© magicmine iStockphoto

ÖGP 2019

Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie bei Lungenerkrankungen

<p class="article-intro">In den letzten Jahrzehnten hat sich das Forschungsfeld der pulmonalen Hypertonie (PH) stetig weiterentwickelt. Besonders die zielgerichteten Therapien zur Behandlung der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) stellen einen großen Fortschritt dar. Für andere Formen der PH stehen bislang allerdings kaum Optionen zur Verfügung. In diesem Artikel möchten wir einen aktuellen Überblick über die Diagnostik und die modernen Therapiekonzepte der PH bei Lungenerkrankungen geben, basierend auf den im Rahmen des 6. Weltsymposiums zur pulmonalen Hypertonie (6. WSPH) 2018 in Nizza erarbeiteten Proceedings, die kürzlich publiziert wurden.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Definition und Klassifikation der pulmonalen Hypertonie</h2> <p>In der ERS/ESC-Leitlinie f&uuml;r PH, die auf die 5. WSPH von 2013 zur&uuml;ckgeht, wird die PH definiert als Anstieg des mittleren pulmonalarteriellen Drucks (mPAP) &ge; 25 mmHg in Ruhe, gemessen mittels Rechtherzkatheter (RHK).<sup>2</sup> In den Proceedings der 6. WSPH von 2018 empfehlen die Experten nun die &Auml;nderung dieser Definition mit Absenkung des mPAP-Kriteriums auf &gt; 20 mmHg.<sup>3</sup> Aktuelle Studien haben gezeigt, dass bereits eine Erh&ouml;hung des mPAP &gt; 20 mmHg mit einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t einhergeht.<sup>4, 5</sup> Damit entf&auml;llt die Diskussion rund um eine &bdquo;Borderline&ldquo;-PH. Auch die Definitionen f&uuml;r eine pr&auml;kapill&auml;re und postkapill&auml;re PH wurden adaptiert (Tab. 1).<sup>3</sup><br /> Die PH wird in folgende 5 Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 &bdquo;Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH)&ldquo;, Gruppe 2 &bdquo;Pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkrankung&ldquo;, Gruppe 3 &bdquo;Pulmonale Hypertonie infolge von Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie&ldquo;, Gruppe 4 &bdquo;Pulmonale Hypertonie bei pulmonalarteriellen Obstruktionen (z. B. chronische thromboembolische PH)&ldquo; und Gruppe 5 &bdquo;Pulmonale Hypertonie multifaktorieller und/oder unklarer Genese&ldquo;. F&uuml;r die Gruppe 3 sieht die Task Force eine Vereinfachung der Klassifikation vor und schl&auml;gt nur noch eine Unterscheidung zwischen obstruktiven Lungenerkrankungen, restriktiven Lungenerkrankungen, Lungenerkrankungen mit gemischt restriktivem und obstruktivem Muster, chronischer Hypoxie ohne Lungenerkrankung und Entwicklungsst&ouml;rungen der Lunge vor.<sup>3</sup><br /> Die PH infolge chronischer Lungenerkrankungen (CLD) stellt nach der PH bei Linksherzerkrankungen die h&auml;ufigste PHForm dar. Die &Auml;tiologie ist multifaktoriell und komplex. Sie ist mit einer verminderten Belastbarkeit, einer geringeren Lebensqualit&auml;t und einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t verbunden und erschwert den Krankheitsverlauf des Patienten. Um fr&uuml;hzeitig therapeutisch eingreifen zu k&ouml;nnen, ist eine rasche Diagnose erforderlich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1906_Weblinks_jatros_pneumo_1906_s35_tab1_sassmann.jpg" alt="" width="550" height="176" /></p> <h2>Diagnostik und Management der PH bei Lungenerkrankungen</h2> <p>Zun&auml;chst sollte der Verdacht auf eine PH infolge einer Lungenerkrankung anhand von klinischer Symptomatik, Biomarkern, Elektrokardiografie (EKG), Lungenfunktionsuntersuchung, Blutgasanalyse und Thoraxr&ouml;ntgen gestellt werden. PHPatienten leiden h&auml;ufig unter Dyspnoe, Ersch&ouml;pfung und reduzierter Leistungsf&auml;higkeit, welche aufgrund der Lungenerkrankung alleine nicht erkl&auml;rbar sind. Auch Zyanose, Synkope, periphere &Ouml;deme und gestaute Halsvenen kommen vermehrt vor, k&ouml;nnen jedoch auch komplett fehlen. Im EKG zeigt sich in etwa der H&auml;lfte der F&auml;lle ein Rechtstyp. Weitere Hinweise auf eine PH sind ein (meist inkompletter) Rechtsschenkelblock, ein P-dextroatriale und eine S-Persistenz bis V6.