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DPP-4-Hemmer, GLP-1-Rezeptoragonisten, SGLT2-Hemmer

Kardiovaskuläre Endpunktstudien 2019

<p class="article-intro">Im Jahr 2008 wurde von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) in einer Regulative festgeschrieben, dass alle zukünftig zuzulassenden antidiabetischen Medikationen (inkl. neuer Insuline) ihre kardiovaskuläre Sicherheit – zusätzlich zur antidiabetischen Wirksamkeit – nachzuweisen haben.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>F&uuml;r Linagliptin wurde die kardiovaskul&auml;re Sicherheit eindeutig dokumentiert, zugleich kann auch Glimepirid als kardiovaskul&auml;r sicher eingestuft werden.</li> <li>GLP-1-RAs m&uuml;ssen f&uuml;r die Behandlung von Patienten mit manifester Gef&auml;&szlig;erkrankung leitliniengem&auml;&szlig; als Standard gesehen werden und sollen bei Patienten ohne manifeste Gef&auml;&szlig;erkrankung zur kardiovaskul&auml;ren Pr&auml;vention erwogen werden.</li> <li>F&uuml;r SGLT2-Hemmer wurde in einer spezifisch nierenkranken Population ein nephroprotektiver Effekt gezeigt und ein kardiovaskul&auml;rer Benefit bei HFrEF auch in einem Kollektiv ohne Diabetes.</li> <li>Der Einsatz von SGLT2-Hemmern und GLP-1-Rezeptoragonisten wurde deutlich priorisiert, daf&uuml;r steht nun noch mehr Evidenz zur Verf&uuml;gung.</li> </ul> </div> <p>Die Studien wurden &uuml;blicherweise in Form sogenannter &bdquo;kardiovaskul&auml;rer Endpunktstudien&ldquo; (&bdquo;cardiovascular outcome trials; CVOTs) durchgef&uuml;hrt und f&uuml;hrten zu einer dramatischen Verbreiterung der Evidenz zur antidiabetischen Therapie. Tabelle 1 fasst den Stand des Wissens zur kardiovaskul&auml;ren (und renalen) Sicherheit der verf&uuml;gbaren antidiabetischen Therapien &ndash; inklusive der &auml;lteren Substanzen &ndash; zusammen.<br /> F&uuml;r drei Substanzklassen wurden im Jahr 2019 neue CVOTs ver&ouml;ffentlicht. Das sind DPP-4-Hemmer, SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten. Einige dieser Studien m&uuml;ssen im Kontext mit bereits vorher entweder nur &bdquo;online first&ldquo; oder auch als Vollpublikation ver&ouml;ffentlichten Studien gesehen werden. Diese sollen daher auch beleuchtet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s20_tab1_wascher.jpg" alt="" width="800" height="477" /></p> <h2>DPP-4-Hemmer</h2> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s19_info1_wascher.jpg" alt="" width="275" height="66" /></p> <p>In den beiden Studien CARMELINA und CAROLINA wurde der DPP-4-Hemmer Linagliptin untersucht &ndash; einmal mit Placebo als Vergleichssubstanz und einmal gegen den Sulfonylharnstoff Glimepirid. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Studien war dabei das kardiovaskul&auml;re Backgroundrisiko. In CARMELINA waren 57 % der Patienten kardiovaskul&auml;r vorerkrankt, 74 % hatten eine chronische Nierenerkrankung zumindest im Stadium 3 und 33 % der Studienteilnehmer beides. Die Teilnehmer an CAROLINA hingegen waren nur zu 34 % kardiovaskul&auml;r vorerkrankt, eine CKD im Stadium von zumindest 3 fand sich bei 19,6 % der Studienpopulation. Dementsprechend betrug &ndash; in den Placebogruppen &ndash; die Rate f&uuml;r das Auftreten des prim&auml;ren Endpunktes (3-Punkt-MACE; kardiovaskul&auml;rer Tod oder nicht t&ouml;dlicher Herzinfarkt oder nicht t&ouml;dlicher Schlaganfall) in CAROLINA 2,1 F&auml;lle pro 100 Patientenjahre, in CARMELINA hingegen 5,6 pro 100 Patientenjahre &ndash; ein mehr als 2,5-fach h&ouml;heres Risiko. In beiden Studien fand sich bez&uuml;glich des Auftretens des prim&auml;ren Endpunktes kein Unterschied zwischen Linagliptin und der Vergleichssubstanz. Ebenso zeigten sich keine Unterschiede bez&uuml;glich renaler Endpunkte oder der Hospitalisierung f&uuml;r Herzinsuffizienz. Das Risiko f&uuml;r Hypoglyk&auml;mien war jedoch in CAROLINA gegen&uuml;ber Linagliptin deutlich erh&ouml;ht. Schwere Hypoglyk&auml;mien waren dabei in der mit Glimepirid behandelten Gruppe beinahe 7-mal so h&auml;ufig (65 vs. 10), Hospitalisierungen wegen Hypoglyk&auml;mien mehr als 10-mal so h&auml;ufig (27 vs. 2). Damit ist einerseits die kardiovaskul&auml;re Sicherheit f&uuml;r Linagliptin &uuml;ber ein weites Spektrum des Backgroundrisikos eindeutig dokumentiert. Andererseits liegen aber erstmals mit CAROLINA kardiovaskul&auml;re Sicherheitsdaten f&uuml;r einen Sulfonylharnstoff vor und es darf im Umkehrschluss der Studie Glimepirid als kardiovaskul&auml;r sicher angesehen werden.