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Epilepsie und Intelligenzminderung

Renaissance der Syndrome?

<p class="article-intro">Epilepsie bei Menschen mit geistiger Behinderung wird teilweise noch immer als Randthema behandelt. Fortschritte in der genetischen Diagnostik und das Interesse an der personalisierten Medizin rücken bestimmte Epilepsiesyndrome wieder in den Fokus.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Studienlage zu Antiepileptika bei Patienten mit geistiger Behinderung ist nicht umfangreich und liefert keinen Ansatzpunkt f&uuml;r die personalisierte Medizin. In der Literatur findet sich lediglich ein Cochrane Review mit 14 randomisiert kontrollierten Studien (total 1116 Patienten).<sup>1</sup> Dieser kommt zu der Schlussfolgerung: Antiepileptika wirken auch bei Menschen mit geistiger Behinderung, und zwar mit einem vergleichbaren Spektrum an unerw&uuml;nschten Wirkungen wie bei Patienten mit normaler Intelligenz, bietet aber keine weiteren Ansatzpunkte hinsichtlich personalisierter Medizin.</p> <h2>Epilepsiesyndrome &ndash; der Weg zur personalisierten Medizin?</h2> <p>Im Gegensatz dazu findet die Diagnose der Epilepsiesyndrome Tuber&ouml;se-Sklerose-Komplex, Dravet-Syndrom und Lennox- Gastaut-Syndrom zunehmend wieder Beachtung, wie Dr. Christian Brandt, Leitender Arzt der Abteilung f&uuml;r Allgemeine Epileptologie am Epilepsiezentrum Bethel in Bielefeld, berichtete.</p> <p><strong>Tuber&ouml;se-Sklerose-Komplex</strong> <br />Die multizentrische randomisiert kontrollierte Zulassungsstudie zeigte zwischen den Verumarmen in unterschiedlichen Dosierungen und dem Placeboarm signifikante Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit von Everolimus.<sup>2</sup> Erste Daten der offenen Follow-up-Studie zeigen, dass der Effekt &uuml;ber zwei Jahre bestehen bleibt.<sup>3</sup> Dravet-Syndrom Heterozygote SCN1A-&bdquo;Loss of function&ldquo;- Mutationen sind die h&auml;ufigste Ursache des Dravet-Syndroms. Zur Behandlung ist Stiripentol zugelassen.<sup>4</sup> Studien zu Fenfluramin laufen aktuell noch und sind vielversprechend.<sup>5</sup> Weitere Antiepileptika sind ebenfalls wirksam, Na<sup>+</sup>-Kanal-Blocker sollten jedoch vermieden werden. Cannabidiol konnte in einer Studie mit 120 Kindern und jungen Erwachsenen die Anfallsfrequenz signifikant reduzieren.<sup>6</sup></p> <p><strong>Lennox-Gastaut-Syndrom</strong> <br />Rufinamid zeigte in einer 12-w&ouml;chigen doppelblinden randomisierten Parallelgruppenstudie im Vergleich zu Placebo besonders bei Sturzanf&auml;llen eine signifikante Reduktion.<sup>7</sup> Auch f&uuml;r Cannabidiol konnte eine signifikante Wirksamkeit nachgewiesen werden.<sup>6 </sup></p> <h2>Genetische Diagnostik</h2> <p>Genetische Grundlagen bei Epilepsien sind relativ h&auml;ufig (50&ndash;70 % aller Epilepsien), berichtete Dr. Sarah von Spiczak, DRK-Norddeutsches Epilepsiezentrum f&uuml;r Kinder und Jugendliche, Schwentinental. Sie pr&auml;sentierte in ihrem Vortrag verschiedene Methoden zur Detektion von Mutationen und zeigte die Vorgehensweise in der Praxis auf. <br />Bevor eine Genanalyse beauftragt werden kann, m&uuml;ssen verschiedene Fragen gekl&auml;rt werden. Unter anderem: Welches Ziel verfolgen der Arzt, der Patient oder dessen Angeh&ouml;rige mit der Diagnostik? Ist eine humangenetische Beratung im Vorfeld notwendig? Welche Methode kommt zum Einsatz? Wie wird diese finanziert? Hinzu kommen bei Menschen mit geistiger Behinderung spezielle Fragen: Hat der Patient eine Meinung zu der geplanten Diagnostik? Welchen Nutzen hat der Patient? Wer muss der Diagnostik zustimmen? <br />F&uuml;r eine genetische Analyse stehen verschiedene Methoden zur Verf&uuml;gung: Chromosomenanalyse, Array-CGH/SNP-Array, Sanger-Sequenzierung, Multiplex Ligationdependent Probe Amplification, Next-Generation Sequencing (Gen-Panel, Exom, Genom). Die erfolgreiche diagnostische Aufkl&auml;rung ist dabei abh&auml;ngig von der untersuchten Kohorte, der gew&auml;hlten Methode und dem Analysezeitpunkt. Wichtig ist bei Gen-Panel-Analysen die Auswahl des geeigneten Panels. Exomanalyse und hochaufl&ouml;sende Array-CGH k&ouml;nnen einen zus&auml;tzlichen Nutzen bringen. <br />Ebenso kann die Reanalyse von genetischen Daten neue Erkenntnisse bringen. Dies wurde in verschiedenen Studien zu unterschiedlichen Erkrankungen untersucht.<sup>8&ndash;11</sup> Die H&auml;ufigkeit der Diagnosekl&auml;rung durch Reanalyse lag dabei zwischen 10,5 und 15,4 %. Hauptgr&uuml;nde f&uuml;r eine nachtr&auml;gliche erfolgreiche Kl&auml;rung waren neue Literatur, Datenbank-Updates, Weiterentwicklung der Analysetools, Reph&auml;notypisierung oder Interpretationsfehler. Eine Durchf&uuml;hrung alle 12&ndash;24 Monate ist daher sinnvoll und realistisch.</p> <p>Weitere Informationen:<br /><a href="http://www.dgfe.org">www.dgfe.org</a> (Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Genetik der DGfE)<br /><a href="http://www.epilepsygenetics.net">www.epilepsygenetics.net</a> (Blog der ILAE-Genetikkommission)</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie und der Schweizerischen Epilepsie-Liga, 7. bis 9. Mai 2019, Basel </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jackson CF et al.: Cochrane Database Syst Rev 2015 (9): CD005399 <strong>2</strong> French JA et al.: Lancet 2016; 388(10056): 2153-63 <strong>3</strong> Franz D et al.: Epilepsia 2018; 59(6): 1188-97 <strong>4</strong> Gataullina S et al.: Seizure 2017; 44: 58-64 <strong>5</strong> Bialer M et al.: Epilepsia 2017; 58(2): 181-221 <strong>6</strong> Devinsky O et al.: NEJM 2018; 378: 1888-97 <strong>7</strong> Glauser T et al.: Neurology 2008; 70(21): 1950-8 <strong>8</strong> Li J et al.: Gene 2019; 700: 168-75 <strong>9</strong> Al-Nabhani M et al.: Clin Genet 2018; 94(6): 495-501 <strong>10</strong> Nambot S et al.: Genet Med 2018; 20(6): 645-54 <strong>11</strong> Alfares A et al.: Genet Med 2018; 20(11): 1328-33</p> </div> </p>
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