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Stellenwert der Chirurgie bei der Behandlung des Pankreaskarzinoms

<p class="article-intro">Die komplette chirurgische Resektion ist die Voraussetzung für eine kurative Therapie beim Pankreaskarzinom. Die Einteilung der lokalen Resektabilität in „gut operabel“, „borderline-resektabel“ und „lokal fortgeschritten – primär nicht operabel“ hat zu einer deutlichen Änderung in der Therapiestrategie geführt. Für die Praxis bedeutet das eine Zunahme der neoadjuvanten Therapie und die vermehrte Erweiterung der Operation um Gefäßresektionen. Mit diesem Regime können nach den ersten vorliegenden Studien bisher nicht erreichbare Überlebenszeiten erzielt werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei 20 % der Patienten mit Pankreaskarzinom besteht zum Zeitpunkt der Diagnose eine Resektabilit&auml;t.</li> <li>Die Klassifizierung nach der Resektabilit&auml;t bringt eine Differenzierung in &bdquo;prim&auml;r operable&ldquo;, &bdquo;borderline-resektable&ldquo; und &bdquo;lokal fortgeschrittene, prim&auml;r nicht operable&ldquo; Karzinome.</li> <li>Eine neoadjuvante Therapie (Chemotherapie +/&ndash; Radiochemotherapie) bei borderline- resektablen und lokal fortgeschrittenen, prim&auml;r nicht operablen Karzinomen wird empfohlen.</li> <li>Bei diesen Patienten ist mit erweiterten Pankreasresektionen zu rechnen. Die chirurgische Komplexit&auml;t wird insbesondere durch Gef&auml;&szlig;resektionen deutlich erh&ouml;ht.</li> </ul> </div> <h2>Resektionsrate</h2> <p>Mit 1799 Neuerkrankungen an Bauchspeicheldr&uuml;senkrebs im Jahr 2016 zeigt dieser Tumor eine deutlich steigende Inzidenz.<sup>1</sup> In einer Studie des Sozialministeriums wird eine Verdoppelung der Pr&auml;valenz bis zum Jahr 2030 angenommen.<sup>2</sup><br /> Nachdem das Pankreaskarzinom zu jenen Malignomen z&auml;hlt, die die schlechteste Prognose haben, bedeutet die Zunahme der H&auml;ufigkeit ein gravierendes gesundheitspolitisches, aber nat&uuml;rlich auch medizinisches Problem. Die schlechte Prognose ist vor allem dadurch bedingt, dass zum Zeitpunkt der Diagnose ein kurativer Therapieansatz h&auml;ufig nicht mehr m&ouml;glich ist.<br /> In einer &ouml;sterreichischen Registerstudie (ABCSG Pankreasregister) lag die Resektionsrate 2010 f&uuml;r &Ouml;sterreich bei 18,9 % .<sup>3</sup></p> <h2>Voraussetzungen f&uuml;r die Resektion</h2> <p>Dazu m&uuml;ssen drei Punkte erf&uuml;llt sein &ndash; n&auml;mlich das Fehlen von Fernmetastasen, die lokale Resektabilit&auml;t und ein ausreichender Allgemeinzustand des Patienten. Der letzte Punkt ist durch deutliche Verbesserungen der perioperativen Therapie und der chirurgischen Ergebnisqualit&auml;t in den Hintergrund getreten. Das Hauptaugenmerk richtet sich heute auf den Ausschluss von Fernmetastasen und die exakte pr&auml;operative Beurteilung der lokalen Resektabilit&auml;t. Durch den Nahbezug von Pankreaskarzinomen zu den gro&szlig;en Oberbauchgef&auml;&szlig;en, konkret Vena porta und Vena mesenterica superior sowie Truncus coeliacus, Arteria hepatica communis und Arteria mesenterica superior bestehen h&auml;ufig Limitationen, eine radikale Tumorentfernung zu erreichen.<br /> Verbleibt nach der Chirurgie ein Residualtumor, entweder histologisch (R1) oder makroskopisch (R2), ist dies mit einer signifikant schlechteren Prognose verbunden. Im Staging bei Pankreaskarzinomen (CT und/oder MR) ist daher die Frage essenziell, ob ein Nahbezug des Tumors zu den genannten Gef&auml;&szlig;en besteht und wenn ja, in welchem Ausma&szlig;.