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Allergische Reaktionen

Wenn das Cortison nicht wirkt

<p class="article-intro">Kortikosteroide sind die am häufigsten verschriebene Medikamentenklasse bei der topischen und systemischen Therapie von allergiebedingten Krankheiten. Nur selten wird bedacht, dass es während einer Behandlung auch zu Hypersensitivitätsreaktionen gegen diese Wirkstoffe kommen kann. Tatsächlich sind 0,5–6 % der Bevölkerung von Kontaktallergien gegen Kortikosteroide betroffen. Mehr zu diesem spannenden Thema erfahren Sie im folgenden Artikel.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Kortikosteroide sind wichtige Wirkstoffe mit einer Reihe nicht ausser Acht zu lassender potenzieller Nebenwirkungen. Die Kontaktallergie ist eine (recht seltene) davon.</li> <li>Bei persistierenden oder aggravierten Ekzemen unter Therapie sollte an Kontaktallergie auf Kortikosteroide gedacht werden.</li> <li>Kortikosteroide lassen sich in f&uuml;nf chemische Untergruppen einteilen, zwischen denen es zu Kreuzreaktionen kommen kann.</li> <li>Ein Epikutantest (Patch-Test) gibt Aufschluss &uuml;ber die potenziellen Ausl&ouml;ser der Sp&auml;ttypreaktion.</li> <li>Die Reexposition gegen&uuml;ber den ausl&ouml;senden Substanzen ist tunlichst zu vermeiden.</li> </ul> </div> <p>Synthetische Kortikosteroide lassen sich nach der modifizierten Coopman- Klassifizierung prinzipiell in f&uuml;nf verschiedene Gruppen einteilen (A&ndash;D2), welche sich biochemisch haupts&auml;chlich in den Methylierungsmustern der Kohlenstoffatome und den verschiedenen Substituenten am 5-Kohlenstoffring unterscheiden (Tab. 1). Allen gemein ist dabei, dass sie aus dem Grundbaustein des physiologisch im menschlichen K&ouml;rper vorkommenden Cortisol bestehen.<br /> Cortisol wird in der Zona fasciculata der Nebennierenrinde gebildet und aktiviert als Stresshormon katabole Stoffwechselvorg&auml;nge; es wirkt antiproliferativ, antiinflammatorisch sowie immunsuppressiv. Der antiinflammatorische Effekt ist darauf zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, dass Kortikosteroide pharmakologisch betrachtet durch die Zellmembran diffundieren und an einen zytosolischen Rezeptor binden, der f&uuml;r eine Translokation der Wirkstoffe in den Zellkern sorgt. Dort aktivieren sie die Transkription antiinflammatorischer Gene wie z. B. Lipocortin 1, wohingegen proinflammatorische Gene supprimiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s33_tab1_wirz.jpg" alt="" width="550" height="705" /></p> <h2>Nebenwirkungsprofil von Kortikosteroiden</h2> <p>Wie (fast) alle Wirkstoffe, die zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, haben auch die Kortikosteroide unerw&uuml;nschte Nebenwirkungen. Diese unterscheiden sich in je nach Art der Applikation. Bei systemischer Therapie kann es u. a. zu St&ouml;rungen des Stoffwechsels (Stammfettsucht), des Wasser- und Elektrolythaushalts (arterielle Hypertonie) sowie zu Effekten auf das Zentralnervensystem (erniedrigte Reizschwelle f&uuml;r Stimuli) kommen. Bei topischer Applikation k&ouml;nnen sich u. a. (epi-) dermale Atrophien (z. B. Hypopigmentierung oder Hypertrichose), der Rebound-Effekt (Exazerbation nach Absetzen von Kortikosteroiden) sowie unerw&uuml;nschte Effekte auf die Gef&auml;sse (Teleangiektasien) zeigen. Eine Schw&auml;chung der Infektabwehr ist bei beiden Varianten zu beobachten.</p> <h2>Allergische Reaktionen auf Kortikosteroide m&ouml;glich</h2> <p>Die allergische Kontaktdermatitis ist als vermeintlich paradoxe Nebenwirkung bei topischer Applikation zu beobachten. Allergologisch z&auml;hlt sie zur Hypersensitivit&auml;tsreaktion vom Typ IV nach Coombs und Gell. Sie tritt je nach untersuchter Bev&ouml;lkerung bei 0,5&ndash;6 % der Patienten auf. Bei systemischer Applikation sind auch Soforttypreaktionen (Typ I-Reaktionen) m&ouml;glich, welche sich klinisch als anaphylaktische Reaktionen manifestieren. Sie sind jedoch mit insgesamt etwas &uuml;ber 100 publizierten Patientenf&auml;llen relativ selten. Beide Typen allergischer Reaktionen auf Kortikosteroide sind wohl der chemischen Modifikation des Grundbausteins Cortisol anzulasten, welche zwar das Wirkungs-Nebenwirkungsprofil verbessert, jedoch auch die allergische Potenz erh&ouml;ht.</p> <h2>An Kontaktallergie denken und testen!