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Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC)

Ausreichend Diskussionsbedarf

<p class="article-intro">Alle zwei Jahre findet die Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC) in der Schweiz statt, bei welcher das optimale klinische Management von Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom besprochen wird. Zu bestimmten Fragestellungen wird am Ende des Meetings von einem Panel renommierter Experten abgestimmt und die dabei gezogenen Schlüsse in Form eines Konsensus-Papers veröffentlicht. PD Dr. med. Aurelius Omlin, Leitender Arzt am Kantonsspital St. Gallen, initiierte 2015 gemeinsam mit Prof. Dr. med. Silke Gilllessen vom Oncology Institute of Southern Switzerland die APCCC und ist Teil des Panels. Hier verrät er uns, über welche aktuellen Herausforderungen letztes Jahr die intensivsten Diskussionen geführt wurden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Das letzte APCCC-Konsensus-Paper wurde ja vor zwei Jahren ver&ouml;ffentlicht. Was sind Ihrer Meinung nach die entscheidendsten &Auml;nderungen im Vergleich zu 2017?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Die rasantesten Entwicklungen gab es sicher beim jetzt neu als &laquo;hormonsensitives Prostatakarzinom&raquo; (HSPC) bezeichneten kastrationsnaiven Prostatakarzinom (CNPC), mit neuen Studiendaten zu Enzalutamid, Apalutamid und der Radiotherapie.<br /> Beim nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) stehen nun drei neue therapeutische Optionen zur Verf&uuml;gung, und zwar Darolutamid, Enzalutamid und Apalutamid. Beim metastasierten CRPC stand die Diskussion &uuml;ber molekulare Marker im Mittelpunkt, mit dem Wissen, dass am diesj&auml;hrigen Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) schon bald neue Daten gezeigt werden.<br /> Die Immuntherapie spielt in der Therapie des Prostatakarzinoms nach wie vor keine grosse Rolle, nur zwei bis drei Prozent aller F&auml;lle weisen eine Mikrosatelliteninstabilit&auml;t (MSI) auf. Dementsprechend handelte es sich auch nur um ein Randthema an der APCCC. Meiner Meinung nach wird sich das aber rasch &auml;ndern, da aktuell einige Studien dazu durchgef&uuml;hrt werden. 2021 werden wir sicherlich um einiges mehr an Daten haben, um dar&uuml;ber zu sprechen.</p> <p><strong>Die molekulare Charakterisierung des Prostatakarzinoms war sowohl 2019 als auch 2017 ein hochaktuelles Thema. Weshalb bestand ein derart grosser Diskussionsbedarf?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Eine Konsensfindung war in mehreren wichtigen Fragen erforderlich: Wann soll eine molekulare Testung stattfinden? Auf welche Marker soll getestet werden? Welche Therapien resultieren aus den unterschiedlichen Ergebnissen? Kann alternativ zu Olaparib, wenn zu diesem kein Zugang gegeben ist, ein Platin-Derivat eingesetzt werden?<br /> Wenn entsprechende Mutationen gefunden werden, braucht es eine humangenetische Beratung und gegebenenfalls eine genetische Abkl&auml;rung. Generell stimmte ein Grossteil der anwesenden Experten daf&uuml;r, ein m&ouml;glichst breites Panel an molekularen Markern zu untersuchen. &Uuml;ber den richtigen Zeitpunkt der Testung herrschte Uneinigkeit: Einige wenige bef&uuml;rworten die Testung bereits im lokalen Stadium, w&auml;hrend die meisten das metastasierte Stadium abwarten w&uuml;rden.<br /> Die Kl&auml;rung der Kostenfrage ist ebenfalls von Bedeutung. Ergibt es &uuml;berhaupt Sinn, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Testung zu machen? Die amerikanischen Guidelines empfehlen die Testung aller Patienten mit Metastasierungen, es ist jedoch meines Erachtens noch nicht klar, ob das auch bei uns sinnvoll und machbar ist.