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Medizinrecht

Wann man über die Behandlungsalternative Sectio aufklären muss

<p class="article-intro">Die Frage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, ist keine feststellungsfähige Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage, die nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten ist. Grundsätzlich muss der Arzt nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinweisen. Die ärztliche Aufklärungspflicht ist aber beim Vorliegen sogenannter typischer Gefahren verschärft.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Bei Vorliegen des Basisrisikos ist eine ungefragte Aufkl&auml;rung &uuml;ber die Behandlungsalternative Sectio nicht notwendig.</li> <li>Ist das Basisrisiko erh&ouml;ht, hat der Arzt auf die Behandlungsalternative Sectio hinzuweisen.</li> <li>W&uuml;nscht die Schwangere einen Kaiserschnitt, ist auf die Behandlungsalternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen einzugehen (und naturgem&auml;&szlig; dann der Wunsch der aufgekl&auml;rten Schwangeren umzusetzen).</li> <li>Das Argument, eine Schwangere k&ouml;nnte unter der Geburt nicht aufgekl&auml;rt werden, ist prinzipiell nicht g&uuml;ltig, au&szlig;er man kann tats&auml;chlich nachweisen, dass sie im konkreten Fall nicht aufgekl&auml;rt werden kann, dann gilt der &bdquo;mutma&szlig;liche Wille&ldquo;. Auf Letzteren kann man sich berufen, wenn eine Frau beim Durchtritt des Sch&auml;dels nach einem Kaiserschnitt ruft &hellip;</li> </ul> </div> <p>Die Typizit&auml;t ergibt sich nicht aus der Komplikationsh&auml;ufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet, auch bei der Anwendung allergr&ouml;&szlig;ter Sorgfalt und fehlerfreier Durchf&uuml;hrung nicht sicher zu vermeiden ist und den nicht informierten Patienten &uuml;berrascht, weil er nicht damit rechnet <strong>(4 Ob 132/06 z)</strong>. <br />Diese typischen Risiken m&uuml;ssen erhebliche Risiken sein, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die H&auml;ufigkeit der Verwirklichung dieses Risiko abzustellen w&auml;re. <br />Nahezu alle ernsten Komplikationen der vaginalen Geburt erf&uuml;llen diese Kriterien:</p> <ul> <li><em>eingriffsspezifisch</em> (weil mit der Geburt vergesellschaftet)</li> <li><em>ernst</em> &ndash; z.B. Dammriss III. Grades, Uterusruptur, Tod des Kindes</li> <li>Es trifft die betroffene Schwangere meist <em>unerwartet</em>.</li> </ul> <p>Daraus m&uuml;sste man ableiten, dass die Behandlungsalternative Sectio (die diese Komplikationen umgeht &ndash; allerdings zum Preis anderer m&ouml;glicher Komplikationen) bei der Schwangerenbetreuung grunds&auml;tzlich in die Diskussion eingebracht werden m&uuml;sste. In fr&uuml;heren Zeiten, als ein Kaiserschnitt mit betr&auml;chtlichen (!) Risiken verbunden war, war es aber naheliegend, dass eine solche Aufkl&auml;rung kontraproduktiv gewesen w&auml;re.