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Schwangerschaft und Geburt

Die „adipöse“ Schwangere

<p class="article-intro">Die Prävalenz der Adipositas ist in den letzten Jahren gestiegen. Dies betrifft die Allgemeinbevölkerung ebenso wie Frauen in der Lebensphase, in der eine Schwangerschaft eintreten kann. Bei einem zunehmenden Anteil an adipösen Schwangeren ist die Geburtshilfe gefordert. Mit steigendem BMI steigt auch das Risiko für nahezu alle perinatalen Komplikationen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die wichtigsten Komplikationen, die bei steigendem BMI der werdenden Mutter geh&auml;uft auftreten, sind Fehlgeburten, fetale Fehlbildungen, Gestationsdiabetes, Pr&auml;eklampsie, Fr&uuml;hgeburt, fetale Makrosomie und fetale Wachstumsretardierung, Sectio, Schulterdystokie, Wundheilungsst&ouml;rungen, Stillprobleme, Wochenbettdepression.</li> <li>Je h&ouml;her der Ausgangs-BMI und je gr&ouml;&szlig;er die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sind, desto gr&ouml;&szlig;er ist die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r Komplikationen.</li> <li>Die diagnostischen M&ouml;glichkeiten in der Schwangerenvorsorge sind eingeschr&auml;nkt.</li> <li>Eine interdisziplin&auml;re empathische Betreuung beginnt idealerweise pr&auml;konzeptionell und wird im Schwangerschaftsverlauf intensiviert.</li> </ul> </div> <p><br /> Die Weltgesundheitsorganisation definiert &Uuml;bergewicht bzw. Adipositas ab einem Body-Mass-Index (K&ouml;rpergewicht in Kilogramm geteilt durch K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e in m<sup>2</sup>) von gr&ouml;&szlig;er als 25kg/m<sup>2</sup>. Dabei wird unterschieden zwischen &Uuml;bergewicht (BMI 25&ndash;29,9kg/m<sup>2</sup>) und Adipositas (BMI &gt;30kg/m<sup>2</sup>).<br />Im Jahre 2013 betrug der Anteil der &Uuml;bergewichtigen in Deutschland bei den 25&ndash;29-j&auml;hrigen Frauen ca. 20 % und bei den 30&ndash;39-J&auml;hrigen 25&ndash;30 % (Abb. 1).<br />Von den Schwangeren ist etwa ein Drittel &uuml;bergewichtig bis stark &uuml;bergewichtig, Tendenz steigend. Es konnte zudem festgestellt werden, dass die durchschnittliche Gewichtszunahme w&auml;hrend der Gravidit&auml;t das empfohlene Ausma&szlig; im Lauf der Zeit immer weiter &uuml;berschreitet: Bei einem Vergleich &uuml;bergewichtiger M&uuml;tter, die in unserer Klinik betreut wurden, konnte gezeigt werden, dass 2006 68 % und 2011 73,8 % der Frauen mit einem initialen BMI von 25&ndash;30kg/m<sup>2</sup> die empfohlene Gewichtszunahme &uuml;berschritten. In der Gruppe der Frauen mit einem BMI von &gt;30kg/m<sup>2</sup> nahmen 54,4 % (2006) bzw. 65,2 % (2011) mehr an Gewicht zu als empfohlen.<sup>1, 2 </sup><br />Mit der Adipositas gehen erhebliche gesundheitliche Risiken einher. Diese treten umso vielf&auml;ltiger und in umso st&auml;rkerer Auspr&auml;gung auf, je h&ouml;her der BMI oberhalb des normalen Bereiches liegt. <br />In unserem Fachgebiet sind davon in der Regel zwei Individuen betroffen: Mutter und Kind. Auch wenn es sinnvoll ist, zwischen m&uuml;tterlichen und kindlichen Risiken zu unterscheiden, bedingen sich diese gegenseitig. F&uuml;r den klinischen Alltag bedeutet dies die Herausforderung, die m&uuml;tterliche und kindliche Situation parallel im Auge zu behalten und vor, w&auml;hrend und nach der Schwangerschaft auftretende Komplikationen zu erkennen und die richtigen Strategien f&uuml;r das Procedere zu entwickeln.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1702_Weblinks_s10.jpg" alt="" width="1417" height="1143" /></p> <h2>Gesundheitsrisiken der Mutter</h2> <p>Bei der &uuml;bergewichtigen Patientin bestehen bereits pr&auml;konzeptionell gesundheitliche Risiken. Das Fettgewebe hat je nach Ausdehnung Funktionen eines aktiven endokrinen Organs, das die Stoffwechsel- und Kreislaufregulation beeinflusst und inflammatorische Prozesse steuert.