<sup>6</sup> Ein erh&ouml;htes &bdquo;brain&ldquo;-natriuretisches Peptid (BNP) oder N-terminales proBNP kann auf das Vorliegen einer schweren PH hinweisen, dieses ist jedoch unspezifisch.<sup>1</sup> Im Thorax-R&ouml;ntgen k&ouml;nnen ein verbreitertes Pulmonalissegment, dilatierte zentrale Pulmonalarterien, eine verl&auml;ngerte retrosternale Kontaktfl&auml;che als Zeichen eines vergr&ouml;&szlig;erten rechten Herzens sowie dilatierte zentrale Pulmonalarterien auffallen. Ist die Diffusionskapazit&auml;t der Lunge (D<sub>LCO</sub>) gegen&uuml;ber der FEV<sub>1</sub> &uuml;berproportional vermindert oder im CT-Thorax das Verh&auml;ltnis des Durchmessers von der Pulmonalarterie zur Aorta ascendens &gt; 1,1, so weist dies ebenfalls auf eine PH hin. Die von den ESC/ ERS-Leitlinien am st&auml;rksten empfohlene nicht invasive Screening-Methode ist die transthorakale Echokardiografie. Vergr&ouml;&szlig;erte rechte Herzh&ouml;hlen, eine Verlagerung und Abflachung des interventrikul&auml;ren Septums (D-Zeichen), eine erh&ouml;hte maximale trikuspidale Regurgitationsgeschwindigkeit (TRV), eine verminderte RV-Akkzelerationszeit, eine reduzierte maximale systolische Geschwindigkeit des basalen Segments der rechtsventrikul&auml;ren Lateralwand (s&lsquo;) und der erh&ouml;hte linksventrikul&auml;re Exzentrizit&auml;tsindex geh&ouml;ren zu den PHZeichen, um nur einige der vielen Parameter zu nennen, die den Verdacht auf eine CLD-PH erh&auml;rten k&ouml;nnen. Zu beachten ist jedoch, dass diese Untersuchungen in keinem Fall w&auml;hrend einer akuten Exazerbation durchgef&uuml;hrt werden sollen. Der Grund daf&uuml;r ist, dass eine akute Exazerbation zu hochgradigen kardialen Einschr&auml;nkungen und zu einem deutlichen Anstieg des pulmonalen Drucks f&uuml;hren kann.<br /> Zur Sicherung der PH-Diagnose ist weiterhin der Rechtsherzkatheter (RHK) erforderlich. Der RHK wird nur f&uuml;r Patienten mit Verdacht auf eine schwere PH und eine m&ouml;gliche therapeutische Konsequenz empfohlen und f&uuml;r solche im Vorfeld einer Lungentransplantation oder einer anderen schwerwiegenden Intervention.<br /> Die Ventilations/Perfusionsszintigrafie sollte fr&uuml;hzeitig eingesetzt werden, um eine PH der Gruppe 3 von einer der Gruppe 4 (pulmonale Hypertonie bei pulmonalarteriellen Obstruktionen) abzugrenzen. Leider ist dieses Verfahren bei schwerer chronischer Lungenerkrankung nicht zuverl&auml;ssig, sodass in aller Regel eine CT-Pulmonalisangiografie (CTPA) erfolgen muss. Im gleichen Zug sollte eine D&uuml;nnschicht-CT (HRCT) durchgef&uuml;hrt werden. Die Lungenfunktion hilft daneben bei der Differenzierung zwischen Gruppe 1 (PAH) und PH der Gruppe 3. Ist das FEV<sub>1</sub> &gt; 60 % und die FVC &gt; 70 % , so ist die PH eher der Gruppe 1 zuzuordnen, bei einem FEV<sub>1</sub> &le; 60 % oder einer FVC &le; 70 % hingegen der Gruppe 3.<sup>1, 7</sup> Auch ausgepr&auml;gte parenchymat&ouml;se Pathologien im HRCT, eine sehr niedrige DLCO und eine respiratorische statt einer zirkulatorischen Limitierung in der Spiroergometrie sprechen f&uuml;r Gruppe 3.<sup>1</sup></p> <h2>Therapie der PH bei Lungenerkrankungen</h2> <p>Grunds&auml;tzlich gilt es, die zugrunde liegende Lungenerkrankung optimal zu therapieren. Bei hypox&auml;mischen Patienten wird die Langzeit-Sauerstofftherapie empfohlen. Ist der Patient der Gruppe 3 zuzuordnen oder bleibt die Klassifikation unklar, so wird die Vorstellung des Patienten an einem Expertenzentrum empfohlen, um mithilfe eines multidisziplin&auml;ren Teams die bestm&ouml;gliche Therapiestrategie festzulegen. Patienten mit milder bis moderater CLD-PH wird den Nizza-Proceedings zufolge keine PAH-Therapie empfohlen. Leiden CLD-Patienten jedoch unter einer schweren PH (mPAP &gt; 35 mmHg oder mPAP &gt; 25 mmHg und einem &bdquo;cardiac index&ldquo; &lt; 2,0 l/min/m<sup>2</sup>), so sollen individuelle Therapieoptionen unter Einbeziehung des Patienten (&bdquo;shared decision-making&ldquo;) erarbeitet werden. Bei der COPD gibt es eine relativ kleine Subgruppe von Patienten (1&ndash;3 % ) mit einer schweren PH, was auch als ein &bdquo;pulmonal-vaskul&auml;rer Ph&auml;notyp&ldquo; interpretiert wird.