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Heilbare chronische Arthritis? – Morbus Whipple!

<p class="article-intro">Morbus Whipple ist eine seltene Infektionserkrankung mit Arthritiden und Arthralgien, die gut antibiotisch behandelbar ist, deren Diagnose aber aufgrund der unspezifischen Symptome und der häufig uncharakteristischen Manifestationsformen immer noch sehr verzögert gestellt wird. Der folgende Artikel hat zum Ziel, diese Erkrankung als Differenzialdiagnose der Arthralgien und Arthritiden ins Gedächtnis zu rufen und somit eine frühzeitigere Diagnose und Therapie zu ermöglichen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Bei Autoantik&ouml;rper-negativer (seronegativer) rheumatoider Arthritis mit schlechtem Therapieansprechen oder Therapieversagen und bei Patienten mit begleitender gastrointestinaler Symptomatik ist an Morbus Whipple zu denken.</li> <li>Diagnostik der Wahl (Goldstandard) ist die &Ouml;sophagogastroduodenoskopie mit multiplen Duodenalbiopsien und histologischer Aufarbeitung (PAS-F&auml;rbung, PCR).</li> <li>Unter mehrmonatiger antibiotischer Therapie ist eine Heilung bei fr&uuml;hzeitiger Diagnose m&ouml;glich.</li> </ul> </div> <p>Der Morbus Whipple ist eine seltene Erkrankung mit einer gesch&auml;tzten j&auml;hrlichen Inzidenz von einem Fall per 1 000 000 Personen. Sie wurde erstmals 1907 durch G. H. Whipple als &laquo;intestinale Lipodystrophie&raquo; beschrieben. 1991 wurde als Erreger das grampositive Bakterium Tropheryma whipplei identifiziert, welches nahezu ubiquit&auml;r vorkommt, mit den Aktinomyzeten verwandt ist und sich durch ein sehr langsames Wachstum und eine Resistenz gegen Glutaraldehyd auszeichnet. Seit 1980 wurden weltweit j&auml;hrlich etwa 30 F&auml;lle pro Jahr als Morbus Whipple beschrieben. Haupts&auml;chlich betroffen sind M&auml;nner mittleren Alters kaukasischer Abstammung. H&auml;ufig besteht anamnestisch ein enges Verh&auml;ltnis zu landwirtschaftlichen Betrieben mit Kontakt zu Tieren oder F&auml;kalien.</p> <p><strong>Pathogenese</strong><br /> Da bis zu 35 % der Gesunden eine positive PCR auf Tropheryma whipplei im Speichel und 2&ndash;4 % eine asymptomatische Kolonisierung des Darmlumens aufweisen, bei bis zu 70 % der Bev&ouml;lkerung IgG-Antik&ouml;rper gegen Tropheryma whipplei nachweisbar sind und die Erkrankungsinzidenz &auml;usserst niedrig ist, scheinen spezielle Wirtsfaktoren eine Voraussetzung f&uuml;r das Auftreten der Erkrankung zu sein. Hier bestehen Assoziationen zu unterschiedlichen Mechanismen der geschw&auml;chten Immunabwehr (HLA-Typen, downregulierte Zytokine, ver&auml;nderte zellul&auml;re Mechanismen der Immunantwort und weitere). <br />Generell findet die &Uuml;bertragung von Mensch zu Mensch statt, am wahrscheinlichsten f&auml;kal-oral. Eine akute &laquo;Prim&auml;rinfektion&raquo; (Gastroenteritis, Pneumonie, Bakteri&auml;mie mit Husten) mit anschliessender Erregerpersistenz und &laquo;sekund&auml;rem&raquo; chronischem Stadium bei bestimmten Individuen mit oben genannten pr&auml;disponierenden Wirtsfaktoren wird diskutiert.