, dass die Pr&auml;parate ausreichend hohe Laktobazillenkonzentrationen enthalten und &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum genommen werden, mindestens jedoch 14 Tage. Ein Problem ist, dass viele Produkte nicht wissenschaftlich getestet sind. Eigentlich gibt es nur zu zwei Produkten Studien. Wir haben am AKH zum Beispiel eine Studie mit L. casei rhamnosus gemacht und festgestellt, dass dieser in ca. 80 % der F&auml;lle zu einer Normalisierung der Scheidenflora f&uuml;hrt. Laktobazillen sollten immer nur therapeutisch eingesetzt werden, f&uuml;r eine prophylaktische Gabe fehlen die wissenschaftlichen Daten.</p> <p><strong><em>Wie therapieren Sie wiederkehrende Infektionen?</em></strong><br />Grunds&auml;tzlich ist hier die Ursache zu kl&auml;ren, warum es immer wieder zu Infektionen kommt, unter anderem bestimmte Sexualpraktiken oder wechselnde Partner, und entsprechend zu reagieren. Wiederkehrende Infektionen sind oft ein Fall f&uuml;r Spezialisten, da die Behandlung komplex und langwierig sein kann. Pilzinfektionen etwa sollten mit einem Langzeitschema &uuml;ber mehrere Monate bis zu einem Jahr systemisch behandelt werden. Die lokale Applikation ist in solchen F&auml;llen nicht ausreichend.</p> <p><strong><em>Sie haben einen Ratgeber<sup>1</sup> geschrieben, der sich an Patientinnen richtet. Warum sind Sie diesen Weg gegangen?</em></strong><br />Ich m&ouml;chte vor allem das Tabu brechen. Dazu geh&ouml;rt, die Betroffenen, aber auch ihre Partner fundiert und sachlich zu informieren und aufzu&shy;kl&auml;ren. Sie m&uuml;ssen sich mit ihren Be&shy;&shy;schwerden nicht verstecken, sondern sollten offen mit ihren Gyn&auml;kologinnen und Gyn&auml;kologen dar&uuml;ber sprechen. In dem Buch r&auml;ume ich auch mit weit verbreiteten Mythen zu Scheideninfektionen auf. Damit m&ouml;chte ich den Frauen auch helfen, nicht auf wissenschaftlich unbest&auml;tigte Therapien hereinzufallen, die sie im Internet oder im Bekanntenkreis aufschnappen. Ich hoffe, dass vielen Frauen damit ein langer Leidensweg erspart bleibt.</p> <p>&nbsp;</p> <p><span class="link-color"><a class="article-link" href="../fachthemen/8049" data-locked="0">zur&uuml;ck zum Themenschwerpunkt zur OEGGG Jahrestagung</a></span></p> <p>&nbsp;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Witt A: Intim. Endlich fit im Schritt. Wattens: Berenkamp 2016, ISBN 978-3-85093-371-1</p> </div> </p>
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