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Der inkomplette Rechtsschenkelblock und dessen Bedeutung

<p class="article-intro">Die häufigste im Elektrokardiogramm (EKG) diagnostizierte Aberration des Reizleitungssystems im Kammermyokard, die erstmals am Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieben wurde und klinische Relevanz erlangte, ist der Schenkelblock. Durch die verzögerte Erregungsausbreitung erhält der Kammerkomplex die typische M-Konfiguration und ist in Bezug auf die Lokalisation sowohl in der Häufigkeit des Vorkommens als auch in Hinsicht auf den konträren Verlauf und ärztlichen Therapieansatz zu unterscheiden. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Fahy et al beschreiben in ihrer Studie ein deutlich h&auml;ufigeres Auftreten eines Rechtsschenkelblocks (RSB) im Vergleich zu einem Linksschenkelblock (LSB); jedoch ist bei beiden eine Steigerung des Vorkommens mit fortschreitendem Alter erkennbar. Weiters belegt die Studie, in Hinblick auf den weiteren gesundheitlichen Verlauf des Patienten, die Wichtigkeit der Beurteilung der betroffenen Stelle im Reizleitungssystem. Diese kann sich im linken und/oder rechten Tawara-Schenkel oder aber auch weiter distal in der Muskulatur des Herzens befinden. W&auml;hrend das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung bei diagnostiziertem isoliertem Linksschenkelblock deutlich erh&ouml;ht ist, hat sich dieses beim Rechtsschenkelblock jedoch nicht signifikant verdeutlicht.<sup>1, 2</sup></p> <h2>Lokalisation der Leitungsst&ouml;rung</h2> <p>Die Beurteilung der Lokalisation der Leitungsst&ouml;rung erfolgt im Rahmen der Befundung des EKG und l&auml;sst sich im Falle einer Blockierung des rechten Tawara-Schenkels durch die typische M-Konfiguration des Kammerkomplexes (QRS-Komplex) in den Ableitungen III, aVR, V1 und V2 ablesen. Der obere Umschlagspunkt (OUP), der Zeitpunkt der endg&uuml;ltigen Negativit&auml;tsbewegung, ist beim RSB ab &gt;0,03s versp&auml;tet, ein k&uuml;rzerer Normbereich als beim Linksschenkelblock; beim LSB ist er im Vergleich ab einer Dauer von 0,055s verz&ouml;gert.<sup>3, 4</sup> Anhand der Dauer der Erregungsausbreitung im Kammermyokard erfolgt eine Unterteilung in kompletten (&ge;0,12s) oder inkompletten (&ge;0,10s bis &lt;0,12s) Rechtsschenkelblock.</p> <h2>Inkompletter Rechtsschenkelblock</h2> <p>Der inkomplette Rechtsschenkelblock (iRSB) weist morphologisch eine dem kompletten RSB &auml;hnliche Konfiguration auf (Abb. 1); einen rSr&rsquo;-Komplex in V1, eine terminale R-Zacke in aVR, die endg&uuml;ltige Negativit&auml;tsbewegung ist, wie beim kompletten RSB, versp&auml;tet (&gt;0,03s), in den linkspr&auml;kordialen Ableitungen findet sich ein breites S und oftmals finden sich auch Erregungsr&uuml;ckbildungsst&ouml;rungen (negatives T) in V1 und V2. Mit einer H&auml;ufigkeit von 5 % ist der iRSB in der Mehrzahl der F&auml;lle bedeutungslos und wird bei sonst Herzgesunden meistens als Normvariante angesehen.<sup>2, 5</sup> Eine Bev&ouml;lkerungsgruppe, bei der eine solche Leitungsverz&ouml;gerung besonders h&auml;ufig (35&ndash;55 % ) diagnostiziert wird, sind Athleten, die mindestens viermal pro Woche am Rande der Leistungsf&auml;higkeit trainieren; diese betrifft dabei vorwiegend M&auml;nner und wird im Vergleich zur Kontrollgruppe mit jungen gesunden Probanden bei nur 10 % beobachtet.