<br /> Es gibt also viele Fragen und ausreichend Diskussionsbedarf, denn bez&uuml;glich der molekularen Testung befindet sich gerade einiges im Umbruch. Dies wird auch 2021 sicher wieder ein spannendes Thema werden.</p> <p><strong>Welche Therapiesequenz schl&auml;gt das Experten-Panel beim metastasierten CRPC vor? Derzeit gibt es ja besonders in der Zweitlinie eine Reihe verschiedener Wirkstoffkombinationen.</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Dieses Jahr wurden keine direkten Sequenzfragen behandelt, was daran liegt, dass es in dieser Hinsicht noch keine neuen Daten gibt. Welche Wirkstoffe in der zweiten und dritten Linie zum Einsatz kommen, ist hoch patientenspezifisch und nat&uuml;rlich auch abh&auml;ngig davon, welche Therapie in der Erstlinie gew&auml;hlt worden ist. Es gibt also keinen Goldstandard mehr. Es wurde aber &uuml;ber die Wichtigkeit und den idealen Einsatzzeitpunkt von Radium-223 und Cabazitaxel in der Therapiesequenz diskutiert.</p> <p><strong>Welche Punkte wurden hinsichtlich der Therapie des nicht metastasierten CRPC besprochen?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> An den letzten zwei Konferenzen konnte noch nicht &uuml;ber Medikamente diskutiert werden, die Patienten mit nicht metastasiertem CRPC tats&auml;chlich einen relevanten &Uuml;berlebensvorteil verschaffen. Dieses Jahr aber standen die Wirkstoffe Apalutamid, Darolutamid und Enzalutamid im Mittelpunkt, welche in entsprechenden Studien das metastasenfreie &Uuml;berleben der Betroffenen verl&auml;ngern konnten. Es gibt also durchaus neue therapeutische Optionen. Diskussionsbedarf besteht nun hinsichtlich des idealen Einsatzzeitpunktes ebendieser. Wie gestaltet sich die PSA(prostataspezifisches Antigen)-Dynamik? Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten? Welche Vorgeschichte hat er? M&ouml;chte er bereits eine aktive Therapie, oder kann er vielleicht auch damit umgehen, dass vorerst nur eine regelm&auml;ssige Kontrolle des PSA-Wertes erfolgt? Diese Fragen k&ouml;nnen und sollen idealerweise von einem Tumorboard besprochen werden.<br /> Zus&auml;tzlich gab es Diskussionsbedarf hinsichtlich des Einsatzes moderner bildgebender Methoden wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und der Magnetresonanztomografie (MRI): Welche Bilder sollen zu welchem Zeitpunkt aufgenommen werden?</p> <p><strong>Ein wichtiger Diskussionspunkt waren ja auch die Nebenwirkungen w&auml;hrend der Hormonbehandlungen.</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Ja, es gab einige Vortr&auml;ge, die sich mit den Nebenwirkungen hormoneller Therapien, wie Hitzewallungen und kognitiven Einschr&auml;nkungen, besch&auml;ftigt haben. Es gibt verschiedene hormonelle Pr&auml;parate, auch pflanzlichen Ursprungs, sowie Antidepressiva, allerdings fehlt noch ein entsprechender Standard. Bei st&ouml;renden Hitzewallungen wurden medikament&ouml;se Optionen, aber auch Ans&auml;tze aus der Integrativmedizin (Akupunktur) besprochen.<br /> Bei der hormontherapiebedingten Fatigue gab es einen Konsens, dass regelm&auml;ssiges Kraft- und Ausdauertraining empfohlen werden soll.<br /> Wichtig ist, dass die M&ouml;glichkeiten, die es bereits gibt, mit den Patienten ausgiebig besprochen werden und die volle Bandbreite potenzieller Therapien ausgesch&ouml;pft wird.</p> <p><strong>Ein spannendes Thema war das Problem der Patientenheterogenit&auml;t in Alter und Ethnizit&auml;t in der Auswertung klinischer Studien.</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Durchaus, aber man kam zu keinem konkreten Schluss. Hervorgehoben wurde nur, dass &auml;ltere Patienten und Patienten aller Ethnien ausser der weissen/kaukasischen h&auml;ufig unterrepr&auml;sentiert sind.