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ESC-Guidelines 2016 zum Vorhofflimmern

Neues zu Screening, Antikoagulation und Ablation

<p class="article-intro">Die im Rahmen des ESC 2016 vorgestellten Leitlinien beinhalten wesentliche Neuerungen zum Screening, zur Diagnostik sowie zur medikamentösen und interventionellen Therapie von Vorhofflimmern. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die ESC-Guidelines 2016 zum &shy;Vorhofflimmern umfassen wesentliche Neuerungen zum Screening, zur &shy;Diagnostik sowie zur medikamen&shy;t&ouml;sen und interventionellen Therapie von Vorhofflimmern.</li> <li>Konkrete Therapieempfehlungen sind auch in der CATCH-ME-App &shy;zusammengefasst, die auf der &shy;ESC-Homepage verf&uuml;gbar ist.</li> </ul> </div> <p>Nach einer Wartezeit von nunmehr vier Jahren wurden am ESC-Kongress 2016 aktualisierte Leitlinien der europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie zur Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) vorgestellt.<sup>1</sup> Einen gro&szlig;en Stellenwert hat darin, wie auch in anderen Teilgebieten der Kardiologie, die interdisziplin&auml;re Patientenbetreuung. So wurden die aktuellen Leitlinien durch Expertinnen und Experten aus den Teilbereichen Kardiologie, Herzchirurgie und Neurologie verfasst. Multidisziplin&auml;re Entscheidungen sind vor allem bei komplexeren F&auml;llen wie nach Schlaganf&auml;llen oder intrakraniellen Blutungen gefragt. Auch die eigenverantwortliche Mitarbeit des Patienten soll st&auml;rker gef&ouml;rdert werden.</p> <h2>Screening, Diagnose und Klassifikation</h2> <p>Ein Schwerpunkt der neuen Leitlinien liegt auf der Detektion von asymptomatischem VHF: Das Screening mittels Pulstasten und eventuell mittels EKG wird bei Patienten &gt;65 Jahre empfohlen (Class I Recommendation, Level of Evidence B). Bei Patienten nach kryptogenem Insult sollte ein Holter-EKG &gt;72h (eventuell auch mittels Event Recorder bzw. implantiertem Loop Recorder) durchgef&uuml;hrt werden (IB bzw. IIa B). Atriale Hochfrequenz&shy;episoden, die mittels Schrittmacher- oder ICD-Abfrage bei Patienten ohne bisher bekanntes VHF detektiert werden, sollten ab einer Dauer von &gt;5&ndash;6min zu EKG-Untersuchungen f&uuml;hren und bei erh&ouml;htem CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score jedenfalls bei konsekutiver EKG-Dokumentation des VHF und im Einzelfall (hohes Schlaganfallrisiko; Patientenaufkl&auml;rung erforderlich) auch ohne EKG-Dokumentation zur oralen Antikoagulation (IA). F&uuml;r die Diagnose von VHF ist nach wie vor die Dia&shy;gnose mittel EKG und eine minimale Episodendauer von 30s erforderlich. Die Klassifikation (paroxysmal, persistierend, lang persistierend [&gt;1 Jahr persistierendes VHF] und permanent) bleibt unver&auml;ndert. Die Task Force empfiehlt nunmehr eine Echokardio&shy;grafie bei allen Patienten mit VHF (IC), um kardiovaskul&auml;re Begleiterkrankungen fr&uuml;hzeitig zu erkennen und um medikament&ouml;se und interventionelle Therapie&shy;optionen besser einsch&auml;tzen zu k&ouml;nnen.</p> <h2>Behandlungsprinzipien</h2> <p>Die Therapiegrunds&auml;tze der neuen VHF-Guidelines umfassen:</p> <ul> <li>Akuttherapie mit eventueller Kardioversion oder Frequenzkontrolle zur &shy;h&auml;modynamischen Stabilisierung</li> <li>Management von kardiovaskul&auml;ren Erkrankungen, Adipositas oder Schlaf&shy;apnoe</li> <li>Absch&auml;tzung des Insultrisikos und evtl. Antikoagulation</li> <li>Herzfrequenzkontrolle oder</li> <li>Herzrhythmuskontrolle (Kardioversion, Antiarrhythmika, Ablation)</li> </ul> <h2>Schlaganfall- und Blutungspr&auml;vention</h2> <p>Nach wie vor wird der CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score f&uuml;r die Absch&auml;tzung des Schlaganfallrisikos bei VHF-Patienten empfohlen (IA). F&uuml;r Patienten mit valvul&auml;rem VHF sind nach wie vor Vitamin-K-Antagonisten die Therapie der Wahl (Abb. 1). Bei Pa&shy;tienten mit nur einem Risikofaktor (CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>VASc-Score = 1; Punkt f&uuml;r weibliches Geschlecht z&auml;hlt dabei nicht) soll eine orale Antikoagulation in Betracht gezogen werden (IIa B). Bei Patienten mit zwei oder mehr Risikofaktoren (CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score = 2; Punkt f&uuml;r weibliches Geschlecht z&auml;hlt dabei nicht) ist eine orale Antikoagulation klar indiziert (IA). Als First-Line-Therapie werden bei diesen Indikationen pr&auml;ferenziell die neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban gesehen (IA). Die Vitamin-K-Antagonisten bleiben allerdings eine v&ouml;llig valide Therapieoption, wobei eine m&ouml;glichst lange Zeit im therapeutischen INR-Bereich angestrebt werden soll (IA). Bei CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score = 0 sollte gar keine Antikoagulation eingeleitet werden (IIIB). <br />Die Verhinderung von Blutungsereignissen bleibt ein wichtiges Therapieprinzip. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Guidelines werden aber zur Absch&auml;tzung dieses Risikos keine Blutungsscores (HAS-BLED) mehr empfohlen. Stattdessen wird eine Liste potenziell modifizierbarer Blutungsrisikofaktoren pr&auml;sentiert (Hypertonus, labiler INR, Medikamente, Alkohol, An&auml;mie, Nieren- und Leberinsuffizienz etc.), die &ndash; sofern vorhanden &ndash; minimiert werden sollen, um die Sicherheit der Antikoagulation zu erh&ouml;hen (IIa B). Die Kombination von Antikoagulanzien und Pl&auml;ttchenhemmern sollte wann immer m&ouml;glich vermieden werden (IIIB). Eine Schlaganfallprophylaxe mit Pl&auml;ttchenhemmern sollte bei VHF-Patienten keinesfalls durchgef&uuml;hrt werden (IIIB). Die neuen Guidelines enthalten auch detaillierte Empfehlungen zum Neustart der Antiko&shy;agulation nach isch&auml;mischem Schlaganfall oder nach Hirnblutungen, wobei gerade in diesen F&auml;llen eine interdisziplin&auml;re Empfehlung getroffen werden soll. <br />Trotz positiver Studienergebnisse wurde der Stellenwert des Herzohrverschlusses zur Schlaganfallpr&auml;vention bei VHF-Patienten nicht aufgewertet. Bei Kontraindikation zur Antikoagulation besteht aber jedenfalls diese Therapieoption (IIb C). <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1605_Weblinks_seite31_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Grundprinzipien von Frequenz- und Rhythmuskontrolle</h2> <p>Wenig Neues gibt es zur Frequenzkontrolle: Bei tachykarden Patienten wird eine Herzfrequenz &lt;110/min angestrebt (IIa B). Ist der Patient weiter symptomatisch, so kann eine noch niedrigere Herzfrequenz angestrebt werden, wobei es eine Bradykardie zu vermeiden gilt. In der Langzeittherapie sollte eine Frequenzkontrolle entweder mit einer medikament&ouml;sen Monotherapie (IB) oder eine Kombinationstherapie (IIa C) durchgef&uuml;hrt werden, wobei bei einer EF &ge;40 % Betablocker, Kalziumantagonisten oder Digitalis zur Verf&uuml;gung stehen, bei einer EF &lt;40 % Betablocker und Digitalis. <br />Zur Symptomverbesserung kann die Wiederherstellung und/oder der Erhalt des Sinusrhythmus (Rhythmuskontrolle) angestrebt werden, und zwar mittels Kardioversion, Medikamenten, Katheterablation oder chirurgischer Ablation. Die Erfolgsrate der Rhythmuskontrolle ist h&ouml;her bei paroxysmalem oder kurz persistierendem VHF, bei nicht h&ouml;hergradig dilatiertem Vorhof und bei Fehlen einer schweren strukturellen Herzerkrankung.</p> <h2>Kardioversion und Antiarrhythmika</h2> <p>An den Empfehlungen zur antiarrhythmischen Therapie und zur elektrischen Kardioversion hat sich wenig ge&auml;ndert. Zur Verf&uuml;gung stehen Flecainid, Propafenon, Dronedaron, Sotalol und Amiodaron (Abb. 2). Aufgrund der bescheidenen Langzeiteffektivit&auml;t der Antiarrhythmika hinsichtlich der Rhythmuskontrolle sollte die Entscheidung f&uuml;r ein spezifisches Antiarrhythmikum prim&auml;r aufgrund von Sicherheits&uuml;berlegungen (potenzielle Nebenwirkungen) getroffen werden (IA). <br />Vor Kardioversion sollte nach wie vor zumindest eine dreiw&ouml;chige suffiziente Antikoagulation bestehen oder alternativ eine trans&ouml;sophageale Echokardiografie durchgef&uuml;hrt werden (IB). Die Antikoagulation ist nach Kardioversion f&uuml;r zumindest vier Wochen weiterzuf&uuml;hren, bei erh&ouml;htem CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score auch dauerhaft (IB). <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1605_Weblinks_seite31_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Katheterablation</h2> <p>W&auml;hrend sich in der Empfehlung der medikament&ouml;sen Rhythmuskontrolle nicht viel ge&auml;ndert hat, hat die Katheterablation inzwischen einen deutlich h&ouml;heren Stellenwert bekommen. Dabei wurde wieder bekr&auml;ftigt, dass die Rhythmuskontrolle einzig auf Symptomverbesserung abzielt, wenngleich auch die Studien zur m&ouml;glichen Mortalit&auml;ts- und Morbidit&auml;tsreduktion durch Ablation von VHF noch laufen. Die Katheterablation ist die Therapie der Wahl bei Patienten mit symptomatischen Rezidiven unter antiarrhythmischer Therapie und kann bei ausgew&auml;hlten Patienten ebenso als First-Line-Therapie in Erw&auml;gung gezogen werden. F&uuml;r Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern besteht eine IA-Empfehlung zur Second-Line-Therapie bzw. IIa-B-Indikation zur First-Line-Therapie und f&uuml;r Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern eine IIa-C-Empfehlung (Abb. 2). Erstmalig wurden auch die chirurgischen Optionen zur VHF-Therapie ausf&uuml;hrlich behandelt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kirchhof P, Benussi S, Kotecha D, Ahlsson A, Atar D, Casadei B, Castella M, Diener HC, Heidbuchel H, Hendriks J, Hindricks G, Manolis AS, Oldgren J, Popescu BA, Schotten U, Van Putte B, Vardas P: 2016 ESC Guidelines for the &shy;management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS: The Task Force for the management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Endorsed by the European Stroke Organisation (ESO). Europace 2016; 18: 1609-78</p> </div> </p>
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