</p> <h2>Klinik</h2> <p>Die Klinik der Infektion mit Tropheryma whipplei kann sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt akute Infektionen, die sich als Gastroenteritis, Pneumonie oder Bakteri&auml;mie mit Husten manifestieren und m&ouml;glicherweise im Sinne einer &laquo;Prim&auml;rinfektion&raquo; zu interpretieren sind, chronische Infektionen, welche isoliert das Endokard (h&auml;ufigste Ursache der Blutkultur-negativen Endokarditis) oder das ZNS betreffen, und den &laquo;klassischen&raquo; Morbus Whipple. Letzterer kann sich ebenfalls sehr unterschiedlich manifestieren. Am h&auml;ufigsten besteht beim Morbus Whipple eine Kombination aus Gelenkbeschwerden, Gewichtsverlust, abdominellen Beschwerden und Diarrh&ouml;. <br />Meist gehen dem Vollbild des Morbus Whipple Arthralgien oder Arthritiden um Jahre voraus, wobei es sich gr&ouml;sstenteils um intermittierende, wandernde Arthritiden der grossen Gelenke handelt, die nicht mit Gelenkdestruktion oder Autoantik&ouml;rperpositivit&auml;t einhergehen (insbesondere Rheumafaktor- und anti-CCP-negativ). Es gibt aber auch Verl&auml;ufe mit bilateralen, symmetrischen, als &laquo;seronegative&raquo; Polyarthritis imponierenden Gelenkmanifestationen sowie auch mit axialer Beteiligung oder sehr selten auch Verl&auml;ufe, die an den Gelenken mit einer hypertrophen Osteoarthropathie gekennzeichnet sind. Durch eine Fehlinterpretation als &laquo;seronegative&raquo; (Autoantik&ouml;rper-negative) rheumatoide Arthritis und eine in der Folge eingeleitete immunsuppressive Therapie kann der ansonsten m&ouml;glicherweise Jahre dauernde uncharakteristische, bisweilen milde Verlauf zum Vollbild des Morbus Whipple beschleunigt werden. Grunds&auml;tzlich kann jedes Organ beim Morbus Whipple betroffen sein. Einen &Uuml;berblick &uuml;ber m&ouml;gliche Symptome gibt die Tabelle 1. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite54.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Laboranalytisch zeigen sich oft unspezifische Ver&auml;nderungen mit Erh&ouml;hung der Entz&uuml;ndungsparameter im Blut (CRP, BSG), mit An&auml;mie, Leukozytose und Eosinophilie. Die antinukle&auml;ren Antik&ouml;rper, Anti-CCP-Antik&ouml;rper und die Rheumafaktorbestimmung fallen im Allgemeinen negativ aus. Bei exsudativen Arthritiden weisen die gewonnenen Gelenkpunktate meist eine entz&uuml;ndliche Zellzahl (&gt;2000 Zellen pro Mikroliter) auf. <br />Hinsichtlich eines Screenings mittels Stuhl- und Speichel-PCR und ggf. PCR aus der Synovialfl&uuml;ssigkeit herrscht in der Literatur keine Einigkeit, insbesondere da ein asymptomatisches Tr&auml;gertum recht h&auml;ufig ist und rein anhand des Vorliegens positiver PCR-Ergebnisse aus Lunge oder Verdauungstrakt die Diagnose nicht gestellt werden sollte/darf. Es gibt Kollegen und Arbeiten (Pu&eacute;chal et al 2013), die bei Verdacht auf eine Whipple-Erkrankung prim&auml;r eine PCR-Untersuchung, wenn m&ouml;glich aus mehreren Geweben (Speichel, Stuhl, Synovia), empfehlen und erst bei positivem PCR-Sample zur invasiveren Diagnostik (Endoskopie/Biopsie) schreiten. <br />Bei einer &laquo;seronegativen&raquo; Arthritis, welche nicht gut auf immunsuppressive Therapie anspricht, und abdominellen Symptomen (Diarrh&ouml;, Gewichtsverlust) sollte eine &Ouml;sophagogastroduodenoskopie mit multiplen Biopsien des Duodenums erfolgen. Makroskopisch zeigen sich hierbei unspezifische Befunde, als gelblich-weissliche Mukosaver&auml;nderungen imponierend und mit einer Zottenabflachung (Verlust an Villi) einhergehend. Histologisch sind extrazellul&auml;res Lipid und PAS-positive Makrophagen nachweisbar (Abb. 1). Zum Ausschluss einer Mykobakteriose sollte eine Ziehl-Neelsen-F&auml;rbung durchgef&uuml;hrt werden. Bei Unsicherheiten wird zur Best&auml;tigung eine PCR-Untersuchung empfohlen. Bei negativem Befund aus der &Ouml;sophagogastroduodenoskopie