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Akute myeloische Leukämie (AML)

ASH 2019 – was gibt es Neues in der AML-Therapie?

<p class="article-intro">Am ASH 2019 wurde wieder eine Fülle an Beiträgen zum Thema AML präsentiert. Sehr relevant für die Behandlung der Leukämie waren unter anderem Beiträge zur Pathophysiologie der AML – erst das genauere Verständnis der genetisch wichtigen Veränderungen und Zusammenhänge machen eine personalisierte bzw. zielgerichtete Behandlung der Patienten mit dieser lebensbedrohenden Erkrankung möglich. Die internationale multizentrische randomisierte QUAZAR-AML-001-Studie zeigte erstmals einen Überlebensvorteil durch eine Erhaltungstherapie bei AML. Aus einer Vielzahl an Präsentationen von frühen Studien konnten besonders neue therapeutische Ansätze bei Hochrisikopatienten sowie Fortschritte in der Immuntherapie der AML überzeugen. Post-hoc- und Subgruppen-Analysen brachten weitergehende Erkenntnisse bei bereits früher präsentierten randomisierten Studien.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Prognostische Bedeutung von Treibermutationen bei AML und MDS</h2> <p>Ilaria Iacobucci pr&auml;sentierte Neues zu bedeutenden Treibermutationen bei myelodysplastischem Syndrom (MDS) und AML.<sup>1</sup> Die gro&szlig; angelegte Studie verwendete eine Methode, die im Gegensatz zu derzeit g&auml;ngigen Methoden auch neue funktionell und prognostisch bedeutsame Gene identifizieren kann.<br /> Mittels zweier Sequenzierungsmethoden &ndash; Gesamtgenom-Sequenzierung (WGS) und Transkriptom-Sequenzierung (RNA-seq) wurden 1304 Patienten mit AML und MDS untersucht. In verschiedenen Subgruppen wie z. B. AML mit rekurrenten Ver&auml;nderungen wurden bekannte Komutationen, aber auch noch nicht kategorisierte Partnermutationen nachgewiesen. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass die ELNNiedrigrisiko- Kategorie AML mit NPM1- Mutation je nach Expressionssignatur eine unterschiedliche Prognose aufweisen kann (Abb. 1.). Die Bestimmung der klinischen Relevanz und die sichere Interpretation dieser Daten sind eine Aufgabe f&uuml;r die Zukunft.<br /> Wie wichtig Mutationen f&uuml;r das individuelle Ansprechen auf neue Substanzen sind, zeigten auch zwei am ASH pr&auml;sentierte Post-hoc-Analysen. Die liposomale Formulierung von Cytarabin und Daunorubicin (CPX-351) ist aufgrund der Daten der randomisierten Studie von Lancet et al. f&uuml;r die Behandlung von Therapie-assoziierter AML (TAML) und AML mit MDS-assoziierten Ver&auml;nderungen (AML-MRC) zugelassen.<sup>2</sup> Nun wurden Blut- und Knochenmarkproben von 184 der 309 in der Studie behandelten Patienten auf Zusammenh&auml;nge zwischen Mutationen und Therapieansprechen untersucht.<sup>3</sup> So konnten die Autoren zeigen, dass Patienten mit einer <sup>TP53</sup>-Mutation, die in dieser Gruppe mit einer H&auml;ufigkeit von 33 % nachgewiesen werden konnte, keinen Vorteil von der experimentellen Therapie mit CPX-351 hatten.<br /> Gilteritinib, ein FLT-3-Inhibitor der zweiten Generation, ist in Europa aufgrund der Daten der ADMIRAL-Studie f&uuml;r die Behandlung von Patienten mit rezidivierter oder refrakt&auml;rer AML mit FLT3-Mutation zugelassen worden.<sup>4</sup> Auch bei Patienten, die mit Gilteritinib eine komplette Remission erreicht haben, stellt die Rezidivrate ein gro&szlig;es Problem dar. Eine 37-Genpanel- Analyse von 40 Patienten der Studie zeigte,dass zwei Drittel der Patienten zum Zeitpunkt des Rezidivs neue Mutationen erworben hatten, die zum Teil resistent gegen&uuml;ber FLT3-Inhibitoren waren.<sup>5</sup> In diesen F&auml;llen m&uuml;ssen in Zukunft wahrscheinlich alternative Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_neues_in_der_aml-therapie-abb1.jpg" alt="" width="1040" height="644" /></p> <h2>&Uuml;berlebensvorteil durch eine Erhaltungstherapie mit oralem Azacitidin CC-486</h2> <p>Bislang konnte sich in der Therapie der AML bis auf die Gabe von Midostaurin in der Behandlung der FLT3-mutierten AML noch keine Erhaltungstherapie dauerhaft etablieren.