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Jahrestagung der DGHO, OeGHO, SGMO und SGH

Wichtige Erkenntnisse vom DGHO 2016

<p class="article-intro">Auch der diesjährige Kongress der deutschsprachigen Fachgesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Leipzig vom 14. bis 18. Oktober 2016 stand ganz unter dem Eindruck der zunehmend präzisen Diagnostik und der Flut neuer Arzneimittel, vor allem in der Onkologie. Kongresspräsident Prof. Hochhaus aus Jena hatte den Kongress unter das Goethe-Zitat aus dem „Faust“ „Blut ist ein ganz besondrer Saft“ gestellt. „Faust“-Zitate passen auch inhaltlich zur heutigen Situation von Ärzten und Forschern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1606_Weblinks_seite8.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Auf der einen Seite wussten wir noch nie so viel &uuml;ber die Entstehung und die Behandlung von Krebs- und Blutkrankheiten wie heute. Auf der anderen Seite m&uuml;ssen wir besonders kritisch, patientenbezogen und gleichzeitig gesellschaftsorientiert das Neue abw&auml;gen und Relevantes von Interessantem unterscheiden. <br />Die Auswahl &bdquo;Best of&ldquo; aus mehr als 750 wissenschaftlichen Beitr&auml;gen ist immer subjektiv, auch unfair. Jeder der &uuml;ber 5.700 Teilnehmer w&uuml;rde eine eigene, andere Rangliste erstellen. Meine Zusammenfassung wird weniger von Einzelergebnissen als von Trends bestimmt.</p> <h2>Grippe bei Krebspatienten</h2> <p>Passend zur Jahreszeit wurden die Auswirkungen der Grippesaison 2015 bei Patienten mit Tumorerkrankungen analysiert. Vortragender war Daniel Teschner aus Mainz<sup>1</sup> f&uuml;r die Arbeitsgruppe von Prof. Lilienfeld-Toal in Jena und die AGIHO (Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der H&auml;matologie und Onkologie). Insgesamt wurden 203 Patienten ausgewertet. Influenza A dominierte gegen&uuml;ber Influenza B. Bei 39 % der Patienten wurde eine Grippe, bei 27 % eine Pneumonie, bei 26 % eine Infektion der oberen Luftwege diagnostiziert. 13 % der Patienten mussten auf der Intensivstation behandelt werden, die Letalit&auml;t betrug 9 % . <br />Fazit: Influenza-Infektionen bei immungeschw&auml;chten Krebspatienten sind eine ernst zu nehmende, fr&uuml;hzeitig zu diagnostizierende und konsequent zu behandelnde Komplikation.</p> <h2>Molekulargenetische Diagnostik beim kolorektalen Karzinom</h2> <p>Mark-Oliver Zahn aus Goslar<sup>2</sup> hat die Daten des klinischen Tumorregisters Kolorektales Karzinom (TKK) zur Bestimmung des <em>RAS</em>-Mutationsstatus bei Patienten mit metastasiertem Dickdarmkrebs vorgestellt. Das Register umfasst inzwischen &uuml;ber 6.000 Patienten. Die Analyse zeigt den deutlichen Anstieg durchgef&uuml;hrter Mutationstests von etwa 55 % im Jahr 2008 auf &uuml;ber 80 % im Jahr 2014, aber keinen weiteren Anstieg im Jahr 2015. <br />Fazit: Bei etwa 20 % der Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom wird der pr&auml;diktive <em>RAS</em>-Mutationstest nicht durchgef&uuml;hrt.</p> <h2>FOLFOX/Bevacizumab + Irinotecan in der Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms</h2> <p>Alle starren auf die neuen Arzneimittel, aber auch aus dem bisher Vorhandenen ist noch mehr herauszuholen. Alexander Stein<sup>3</sup> hat die Ergebnisse der randomisierten Phase-II-Studie CHARTA-AIO KRK 0209 der AIO an 242 Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom vorgestellt. FOLFOXIRI + Bevacizumab f&uuml;hrte im Vergleich zu FOLFOX + Bevacizumab zu einer Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens (Hazard-Ratio: 0,77; Median 2,2 Monate; p=0,06). Der Unterschied war am st&auml;rksten ausgepr&auml;gt bei Patienten mit <em>RAS</em>-Wildtyp (Hazard-Ratio: 0,67; Median 3,5 Monate). <br />Fazit: FOLFOXIRI + Bevacizumab ist m&ouml;glicherweise die wirksamste Erstlinientherapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom mit <em>RAS</em>-Wildtyp.