</h2> <p>Besonders wichtig ist es, an eine Kontaktallergie des Patienten zu denken, wenn eine Persistenz oder Verschlechterung (auch grossfl&auml;chig) von Ekzemen unter Kortikosteroid-Therapie erfolgt. Zur Diagnostik sollte ein Epikutantest (auch bekannt als Patch-Test) durchgef&uuml;hrt werden. Bei diesem handelt es sich um einen klassischen Provokationstest, der es erm&ouml;glicht, Typ IV-Reaktionen auf Allergene zu erkennen, also Allergien, bei denen ein l&auml;ngerer Zeitraum zwischen Allergenexposition und Hautreaktion liegt.<br /> Als Marker wurden in unserer Klinik jedenfalls Tixocortolpivalat (Gruppe A) und Budesonid (Gruppe B) verwendet sowie bei Verdacht auf eine Sensibilisierung gegen&uuml;ber Kortikosteroiden eine ausf&uuml;hrliche &laquo;Kortikosteroidreihe &raquo; getestet, welche auch Wirkstoffe der anderen Untergruppen enth&auml;lt. Auch an Hilfs- und Zusatzstoffe (z. B. Neomycin, Wollwachse, Sorbins&auml;ure), welche Teil der Therapeutika sein k&ouml;nnen, ist zu denken. Bei Verdacht auf Kontaktallergien gegen&uuml;ber Kortikosteroiden erfolgt eine Ablesung nach 6&ndash;10 Tagen, da die Reaktionen erst nach Abklingen des antiinflammatorischen Effekts auftreten. Es kann sich hierbei auch der sogenannte &laquo;edge effect&raquo; zeigen, bei dem die allergische Reaktion in der Mitte der Testkammer durch die dort besonders hohe Konzentration des Kortikosteroids unterdr&uuml;ckt wird und nur im Randbereich Papeln und Vesikel auftreten. Dieser ist dann als ringf&ouml;rmige Hautreaktion zu erkennen.</p> <p><strong>Kreuzreaktivit&auml;t erkennen</strong><br /> Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte auch an Kreuzreaktionen gedacht werden. Hilfreich ist hier die bereits erw&auml;hnte Coopman-Klassifikation der Kortikosteroide nach A&ndash;D, welche 1989 entwickelt wurde. Diese teilt die Kortikosteroide nicht nach St&auml;rkegrad, sondern nach chemischer Verwandtschaft ein. 2000 wurde sie von Matura und Goossens zus&auml;tzlich modifiziert (Tab. 1). Sie unterteilten die Gruppe D in zwei Subgruppen, da sich dadurch das hohe Sensibilisierungspotential der Kortiksteroidgruppe D2 im Vergleich zur Gruppe D1 besser darstellen liess.<br /> Die Kreuzreaktivit&auml;t kann innerhalb einer Gruppe der Kortikosteroide vorkommen, jedoch auch zwischen den Gruppen (h&auml;ufig zwischen A, B und D2), was nat&uuml;rlich bei der nachfolgenden Therapie entsprechend Beachtung finden sollte. Eine Reexposition gilt es tunlichst zu vermeiden. Geringes allergenes Potenzial zeigen tendenziell eher die Kortikosteroide der Gruppen C und D1. Mometasonfuroat (z. B. Elocom<sup>&reg;</sup> Creme) und Clobetasolpropionat (z. B. Dermovate<sup>&reg;</sup> Creme) aus der Gruppe D1 k&ouml;nnen als Alternativen in der topischen Therapie dienen, Betamethason (z. B. Betnesol<sup>&reg;</sup>) und Dexamethason (z.B. Fortecortin<sup>&reg;</sup>) aus Gruppe C in der systemischen. Dabei sollte jeweils eine Provokationstestung mit einem Alternativprodukt erfolgen, um im Notfall ein sicher vertragenes Kortikosteroid zur Verf&uuml;gung zu haben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Aktories et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban &amp; Fischer, 9. Auflage 2005 &bull; Baeck et al.: Allergic hypersensitivity to topical and systemic corticosteroids : a review. Allergy 2009; 64(7): 978-94 &bull; Basedow et al.: Immediate and delayed hypersensitivity to corticosteroids. J Dtsch Dermatol Ges2011; 9(11): 885-8 &bull; Coopman et al.: Identification of cross-reaction patterns in allergic contact dermatitis from topical corticosteroids. Br J Dermatol 1989; 121(1): 27-34 &bull; Hoonhorst et al.: Lower corticosteroid skin blanching response is associated with severe COPD. PLOS one 2014; 9(3): e91788 &bull; Matura et al.: Contact allergy to corticosteroids. Allergy 2000; 55(8): 698-704&bull; Plaza et al.: Typ-IV-Allergie auf Kortikosteroide, selten und paradox. Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(33): 1692-5 &bull; Vatti et al.: Hypersensitivity reactions to corticosteroids. Clinic Rev Allerg Immunol 2014; 47(1): 26- 37 &bull; Weber M, Lautenschlager S: Dermatologische Therapien: Einsatz topischer Steroide. Schweiz Med Forum 2006; 06(14): 341-8</p> </div> </p>
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