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Probiotika und deren Anwendungsgebiete

<p class="article-intro">Vor allem bei Darmerkrankungen gibt es schon eindeutige Forschungsergebnisse, die die Verwendung von Probiotika zur Prophylaxe oder Therapie rechtfertigen. Es folgen laufend weitere spannende Anwendungsgebiete wie etwa Leberzirrhose und bis auf wenige Ausnahmen ist die Verwendung von Probiotika sicher. </p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Probiotika sind nach Definition der WHO &bdquo;lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge konsumiert werden, einen gesundheitsf&ouml;rdernden Effekt haben&ldquo;. Die Hypothese, dass bestimmte Bakterien gesundheitsf&ouml;rdernde Wirkungen haben k&ouml;nnten, ist bereits mehr als hundert Jahre alt. Der Nobelpreistr&auml;ger Ilja Iljitsch Metschnikow schrieb in seinem Buch &bdquo;L&rsquo;Immunit&eacute; dans les maladies infectieuses&ldquo; (&bdquo;Das Immunsystem bei Infektionskrankheiten&ldquo;, 1901) milchs&auml;ureproduzierenden Bakterien im Joghurt einen lebensverl&auml;ngernden Effekt zu. Die meisten probiotischen Keime stammen aus der Nahrungsmittelerzeugung oder von gesunden Menschen. Daher gelten Probiotika auch prinzipiell als sicher. Die Sicherheit von probiotischen Keimen wird durch die European Food Safety Authority (EFSA) gew&auml;hrleistet. Alle mikrobiellen Spezies, die f&uuml;r Nahrungszwecke verwendet werden, durchlaufen einen &bdquo;Qualified presumption of safety&ldquo;(QPS)-Prozess. Dabei wird festgestellt, ob die taxonomische Einheit bekannt ist, und bewertet, ob die Gesamtheit des Wissens &uuml;ber Pathogenit&auml;t, Einsatzziele und Sicherheit ausreicht. Wenn die Voraussetzungen erf&uuml;llt sind, bekommt der Stamm QPS-Status. Listen mit den Keimen, die QPS-Status haben, werden von der EFSA ver&ouml;ffentlicht. Bis auf wenige Ausnahmen (Herz-, Lungen- und Knochenmarktransplantierte, kritisch Erkrankte mit erh&ouml;hter Darmpermeabilit&auml;t) gibt es daher keine Sicherheitsbedenken bei der Verwendung von probiotischen Keimen.</p> <p>Durch die rasante Weiterentwicklung der technischen M&ouml;glichkeiten, das Mikrobiom des Menschen in seiner Zusammensetzung und Funktion zu verstehen, hat auch die Probiotikaforschung profitiert. M&ouml;gliche Wirkungsweisen von probiotischen Keimen wurden entschl&uuml;sselt (Abb. 1). Nat&uuml;rlich treffen nicht alle diese Wirkmechanismen auf jeden probiotischen Stamm zu &ndash; es gibt nicht <em>das</em> Probiotikum, genauso wenig wie es <em>das</em> Antibiotikum gibt. Jeder untersuchte Stamm kann spezifische Wirkungen haben &ndash; wenn ein Bakterienstamm bei einer bestimmten Indikation keine Wirkung zeigt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die gesamte Gattung unwirksam ist. Als Beispiel sei erw&auml;hnt, dass <em>Enterococcus faecium </em>einerseits ein multiresistenter Problemkeim sein kann, andererseits der Stamm W54 die Aussch&uuml;ttung von <em>Clostridium-difficile-</em>Toxin inhibieren kann. Ebenso stellt sich die Frage, ob Multispeziespr&auml;parate wirksamer sind als die Gabe eines einzelnen Stammes. Bisher deutet vieles auf eine bessere Wirksamkeit von Multispeziespr&auml;paraten hin, wobei es noch herauszufinden gilt, inwieweit das an synergistischen Effekten oder der meist h&ouml;heren Gesamtdosis und damit besseren Bioverf&uuml;gbarkeit im Darm