</p> <h2>Crizotinib beim <em>ROS1</em>-translozierten Adenokarzinom der Lunge</h2> <p>Das metastasierte, nicht kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) ist das Paradebeispiel f&uuml;r den Paradigmenwechsel von der histologisch zur molekulargenetisch gesteuerten Diagnostik. Crizotinib ist zugelassen f&uuml;r die Erst- und Zweitlinientherapie des ALK<sup>+</sup>-NSCLC. In einer deutsch-spanischen Kooperation, vorgestellt von Sebastian Michels aus K&ouml;ln,<sup>4</sup> wurde eine Phase-II-Studie zur Wirksamkeit von Crizotinib bei NSCLC-Patienten mit <em>ROS1</em>-Translokationen untersucht. Bei 34 von etwa 6.000 gescreenten Patienten war eine <em>ROS1</em>-Translokation nachweisbar und die Reaktion auf Crizotinib auswertbar. Die Sequenzierung war der FISH-Methodik &uuml;berlegen. In der Therapieauswertung hatten alle positiv sequenzierten Patienten auf Crizotinib angesprochen, zwei falsch-positiv diagnostizierte Karzinome aus der FISH-Diagnostik nicht. <br />Fazit: Mittels Sequenzierung nachgewiesene <em>ROS1</em>-translozierte Adenokarzinome der Lunge sind hoch sensitiv gegen&uuml;ber Crizotinib.</p> <h2>Inflammatorische Serummarker als Prognoseparameter bei Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches</h2> <p>Zur Standardtherapie bei metastasierten Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches geh&ouml;ren platinhaltige Chemotherapie, Anti-<em>EGFR</em>- und seit Kurzem auch Anti-PD-L1-Antik&ouml;rper. Michael Pogorzelski aus Essen<sup>5</sup> hat die prognostische Relevanz inflammatorischer Serumparameter in einer Kohorte von 105 Patienten untersucht. Alle Patienten erhielten eine platinhaltige Chemotherapie + Cetuximab. Besonders gute Diskriminatoren zwischen einer guten und einer ung&uuml;nstigen Prognose waren das Verh&auml;ltnis von Thrombozyten zu Leukozyten, CRP, An&auml;mie und der modifizierte Glasgow-Prognose-Score (niedriges CRP, hohes Albumin). <br />Fazit: Einfach zu bestimmende Serummarker erlauben die Identifikation von Patienten mit ung&uuml;nstiger Prognose unter der bisherigen Standardtherapie.</p> <h2>PD-L1-Expression als prognostischer Biomarker bei Plattenepithel&shy;karzinomen des Kopf-Hals-Bereiches (HNSCC)</h2> <p>Tim M&uuml;ller aus Bonn<sup>6</sup> war Erstautor einer Arbeit zur Analyse der prognostischen Relevanz der histologischen PD-L1-Expression in Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches. Untersucht wurde zun&auml;chst eine Trainingskohorte von 98 Patienten, gefolgt von der Testkohorte mit 195 Patienten. Patienten mit einer hohen Expression von PD-L1 hatten eine signifikant schlechtere Prognose, Patienten ohne PD-L1-Expression eine sehr gute Prognose. <br />Fazit: PD-L1 ist nicht nur ein geeignetes Ziel f&uuml;r die Immuntherapie, sondern identifiziert auch eine Population mit besonders ung&uuml;nstiger Prognose.</p> <h2>Nachweis von <em>RAS</em>-Mutationen in &bdquo;liquid biopsies&ldquo; von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches unter Cetuximab-Therapie</h2> <p>&bdquo;Blut ist ein ganz besondrer Saft&ldquo; trifft jetzt zunehmend auch auf die Onkologie zu. &bdquo;Liquid biopsies&ldquo; erlauben den sensitiven Nachweis von relevanten Genver&auml;nderungen bei Patienten mit soliden Tumoren. Minna Voigtl&auml;nder aus Hamburg<sup>7</sup> stellte die longitudinale Analyse von <em>RAS</em>-Mutationen in &bdquo;liquid biopsies&ldquo; bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereiches unter Cetuximab-Therapie vor. Neu erworbene <em>RAS</em>-Mutationen waren in den &bdquo;liquid biopsies&ldquo; nachweisbar und sagten eine Resistenz auf die Anti-EGFR-Therapie vor klinischem Progress voraus. <br />Fazit: Resistenz-assoziierte Mutationen sind in &bdquo;liquid biopsies&ldquo; fr&uuml;hzeitig nachweisbar.