<sup>6</sup> Ein diagnostizierter iRSB wird in Hinblick auf das Risiko eines pl&ouml;tzlichen Herztodes bei Hochleistungssportlern entsprechend den Seattle-Kriterien, die von Kardiologen und Sportmedizinern im Jahre 2012 festgelegt wurden, als harmlos eingestuft und bedarf bei negativer Familienanamnese und k&ouml;rperlicher Untersuchung, zum Ausschluss eines Vorhofseptumdefekts, keiner weiteren diagnostischen Abkl&auml;rung.<sup>7</sup> Es wird vermutet, dass die Verl&auml;ngerung der Reizleitung ihre Ursache in der sportlich bedingten Vergr&ouml;&szlig;erung der rechten Herzh&ouml;hle beziehungsweise in der gesteigerten kardialen Muskelmasse hat und nicht im Reizleitungssystem.<sup>6</sup> Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist das Brugada-Syndrom, das mit seiner &bdquo;J-Welle&ldquo; am Ende des Kammerkomplexes eine fr&uuml;hzeitige Repolarisation widerspiegelt und in den Seattle-Kriterien bei den abnormalen EKG-Ver&auml;nderungen mit Risiko eines pl&ouml;tzlichen Herztodes aufgelistet wird. <br />Die Seattle-Kriterien besagen, dass in ca. 80 % der F&auml;lle der Athleten aufgrund des intensiven Sports verschiedene spezielle, aber harmlose EKG-Ver&auml;nderungen auftreten; davon sind aber Pathologien, die durchaus eine weitere medizinische Abkl&auml;rung erfordern, strikt abzugrenzen und werden im Vergleich bei ca. 5 % der Athleten beobachtet. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_seite44.jpg" alt="" /></p> <h2>Der iRSB und der rechte Ventrikel</h2> <p>Der Zufallsbefund eines iRSB kann aber auch auf St&ouml;rungen des rechten Ventrikels hinweisen. Dabei kann die r&rsquo;-Zacke des rSr&rsquo;-Komplexes, die kleiner, gr&ouml;&szlig;er oder gleich gro&szlig; sein kann wie die initiale r-Zacke, bei im Vergleich zur r-Zacke signifikanter Verbreiterung in der Ableitung V1 ein Anzeichen f&uuml;r eine rechtsventrikul&auml;re Volumen- oder Druck&uuml;berbelastung (rSR&rsquo;-Typ) sein. Beispiele f&uuml;r akute oder chronische Druckbelastungen des rechten Ventrikels, die sich als Bild eines iRSB im EKG widerspiegeln, sind Lungenembolien, Mitralvitien oder ein chronisches Cor pulmonale. Eine weitere Ursache f&uuml;r eine Volumsbelastung des rechten Herzens ist der Atriumseptumdefekt (ASD), der h&auml;ufigste angeborene Herzfehler beim Erwachsenen. Bayar et al belegen mit ihrer Studie die Bedeutung und H&auml;ufigkeit der Diagnose eines inkompletten Rechtsschenkelblockbilds im EKG eines ASD. Von 61 eingeschlossenen Probanden mit ASD hatten 56 % einen iRSB, im Vergleich dazu nur 5 % in der Kontrollgruppe ohne ASD.<sup>8</sup> Eine Unterscheidung zwischen ASD II (Ostium-secundum-Defekt), der 85 % der ASD beim Erwachsenen ausmacht, und ASD I (Ostium-primum-Defekt) ist anhand des Lagetyps m&ouml;glich. Inkomplette und komplette RSB bei einem ASD II weisen einen Steil- oder Rechtslagetyp auf; der ASD I geht indessen mit einem &uuml;berdrehten Linkslagetyp einher.