<sup>3</sup> Dazu kommen die Belastungen f&uuml;r den Bewegungsapparat, die oft zu einer eingeschr&auml;nkten Beweglichkeit f&uuml;hren. Das Risiko f&uuml;r thromboembolische Erkrankungen ist bereits vor dem Eintreten einer Schwangerschaft erh&ouml;ht. Eine ausf&uuml;hrliche Gesundheitsberatung und ein m&ouml;glichst fr&uuml;hzeitiges Erkennen und Behandeln, z.B. einer Stoffwechselst&ouml;rung oder einer Hypertonie, k&ouml;nnten die Ausgangssituation vor einer Schwangerschaft verbessern.<br />Die Fr&uuml;hschwangerschaft bei der adip&ouml;sen Schwangeren ist gepr&auml;gt von einem erh&ouml;hten Abortrisiko. Auch unabh&auml;ngig vom Vorhandensein einer Glukosestoffwechselst&ouml;rung ist das Fehlbildungsrisiko erh&ouml;ht. Es wurde beschrieben, dass insbesondere Neuralrohrdefekte, Herzfehler und Gesichtsspalten geh&auml;uft in diesem Kollektiv auftreten.<sup>4</sup> Dem steht eine Einschr&auml;nkung unserer diagnostischen M&ouml;glichkeiten gegen&uuml;ber. Die Methoden der nicht-invasiven Pr&auml;nataltests, die die zellfreie fetale (bzw. plazentare) DNA untersuchen, k&ouml;nnen bei erh&ouml;htem BMI weniger zuverl&auml;ssig sein.<sup>5</sup> Die transabdominale Ultraschalluntersuchung ist im ersten Trimenon wegen der Schallabsorption oft nicht aussagekr&auml;ftig. Mit der differenzierten transvaginalen Sonografie kann versucht werden, die Darstellung der fetalen Strukturen zu optimieren.<br />Immer h&auml;ufiger ist ein hoher BMI ein Grund f&uuml;r die Durchf&uuml;hrung einer differenzierten Ultraschalluntersuchung im zweiten Trimenon. Obwohl die technischen M&ouml;glichkeiten inzwischen weit fortgeschritten sind, ist der Fetus bei der adip&ouml;sen Schwangeren oftmals nur unzureichend visualisierbar. Mindestens so wichtig wie die qualifizierte Untersuchung ist die Aufkl&auml;rung der Patientin &uuml;ber die M&ouml;glichkeiten und Grenzen der Methode.<br />Im weiteren Schwangerschaftsverlauf ist vor allem mit einem Gestationsdiabetes und den damit verbundenen zahlreichen m&ouml;glichen Komplikationen zu rechnen. Zudem treten hypertensive Schwangerschaftserkrankungen wie die Pr&auml;eklampsie bzw. das HELLP-Syndrom h&auml;ufiger auf. Dabei verdoppelt sich jeweils das Risiko f&uuml;r eine Pr&auml;eklampsie mit steigendem BMI (vor der Schwangerschaft) alle 5 bis 7kg/m<sup>2</sup>.<sup>3</sup> Das Risiko einer spontanen oder medizinisch indizierten Fr&uuml;hgeburt ist erh&ouml;ht.</p> <h2>Gesundheitsrisiken des Kindes</h2> <p>Auf der kindlichen Seite wirken sich die erw&auml;hnten metabolischen und inflammatorischen Dysregulationen z.B. im Sinne einer Makrosomie oder einer Wachstumsretardierung aus. Die Auspr&auml;gung der fetalen Makrosomie ist bei adip&ouml;sen Schwangeren mit und ohne Gestationsdiabetes vom Ausma&szlig; der Gewichtszunahme w&auml;hrend der Schwangerschaft abh&auml;ngig.<sup>6</sup> Die geburtshilfliche Strategie zur Vermeidung der fetalen Makrosomie konzentriert sich sinnvollerweise auf die modifizierbaren Risikofaktoren. Dazu geh&ouml;ren vor allem die m&uuml;tterliche Gewichtszunahme sowie der Blutglukosespiegel bzw. die Blutzuckereinstellung und das Ausma&szlig; der k&ouml;rperlichen Aktivit&auml;t der werdenden Mutter.<sup>7</sup> Die je nach fetalem Abdomenumfang intensivierte Blutzuckereinstellung kann im Kollektiv mit hohem maternalem BMI eine Verringerung der Komplikationen bzw. der Makrosomieh&auml;ufigkeit bewirken.<sup>8</sup> Ein wesentlicher Aspekt ist dabei auch die sogenannte perinatale Programmierung. Durch epigenetische Mechanismen wird die zuk&uuml;nftige Gesundheit des sich im Mutterleib entwickelnden Kindes und &ndash; weiter gedacht &ndash; seiner Nachkommen mitbestimmt,<sup>9</sup> sodass sich unsere Ma&szlig;nahmen nicht nur auf die aktuelle Schwangerschaft auswirken werden.<br />Ist vor der Schwangerschaft eine bariatrische Operation durchgef&uuml;hrt worden, k&ouml;nnen je nach Operationsmethode spezielle Risiken auftreten, die ein intensiviertes interdisziplin&auml;res Management erfordern.