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Giftiger Dienstag

Influenza – Prophylaxe, Diagnostik, Therapie

<p class="article-intro">Auch in diesem Winter werden zumindest einige Hundert Menschen in Österreich an der Influenza sterben – Todesfälle, die durch eine entsprechende Durchimpfungsrate zum Großteil vermeidbar wären. Fakten rund um die Grippe präsentierte die Wiener Virologin Dr. Monika Redlberger-Fritz anlässlich eines „Giftigen Dienstags“.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Allj&auml;hrliche saisonale Aktivit&auml;t des Influenzavirus betrifft in &shy;&Ouml;sterreich ca. 5&ndash;10 % der Erwach&shy;senen und 10&ndash;20 % der Kinder.</li> <li>Influenzaassoziierte &Uuml;bersterblichkeit betr&auml;gt im Durchschnitt pro Saison 1.300 bzw. 15,5 Todesf&auml;lle pro 100.000 Einwohner j&auml;hrlich.</li> <li>Tot- und Lebendimpfstoffe zur Prophylaxe verf&uuml;gbar; Lebend&shy;impfstoff: tretravalent A(H1N1)pdm09, A(H3N2), beide B-Line&shy;ages, intranasale Applikation, in &Ouml;sterreich zugelassen f&uuml;r Alter von 2 bis 18 Jahren; verf&uuml;gbare Totimpfstoffe: trivalent A(H1N1)pdm09, A(H3N2) und eine der beiden B-Lineages</li> <li>Durchimpfungsrate mit ca. 5 % in &Ouml;sterreich sehr niedrig</li> </ul> </div> <p>Die Bezeichnung ,Influenza&lsquo; stammt aus dem Italienischen und lautet eigentlich ,influenza di freddo&lsquo;, also ,Einfluss der K&auml;lte&lsquo;, wie man etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts sagte&ldquo;, erl&auml;uterte Dr. Monika Redlberger-Fritz, Department f&uuml;r Viro&shy;logie, Medizinische Universit&auml;t Wien. <br />Circa ab dem 14. Jahrhundert lassen sich Grippeepidemien belegen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts d&uuml;rfte es eine Grippepandemie gegeben haben, die nicht nur in Europa, sondern auch im (aus europ&auml;ischer Sicht neu entdeckten) Nordamerika und in Japan w&uuml;tete. Besonders viele Opfer forderte die Pandemie von 1918, die durch ein Influenza-A(H1N1)-Virus verursacht worden war. <br />Richard Pfeiffer entdeckte 1896 ein Bakterium, das er f&uuml;r den Influenzaerreger hielt und &bdquo;Bacillus influenzae&ldquo; nannte. Dabei handelte es sich um den &ndash; eben deshalb so genannten &ndash; Haemophilus influenzae. <br />Das Influenzavirus wurde erst 1933 von Wilson Smith und Kollegen in London isoliert. &bdquo;Sein Institut besteht nach wie vor und ist heute das europ&auml;ische Referenzzentrum der WHO f&uuml;r Influenza&ldquo;, schilderte die Virologin.</p> <h2>&Uuml;bertragung und Symptomatik</h2> <p>Das Influenzavirus kann &uuml;ber zwei Wege &uuml;bertragen werden: Schmierinfektion und Tr&ouml;pfcheninfektion. Beim Niesen werden ca. 106 bis 108 Viruspartikel ausgeschieden &ndash; und zwar mit hoher Geschwindigkeit; beim Niesen sind es ca. 160km/h, beim Husten immer noch 80km/h. Bei Kontakt mit der Handfl&auml;che werden ca. 10 % aller Viruspartikel auf die Kontaktfl&auml;che &uuml;bertragen. Niest also ein Influenzapatient in seine Handfl&auml;che und ber&uuml;hrt anschlie&szlig;end z.B. eine T&uuml;rschnalle, so werden immer noch 105 Viruspartikel &uuml;bertragen, mehr als genug, um eine Infektionskette zu beginnen, denn f&uuml;r eine Infektion sind lediglich zwischen 10 und 50 Viruspartikel erforderlich. <br />Bekanntlich gibt es neben den Influenzaviren auch eine Reihe anderer Viren, die respiratorische Symptome verursachen k&ouml;nnen. Abbildung 1 gibt einen &Uuml;berblick. <br />Das Influenzavirus selbst verursacht vor allem Fieber, Pharyngitis, Tracheitis (v.a. Influenza B) und Pneumonie. Typisch f&uuml;r Influenza ist ein pl&ouml;tzlicher Krankheitsbeginn mit hohem Fieber, trockenem Husten, Kopf-, Hals-, Muskel- und Gliederschmerzen, Durchfall und Erbrechen (h&auml;ufiger bei Kindern als bei Erwachsenen) und allgemeinem Krankheitsgef&uuml;hl. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1604_Weblinks_seite7.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Grunds&auml;tzlich lassen sich zwei Arten der Virusdiagnostik unterscheiden: der Nachweis der antiviralen Immunantwort (humoral oder zellul&auml;r) und der direkte Nachweis des Virus bzw. seiner Komponenten. Die Dauer der Virusausscheidung bei Influenza betr&auml;gt bei Erwachsenen maximal vier Tage, bei Kindern bis zu sieben Tage nach Symptombeginn. Folglich ist nur in dieser Phase ein direkter Virusnachweis sinnvoll, w&auml;hrend Serumantik&ouml;rper erst nach ca. 10&ndash;14 Tagen positiv werden.</p> <p>F&uuml;r den direkten Virusnachweis gibt es technisch drei M&ouml;glichkeiten:</p> <ol> <li>Der Antigen-ELISA: Dieser hat den Vorteil, dass innerhalb von 24 Stunden ein Ergebnis vorliegt und der Test von den Sozialversicherungen bezahlt wird. Der Nachteil: Die Sensitivit&auml;t betr&auml;gt nur 50&ndash;60 % (bei Erwachsenen; bei Kindern etwas h&ouml;her, weil diese mehr Virus ausscheiden).</li> <li>Die Virusisolierung (in Zellkulturen): Hier liegt die Sensitivit&auml;t bei 60&ndash;80 % , auch dieser Test wird von den Sozialversicherungen bezahlt, bis zum Ergebnis dauert es jedoch sieben bis zehn Tage.</li> <li>Die Virus-PCR: Hier liegt die Sensitivit&auml;t bei 95 % und das Ergebnis ist in 24h da. Allerdings wird dieser Test von der Sozialversicherung nicht bezahlt und ist daher eher f&uuml;r den station&auml;ren Bereich geeignet.</li> </ol> <p>Eine Labordiagnostik ist jedoch keineswegs immer erforderlich. Wenn innerhalb der Influenzasaison ein Patient mit pl&ouml;tzlichem Krankheitsbeginn hoch fiebert, so besteht bereits eine Wahrscheinlichkeit von 80 % f&uuml;r eine Influenza.</p> <h2>Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t</h2> <p>Die allj&auml;hrliche saisonale Aktivit&auml;t des Influenzavirus betrifft in &Ouml;sterreich ca. 5&ndash;10 % der Erwachsenen und 10&ndash;20 % der Kinder. Dabei sind es vor allem die Kinder, die f&uuml;r eine Verbreitung des Virus sorgen und daher zu jenen Populationen z&auml;hlen, die vordringlich geimpft werden sollten. Bedenklich ist, dass in jeder Saison 23 % der Mitarbeiter des Gesundheitswesens eine Serokonversion durchmachen. Auch sie sollten vordringlich geimpft werden. <br />Schlie&szlig;lich gibt es jedes Jahr eine gewisse &Uuml;bersterblichkeit, die genau mit der Influenzaepidemie korreliert und daher auch kausal mit ihr in Zusammenhang gebracht wird. Je nach Saison sterben 400 bis 4.000 Menschen, im Durchschnitt sind es 1.300 bzw. 15,5 Todesf&auml;lle pro 100.000 Einwohner. Da diese &Uuml;bersterblichkeit in der Regel &auml;ltere Menschen mit Komorbidit&auml;ten trifft, ist dies die dritte Gruppe, die vordringlich geimpft werden sollte.