</p> <h2>Neue Arzneimittel in der Onkologie &ndash; nachhaltige Wirksamkeit</h2> <p>Einer der roten F&auml;den der Jahrestagung war die Integration der vielen neuen Arzneimittel in die praktische Versorgung. Abbildung 1 zeigt, bei wie vielen Krankheitsbildern zwischen 2011 und 2016 mindestens ein oder oft mehrere neue Arzneimittel von der European Medicines Agency (EMA) zugelassen und auf dem deutschen Markt eingef&uuml;hrt worden sind. <br />Eine der gro&szlig;en Hoffnungstr&auml;ger ist die Immuntherapie mit Checkpoint-Modulatoren. Sie sind bei vielen Tumorentit&auml;ten wirksam, aber in unterschiedlichem Ausma&szlig;. Entscheidendes Kriterium zur Bewertung der Wirksamkeit der neuen Arzneimittel ist der patientenrelevante Endpunkt. Besonders vielversprechend ist die m&ouml;gliche Rate von Langzeit&uuml;berlebenden. Abbildung 2 fasst anhand der Ergebnisse von vier aktuell publizierten, randomisierten Studien bei nicht kleinzelligem Lungenkarzinom die &Uuml;berlebensraten (&Uuml;LR) nach 18&ndash;24 Monaten zusammen. <br />Fazit: Zur nachhaltigen Bewertung der Wirksamkeit neuer Arzneimittel ist die &Uuml;berlebensrate ein geeigneter Parameter. Die Erhebung erfordert Geduld. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1606_Weblinks_seite9.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1606_Weblinks_seite10.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Teschner D et al: Verlauf und Mortalit&auml;t von Influenza-Infektionen bei Patienten mit maligner Grunderkrankung &ndash; finale Analyse der Saison 2015 durch die AGIHO. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 674 <strong>2</strong> Zahn M-O et al: Behandlungsrealit&auml;t von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom nach (K)RAS-Mutationsstatus &ndash; Daten aus dem klinischen Tumorregister Kolorektales Karzinom (TKK). Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 171 <strong>3</strong> Stein A et al: FOLFOX plus Bevacizumab (Bev) vs. FOLFOXIRI plus Bev bei fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom (CRC): eine randomisierte AIO-0209-Phase-II-Studie (CHARTA). Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 643 <strong>4</strong> Michels S et al: ECROSS: eine europ&auml;ische Phase-II-Studie zur Beurteilung von Wirksamkeit und Sicherheit der Crizotinib-Behandlung bei fortgeschrittenem ROS1-positivem Adenokarzinom der Lunge &ndash; erste Ergebnisse. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 676 <strong>5</strong> Pogorzelski M et al: Inflammatorische Serumparameter als Prognoseparameter bei rezidivierten oder metastasierten Plattenepithelkarzinomen des Kopf- und Halsbereiches (r/m HNSCC). Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 997 <strong>6</strong> M&uuml;ller T et al: PD-L1: ein neuer prognostischer Biomarker in Kopf-Hals-Tumoren. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 340 <strong>7</strong> Voigtl&auml;nder M et al: Liquid biopsies von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren decken erworbene RAS-Mutationen als wesentlichen Resistenzmechanismus unter Cetuximab-haltiger Therapie auf. Oncol Res Treat 2016; 39(suppl 3): 1-348; Abstract 996 <strong>8</strong>&nbsp;Brahmer J et al: Nivolumab versus docetaxel in advanced squamous-cell non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2015; 373(2): 123-35 <strong>9</strong> Borghaei H et al: Nivolumab versus docetaxel in advanced nonsquamous non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2015; 373(17): 1627-39 <strong>10</strong>&nbsp;Herbst RS et al: Pembrolizumab versus docetaxel for previously treated, PD-L1-positive, advanced non-small-cell lung cancer (KEYNOTE-010): a randomised controlled trial. Lancet 2016; 387(10027): 1540-50 <strong>11</strong> Reck M et al: Pembrolizumab versus chemotherapy for PD-L1-positive non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2016; Epub ahead of print</p> </div> </p>
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