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Cancer Survivors – das Leben nach Krebs im Kindesalter

Körperliche Langzeitfolgen nach einer Krebserkrankung im Kindesalter

<p class="article-intro">Die pädiatrische Onkologie konnte in den letzten Jahrzehnten grosse Erfolge feiern. Heute werden in der Schweiz ca. 85 % aller Kinder und Jugendlichen, die eine maligne Erkrankung haben, geheilt.<sup>1</sup> Die Schweiz ist eines der europäischen Länder mit der höchsten Heilungsrate. Die Heilungsrate variiert nach Erstmalignom, aber selbst bei Hirntumoren können über 70 % der Kinder geheilt werden. Folglich nimmt die Anzahl Langzeitüberlebender nach Kinderkrebs stetig zu. Aktuell leben in der Schweiz ca. 6000 Erwachsene, die vor dem 20. Geburtstag ein Malignom hatten. Wenn man die Erwachsenen dazuzählt, die nach dem 20. Geburtstag ein Malignom hatten, leben in der Schweiz über 200 000 Langzeitüberlebende. Es ist also wichtig, dass wir uns Gedanken über die Spätfolgen machen, die diese Patienten haben.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Hohe Anzahl Langzeit&uuml;berlebender in der Schweiz</li> <li>Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t aufgrund von Sp&auml;tfolgen sind bedeutend.</li> <li>Buntes Bild &ndash; viele Organsysteme betroffen</li> <li>Therapiebedingte Risikofaktoren sind potenziell modifizierbar.</li> <li>Nachsorge erm&ouml;glicht fr&uuml;here Therapie und bessere Lebensqualit&auml;t.</li> </ul> </div> <p>Sp&auml;tfolgen des Malignoms und seiner Therapie sind sehr h&auml;ufig. Gem&auml;ss Sch&auml;tzungen leiden bis zu 80 % der Langzeit&uuml;berlebenden im Laufe ihres Lebens unter einer lebensbedrohlichen Sp&auml;tfolge. Die Rate und der Schweregrad der Sp&auml;tfolgen h&auml;ngen von Risikofaktoren ab: der onkologischen Erkrankung selbst (Typ, Lokalisation, Stadium), der erfolgten Behandlung (Chemotherapie, Radiotherapie, Operationen) und dem Patienten selbst (Geschlecht, Alter bei Behandlung, gesundheitliche Vorgeschichte, genetische Pr&auml;disposition). Wir k&ouml;nnen nur einen Teil dieser Faktoren beeinflussen oder ber&uuml;cksichtigen: Therapie und genetische Pr&auml;disposition &ndash; z. B. k&ouml;nnen wir auf eine spezielle Empfindlichkeit gegen&uuml;ber 6-Mercaptopurin und 6-Thioguanin R&uuml;cksicht nehmen.</p> <h2>Folgen von Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen</h2> <p>Die Chemotherapeutika, die wir in der P&auml;diatrie einsetzen, sind zum grossen Teil sehr alte Substanzen. Deshalb kennen wir die potenziellen Sp&auml;tfolgen gut. Speziell erw&auml;hnenswert ist die Kardiotoxizit&auml;t der Anthrazykline, die Neurotoxizit&auml;t der Vinca-Alkaloide, die Beeintr&auml;chtigung der Fertilit&auml;t und Nephrotoxizit&auml;t der Alkylanzien, die Ototoxizit&auml;t von insbesondere Cisplatin und die Toxizit&auml;t auf den Knochenstoffwechsel der Steroide. Die Sp&auml;tfolgen der Chemotherapeutika betreffen aber praktisch alle Organsysteme und k&ouml;nnen auch psychische und neurokognitive Beeintr&auml;chtigungen inklusive debilitierender Fatigue verursachen, dies v. a. die ZNS-g&auml;ngigen Substanzen (hoch dosiertes Methotrexat und Cytarabin). Zweitmalignome kommen auch vor, wobei diejenigen, die das blutbildende System betreffen, meistens in den ersten 10 Jahren nach Therapieende auftreten, andere Zweitmalignom- Risiken, wie zum Beispiel das erh&ouml;hte Risiko eines Harnblasenmalignoms nach Cyclophosphamid, nehmen im Laufe des Lebens zu.<br /> Radiotherapie f&uuml;hrt ebenfalls je nach Strahlenfeld zu Kollateralsch&auml;den inklusive Schilddr&uuml;senunterfunktion, Infertilit&auml;t, Kardiotoxizit&auml;t, pulmonaler Toxizit&auml;t, H&ouml;rst&ouml;rungen, Deformationen durch asymmetrisches Wachstum, neurokognitiver und psychischer Beeintr&auml;chtigung und Zweitmalignomen im Strahlenfeld, wobei hier das Risiko im Laufe des Lebens zunimmt.