</p> <h2>Risiken w&auml;hrend und nach der Geburt</h2> <p>Peripartal kommen f&uuml;r Mutter und Kind und auch f&uuml;r das Krei&szlig;saalteam besondere Herausforderungen hinzu. Zus&auml;tzlich zum Risiko der Schulterdystokie bei Gestationsdiabetes bzw. Makrosomie verl&auml;uft die Geburt oft protrahiert. Die M&ouml;glichkeiten der kardiotokografischen Kontrolle sind ebenso eingeschr&auml;nkt wie die an&auml;sthesiologischen M&ouml;glichkeiten der PDA-Anlage. Die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r eine Kaiserschnittentbindung (prim&auml;re oder sekund&auml;re Sectio) steigt mit steigendem BMI. Dabei stellt die Sectio bei adip&ouml;sen Bauchdecken ein weiteres gesundheitliches Risiko dar, geht sie doch mit einem hohen Risiko f&uuml;r Wundheilungsst&ouml;rungen und thromboembolische Komplikationen einher. Die geburtshilfliche Strategie muss nach einer ausf&uuml;hrlichen Untersuchung und Aufkl&auml;rung gemeinsam mit der werdenden Mutter festgelegt werden.<br />Auch im Wochenbett und w&auml;hrend der Stillzeit spielt das K&ouml;rpergewicht der Mutter eine Rolle: M&uuml;tter mit erh&ouml;htem BMI stillen weniger h&auml;ufig als normalgewichtige. Die Pr&auml;valenz der postpartalen Depression ist erh&ouml;ht. Die Aufmerksamkeit und Kompetenz des Teams auf der Wochenbettstation sind hier genauso gefordert wie die nachsorgende Hebamme. <br />Bei aller Notwendigkeit, die medizinischen Risiken zu beachten, sollten wir (&Auml;rzte, Hebammen, Laktationsberaterinnen, Ern&auml;hrungsberater) auch Empathie f&uuml;r die &uuml;bergewichtige Schwangere haben und mitf&uuml;hlend-motivierend versuchen, die Situation zu verbessern.</p> <div id="Fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Der steigende BMI bei Frauen im reproduktionsf&auml;higen Alter bedeutet eine Zunahme an perinatalen bzw. peripartalen Risiken, auf die sich die Geburtshilfe gemeinsam mit den angrenzenden Fachrichtungen einstellen muss.</p> </div> <p>&nbsp;</p> <p><span class="link-color"><a class="article-link" href="../fachthemen/8049" data-locked="0">zur&uuml;ck zum Themenschwerpunkt zur OEGGG Jahrestagung</a></span></p> <p>&nbsp;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> St&uuml;ber TN et al: Prevalence and associated risk factors for obesity during pregnancy over time. Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75: 923-8 <strong>2</strong> Harper LM et al: The institute of medicine guidelines for gestational weight gain after a diagnosis of gestational diabetes and pregnancy outcomes. Am J Perinatol 2015; 32: 239-46 <strong>3</strong> Ramsey PS, Schenken RS: Obesity in pregnancy: complications and maternal man&shy;agement. www.uptodate.com 2017 <strong>4 </strong>Racusin D et al: Obesity and the risk and detection of fetal malformations. Semin Perinatol 2012; 36: 213-21 <strong>5</strong> Song Y et al: Non-invasive prenatal testing for fetal aneuploidies in the first trimester of pregnancy. Ultrasound Obstet Gynecol 2015; 45: 55-60 <strong>6</strong> Black MH et al: The relative contribution of prepregnancy overweight and obesity, gestation&shy;al weight gain, and IADPSG-defined gestational diabetes mellitus to fetal overgrowth. Diabetes Care 2013; 36: 56-62 <strong>7</strong> Walsh JM, McAuliffe FM: Prediction and prevention of the macrosom&shy;ic fetus. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2012; 162: 125-30 <strong>8</strong> Quevedo SF et al: Translation of fetal abdominal circumference-guided therapy of gestational diabetes complicated by maternal obesity to a clinical outpatient setting. J Matern Fetal Neonatal Med 2016; 23: 1-6 <strong>9</strong> Plagemann A et al: Fetale Programmierung bei intrauteriner Milieust&ouml;rung &ndash; grundlegende Mechanismen am Beispiel der K&ouml;rpergewichts- und Stoffwechselregulation. Gyn&auml;kol Geburtshilfliche Rundsch 2008; 48: 215-24</p> </div> </p>
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