<sup>6</sup> <br />Die internationale, randomisierte doppelblinde und placebokontrollierte QUAZAR- AML-001-Studie (NCT01757535) konnte erstmals f&uuml;r die AML einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil einer Erhaltungstherapie zeigen (Abb. 2).<sup>7</sup> Zwischen 2013 und 2017 wurden insgesamt 472 Patienten mit De-novo- oder sekund&auml;rer AML eingeschlossen, nachdem sie durch eine intensive Chemotherapie (Induktion, gefolgt von 1&ndash;2 Konsolidierungszyklen) eine komplette Remission (81 % komplette Remission [CR], 19 % CR mit unvollst&auml;ndiger Erholung [CRi]) erreicht und keine Eignung f&uuml;r eine allogene Stammzelltransplantation hatten. Die Patienten erhielten innerhalb von 4 Monaten nach der Remission randomisiert und 1:1-placebokontrolliert CC-486 einmal t&auml;glich (300 mg) f&uuml;r 14 Tage in einem 28-Tage- Zyklus. Die Therapie konnte bis zum Progress oder einer Unvertr&auml;glichkeit fortgesetzt werden. <br /><br />Nach einem medianen Follow-up von 41,2 Monaten zeigte sich sowohl f&uuml;r den prim&auml;ren Endpunkt Gesamt&uuml;berleben (24,7 vs. 14,8 Monate ab Randomisierung) als auch f&uuml;r das rezidivfreie &Uuml;berleben (RFS, 10,2 vs. 4,8 Monate) ein signifikanter Vorteil zugunsten von CC-486 (Abb. 2). Die Hauptnebenwirkungen von CC-486 waren &auml;hnlich wie schon in der parenteralen Formulierung von Azacitidin vor allem gastrointestinale Beschwerden, Neutropenien und Infektionen. Diese Nebenwirkungen f&uuml;hrten jedoch nur selten zu einem Therapieabbruch. Die pr&auml;sentierte Studie QUAZAR-AML-001 zur Erhaltungstherapie mit CC-486 wird nach Meinung vieler Experten die Behandlungspraxis bei Patienten mit AML in der Erstlinie, die nicht f&uuml;r eine Transplantation geeignet sind, nachhaltig ver&auml;ndern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_neues_in_der_aml-therapie-abb2.jpg" alt="" width="779" height="776" /></p> <h2>Therapieoptimierung bei Hochrisikopatienten mit p53- Mutation?</h2> <p>Eine p53-Mutation tritt bei etwa 20 % aller AML-Patienten sowie 40 % bei Therapieassozierter AML bzw MDS/AML auf, diese Patienten haben unabh&auml;ngig von allen zugelassenen Therapiemodalit&auml;ten eine sehr schlechte Prognose und ein kurzes Gesamt&uuml;berleben. Am ASH wurden von zwei unabh&auml;ngigen Arbeitsgruppen Phase-1b/2-Studien mit APR-246, einem Small Molecule, welches bei p53-mutierten Blasten selektiv Apoptose induziert, pr&auml;sentiert.<sup>8, 9</sup><br /> APR-246 wurde an 4 Tagen i.v. vor Beginn der Standard-Azacitidin-Therapie verabreicht. In beiden Studien konnten bislang 108 Patienten mit p53-mutierter MDS und AML behandelt werden, die erzielten Ansprechraten &ndash; Gesamtansprechrate (ORR) 87 % bzw. 75 % und CR 53 % bzw. 56 % &ndash; waren vielversprechend. Die mediane Remissionsdauer in der US-Studie war 6,5 Monate. Etwa ein Drittel der Patienten konnte allogen transplantiert werden. Unerw&uuml;nschte Nebenwirkungen waren neben der erwarteten H&auml;matotoxizit&auml;t gastrointestinale Beschwerden sowie Neurotoxizit&auml;t.<br /> APR-246 in Kombination mit Azacitidin scheint ein vielversprechender Kandidat in der Behandlung dieser Hochrisikopopulation zu sein. Zur finalen Beurteilung werden die Ergebnisse der derzeit noch laufenden randomisierten Studie abgewartet werden m&uuml;ssen.</p> <h2>Neue immuntherapeutische Therapieans&auml;tze bei der AML</h2> <p>Vielversprechende erste Studien mit neuen immunologischen Targets &ndash; Magrolimab, einem CD47-Antik&ouml;rper, sowie Cusatuzumab, einem gegen CD70, einen Tumornekrosefaktorliganden gerichteten Antik&ouml;rper in Kombination mit Azacitidin &ndash; wurden erstmals pr&auml;sentiert.<br /> CD47 ist ein Immuncheckpoint und &bdquo;Don&rsquo;t eat me&ldquo;-Signal auf Krebszellen. Magrolimab (5F9), ein &bdquo;First in class&ldquo;-CD47-Antik&ouml;rper, blockiert diesen, Azacitidin (AZA) verst&auml;rkt die Phagozytose induzierende Wirkung von Magrolimab. Daten einer Phase-I-Studie mit dieser Kombination bei 43 Patienten mit MDS und AML und einem medianen Alter von 73 Jahren wurden pr&auml;sentiert.