<br /> Auch Operationen verursachen Sp&auml;tfolgen, z. B. bei Amputationen, Entfernung von Organen, Tumorprothesen, ventrikulo-peritonealen Shuntsystemen (v. a. im weiteren Wachstum) und Port-a-Cath-Systemen, die oft jahrelang implantiert bleiben und zu Ver&auml;nderungen in den betroffenen Gef&auml;ssen f&uuml;hren. Zusammenfassend kann man sagen, dass Sp&auml;tfolgen sehr vielf&auml;ltig sind, potenziell schwerwiegend, und verschiedenste medizinische Disziplinen betreffen.<sup>2</sup></p> <h2>Langzeitfolgen</h2> <p>Die H&auml;ufigkeit der Sp&auml;tfolgen nimmt im Laufe des Lebens zu. Im Alter von 40&ndash;49 Jahren berichten nur noch gut 10 % der Cancer Survivors nach Krebs im Kindesund Jugendalter keine Sp&auml;tfolgen zu haben.<sup>3</sup> Oft haben Langzeit&uuml;berlebende auch mehrere chronische Leiden gleichzeitig. Wenn man dies mit einer Kontrollpopulation vergleicht, scheinen die Langzeit&uuml;berlebenden schneller als ihre Altersgenossen zu &laquo;altern&raquo; (um 10&ndash;20 Jahre).<sup>4</sup> Schweizer Daten zeigen eine exzessive Mortalit&auml;t der Langzeit&uuml;berlebenden im Vergleich zur &uuml;brigen Bev&ouml;lkerung &ndash; die Mortalit&auml;t ist um das 10-Fache erh&ouml;ht. In den ersten ca. 15 Jahren nach Diagnose ist diese Mortalit&auml;t durch das Erstmalignom bedingt, danach durch Sp&auml;tfolgen, wobei Zweitmalignome &ndash; unter denen 35 Jahre nach Erstdiagnose rund 10 % der Survivors leiden &ndash;, kardiale und respiratorische Erkrankungen die Haupttodesursachen sind. Diese nehmen mit zunehmendem Alter zu.<sup>5</sup> Bez&uuml;glich Morbidit&auml;t der Schweizer Childhood Cancer Survivors (SCCS) gibt es Daten aus der Fragebogen-basierten Studie, der Swiss Childhood Cancer Survivor Study. Frageb&ouml;gen wurden ab 2007 an alle SCCS mindestens 5 Jahre nach Diagnose verschickt. Resultate sind zum Beispiel, dass 10 % der SCCS &uuml;ber H&ouml;rprobleme berichten im Vergleich zu nur 3 % der ebenfalls befragten Geschwister.<sup>6</sup> Wenn man diese Resultate anhand von Audiogrammen &uuml;berpr&uuml;ft, zeigt sich, dass leichte oder einseitige H&ouml;rprobleme den SCCS nicht bewusst sind und folglich im Fragebogen nicht angegeben werden.<sup>7</sup> Es braucht also auch in der Schweiz Kohortenstudien im Rahmen von Nachsorgesprechstunden, um die Pr&auml;valenz der Sp&auml;tfolgen korrekt zu erfassen. Solche interdisziplin&auml;r (allgemein internistisch und p&auml;diatrisch onkologisch) gef&uuml;hrte Nachsorgesprechstunden f&uuml;r erwachsene CCS gibt es seit 2017 im Kantonsspital Baselland, Liestal, und seit 2018 im Inselspital Bern.<br /> Eine qualitativ hochwertige Nachsorge ist wichtig, da sie durch fr&uuml;here Therapie von Sp&auml;tfolgen die Lebensqualit&auml;t der Survivor aufrechterh&auml;lt und im besten Fall die Mortalit&auml;t senkt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Swiss Childhood Cancer Registry: Swiss Childhood Cancer Registry Annual Report 2017/2018. 2019 <strong>2</strong> Hudson MM et al.: Clinical ascertainment of health outcomes among adults treated for childhood cancer. JAMA 2013; 309(22): 2371-81 <strong>3</strong> Phillips SM et al.: Survivors of childhood cancer in the United States: prevalence and burden of morbidity. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2015; 24(4): 653-63 <strong>4</strong> Bhakta N et al.: The cumulative burden of surviving childhood cancer: an initial report from the St Jude Lifetime Cohort Study (SJLIFE). Lancet 2017; 390(10112): 2569-82 <strong>5</strong> Schindler M et al.: Cause-specific long-term mortality in survivors of childhood cancer in Switzerland: a populationbased study. Int J Cancer 2016; 139(2): 322-33 <strong>6</strong> Weiss A et al.: Long-term auditory complications after childhood can-</p> </div> </p>
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