<sup>1</sup></p> <h2>Influenzaviren und &Uuml;berwachung</h2> <p>Es gibt drei Virustypen: A, B und C, wobei das Influenza-C-Virus de facto keine pathogene Bedeutung hat. Derzeit zirkulieren zwei Influenza-A-Viren, n&auml;mlich A(H3N2) und A(H1N1)pdm09 (das ist jener Stamm, der die Pandemie 2009 verursacht hat). Weiters gibt es zwei genetische Influenza-B-Linien, n&auml;mlich die Yamagata- und die Victoria-Lineage. Influenzaviren (vor allem Influenza A) sind sehr mutationsfreudig. Durch kleine Mutationen im Bereich der Antik&ouml;rperbindungsstellen kommt es zur sogenannten Antigendrift, was auch der Grund f&uuml;r die j&auml;hrliche Anpassung und Neuproduktion der Influenzaimpfstoffe ist. <br />Die virologische &Uuml;berwachung der Influenzaaktivit&auml;t erfolgt in &Ouml;sterreich durch ein Sentinel-Netzwerk von &Auml;rzten, die &uuml;ber ganz &Ouml;sterreich verteilt sind, zudem kommen Informationen aus den Gesundheits&auml;mtern in Wien und Graz und dem Land Tirol. All das wird w&ouml;chentlich vom Department f&uuml;r Virologie der MedUni Wien zusammengefasst und ist unter www.influenza.at abrufbar.</p> <h2>Impfstoffe</h2> <p>Zur Verf&uuml;gung stehen Tot- und Lebend&shy;impfstoffe. Der Influenzalebendimpfstoff ist in &Ouml;sterreich f&uuml;r das Alter von 2 bis 18 Jahren zugelassen; er wird intranasal &shy;appliziert und ist tetravalent, d.h., er enth&auml;lt Antigene beider Influenza-A-Viren (A(H1N1)pdm09 und A(H3N2)) und beider B-Lineages. <br />Die derzeit in &Ouml;sterreich verf&uuml;gbaren Totimpfstoffe sind trivalent, d.h., sie enthalten nur eine B-Lineage. Dies kann dann problematisch werden, wenn &ndash; so wie in der Saison 2015/16 &ndash; die Viruszirkulation stark vom Influenza-B-Virus dominiert ist und der Impfstoff die falsche B-Lineage enth&auml;lt, da zwischen den beiden B-Lineages keine Kreuzprotektion existiert. Tetravalente Totimpfstoffe sind zwar auf dem Markt, aber derzeit in &Ouml;sterreich nicht verf&uuml;gbar. <br />Allerdings sind die Durchimpfungsraten derzeit in &Ouml;sterreich so niedrig (um die 5 % ), dass selbst ein Impfungs-Mismatch epidemiologisch keinen gro&szlig;en Unterschied macht. <br />Sinnvoll ist ein Impfzeitpunkt Ende November, damit die meist erst im Februar beginnende Grippewelle von der Dauer der Immunit&auml;t voll erfasst wird.</p> <h2>Neuraminidasehemmer</h2> <p>Zur Vermeidung nosokomialer Infektionen sind die H&auml;ndehygiene und die Fl&auml;chendesinfektion von gro&szlig;er Bedeutung. Zudem sollten Health-Care-Workers nat&uuml;rlich gegen Influenza geimpft sein. <br />Die Anwendung von Neuraminidasehemmern ist dann sinnvoll, wenn die Grippeepidemie bereits im Gange ist, f&uuml;r den Patienten die klinische Diagnose &shy;Influenza gestellt worden ist und seine Symptome noch nicht l&auml;nger als 24 bis maximal 48 Stunden dauern. Besonders sinnvoll ist die Anwendung dieser Medikamente bei Patienten mit Komorbidit&auml;ten und einem hohen Komplikationsrisiko, weiters bei schwangeren Frauen, postpartalen Frauen und immunsupprimierten Patienten. <br />Es wurde gezeigt, dass Neuraminidasehemmer zu einer Abnahme der Infektionen des unteren Respirationstraktes, zu weniger Otitis media und anderen Komplikationen sowie zu einer Senkung der Dauer des Fiebers und anderer Symptome f&uuml;hren und eine Verringerung des Antibiotikaverbrauchs und der Spitalsaufnahmen bewirken.<sup>2&ndash;5</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Redlberger-Fritz M et al: Eur J Epidemiol 2012; 27(7): 567-575 <strong>2</strong> Muthuri SG et al: Lancet Respir Med 2014; 2(5): 395-404 <strong>3</strong> Launes C et al: Pediatr Infect Dis J 2011; 30(7): 622-625 <strong>4</strong> Lee N et al: Eur Respir J 2015; 45(6): 1642-1652 <strong>5</strong> Lee N et al: Thorax 2010; 65(6): 510-515</p> </div> </p>
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