</p> <p>Heute &ndash; mit Einf&uuml;hrung der Spinalan&auml;sthesie, der Modifikation der Sectiotechnik und der generellen Einf&uuml;hrung einer Thrombose- und Antibiotikaprophylaxe &ndash; ist sowohl die Mortalit&auml;t als auch die Morbidit&auml;t eines <em>geplanten Kaiserschnitts</em> mit dem Versuch der vaginalen Geburt vergleichbar &ndash; und das ist ja die Entscheidung, die die Frau treffen muss. <br />Es ist daher grundlegend falsch, die Ergebnisse nach Kaiserschnitt und nach vaginaler Geburt miteinander zu vergleichen &ndash; ein vaginaler Geburtsversuch kann mit einer einfachen vaginalen Geburt, einer protrahierten Geburt mit oder ohne vaginale operative Geburtsbeendigung mit einem sekund&auml;ren Kaiserschnitt und in Einzelf&auml;llen sogar mit einem Akutkaiserschnitt mit allen damit verbundenen negativen Konsequenzen enden. Daher k&ouml;nnte man argumentieren, dass alle Schwangeren &uuml;ber die Sectio aufgekl&auml;rt werden m&uuml;ssen. <br />Um aber einer juristisch geforderten Aufkl&auml;rung aller Schwangeren &uuml;ber die Behandlungsalternative Sectio auszuweichen, hat der OHG klargestellt:</p> <ul> <li>Liegt nur das Basisrisiko des Versuches einer vaginalen Geburt vor, ist &uuml;ber die geplante Sectio nicht aufzukl&auml;ren, weil die Geburt ein nat&uuml;rlicher Vorgang ist <strong>(10 Ob 107/02 n)</strong>, solange der Arzt eine Methode anwendet, die dem medizinischen Standard gen&uuml;gt.</li> <li>Daraus ergibt sich aber (mehr oder weniger automatisch), dass bei Erh&ouml;hung dieses Basisrisikos die betroffene Frau sehr wohl &uuml;ber die Behandlungsalternative Sectio aufzukl&auml;ren ist <strong>(7 Ob 299/ 03 a)</strong> &ndash; ein durchaus heftig diskutiertes Urteil zu einem Fall, wo es bei einer Geburt mit &bdquo;verkehrt rotierter Hinterhauptshaltung&ldquo; zu einem Dammriss III. Grades gekommen ist und die Geb&auml;rende nicht &uuml;ber das erh&ouml;hte Risiko dieser Haltungsanomalie und insbesondere nicht &uuml;ber die damit verbundenen m&ouml;glichen Folgen eines drohenden Dammrisses bzw. &uuml;ber die M&ouml;glichkeit, diese Risiken durch einen Kaiserschnitt zu vermeiden, aufgekl&auml;rt wurde.</li> <li>Das Argument, dass Frauen unter der Geburt nicht mehr in der Lage seien, eine &auml;rztliche Meinungs&auml;u&szlig;erung zu verstehen und eine eigenverantwortliche Entscheidung &uuml;ber die Entbindungsart zu treffen, wurde vom OGH in einem anderen Urteil <strong>(5 Ob 162/03 i)</strong> mit der Feststellung weggewischt, &bdquo;dass dies von der beklagten Partei im konkreten Fall nicht nachgewiesen werden konnte&ldquo;. Wortw&ouml;rtlich hei&szlig;t es in diesem Spruch: &bdquo;Auch andere Patienten werden sich h&auml;ufig in Ausnahmesituationen befinden, ohne dass deshalb eine &auml;rztliche Aufkl&auml;rung sinnlos w&auml;re &hellip;&ldquo;</li> <li>Konsequent ist auch der Rest des Urteils im letztgenannten Entscheid, dass auf Wunsch einer Schwangeren der Arzt in Erf&uuml;llung des Behandlungsvertrages zu einer medizinischen Aufkl&auml;rung auch dann verpflichtet ist, wenn aufgrund seines medizinischen Fachwissens im konkreten Fall ein Kaiserschnitt nicht als indiziert angesehen wird.</li> </ul> <p>Unabh&auml;ngig von diesen Vorgaben des OGH ist es wahrscheinlich aus Respekt vor der Autonomie der Schwangeren nicht falsch, grunds&auml;tzlich in jedem Fall den Geburtsmodus mit der Schwangeren zu besprechen &ndash; mit den verschiedensten Perspektiven, idealerweise in mehreren Gespr&auml;chen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><span class="link-color"><a class="article-link" href="../fachthemen/8049" data-locked="0">zur&uuml;ck zum Themenschwerpunkt zur OEGGG Jahrestagung</a></span></p> <p>&nbsp;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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