liegt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1610_Weblinks_s14.jpg" alt="" width="1815" height="1345" /></p> <h2>Einsatzgebiete von Probiotika</h2> <p>Es gibt heutzutage schon zahlreiche gut untersuchte pro&shy;biotische St&auml;mme, die in verschiedenen Einsatzgebieten Wirkung zeigen. Neben den klassischen gastroenterologischen Fragestellungen, bei denen das Konzept der Beeinflussung des Darmmikrobioms, der Darmbarriere oder des Darmimmunsystems naheliegt, wird die Rolle des Darmmikrobioms auch bei anderen Erkrankungen immer bedeutsamer. Mittlerweile konnten dadurch schon Wirkungen von Probiotika auf Erkrankungen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit dem Darm assoziiert sind, nachgewiesen werden, wie zum Beispiel auf Migr&auml;ne.</p> <p>Die Wirkung von Probiotika gilt in folgenden Indikationen als gesichert:</p> <ul> <li>bei akuter infekti&ouml;ser Diarrh&ouml; im Kindesalter</li> <li>bei nekrotisierender Enterokolitis bei Neugeborenen</li> <li>zur Prophylaxe der antibiotikaassoziierten Diarrh&ouml;</li> <li>zur Rezidivprophylaxe der Colitis ulcerosa und Pouchitis</li> <li>zur Therapie des Reizdarmsyndroms</li> <li>Bei anderen Erkrankungen ist die Studienlage noch nicht so eindeutig, aber eine Wirkung ist sehr wahrscheinlich:</li> <li>zur Pr&auml;vention der atopischen Dermatitis</li> <li>zur Pr&auml;vention der Reisediarrh&ouml;</li> <li>zur Pr&auml;vention postoperativer infekti&ouml;ser Komplikationen</li> <li>zur Prophylaxe von Infektionen im Respirations- und Urogenitaltrakt</li> <li>zur Verbesserung der Lebersynthese bei Leberzirrhose</li> <li>zur Prophylaxe und Therapie der hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose</li> <li>als adjuvante Therapie gegen <em>Helicobacter pylori</em></li> <li>bei Migr&auml;ne</li> </ul> <p>Weitere m&ouml;gliche Einsatzgebiete, wo es allerdings noch keine eindeutigen positiven Daten beim Menschen gibt, sind: Adipositas und metabolisches Syndrom bzw. Typ-2-Diabetes, nicht alkoholische Fettleber und Laktosemalabsorption sowie beim kolorektalen Karzinom (und eventuell andere Tumorerkrankungen).</p> <h2>Probiotika bei Leberzirrhose</h2> <p>Am Beispiel der Leberzirrhose sollen nun die Bedeutung des Mikrobioms f&uuml;r die Pathogenese und der m&ouml;gliche Benefit durch Probiotika dargestellt werden.</p> <p>Die Leberzirrhose als Endstadium aller chronischen Lebererkrankungen ist eine im Zunehmen begriffene Lebererkrankung, die mittlerweile in vielen Industriel&auml;ndern unter den zehn h&auml;ufigsten Todesursachen zu finden ist. Bei Leberzirrhose ist das Darmmikrobiom massiv in seiner Zusammensetzung gest&ouml;rt. Mittels neuer Sequenzierungstechniken konnten eine Verminderung der Diversit&auml;t und ein &Uuml;berwiegen von pathogenen Keimen bei gleichzeitigem Anstieg der Gesamtbakterienzahl nachgewiesen werden. Auff&auml;llig ist insbesondere eine &bdquo;Oralisierung&ldquo; des Darmmikrobioms &ndash; es finden sich typische Mundkeime wie Veillonella und Streptococcus in vermehrter Anzahl im Darm. Parallel dazu nimmt die Anzahl an Bakterien, denen positive Wirkungen auf den Menschen zugeschrieben werden, wie z.B. <em>Faecalibacterium prausnitzii</em>, ab. Daher erscheint auch hier das Konzept der Modulation des Darmmikrobioms und/oder der Darmpermeabilit&auml;t attraktiv.