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Osteoporotische Wirbelkörperfraktur – was nun?

<p class="article-intro">Aufgrund der Diversität der möglichen Beschwerdebilder, die von einem klinisch stummen Verlauf bis zur fast vollständigen Immobilisierung von Patienten reichen können, bleiben viele Wirbelkörperfrakturen unerkannt. Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, eine weitere Fraktur zu erleiden, ist es dringend notwendig, die Rate der Frakturdiagnosen zu erhöhen und eine suffiziente präventive Therapie einzuleiten. Die Therapieoptionen bei der akuten Fraktur richten sich nach der Stabilität der Fraktur und dem klinischen Beschwerdebild des Patienten in Zusammenschau mit seinen Komorbiditäten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Anamnese und Komorbidit&auml;ten bedenken</li> <li>Festlegung der Stabilit&auml;t ist Grundlage zur Wahl der Therapieoptionen.</li> <li>Individuelle L&ouml;sungen bei der Festlegung der Kontrollintervalle und Therapieoptionen</li> <li>Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen bedenken</li> </ul> </div> <p>Wirbelk&ouml;rperfrakturen der Brust- und Lendenwirbels&auml;ule z&auml;hlen neben den Frakturen des proximalen Femurs, des distalen Unterarms sowie des proximalen Humerus zu den h&auml;ufigsten Frakturen im Rahmen der Osteoporose. Die Inzidenz einer vertebralen Fraktur betr&auml;gt dabei in Europa ca. 1070/100 000 bei Frauen und ca. 570/100 000 bei M&auml;nnern.<br /> Sind wir mit Wirbelk&ouml;rperfrakturen konfrontiert, m&uuml;ssen wir uns prim&auml;r die Frage stellen, ob es sich um eine akute, durch ein Trauma bedingte Fraktur oder eine spontane Fraktur eines pathologischen Wirbelk&ouml;rpers handelt. Die Anamnese kann uns dabei oft schon Aufschluss &uuml;ber die potenziell zugrunde liegende Pathologie geben (bekannte Osteoporose, potenziell metastasierende onkologische Grunderkrankung, lokaler Knochentumor, ...). Klinisch pr&auml;sentieren sich Wirbelk&ouml;rperfrakturen sehr unterschiedlich. Die Symptome reichen von vollkommener Beschwerdefreiheit &uuml;ber lokale, teils auch eher unspezifische Schmerzen bis hin zu radikul&auml;ren Beschwerdebildern oder der vollst&auml;ndigen Immobilisierung der Patienten. Gerade oftmals sehr gering ausgepr&auml;gte Schmerzen und &uuml;bersehene Frakturen im Nativr&ouml;ntgen f&uuml;hren zu einer insgesamt hohen Zahl an falsch negativen Befunden.<br /> Eine ausf&uuml;hrliche k&ouml;rperliche Untersuchung bildet den n&auml;chsten Baustein der Diagnosefindung. Hierbei stellen eine eventuelle Gibbusbildung, eine Reduktion der K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e in der Inspektion oder ein lokaler Klopf-, Druck oder Stauchungsschmerz sowie gegebenenfalls radikul&auml;re Defizite die relevantesten Befunde dar.<br /> Um in weiterer Folge die optimale Therapie einleiten zu k&ouml;nnen, bedarf es bildgebender Verfahren, um eine Aussage dar&uuml;ber treffen zu k&ouml;nnen, ob es sich um eine stabile oder instabile Frakturform handelt.</p> <h2>Bildgebende Verfahren</h2> <p>Das konventionelle R&ouml;ntgen in zwei Ebenen ist die prim&auml;re Bildgebung der Wahl. Dabei kann die semiquantitative Klassifikation nach Genant zur Diagnose herangezogen werden. Bei nicht genau definierbarer Frakturform bzw. bei unklarer Beteiligung der Hinterkante ist eine weitere Bildgebung mittels CT erforderlich. Bei Hinweisen auf eine bestehende neurologische Affektion, bei einer Kontraindikation gegen eine CT (Strahlenhygiene bei Schwangerschaft, Kindern) sowie zur Differenzierung einer rezenten von einer nicht rezenten Fraktur ist eine MRT indiziert. Das Vorliegen eines Knochenmark&ouml;dems ist ein wichtiger Bestandteil in der Indikationsstellung chirurgischer Verfahren.