</p> <h2>GLP-1-Rezeptoragonisten</h2> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s19_info2_wascher.jpg" alt="" width="275" height="94" /></p> <p>Semaglutid ist der erste GLP-1-RA, der sowohl in einer einmal w&ouml;chentlich subkutan wie auch in einer t&auml;glich per os zu verabreichenden galenischen Form entwickelt wurde. SUSTAIN-6 (s.c. Semaglutid) wurde zwar bereits 2016 ver&ouml;ffentlicht, soll hier aber nochmals diskutiert werden. Tabelle 2 stellt die Basisdaten wie auch die zentralen Resultate der beiden Studien SUSTAIN-6 und PIONEER-6 gegen&uuml;ber.<br /> Beide Studien liefern also &ndash; wenn auch mit heterogenen Resultaten &ndash; Evidenz daf&uuml;r, dass Semaglutid ebenfalls kardiovaskul&auml;r protektive Eigenschaften hat. Bedacht werden muss jedoch, dass es sich um kurze und kleine Studien handelte. So traten in SUSTAIN-6 nur 254 prim&auml;re Endpunkte auf und in PIONEER-6 nur 137 (verglichen etwa mit 1257 in REWIND). Das erkl&auml;rt auch, warum bei sehr vergleichbaren Hazard-Ratios f&uuml;r den 3-Punkt-MACE in SUSTAIN-6, nicht aber in PIONEER-6 eine Signifikanz beobachtet werden konnte.<br /> REWIND hat von allen Studien, welche die kardiovaskul&auml;ren Effekte von GLP-1-RAs untersucht haben, bei Weitem das l&auml;ngste Follow-up (5,4 Jahre). Der Anteil von Patienten ohne manifeste kardiale Isch&auml;mie oder vorangegangenes Gef&auml;&szlig;ereignis war deutlich h&ouml;her (68,5 % ) wie auch der Anteil weiblicher Studienteilnehmer (46,3 % ). Des Weiteren war das kardiovaskul&auml;re Risiko der Population (3-Punkt-MACE Placebo 2,66 pro 100 Patientenjahre) niedriger und die glyk&auml;mische Ausgangssituation besser (HbA<sub>1c</sub> 7,3 % ) als in anderen Endpunktstudien mit GLP-1-RAs. Insgesamt traten im Verlauf der Studie 1257 prim&auml;re Endpunkte auf. Dieser wurde statistisch signifikant (p=0,026) relativ um 12 % &ndash; absolut von 13,4 auf 12,0 % &ndash; gesenkt. Eine signifikante Reduktion der Mortalit&auml;t (weder gesamt noch kardiovaskul&auml;r) wurde in der Studie nicht beobachtet. Hinsichtlich der Analyse pr&auml;spezifizierter Subgruppen gab es insbesondere keinerlei Hinweise darauf, dass der Effekt von Dulaglutid sich bei Patienten mit und ohne manifeste Gef&auml;&szlig;erkrankung unterscheidet.<br /> Durch die 2019 ver&ouml;ffentlichten Studien wird die Klasse der GLP-1-RAs noch deutlicher in das Therapiekonzept der antihyperglyk&auml;mischen Therapie etabliert. GLP-1-RAs m&uuml;ssen f&uuml;r die Behandlung von Patienten mit manifester Gef&auml;&szlig;erkrankung leitliniengem&auml;&szlig; als Standard gesehen werden und sollen bei Patienten ohne manifeste Gef&auml;&szlig;erkrankung jedenfalls zur kardiovaskul&auml;ren Pr&auml;vention erwogen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s20_tab2_wascher.jpg" alt="" width="550" height="507" /></p> <h2>SGLT2-Hemmer</h2> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s21_info3_wascher.jpg" alt="" width="275" height="106" /></p> <p>Die aktuellen Studien mit den SGLT2-Hemmern Canagliflozin und Dapagliflozin stellen insoferne Besonderheiten dar, als es sich um keine der klassischen CVOTs mehr handelt. Vielmehr wurden erstmals in spezifischen Studienpopulationen jene Hinweise weiter untersucht, die in den CVOTs hinsichtlich Protektion vor Progression der Nephropathie wie auch vor Auftreten oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz beobachtet werden konnten.