</p> <h2>Beurteilung der Resektabilit&auml;t</h2> <p>Die Erfahrung, dass Venen und Arterien, die mehr als 180 Grad vom Tumor umwachsen sind, histologisch nicht radikal freipr&auml;pariert werden k&ouml;nnen und Patienten mit Residualtumor eine signifikant schlechtere Prognose aufweisen, hat zur Etablierung der Klassifikation zur Beurteilung der lokalen Resektabilit&auml;t gef&uuml;hrt. Je nach Bezug des Karzinoms zu den Gef&auml;&szlig;en wird zwischen prim&auml;r &bdquo;gut operablen&ldquo;, &bdquo;borderline-resektablen&ldquo; und &bdquo;lokal fortgeschrittenen &ndash; prim&auml;r nicht resektablen&ldquo; Pankreaskarzinomen unterschieden. Die Basis f&uuml;r diese Klassifizierung ist das pr&auml;operative CT oder MR (Tab. 1).<br /> W&auml;hrend sich f&uuml;r prim&auml;r operable Karzinome nichts &auml;ndert, empfehlen internationale Leitlinien (NCCN, S3, International Studygroup for Pancreatic Surgery) bei lokal fortgeschrittenem Tumor eine neoadjuvante Therapie. Diese besteht entweder in einer Chemotherapie oder einer Radiochemotherapie. Die neoadjuvante Therapie wird &uuml;ber 3&ndash;6 Monate durchgef&uuml;hrt, nach 3 Monaten erfolgt ein Restaging. Ein positiver Effekt der Therapie wird durch fehlenden Tumorprogress im CT und Abfall von CA19-9 definiert. Aktuelle Daten aus Einzelserien zeigen einen positiven Effekt einer neoadjuvanten Therapie auch bei borderline-resektablen Tumoren. So wird nach NCCN-Guidelines auch in diesem Stadium eine neoadjuvante Chemo- oder Radiochemotherapie empfohlen und die prim&auml;re Resektion als individuelle Alternative gesehen.<sup>4</sup> Unabh&auml;ngig davon, ob bei diesen Patienten prim&auml;r operiert wird oder eine neoadjuvante Therapie vorgeschaltet ist, sind diese Pankreasresektionen h&auml;ufig um Gef&auml;&szlig;resektionen erweitert, um histologisch eine komplette Tumorentfernung zu erreichen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1907_Weblinks_jatros_onko_1907_s68_tab1__fuegger.jpg" alt="" width="800" height="325" /></p> <h2>Erweiterte Resektionen mit Gef&auml;&szlig;en</h2> <p>Am h&auml;ufigsten sind hier Resektionen der Vena porta und der Vena mesenterica superior betroffen (Abb. 1). Je nach Lokalsitus erfolgt die Rekonstruktion entweder durch direkte Naht oder ein Interponat. W&auml;hrend Pfortaderresektionen fr&uuml;her eher die Ausnahme waren, werden heute bei &uuml;ber 20 % der Operationen auch Gef&auml;&szlig;resektionen durchgef&uuml;hrt. Eine Metaanalyse von Giovinazzo mit &uuml;ber 9000 Patienten zeigt bei einer 30-Tages-Mortalit&auml;t von 3,9 % zwar ein sehr gutes postoperatives Ergebnis, verglichen mit einer Mortalit&auml;t von 3 % bei Resektionen ohne Erweiterung ist dies aber doch signifikant h&ouml;her (p = 0,02).<sup>5</sup><br /> W&auml;hrend die Erweiterung auf die Venenresektion damit vertretbare Auswirkungen auf die perioperative Mortalit&auml;t hat und das mediane &Uuml;berleben bei immerhin 15 Monaten liegt, sind die Daten f&uuml;r eine Erweiterung auf Arterienresektionen deutlich schlechter. Sowohl die perioperative Mortalit&auml;t von 13,6 % als auch das 3-Jahres-&Uuml;berleben von 8,3 % in der Metaanalyse von Mollberg sind aus heutiger Sicht nicht akzeptabel.<sup>6</sup> Beide Metaanalysen haben Schw&auml;chen, weil sie kaum Patienten mit neoadjuvanter Therapie inkludieren und eine Klassifizierung der lokalen Resektabilit&auml;t fehlt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1907_Weblinks_jatros_onko_1907_s68_abb1__fuegger.jpg" alt="" width="550" height="422" /></p> <h2>Erweiterte Resektion nach neoadjuvanter Therapie</h2> <p>International laufen derzeit einige prospektiv randomisierte Studien zur Bewertung der neoadjuvanten Therapie bei borderline-resektablen und lokal fortgeschrittenen, prim&auml;r nicht operablen Karzinomen, darunter eine &ouml;sterreichische Multicenterstudie (ABCSG P02). In dieser Studie wird eine neoadjuvante Chemotherapie mit FOLFIRINOX mit einer Kombinationstherapie aus FOLFIRINOX und anschlie&szlig;ender Radiochemotherapie verglichen. Obwohl es noch keine Daten &uuml;ber die neoadjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms bei borderline-resektablen und lokal fortgeschrittenen Karzinomen auf h&ouml;chstem Evidenzniveau gibt, liegen sehr aufschlussreiche Publikationen &uuml;ber gro&szlig;e Fallserien vor. Einer der wesentlichsten Punkte aus chirurgischer Sicht ist dabei die Unterscheidung zwischen Standardresektionen bei prim&auml;r resektablen Karzinomen und den erweiterten Duodenopankreatektomien.