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Infektiöse Endokarditis

«Die Diagnose ist eine Herausforderung»

<p class="article-intro">Infektiöse Endokarditiden präsentieren sich heutzutage eher atypisch. Das Schwierige ist die Diagnose: Man muss daran denken. An einem Symposium im Luzerner Kantonsspital erklärten PD Dr. med. Peiman Jamshidi, Co-Chefarzt Kardiologie, und Dr. med. Marco Rossi, Chefarzt Infektiologie, anschaulich und praxisrelevant, wie man auf die Diagnose kommt. Die Therapie ist dann verhältnismässig einfach: In der neuen ESC-Leitlinie ist das Vorgehen für jeden Keim genau beschrieben.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Ich habe seit Jahren keine infekti&ouml;se Endokarditis mit typischer Pr&auml;sentation mehr gesehen&raquo;, berichtete PD Dr. med. Peiman Jamshidi. &laquo;Fieber, Appetitverlust, vergr&ouml;sserte Milz, Osler-Knoten &ndash; so haben wir es im Studium gelernt. Heutzutage sehen wir aber &ouml;fter atypische Pr&auml;sentationen. Deshalb muss man einfach an die M&ouml;glichkeit einer Endokarditis denken.&raquo; <br /> Die klinischen Zeichen einer infekti&ouml;sen Endokarditis sind sehr variabel, wobei keines ausreichend sensibel und spezifisch ist, um die Diagnose zu stellen. Der klinische Verlauf kann perakut sein oder die Symptome k&ouml;nnen sich schleichend entwickeln. Gem&auml;ss der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie muss in folgenden Situationen an eine Endokarditis gedacht werden:</p> <ul> <li>bei einem neu aufgetretenen Herzger&auml;usch,</li> <li>bei Embolien unbekannten Ursprungs,</li> <li>bei Sepsis unbekannter Ursache und bei Fieber, insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen: z.B. bei Patienten mit neu aufgetretenen &Uuml;berleitungsst&ouml;rungen am Herzen, intrakardialem prothetischem Material oder peripheren Abszessen unbekannter Ursache (ESC-Leitlinien zur infekti&ouml;sen Endokarditis).<sup>1</sup></li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite73.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Vermutet man klinisch eine Endokarditis, sind die ersten Schritte zur Diagnose eine transthorakale Echokardiografie (TTE) und danach eine trans&ouml;sophageale Echokardiografie (TEE). Nur wenn beide negativ sind und der klinische Verdacht gering ist, muss man nicht weiter nach einer Endokarditis suchen (Abb. 1). &laquo;Leider hat die TTE eine niedrige Sensitivit&auml;t&raquo;, sagte Jamshidi. &laquo;Man kann grosse Vegetationen, also gr&ouml;sser als 5mm, einfach erkennen, aber kleine Vegetationen unter 3mm erkennt man mitunter nur in der TEE.&raquo; Ist die TEE negativ und besteht klinisch weiterhin der Verdacht auf eine Endokarditis, sollte man die TEE innerhalb von 7 bis 10 Tagen wiederholen.<br /> &laquo;Findet man in Blutkulturen Bakterien und erh&auml;rtet sich im Echo der Verdacht auf eine Endokarditis, ist das Vorgehen einfach&raquo;, erkl&auml;rte Jamshidi. &laquo;Man startet eine Antibiotikatherapie gem&auml;ss Antibiogramm.&raquo; Ist die Kultur negativ, der Verdacht aber aufgrund der Klinik und des Echos hoch, muss man eine probatorische Antibiotikabehandlung machen. Die Duke-Kriterien, die auf Klinik, Laborbefunden und Bildgebung beruhen, helfen bei der Diagnose (Tab. 1). Eine Endokarditis gilt demnach als gesichert, wenn zwei Hauptkriterien erf&uuml;llt sind oder ein Haupt- und drei Nebenkriterien oder f&uuml;nf Nebenkriterien. Sind ein Haupt- und ein Nebenkriterium oder drei Nebenkriterien erf&uuml;llt, liegt m&ouml;glicherweise eine Endokarditis vor. <br /> Bei penicillinempfindlichen Keimen und Gruppe-D-Streptokokken wird der Patient mit Penicillin G behandelt (12&ndash;18 Mio. IE/d i.v. in 6 Dosen &uuml;ber 4 Wochen) oder mit Amoxicillin (100&ndash;200mg/kg/d i.v. in 4&ndash;6 Dosen &uuml;ber 4 Wochen) oder mit Ceftriaxon (1x 2g/d i.v. oder i.m. &uuml;ber 4 Wochen).