<br /> Generell erlauben Schnittbildgebungen eine bessere Beurteilung der Wirbelk&ouml;rperhinterkante sowie der Frakturform und somit die exakte Zuordnung in die AO-Klassifikation bzw. in das 3-S&auml;ulen-Modell nach Denis. Diese definieren die Stabilit&auml;t der Fraktur und erm&ouml;glichen uns in weiterer Folge die Wahl der entsprechenden Therapieoptionen. Ist im 3-S&auml;ulen-Modell nach Denis nur die ventrale S&auml;ule betroffen, so gilt die Fraktur als stabil, eine solit&auml;re Affektion der mittleren S&auml;ule bedeutet ein gesteigertes Risiko, sind &ge;2 S&auml;ulen betroffen, so gilt die Fraktur als instabil (Abb. 1). In der AOKlassifikation gelten die Bruchtypen A1 und A2 als stabil, Typ A3, A4, B und C als instabil. Stabile Frakturformen stellen prim&auml;r eine konservative Therapieindikation dar, instabile Frakturen bed&uuml;rfen einer operativen Versorgung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2002_Weblinks_jat_ortho_s16_abb1_holzapfel.jpg" alt="" width="300" height="421" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die wichtigsten Therapieziele sind eine rasche Schmerzminderung, die R&uuml;ckgewinnung der Mobilit&auml;t sowie eine Pr&auml;vention weiterer Frakturen. Reklinierende Orthesen dienen vor allem der Haltungskorrektur wie auch der Erinnerung der Patienten an eine &bdquo;wirbels&auml;ulenschonende&ldquo; K&ouml;rperhaltung.<br /> Jeder Fraktur sollte eine Ursachenabkl&auml;rung folgen und vor allem im Falle einer pathologischen Fraktur m&uuml;ssen diagnostische und therapeutische Pfade entsprechend der Grunderkrankung eingehalten werden. Die osteoporotisch bedingten Frakturen bilden dabei den Hauptanteil. Die zuletzt 2017 erschienene &bdquo;Expertenleitlinie Osteoporose&ldquo; in Arznei &amp; Vernunft dient hierbei unterst&uuml;tzend als national gebr&auml;uchlicher Leitfaden diagnostischer und therapeutischer Ma&szlig;nahmen.</p> <h2>Konservative Therapieoptionen</h2> <p>Das Hauptaugenmerk gilt einer suffizienten Schmerztherapie, um eine Immobilisierung der Patienten zu vermeiden. Physio- und ergotherapeutische Ma&szlig;nahmen dienen unter anderem zur Mobilisierung der Patienten, Aktivierung und Kr&auml;ftigung der abgeschw&auml;chten Muskulatur und zur Verbesserung der Koordination. Orthesen fungieren erg&auml;nzend einerseits zur Haltungskorrektur, k&ouml;nnen andererseits aber auch zur Schmerzreduktion beitragen. Der jedoch oft fehlende Tragekomfort und das oft schwierig zu bewerkstelligende Anlegen f&uuml;hren dabei h&auml;ufig zu einer reduzierten Tragecompliance. Hierbei sind vor allem anfangs engmaschige Kontrollen und oft mehrfache Adaptierungen der Orthesenversorgung notwendig, um die Adh&auml;renz zu erh&ouml;hen. Physikalische Therapiema&szlig;nahmen wie z. B. Massagen, Thermotherapie, Elektrotherapie und Hydrotherapie k&ouml;nnen erg&auml;nzend eingesetzt werden. Eine entsprechende medikament&ouml;se Osteoporosetherapie sowie physiotherapeutische Ma&szlig;nahmen, wie Sturzprophylaxe-Training und Osteoporose-Turnen, bilden einen wichtigen Bestandteil weiterer pr&auml;ventiver Ma&szlig;nahmen. Bezieht man die aktuellen Fraktur-Risikobewertungs-Tools der DVO bzw. den FRAX in die Indikationsstellung f&uuml;r eine Osteoporosetherapie mit ein, so kann bei entsprechendem Ergebnis eine spezifische Therapie auch schon ohne vorhergehende Durchf&uuml;hrung einer Knochendichtemessung eingeleitet werden.