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Neoadjuvante Chemotherapie (NAC) beim Mammakarzinom

Kann eine Vakuum-assistierte Biopsie die Operation nach NAC ersetzen?

<p class="article-intro">Die neoadjuvante Chemotherapie (NAC) ist bei hoch proliferativen Tumoren etabliert; es wird dabei in mehr als 50 % der Fälle eine pathologische Komplett-Response (pCR) erreicht. Derzeit wird geprüft, ob durch eine Vakuum-assistierte Biopsie (VAB) die pCR exakt vorausgesagt werden kann, um in so manchen Situationen zukünftig auf den offenen Brusteingriff verzichten zu können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Wurde NAC anfangs vor allem daf&uuml;r verwendet, lokal fortgeschrittene Mammakarzinome operabel zu machen oder sp&auml;ter bei urspr&uuml;nglich grossen Tumoren eine Brusterhaltung zu erm&ouml;glichen, so steht heute neben grossen Tumoren die Indikation im Vordergrund, hoch proliferative Mammakarzinome wie das HER2-positive und das tripelnegative Mammakarzinom neoadjuvant zu behandeln.<br /> Dabei m&ouml;chten wir in m&ouml;glichst grosser Zahl eine pCR erreichen. pCR ist ein wichtiger prognostischer Faktor f&uuml;r das krankheitsfreie und das Gesamt&uuml;berleben und wird als Surrogatparameter f&uuml;r die Prognose verwendet. In entsprechenden Studien konnte f&uuml;r das HER2-positive Mammakarzinom eine pCR-Rate bis zu 66 % und f&uuml;r das tripelnegative Karzinom eine pCR-Rate von 58 % erreicht werden. Bei schlechtem Ansprechen besteht die M&ouml;glichkeit, im Verlauf der neoadjuvanten Therapie das Regime zu &auml;ndern.<br /> Schliesslich k&ouml;nnen wir heutzutage bei ausreichendem Ansprechen urspr&uuml;nglich befallener Lymphknoten in der Axilla einem Teil unserer Patientinnen die Axilladissektion ersparen und damit h&ouml;here Morbidit&auml;t vermeiden.<br /> Die uns zur Verf&uuml;gung stehenden radiologischen Methoden k&ouml;nnen die pCR nicht exakt voraussagen. Die kontrastmittelverst&auml;rkte Magnetresonanztomografie (MRT) der Mamma erzielt zwar die beste Sensitivit&auml;t, aber auch diese liegt nur bei 75 % .<br /> Abh&auml;ngig vom verwendeten Chemotherapieschema und vom Tumortyp sind unterschiedliche Ansprechmuster bekannt. Beim konzentrischen Schrumpfen des Tumors ist eine Vorhersage der pCR einfacher, beim mottenfrassartigen Zur&uuml;ckdr&auml;ngen des Tumors k&ouml;nnen im gesamten urspr&uuml;nglichen Tumorvolumen Gewebsinseln zur&uuml;ckbleiben, was die pCR-Vorhersage erschwert. Deshalb ist noch immer die operative Entfernung des ehemaligen Tumorareals Therapiestandard.<br /> Auf der anderen Seite ist es mit VAB m&ouml;glich, grossvolumige Gewebszylinder zu generieren. So wird die stereotaktische Vakuumbiopsie zur diagnostischen Abkl&auml;rung von suspekten Mikrokalzifikationen in der Brust standardm&auml;ssig eingesetzt, womit bei vielen Patienten die offene Gewebsentnahme entfallen kann.<br /> Des Weiteren werden derzeit weltweit mehrere randomisierte Studien durchgef&uuml;hrt mit der Fragestellung, ob nach stereotaktischer Diagnose eines &laquo;Low grade&raquo;-DCIS (duktales Carcinoma in situ) auf die Operation verzichtet werden kann.</p> <h2>Feasibility-Studien</h2> <p>Seit Kurzem wird durch verschiedene Studiengruppen versucht, mit Biopsien des ehemaligen Tumorareals Residualgewebe nachzuweisen, um die Ergebnisse mit der Operation zu vergleichen. Die Resultate aus insgesamt kleinen Patientenkollektiven sind sehr unterschiedlich, mit einer Falsch-negativ-Rate (FNR) zwischen 5 % und 49 % (Tab. 1).<br /> Heil et al. untersuchten 164 Patientinnen, die in einer Multicenterstudie der German Breast Group prospektiv erfasst wurden. Nach neoadjuvanter Chemotherapie wurde aus dem Tumorbett entweder eine Stanzbiopsie oder eine VAB entnommen. Dann erfolgte die standardm&auml;ssige Operation. Eine pCR wurde bei 93 Patientinnen (56,7 % ) im Operationspr&auml;parat gefunden. Die FNR betrug bei der minimal invasiven Biopsie 49,3 % . Wenn ein Clip im Tumorbett gelegen war, war die Vorhersagekraft der Vorbiopsie h&ouml;her. Bei den Patientinnen, die eine stereotaktisch gef&uuml;hrte VAB erhielten, zeigte sich kein falsch negatives Ergebnis. Auch wenn die Gesamtgenauigkeit der Untersuchung ungen&uuml;gend war, zeigen einzelne Subgruppen potenzielle M&ouml;glichkeiten, dass dieses Konzept recht beh&auml;lt.<br /> In einer eigenen monozentrischen Untersuchung konnte Heil dann zeigen, dass die FNR bei jenen Patientinnen nur bei 4,8 % lag, bei denen der Pathologe tats&auml;chlich Tumornarben im Lymphknotengewebe fand.