</p> <p>Eine h&auml;ufige und gef&uuml;rchtete Komplikation ist die hepatische Enzephalopathie (HE). St&ouml;rungen im Darmmikrobiom und in der Darmbarriere tragen zur Pathogenese bei und sind therapeutisch im Fokus. Die derzeit in den Leitlinien empfohlenen spezifischen Therapien bei der episodischen HE sind ein Pr&auml;biotikum (Lactulose, Laevolac<sup>&reg;</sup> oder Generika) und ein Antibiotikum (Rifaximin, Colidimin<sup>&reg;</sup> oder Generika), obwohl die Studienlage f&uuml;r beide Substanzen (noch) nicht optimal ist. Vielversprechend sind Ergebnisse zur Behandlung der HE durch Probiotika. Mehrere randomisierte, kontrollierte Studien zeigten einen positiven Effekt von Probiotika, Pr&auml;biotika oder der Kombination aus beiden in Therapie und Prophylaxe der HE. Allerdings ist aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns (manche verglichen gegen Placebo, manche gegen Lactulose) und unterschiedlicher verwendeter Produkte (manche sind gar nicht kommerziell erh&auml;ltlich) sowie der fraglichen &Uuml;berlegenheit gegen&uuml;ber der Standardtherapie mit Lactulose die therapeutische Relevanz dieser Therapieform noch nicht klar definiert. Daher gibt es aktuell auch noch keine Empfehlung einer Fachgesellschaft zur Verwendung von Pro&shy;biotika; es m&uuml;ssen weitere, qualitativ hochwertige Studien durchgef&uuml;hrt werden.</p> <p>Je weiter fortgeschritten eine Lebererkrankung ist, desto wahrscheinlicher sind Komplikationen und desto h&ouml;her ist die Mortalit&auml;t. Eine Verbesserung der Leberfunktion bei fortgeschrittener Leberzirrhose ist nur schwierig zu erreichen. Die Behandlung der Grunderkrankung (was nicht immer in zufriedenstellendem Ma&szlig; erreicht werden kann) und eine Lebertransplantation (die aufgrund von Patientenfaktoren und Mangel an Spenderorganen auch nicht f&uuml;r jeden Patienten infrage kommt) sind die heute verf&uuml;gbaren Alternativen. Einige Pilotstudien zeigten bisher einen interessanten Trend in Richtung Besserung der Leberwerte, Endotoxinspiegel und Leberfunktion durch Probiotika. An der Medizinischen Universit&auml;t Graz konnten wir k&uuml;rzlich in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie zeigen, dass ein Multispeziesprobiotikum (Omnibiotic<sup>&reg;</sup> Hetox, Institut Allergosan, Abb. 2) die Leberfunktion, die angeborene Immunabwehr und die Lebensqualit&auml;t verbessert, indem das Produkt die Zusammensetzung des Mikrobioms moduliert. Besonders hervorzuheben ist, dass die Compliance der Patienten exzellent war und es zu keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen durch die Studienmedikation kam. Die Zahl der Studienabbrecher war in der Probiotikagruppe signifikant niedriger als in der Placebogruppe (1 versus 11 Patienten). Nat&uuml;rlich m&uuml;ssen diese Daten nun in einer multizentrischen Studie best&auml;tigt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1610_Weblinks_s14_2.jpg" alt="" width="1369" height="742" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Probiotikaforschung entwickelt sich rasch. Bei einigen Erkrankungen gibt es schon eindeutige Forschungsergebnisse, die die Verwendung von Probiotika zur Prophylaxe oder Therapie rechtfertigen. Durch intensive Forschungsbem&uuml;hungen werden noch andere Anwendungsgebiete folgen. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Verwendung von Probiotika sicher. Bei Leberzirrhose ist die Anwendung sicher und kann die hepatische Enze&shy;phalopathie, die Leberfunktion, die Immunfunktion und die Lebensqualit&auml;t verbessern.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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