<br /> &Uuml;bereinstimmend zeigen die Ergebnisse der erweiterten Resektionen einerseits eine etwas h&ouml;here Eingriffsmortalit&auml;t und andererseits k&uuml;rzere &Uuml;berlebenszeiten. Dies ist nicht verwunderlich bei der Operationsrationserweiterung um die sehr anspruchsvolle Gef&auml;&szlig;resektion und das fortgeschrittene Tumorstadium, das bei diesen Patienten durch den Lokalbefund definiert ist. In einer Serie von Hartwig, wo 611 erweiterte Duodenopankreatektomien mit 1217 Standardresektionen verglichen wurden, betrug die 30-Tages-Mortalit&auml;t 4,3 % bei Erweiterung gegen&uuml;ber 1,8 % bei der Standardoperation (p=0,002), das mediane &Uuml;berleben lag bei 16,1 Monaten vs. 23,6 Monate (p&lt;0,001).<sup>7</sup> Obwohl die Ergebnisse der erweiterten Resektionen damit nicht an jene der Standardoperationen herankommen, liegen die damit erzielten &Uuml;berlebenszeiten deutlich &uuml;ber jenen einer palliativen Therapie.<br /> Eine ganz aktuelle Publikation aus der Mayo-Klinik zeigt auf, dass bei konsequenter neoadjuvanter Therapie die Ergebnisse bei borderline-resektablem und lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom deutlich verbessert werden k&ouml;nnen. 194 Patienten wurden mit einem Konzept aus neoadjuvanter Chemotherapie, meist FOLFIRINOX, gefolgt von einer Chemoradiotherapie, behandelt.<sup>8</sup> Durch erweiterte Duodenopankreatektomien mit Gef&auml;&szlig;resektionen bei 64 % und Multiviszeralresektionen bei 19,6 % konnte eine komplette histologische Tumorentfernung (R0-Status) bei 94,3 % der Patienten erreicht werden. Das sind die bisher besten Ergebnisse zur lokalen Radikalit&auml;t, die bei borderlineresektablem und lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom publiziert wurden. Der Preis f&uuml;r dieses aggressive chirurgische Konzept ist eine etwas h&ouml;here postoperative Mortalit&auml;t (90-Tages-Mortalit&auml;t: 6,7 % ), aber ein f&uuml;r dieses Tumorstadium bisher unerreichtes onkologisches Ergebnis (medianes Gesamt&uuml;berleben [OS]: 58,8 Monate; medianes rezidivfreies &Uuml;berleben [RFS]: 23,5 Monate). Dies entspricht einer 3-Jahres-OS-Rate von 62 % und einer 3-Jahres-RFS-Rate von 32 % .<br /> Voraussetzung f&uuml;r so ein Konzept ist eine enge interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Chirurgie, medizinischer Onkologie und Strahlentherapie. Die Ergebnisse der internationalen Studien zur neoadjuvanten Therapie sowie der &ouml;sterreichischen P02-Studie werden nach diesen Daten schon sehr gespannt erwartet.<br /> Die Weiterentwicklung der Pankreaschirurgie in Richtung erweiterter Resektionen unterstreicht die Notwendigkeit einer weiteren Zentralisierung dieser Eingriffe an Kliniken mit sehr hoher Fallfrequenz.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_ gesellschaft/gesundheit/krebserkrankungen <strong>2</strong> www.sozialministerium. at/site/Gesundheit/Krankheiten_und_Impfen/ Krankheiten/Krebs <strong>3</strong> Gangl O et al.: World J Surg 2014 <strong>4</strong> www.jnccn.org <strong>5</strong> Giovinazzo F: Br J Surg 2015 <strong>6</strong> Mollberg N: Ann Surg 2011 <strong>7</strong> Hartwig W: Br J Surg 2016 <strong>8</strong> Truty MJ: Ann Surg 2019</p> </div> </p>
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