<br /> Kuerer et al. untersuchte in einer Feasibility- Studie 40 Patientinnen, die ein HER2-positives oder ein tripelnegatives Mammakarzinom aufwiesen. Die Patientinnen, die alle einen Clip im Tumorbett hatten, wurden vor der Operation mittels Feinnadelbiopsie oder VAB biopsiert. Die FNR betrug 5 % .<br /> Aufgrund der bisher vorliegenden Daten sind derzeit weltweit mehrere Studiengruppen dabei, dieses Konzept auf seine Wertigkeit zu pr&uuml;fen (Tab. 2).<br /> Die bisher gr&ouml;sste Untersuchung ist die Multicenterstudie der GBG (RESPONDER). Diese Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da die FNR bei einer geplanten Zwischenauswertung &uuml;ber 17 % betrug.<br /> Die Subgruppenanalyse zeigte, dass bei Verwendung einer 7g-Biopsienadel keine falsch negativen Ergebnisse auftraten. Des Weiteren lag die FNR bei niedrigen 6,2 % , wenn gem&auml;ss Bildgebung eine Komplettremission erreicht wurde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1906_Weblinks_lo_onko_1906_s90_tab1_tausch.jpg" alt="" width="800" height="262" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1906_Weblinks_lo_onko_1906_s91_tab2_tausch.jpg" alt="" width="800" height="277" /></p> <h2>Die VISION-I-Studie</h2> <p>Die VISION-I(SAKK 23-18/ABCSG-54)- Studie (Tab. 3) widmet sich auch der Pr&uuml;fung dieses Konzepts. Dabei sind in Schweiz und &Ouml;sterreich an die 30 Zentren interessiert, an dem Protokoll teilzunehmen.<br /> Patientinnen, die sich aufgrund der Tumoreigenschaften f&uuml;r eine neoadjuvante Chemotherapie qualifizieren, werden bereits zu diesem Zeitpunkt gescreent. Alle Patientinnen werden vor der Chemotherapie einem Brust-MRI unterzogen und in die Tumormitte wird ein Clip implantiert. Ausserdem k&ouml;nnen bereits zu diesem Zeitpunkt mittels Blutuntersuchung Basiswerte f&uuml;r translationelle Projekte dieser Studie bestimmt werden.<br /> Die neoadjuvante Chemotherapie erfolgt nach Wahl des Behandlers. Zumindest einmal, zur Therapiemitte, wird eine Ultraschalluntersuchung des Tumorareals durchgef&uuml;hrt. Zu diesem Zeitpunkt wird einerseits anhand des Residualvolumens des Tumors der Effekt der Chemotherapie &uuml;berpr&uuml;ft. Andererseits wird dabei festgestellt, ob der Clip weiterhin in der Tumormitte positioniert ist.<br /> Liegt nach Abschluss der NAC eine klinische Komplettremission vor, so wird diese noch durch ein Brust-MRI best&auml;tigt. Ist auch im MRI kein Residualgewebe nachweisbar oder liegt ein unsicherer Restbefund vor, dann kann die Patientin in das Protokoll aufgenommen werden. Sie erh&auml;lt unmittelbar vor der Operation, idealerweise bereits in Narkose, eine VAB des Tumorbetts. Ist der Clip im Ultraschall nicht identifizierbar, so kann die VAB vor der Operation stereotaktisch erfolgen, was allerdings nicht w&auml;hrend derselben Narkose m&ouml;glich ist.<br /> Damit der Operateur beim Eingriff besser orientiert ist, wird im Anschluss an die VAB eine Markierungsnadel in die Biopsieh&ouml;hle der VAB gelegt.<br /> Unmittelbar danach erfolgt die konventionelle Operation. Die entnommenen Gewebe aus beiden Interventionen werden vom Pathologen miteinander verglichen. Prim&auml;rer Endpunkt der Untersuchung ist die Sensitivit&auml;t der VAB.<br /> Sekund&auml;re Endpunkte sind der positive und negative Vorhersagewert und die Spezifit&auml;t, die Bedeutung der klinischen Brustkrebssubtypen, die Wertigkeit des entfernten Clips und die Korrelation der Sensitivit&auml;t mit dem Ansprechen in der Axilla.<br /> Bei VISION I wurden nach Bekanntwerden des Studienabbruchs von RESPONDER noch Adaptionen am Protokoll vorgenommen, um eine hohe Sensitivit&auml;t der VAB zu gew&auml;hrleisten. Es werden nur Patientinnen mit Luminal-B-Tumoren, HER2-positiven und tripelnegativen Karzinomen eingeschlossen.<br /> VISION I fordert als einzige Studie ein Brust-MRI vor und nach der Chemotherapie, bei der eine radiologische CR ersichtlich sein muss. In VISION I wird ein Gel- Clip verwendet, um eine bessere sonografische Sichtbarkeit nach Abschluss der Chemotherapie zu erreichen. Es ist eine Mindestanzahl der entnommenen Biopsiezylinder vorgegeben (stereotaktisch 12 Zylinder mit 10G/11 G, sonografisch 10 Zylinder mit 7G/8G).<br /> Bei der richtigen Patientenselektion und bei Einhaltung aller dieser Massnahmen sind wir optimistisch, dass uns der Nachweis gelingt, dass im Fall einer radiologischen Komplettremission eine VAB gegen&uuml;ber der Operation gleichwertig ist.<br /> Der Studienstart f&uuml;r dieses spannende l&auml;nder&uuml;bergreifende Protokoll erfolgt Anfang 2020.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1906_Weblinks_lo_onko_1906_s91_tab3_tausch.jpg" alt="" width="550" height="552" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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