<br /> Es gibt nat&uuml;rlich zahlreiche Faktoren, welche in diese Thematik hineinspielen: Ist ein ausreichender Zugang zu Medikamenten gegeben bzw. wie steht es mit dem Versicherungsstatus? Gibt es bestimmte genomische Varianten einzelner Bev&ouml;lkerungsgruppen, die Einfluss auf die Wirksamkeit der Therapie aus&uuml;ben?<br /> Bei asiatischen Patienten war die geringere Vertr&auml;glichkeit der Chemotherapie mit Docetaxel Thema. In Asien wird Docetaxel mehrheitlich in einer geringeren Dosis gestartet.</p> <p><strong>Wie ist derzeit die optimale Vorgehensweise beim Auftreten von Knochenmetastasen?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Zu diesem Thema gab es bereits 2015 und 2017 viele Fragen, und so auch letztes Jahr. Wir haben zum Beispiel wieder &uuml;ber die ERA-223-Studie gesprochen, bei welcher die Kombination aus Radium-223 plus Abirateron eingesetzt wurde und mit einer erh&ouml;hten Rate an vor allem osteoporotischen Frakturen assoziiert war. Ebenso wurde diskutiert, ob und wann eine Messung der Knochendichte erfolgen bzw. ein Risikorechner eingesetzt werden sollte, um das Risiko zu ermitteln, eine relevante Fraktur zu erleiden.<br /> Bez&uuml;glich des Einsatzes osteoprotektiver Medikamente beim CRPC war das Experten-Panel 2017 noch um einiges zur&uuml;ckhaltender. Die Empfehlungen von der APCCC 2019 sind nun wieder f&uuml;r den proaktiven Einsatz von Denosumab oder Zoledrons&auml;ure.</p> <p><strong>Welche Neuerungen gibt es in der Therapie des neu diagnostizierten HSPC?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Beim HSPC gab es wahrscheinlich die meisten &Auml;nderungen. Wie bereits erw&auml;hnt wurde beschlossen, das kastrationsnaive Prostatakarzinom von nun an als &laquo;hormonsensitives&raquo; Prostatakarzinom zu bezeichnen; und neue Studiendaten zu Enzalutamid und Apalutamid wurden besprochen. Deren Einsatz h&auml;ngt stark von der individuellen Situation des Patienten ab. Es gibt nat&uuml;rlich auch die Option der Anwendung von Docetaxel oder Abirateron/Prednison in dieser Situation.<br /> Einen eindeutigen Konsens gab es beim Einsatz der Radiotherapie in der metastasierten Situation. In der STAMPEDE-Studie konnte in der grossen Subgruppe der Patienten mit einer &laquo;Low volume&raquo;-Erkrankung ein relativ deutlicher Vorteil im Gesamt&uuml;berleben bei entsprechender Radiotherapie gezeigt werden. Dies spiegelte sich in einer klaren Entscheidung des Panels wider: pro Radiotherapie bei Patienten mit geringer Tumorlast.</p> <p><strong>Welcher Diskussionspunkt lag Ihnen besonders am Herzen und warum?</strong><br /> <strong>A. Omlin:</strong> Meines Erachtens ist das lokal fortgeschrittene Prostatakarzinom einer der wichtigsten Punkte, die besprochen wurden. Es gibt keine wirkliche Einigkeit bez&uuml;glich der optimalen Therapie und auch noch keinen Standard, darum ist ein reger Austausch unter Fachleuten von besonderer Bedeutung. Es bestehen noch viele Unsicherheiten ob der geeigneten Strategie, aber meiner Meinung nach auch ein grosses Potenzial, die Patienten zu heilen, sei es nun mit operativer, Radio- oder hormoneller Therapie, bzw. mit einer Kombination dieser Methoden. Die moderne Bildgebung wird nat&uuml;rlich eine grosse Rolle spielen und m&ouml;glicherweise auch Wirkstoffe wie Abirateron und Docetaxel. Es wird sicher noch einige Neuerungen geben, besonders in Anbetracht der Dringlichkeit, mit welcher momentan auf diesem Feld geforscht wird.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Gillessen et al.: Management of patients with advanced prostate cancer: report of the Advanced Prostate Cancer Consensus Conference 2019. Eur Urol 2020; E-pub ahead of print. doi: 10.1016/j.eururo.2020.01.012</p> </div> </p>
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