<sup>9</sup> Wang et al beschreiben zudem eine den iRSB begleitende Inversion der T-Welle im Rahmen eines ASD.10 <br />Somit stellt das EKG neben der Echokardiografie, die eine vorhandene Rechtsherzvergr&ouml;&szlig;erung feststellt, und der Auskultation typischer Herzger&auml;usche eine wegweisende Diagnostik eines meistens asymptomatischen Vorhofseptumdefekts, bei dem ein erh&ouml;htes Risiko einer einhergehenden Arrhythmie oder paradoxen Embolie besteht, dar. <br />Eine M&ouml;glichkeit zur Beurteilung, ob der iRSB mit einer rechtsventrikul&auml;ren Hypertrophie einhergeht, stellt das Vektorkardiogramm dar. Hierf&uuml;r ist es wichtig, dass die Schreibung der Ableitungen V1 und V5 streng synchron verl&auml;uft. Schneidet der aufsteigende Schenkel der S-Zacke in V1 auf dem Weg zum R&rsquo; die isoelektrische Linie und befindet sich in V5 ein positiver Ausschlag liegt eine rechtsventrikul&auml;re Hypertrophie vor, bei negativem Ausschlag keine. Beobachtet man parallel dazu das S in V5 und R&rsquo; in V1, so liegt bei einer Rechtsherzhypertrophie das R&rsquo; vor dem betrachteten S; demnach ist bei keiner gleichzeitig zum iRSB bestehenden rechtsventrikul&auml;ren Hypertrophie das R&rsquo; nach dem S.<sup>4</sup> <br />Eine weitere Bezeichnung f&uuml;r das Bild eines Rechtsschenkelblocks im EKG ist der sogenannte rudiment&auml;re Rechtsschenkelblock; diese ist jedoch in der neuesten Literatur nur mehr in Ausnahmef&auml;llen zu finden. Wie beim kompletten und inkompletten RSB sind auch bei diesem die QRS-Komplexe deformiert. Die Unterscheidung erfolgt durch die Dauer des Kammerkomplexes, diese befindet sich beim rudiment&auml;ren RSB im Normbereich.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend erfolgt die Diagnose eines inkompletten Rechtsschenkelblocks anhand der positiven Anteile der M-f&ouml;rmig konfigurierten QRS-Komplexe in den rechtspr&auml;kordialen Ableitungen mit der entsprechenden Dauer (&ge;0,10s bis &lt;0,12s). Trotz der oftmals vollkommenen Bedeutungslosigkeit tritt der iRSB oftmals in Assoziation mit schwerwiegenden kardialen Krankheiten auf.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Fahy GJ et al: Natural history of isolated bundle branch block. Am J Cardiol 1996; 77(14): 1185-90 <strong>2</strong> Gertsch M et al: Das EKG. Auf einen Blick und im Detail. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2008 <strong>3</strong> Lerecouvreux M et al: Right bundle branch block: electrocardiographic and prognostic features. Arch Mal Coeur Vaiss 2005; 98(12): 1232-8 <strong>4</strong> Gonska BD, Heinecker R: EKG in Klinik und Praxis. Dtsch Arztebl Int 1999; 96(49): A-3138 <strong>5</strong> Mauric AT et al: When should we diagnose incomplete right bundle branch block? Eur Heart J 1993; 14(5): 602-6 <strong>6</strong> Corrado D et al: Recommendations for interpretation of 12-lead electrocardiogram in the athlete. Eur Heart J 2010; 31(2): 243-59 <strong>7</strong> Drezner JA et al: Electrocardiographic interpretation in athletes: the &rdquo;Seattle criteria&ldquo;. Br J Sports Med 2013; 47(3): 122-4 8 Bayar N et al: The importance of electro&shy;cardiographic findings in the diagnosis of atrial septal &shy;defect. Kardiol Pol 2015; 73(5): 331-6 <strong>9</strong> Greten H et al: &shy;Innere Medizin. Stuttgart: Thieme-Verlag, 2010 <strong>10</strong> Wang MX et al: Defective T wave combined with incomplete right bundle branch block: a new electrocardiographic &shy;index for diagnosing atrial septal defect. Chin Med J 2012; 125(6): 1057-62</p> </div> </p>
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