<br /> In CREDENCE wurden Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer glomerul&auml;ren Filtrationsrate von 30 bis 2 K&ouml;rperoberfl&auml;che plus einer Makroalbuminurie eingeschlossen. Die mittlere GFR betrug dabei 56 ml/min/1,73m<sup>2</sup> K&ouml;rperoberfl&auml;che. Prim&auml;rer Endpunkt war ein zusammengesetzter renaler Endpunkt aus Verdoppelung des Serumkreatinins, terminaler Nierenerkrankung, renalem Tod und kardiovaskul&auml;rem Tod. 4401 Patienten im mittleren Alter von 63 Jahren wurden im Median 2,62 Jahre beobachtet. Das mittlere HbA<sub>1c</sub> betrug 8,3 % , die mittlere Diabetesdauer 15,8 Jahre. Abbildung 1 zeigt den Kaplan-Meier-Plot f&uuml;r diesen Endpunkt. Es konnte eine hochsignifikante Reduktion um 30 % beobachtet werden. Ebenso wurden in CREDENCE starke, jedoch nicht signifikante Trends in Bezug auf eine Reduktion der Gesamtmortalit&auml;t (HR: 0,83; 95 % CI: 0,68&ndash;1,03) wie auch der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t (HR: 0,78; 95 % CI: 0,61&ndash;1,00) beobachtet. Damit ist CREDENCE die erste Studie, die in einer spezifisch nierenkranken Population den nephroprotektiven Effekt eines SGLT2-Hemmers zeigen konnte. Die Resultate der Studie spiegeln wider, was eine rezente Metaanalyse der CVOTs mit SGLT2-Hemmern in dieser Hinsicht schon dringend nahegelegt haben.<br /> DAPA-HF ist eine Studie, in der der Effekt von Dapagliflozin auf Parameter der Herzinsuffizienz und Mortalit&auml;t bei Patienten mit HFrEF (Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurfsfraktion) untersucht wurde. Die gro&szlig;e Besonderheit dieser Studie ist, dass erstmals ein SGLT2-Hemmer in einer Endpunktstudie bei Nicht-Diabetikern zum Einsatz kam. Rund 60 % der Studienpopulation hatten bei Rekrutierung keinen Diabetes. Prim&auml;rer Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskul&auml;rem Tod, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Besuch einer Notfalleinrichtung mit dortiger Herzinsuffizienzbehandlung. 4744 Patienten im mittleren Alter von 66 Jahren wurden im Median 18 Monate beobachtet. Abbildung 2 zeigt anhand des Kaplan-Meier-Plots die hochsignifikante Reduktion dieses Endpunktes. Ebenso konnte eine statistisch signifikante Reduktion der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t um 18 % sowie der Gesamtmortalit&auml;t um 17 % beobachtet werden. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass bez&uuml;glich der Reduktion des prim&auml;ren Endpunktes kein wie auch immer gearteter Unterschied zwischen Studienteilnehmern mit und ohne Diabetes beobachtet werden konnte. DAPA-HF ist damit der erste CVOT, der einen kardiovaskul&auml;ren Benefit in einem Kollektiv ohne Diabetes zeigen konnte.<br /> Im Lichte dieser Resultate k&ouml;nnen CREDENCE und DAPA-HF wohl als Vorboten einer deutlichen Indikationserweiterung der SGLT2-Hemmer gesehen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s21_abb1_wascher.jpg" alt="" width="550" height="281" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Diabetes_2001_Weblinks_jat_diab_2001_s21_abb2_wascher.jpg" alt="" width="550" height="281" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Insgesamt bedeuten die Studien des Jahres 2019, dass f&uuml;r die deutliche Priorisierung der SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten in praktisch allen Leitlinien weltweit noch mehr unterst&uuml;tzende Evidenz zur Verf&uuml;gung steht.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rosenstock J et al.: JAMA 2019; 321(1): 69-79 <strong>2</strong> Rosenstock J et al.: JAMA 2019; 322 (12): 1155-66 <strong>3</strong> Marso SP et al.: N Engl J Med 2016; 375: 1834-44 <strong>4</strong> Husain M et al.: N Engl J Med 2019; 381: 841-51 <strong>5</strong> Gerstein H et al.: Diabetes Obesity Metab 2018; 20: 42-9 <strong>6</strong> Perkovic V et al.: N Engl J Med 2019; 380: 2295-2306 <strong>7</strong> McMurray JJV et al.: N Engl J Med 2019; 381: 1995-2008</p> </div> </p>
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