<br /> Im Rahmen des konservativen Behandlungspfades sollten die klinischen und radiologischen Kontrollintervalle an die Stabilit&auml;t der Fraktur, an die potenziell progrediente Kyphosierung und an den Schmerzverlauf angepasst werden. So kann gegebenenfalls ein rascher Wechsel vom konservativen Weg hin zu chirurgischen Optionen erfolgen.</p> <h2>Chirurgische Therapieoptionen</h2> <p>Besteht schon prim&auml;r eine instabile Situation, kommt es sekund&auml;r zu einer progredienten Sinterung der Fraktur bzw. sollte trotz ad&auml;quater Schmerztherapie keine ausreichende Mobilisierung des Patienten m&ouml;glich sein, so stellen, sofern die Komorbidit&auml;ten des Patienten es zulassen, operative Verfahren eine weitere Therapieoption dar. Die Vertebroplastie und die Kyphoplastie sind minimal invasive Methoden zur raschen Schmerzreduktion und schnelleren Mobilisierbarkeit der Patienten. Die Vertebroplastie ist hierbei zwar der g&uuml;nstigere Eingriff, die Komplikationsrate, vor allem in Bezug auf die Leakage-Rate des Zements, ist jedoch bei der Kyphoplastie geringer. Die Notwendigkeit, gegebenenfalls mehrere Wirbelk&ouml;rper zu augmentieren, um Anschlussfrakturen zu verhindern, wird derzeit noch kontroversiell diskutiert. Bei instabilen Situationen ist eine interne Fixation, gegebenenfalls mit Zementaugmentation der Pedikelschrauben bzw. des Wirbelk&ouml;rpers, indiziert.<br /> Bei der Wahl der Methode flie&szlig;en die Frakturform, eine Dynamik im Rahmen der radiologischen Verlaufskontrollen bzw. erg&auml;nzende Faktoren wie die Knochenqualit&auml;t, der Allgemeinzustand sowie der Aktivit&auml;tsgrad des Patienten in die Entscheidung mit ein.</p> <h2>Interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit</h2> <p>Wenngleich das prim&auml;re Ziel in der Behandlung einer akuten Fraktur die Stabilit&auml;t und Schmerzreduktion sind, d&uuml;rfen auch weitere pr&auml;ventive Ma&szlig;nahmen zur Vermeidung neuer Frakturen bzw. die Abkl&auml;rung &auml;lterer Frakturen nicht au&szlig;er Acht gelassen werden. Nun stellt sich bei einer Vielzahl an unterschiedlichen Fachgruppen, die mit osteoporotischen Frakturen konfrontiert werden, die Frage, wer letztlich f&uuml;r die Diagnose und Therapie bzw. die nicht zu untersch&auml;tzende Pr&auml;vention weiterer Frakturen verantwortlich ist. Alleine die Tatsache, dass nach einer osteoporotischen Wirbelk&ouml;rperfraktur eine drei- bis f&uuml;nffach erh&ouml;hte Wahrscheinlichkeit, eine weitere Fraktur zu erleiden, bzw. eine 1-Jahres-Mortalit&auml;t von ca. 30 % nach einer h&uuml;ftgelenksnahen Fraktur besteht, zeigt, dass nach einer Fraktur eine entsprechende Pr&auml;vention unbedingt notwendig ist.<br /> W&auml;hrend ein erh&ouml;hter Blutdruck oder ein zu hoher Blutzuckerwert derzeit bereits eine selbstverst&auml;ndliche Indikation zur weiteren Abkl&auml;rung sind, so f&uuml;hren radiologisch als osteoporotisch befundete Knochenstrukturen oft noch nicht zu den notwendigen diagnostischen und therapeutischen Ma&szlig;nahmen. Der Druck wird sich diesbez&uuml;glich in naher Zukunft erh&ouml;hen, da eine Unterlassung gebotener diagnostischer Ma&szlig;nahmen einen Befunderhebungsfehler darstellen k&ouml;nnte und in weiterer Folge eine Wertung als grober Behandlungsfehler m&ouml;glich w&auml;re.<br /> Um ein optimales Outcome f&uuml;r unsere Patienten, sowohl direkt nach der Fraktur als auch im Sinne der Pr&auml;vention, gew&auml;hrleisten zu k&ouml;nnen, bedarf es einer optimalen interdisziplin&auml;ren Kommunikation, um eine bestm&ouml;gliche Adh&auml;renz der Patienten zu den erforderlichen Therapiema&szlig;nahmen zu erm&ouml;glichen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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