<sup>8</sup> Diese Patienten k&ouml;nnen offenbar im Einzelfall von einer gezielten PAH-Therapie profitieren.<sup>9</sup> Dennoch wurden solche Patienten noch nie gezielt in randomisierten kontrollierten Studien untersucht. Die bisherigen qualitativ guten Studien haben &uuml;berwiegend Patienten mit milder bis moderater PH eingeschlossen und blieben durchgehend negativ.<sup>7, 8, 10</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die Verdachtsdiagnose der PH wird anhand von klinischen, laborchemischen, funktionalen und bildgebenden Verfahren gestellt, wobei die Echokardiografie den h&ouml;chsten Stellenwert als Suchtest auf Vorliegen einer PH hat. Goldstandard f&uuml;r die Diagnose bleibt die Rechtsherzkatheteruntersuchung. Um die optimale Therapie einer PH aufgrund einer chronischen Lungenkrankheit zu erm&ouml;glichen, sollten Patienten mit Verdacht auf eine schwere PH und solche, bei denen keine eindeutige Klassifizierung m&ouml;glich ist, einem Expertenzentrum zugewiesen werden. Neben der Optimierung der Therapie der Grundkrankheit spielt die Entscheidung &uuml;ber eine PAH-Therapie unter Einbeziehung des Patientenwunsches eine gro&szlig;e Rolle. Nachdem die vorliegenden Studien keine klare Empfehlung erlauben, ist die Einsch&auml;tzung von ausgewiesenen Expertenzentren erforderlich, die auf einer individuellen Basis vorgenommen wird. F&uuml;r den Einsatz von PAH-Therapeutika bei Patienten mit Lungenkrankheiten sind randomisierte kontrollierte Studien mit Fokus auf die schwere PH erforderlich, um die notwendige Evidenz zu liefern, bevor eine Empfehlung abgegeben werden kann.</p> <p><br /><em>Die Inhalte dieser &Uuml;bersicht wurden teilweise in einer Arbeitsgruppensitzung des Arbeitskreises Pulmonale Zirkulation der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie (&Ouml;GP) erarbeitet, unter Mitwirkung von Philipp Douschan, Gabor Kovacs, Vasile Foris, Susanne Pfeiffer, Stefan Scheidl, Meinhard Kneussl, Christian Hesse, Leigh Marsh, Elvira Stacher, Slaven Crnkovic, Grazyna Kwapiszewska- Marsh, Zoltan Balint, Andrea Olschewski und Horst Olschewski.</em></p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Nathan SD et al.: Eur Respir J 2019; 53: 1801914. https:// doi.org/10.1183/13993003.01914-2018. <strong>2</strong> Gali&egrave; N et al.: Eur Heart J 2016; 37: 67-119. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ ehv317 <strong>3</strong> Simonneau G et al.: Eur Respir J 2019; 53. https://doi.org/10.1183/13993003.01913-2018. <strong>4</strong> Assad TR et al. : JAMA Cardiol 2017; 2: 1361-8. https://doi. org/10.1001/ jamacardio.2017.3882. <strong>5</strong> Douschan P et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018; 197: 509-16. https://doi. org/10.1164/rccm.201706-1215OC <strong>6</strong> Kovacs G et al.: PLoS ONE 2016; 11: e0168706. https://doi.org/10.1371/journal. pone.0168706 <strong>7</strong> Olschewski H et al.: Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S57-61. https://doi.org/10.1055/s-0042- 114528 <strong>8</strong> Kovacs G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: 1000-11. https:// doi.org/10.1164/rccm.201801-0095PP <strong>9</strong> Lange TJ et al.: Cardiovasc Ther 2014; 32: 202-8. https://doi.org/10.1111/ 1755-5922.12084 <strong>10</strong> Bunel V et al.: Chest 2019; 156: 33-44. https://doi.org/10.1016/j. chest.2019.02.333</p> </div> </p>
Back to top