<sup>1</sup><br /> Schwieriger ist die Entscheidung, ob der Patient operiert werden muss. &laquo;Das kann sich jeden Tag &auml;ndern, weshalb man die Situation bei der Visite t&auml;glich neu beurteilen muss&raquo;, sagte Jamshidi. Die Entscheidung h&auml;ngt von diversen Faktoren ab. Hat der Patient zum Beispiel eine Endokarditis an der Aorten- oder Mitralklappe mit Klappenobstruktion oder -destruktion, die zu einem Lungen&ouml;dem f&uuml;hrt, muss notfallm&auml;ssig operiert werden. Wenn sich die Infektion nicht kontrollieren l&auml;sst oder ein Patient persistierendes Fieber und positive Blutkulturen hat, besteht eine dringende OP-Indikation, ebenso bei grossen Vegetationen &uuml;ber 10mm und bei Embolie trotz Antibiose.<sup>1</sup> &laquo;Man kann das aber nicht pauschalisieren&raquo;, sagte Jamshidi. &laquo;Man muss das von Fall zu Fall im Team entscheiden.&raquo; Liegt eine OP-Indikation vor, sprechen die Daten einer neuen Metaanalyse von 21 Studien f&uuml;r eine Operation innerhalb der ersten Woche. Bei Patienten, die so behandelt wurden, war die Mortalit&auml;t geringer als bei jenen, die erst nach 8 bis 20 Tagen operiert wurden.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite72.png" alt="" /></p> <h2>Gesundheitssystem muss ambulante Therapien erm&ouml;glichen</h2> <p>Das Hauptproblem der infekti&ouml;sen Endokarditis sei aber nicht die Therapie, sondern die Diagnose, sagte Dr. med. Marco Rossi. &laquo;Wenn man die Diagnose erst einmal gestellt hat, ist es einfach. Denn in den ESC-Leitlinien ist f&uuml;r jeden Keim genau beschrieben, welche Antibiose man w&auml;hlen soll.&raquo; Gut findet er, dass im Punkt 4 der Leitlinie betont wird, wie wichtig das &laquo;Endokarditis-Team&raquo; ist: &laquo;Es braucht eine gute Zusammenarbeit von Hausarzt, Spital&auml;rzten, Kardiologen, Herzchirurgen, Intensivmedizinern und Infektiologen, um den Patienten optimal behandeln zu k&ouml;nnen.&raquo; Die Krankheit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Die klassische Endokarditis lenta sieht er kaum noch, h&auml;ufiger jedoch akute Infektionen durch <em>S. aureus</em>, nosokomiale Endokarditiden und solche bei intraven&ouml;sem Drogenabusus im rechten Herzen, die eine schlechte Prognose haben. Manche Patienten pr&auml;sentieren sich mit Symptomen, bei denen man nicht gleich an eine Endokarditis denkt, etwa mit einer septischen Arthritis, einer Spondylodiszitis oder Fieber unklarer Ursache. &laquo;Vor jeder Antibiotikagabe m&uuml;ssen Blutkulturen abgenommen werden, um das passende Antibiotikum zu finden&raquo;, betonte Rossi. Schwierig wird es, wenn die Blutkulturen negativ sind. Das kann daran liegen, dass der Patient mit Antibiotika vorbehandelt ist oder dass es Keime sind, die schwierig zu z&uuml;chten sind, wie <em>Brucella sp</em>., <em>Coxiella sp</em>. oder Th. whipplei. Selten kann eine Endokarditis auch eine nicht infekti&ouml;se Ursache haben, etwa massiven Gewichtsverlust wegen eines Malignoms (marantische Endokarditis) oder Lupus erythematodes. Das Vorgehen bei negativen Blutkulturen wird in der Leitlinie ebenfalls detailliert beschrieben. So werden bei Verdacht auf <em>Coxiella sp</em>. zum Beispiel IgG-Bestimmungen empfohlen, Gewebekulturen, Immunhistologie und PCR des chirurgischen Materials.<br /> Eine Herausforderung in der Endokarditisbehandlung sieht der Infektiologe in der Art der Therapie. &laquo;Wir m&uuml;ssen unser Gesundheitssystem so ausrichten, dass wir auch ambulant kontinuierlich Antibiotika geben k&ouml;nnen, zum Beispiel mit Pumpen-Infusionssystemen&raquo;, forderte Rossi. Das Wichtigste sei aber nach wie vor die Diagnose: &laquo;Daf&uuml;r muss man sich Zeit nehmen und interdisziplin&auml;r zusammenarbeiten.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Habib G et al: 2015 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis: The Task Force for the Management of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), the European Association of Nuclear Medicine (EANM). Eur Heart J 2015; 36: 3075-128 <strong>2</strong> Narayanan MA et al: Early versus late surgical intervention or medical management for infective endocarditis: a systematic review and meta-analysis. Heart 2016; 102: 950-7</p> </div> </p>
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