oder fehlenden abdominellen Symptomen kann auch eine PCR aus betroffenem Gewebe erfolgen (z.B. Lymphknoten, Synovialgewebe, resezierte Herzklappen, Liquor, Knochenmark). Es sollte hier in mindestens zwei Tests (PCR aus zwei verschiedenen Geweben oder PCR und Sequenzierung) ein positives Ergebnis vorliegen. Bei gastrointestinal gesicherter Diagnose eines Morbus Whipple ist immer eine PCR des Liquors zu empfehlen, da h&auml;ufig ein asymptomatischer ZNS-Befall vorliegt (bis zu 40 % ). <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite55.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>&Uuml;ber die Therapie besteht in den vorliegenden Arbeiten ebenfalls kein Konsens. Es existieren keine kontrollierten Studien. Im Allgemeinen wird aktuell eher eine 14-t&auml;gige intraven&ouml;se antibiotische Therapie mit Ceftriaxon (2g/Tag), gefolgt von einer einj&auml;hrigen Therapie mit Cotrimoxazol (960mg 2x/Tag), empfohlen. Alternativ zu Ceftriaxon kann auch Meropenem (3x 1g/Tag) eingesetzt werden. Andere Autoren empfehlen eine zw&ouml;lfmonatige Therapie mit Doxycyclin (2x 100mg/Tag) und Hydroxychloroquin (3x 200mg/Tag). Eine folgende lebenslange Therapie mit Doxycyclin wird ebenfalls diskutiert. Bei zerebralem Befall sollte auch der begleitende Einsatz von Steroiden evaluiert werden, um ein Hirn&ouml;dem zu behandeln bzw. den Hirndruck zu senken.</p> <h2>Kontrolluntersuchungen</h2> <p>Kontrolluntersuchungen sollten im ersten Jahr nach 6 und 12 Monaten, im Weiteren j&auml;hrlich &uuml;ber mindestens 3 Jahre, wenn m&ouml;glich lebenslang, stattfinden. Die PAS-Positivit&auml;t der Makrophagen (z.B. aus einer Duodenalbiopsie) kann lange bestehen bleiben. Histologisch &auml;ndert sich aber der Makrophagentyp. Die Persistenz einer positiven PCR in den Biopsien der intestinalen Mukosa ist ohne weitere Symptome/Befunde kein Hinweis auf ein Therapieversagen.</p> <h2>Komplikationen</h2> <p>Therapieresistenz und eine Neuinfektion bzw. ein Rezidiv bei bereits vorhandenen pr&auml;destinierenden Wirtsfaktoren sind m&ouml;gliche Komplikationen. Bei initialem Ansprechen mit anschliessendem Wiederauftreten einer lokalen oder systemischen Entz&uuml;ndungsreaktion von mehr als einer Woche Dauer sollte auch an ein IRIS (&laquo;immune reconstitution inflammatory syndrome&raquo;) gedacht werden. Hiervon sind vor allem Patienten mit vorangehender immunsuppressiver Therapie sowie mit schwerem ZNS-Befall betroffen. Es kann auch Jahre nach Therapie auftreten und mit Symptomen/Befunden wie Fieber, Polyarthritis, Orbitopathie mit Erblindung, D&uuml;nndarmperforation, hypothalamischem Syndrom, Erythema nodosum, Pleuritis, Meningitis, Hirnabszess und Endokarditis einhergehen. Nach Ausschluss anderer (meist infekti&ouml;ser) Ursachen ist eine Therapie mit Steroiden Mittel der Wahl. In Einzelf&auml;llen wurde &ndash; bei sonstiger Therapieresistenz &ndash; &uuml;ber Erfolge mit Thalidomid berichtet.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Biagi F et al: Intern Emerg Med 2012; 7(Suppl 3): 209-13 &bull; Fenollar F et al: J Infect 2014; 69(2): 103-12 &bull; Hagel S et al: Z Gastroenterol 2015; 53(5): 418-59 &bull; Moos V, Schneider T: Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(49): 2507-9 &bull; Moos V, Schneider T: Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2011; 30(10): 1151-8 &bull; Pu&eacute;chal X et al: Ann Rheum Dis 2013; 72(6): 797-803</p> </div> </p>
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