<sup>10</sup> Nach einem w&ouml;chentlichen Priming mit Magrolimab wurde AZA in der &uuml;blichen Dosis verabreicht. Die Kombination zeigte eine gute Vertr&auml;glichkeit und ein sehr vielversprechendes Gesamtansprechen (100 % bei MDS-Patienten und 69 %, davon 50 % CR und CRi, bei AML Patienten) sowie eine hervorragende Eradikation von leuk&auml;mischen Stammzellen (LSC).<br /> Eine weitere interessante Substanz ist der monoklonale Antik&ouml;rper Cusatuzumab, welcher gegen den Tumornekrosefaktor- Liganden CD70 gerichtet ist und die Bindung an dessen Rezeptor CD27 inhibiert. Dieser wird auf leuk&auml;mischen Stammzellen, aber nicht auf gesunden Blutstammzellen exprimiert. In einer derzeit noch laufenden Phase-I/II-Studie wurde Cusatuzumab in Kombination mit Azacitidin bei &auml;lteren therapienaiven Patienten mit AML getestet.<sup>11</sup> Die Patienten erhalten zun&auml;chst eine 14-t&auml;gige Monotherapie mit Cusatuzumab, gefolgt von einer Therapie mit Azacitidin in der Standarddosis von 7 x 75 mg/ m<sup>2</sup> alle 28 Tage, sowie alle 2 Wochen zus&auml;tzlich eine Gabe des Antik&ouml;rpers. Bisher wurden zwar erst 38 Patienten behandelt, die experimentelle Substanz zeigte aber eine gute Vertr&auml;glichkeit sowie eine hohe Rate von zum Teil auch MRD-negativen kompletten Remissionen. Die vielversprechenden Daten bilden die Basis f&uuml;r bereits geplante Phase-II-Studien.<br /> Neben dem Kongress-Highlight, der QUAZAR-AML-001 Studie, unterstrichen viele Pr&auml;sentationen vor allem die Wichtigkeit der genauen molekularpathologischen Charakterisierung der AML, um eine individuelle und f&uuml;r jeden Patienten ma&szlig;geschneiderte Therapie zu gew&auml;hrleisten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ilaria Iacobucci et al.: Integrated transcriptomic and genomic sequencing identifies prognostic constellations of driver mutations in acute myeloid leukemia and myelodysplastic syndromes. ASH 2019, Abstr. #LBA-4 <strong>2</strong> Lancet JE et al.: CPX-351 (cytarabine and daunorubicin) liposome for injection versus conventional cytarabine plus daunorubicin in older patients with newly diagnosed secondary acute myeloid leukemia. J Clin Oncol 2018; 36: 2684-92 <strong>3</strong> Lindsley RC et al.: Genetic characteristics and outcomes by mutation status in a phase 3 study of CPX-351 versus 7+3 in older adults with newly diagnosed, high-risk/secondary acute myeloid leukemia (AML). ASH 2019, Abstr. #15 <strong>4</strong> Perl AE et al.: Gilteritinib or chemotherapy for relapsed or refractory FLT3-mutated AML. N Engl J Med 2019; 381: 1728- 40 <strong>5</strong> Smith CC et al.: Emerging mutations at relapse in patients with FLT3-mutated relapsed/refractory acute myeloid leukemia who received gilteritinib therapy in the phase 3 Admiral trial. ASH 2019, Abstr. #14 <strong>6</strong> Stone RM et al.: Midostaurin plus chemotherapy for acute myeloid leukemia with a FLT3 mutation. N Engl J Med 2017; 377: 454- 64 <strong>7</strong> Wei AH et al.: The QUAZAR AML-001 maintenance trial: results of a phase III international, randomized, double- blind, placebo-controlled study of CC-486 (oral formulation of azacitidine) in patients with acute myeloid leukemia (AML) in first remission. ASH 2019, Abstr. #LBA-4 <strong>8</strong> Sallmann DA et al.: Phase 2 results of APR-246 and azacitidine (AZA) in patients with TP53 mutant myelodysplastic syndromes (MDS) and oligoblastic acute myeloid leukemia (AML). ASH 2019, Abstr. #676 <strong>9</strong> Cluzeau T et al.: APR-246 combined with azacitidine (AZA) in TP53 mutated myelodysplastic syndrome (MDS) and acute myeloid leukemia (AML). A phase 2 study by the Groupe Francophone Des My&eacute;lodysplasies (GFM). ASH 2019, Abstr. #677 <strong>10</strong> Sallman DA et al.: The first-in-class anti-CD47 antibody magrolimab (5F9) in combination with azacitidine is effective in MDS and AML patients: ongoing phase 1b results. ASH 2019, Abstr. #569 <strong>11</strong> Ochsenbein AF et al.: Targeting CD70 with cusatuzumab eliminates acute myeloid leukemia stem cells in humans. ASH 2019, Abstr. #243</p> </div> </p>
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