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Chemotherapie-freie Behandlung des follikulären Lymphoms

<p class="article-intro">In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Überleben von Patienten mit follikulärem Lymphom (FL) kontinuierlich verbessert, vor allem durch die Ergänzung der Standard- Chemotherapie mit dem Anti-CD20-Antikörper Rituximab. Die Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK) und die Nordische Lymphomgruppe (NLG) haben mehrere Studien durchgeführt, die die Rolle von Rituximab sowohl als Monotherapie als auch in Chemotherapie-freien Kombinationen untersuchen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein langfristiger Nutzen von Single-Agent-Rituximab ist bei &gt; 30 % der Patienten sichtbar.</li> <li>Die Erstlinientherapie mit Rituximab als Monotherapie beeintr&auml;chtigt langfristig den Behandlungserfolg nicht.</li> <li>R2 (Rituximab plus Lenalidomid) ist eine potenzielle neue Option f&uuml;r die Erstlinienbehandlung des therapiebed&uuml;rftigen FL.</li> <li>Chemotherapie-freie Strategien sollten weiter untersucht werden &ndash; die Rituximab-Monotherapie dient voraussichtlich weiterhin als Standard.</li> <li>Klinische Erstlinienstudien mit neuen Kombinationen sollten nach konservativen Studiendesigns durchgef&uuml;hrt werden.</li> </ul> </div> <p>Das FL ist der zweith&auml;ufigste Lymphomtyp und tritt in einem mittleren Alter von 60 Jahren auf. Genetisch ist es durch die chromosomale Translokation t(14;18) (q32;q21) gekennzeichnet, welche zu einer &Uuml;berexpression des <em>B-cell-lymphoma-2-</em>(BCL2)-Gens<sup>1</sup> f&uuml;hrt.<br /> Die Chemotherapie war lange Zeit das wichtigste therapeutische Instrument zur Behandlung des fortgeschrittenen FL. Die Prognose von Patienten mit FL hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten, vor allem durch den Einsatz des Anti-CD20-Antik&ouml;rpers Rituximab, kontinuierlich und signifikant verbessert, mit einer mittleren Lebenserwartung von fast 20 Jahren, insbesondere bei j&uuml;ngeren Patienten.<sup>2, 3</sup><br /> 80 % der FL-Patienten haben eine hervorragende Prognose, w&auml;hrend die restlichen 20 %, welche innerhalb von 24 Monaten nach Ende der Erstlinienbehandlung ein Fortschreiten der Erkrankung (&laquo;progression of disease within 24 months&raquo;, POD24) zeigen, ein deutlich schlechteres Gesamt&uuml;berleben (&laquo;overall survival&raquo;, OS) aufweisen und eine Hochrisikopopulation darstellen.<sup>4</sup></p> <h2>Rituximab als Monotherapie</h2> <p>F&uuml;r asymptomatische Patienten im fortgeschrittenen Stadium und mit geringer Tumorlast haben randomisierte Studien best&auml;tigt, dass die systemische Behandlung bis zur Entwicklung von Symptomen oder Organversagen hinausgeschoben werden kann, ohne das OS zu beeintr&auml;chtigen; daher ist das wachsame Abwarten seit Langem ein allgemein akzeptiertes Behandlungskonzept.<sup>5</sup> Dieser Ansatz wurde k&uuml;rzlich durch eine randomisierte Studie infrage gestellt. Diese zeigt, dass die Monotherapie mit Rituximab bei asymptomatischen Patienten im Fr&uuml;hstadium mit einer lediglich minimalen Toxizit&auml;t einhergeht, also sicher verabreicht werden kann und zu einer Verl&auml;ngerung der Zeit bis zur n&auml;chsten Therapie und einer verbesserten Lebensqualit&auml;t, jedoch zu keinem &Uuml;berlebensvorteil<sup>6</sup> im Vergleich zum wachsamen Abwarten f&uuml;hrt.<br /> F&uuml;r FL-Patienten, die eine Therapie ben&ouml;tigen, zeigte Rituximab eine hohe Aktivit&auml;t als Einzelwirkstoff mit Ansprechraten von 50&ndash;70 % und einem progressionsfreien &Uuml;berleben (&laquo;progression-free survival&raquo;, PFS) von 1&ndash;3 Jahren, je nach untersuchter Population.<sup>7, 8</sup> Ausgehend von diesen Daten geh&ouml;rten die klinischen Studien der Schweizerischen Arbeitsgruppe f&uuml;r Klinische Krebsforschung (SAKK) und der Nordic Lymphoma Group (NLG) zu den ersten, die die Rolle von Rituximab in Monotherapie als Erstbehandlung des FL best&auml;tigten und zeigen konnten, dass ein betr&auml;chtlicher Anteil der FL-Patienten m&ouml;glicherweise keine Chemotherapie als Erstlinienbehandlung ben&ouml;tigt.<sup>8, 9</sup><br /> Die SAKK-35/98-Studie zeigte den Nutzen einer erweiterten Rituximab-Behandlung im Vergleich zum Standardinduktionsschema von 4 w&ouml;chentlichen Dosen mit einem verl&auml;ngerten Behandlungsprotokoll (4 w&ouml;chentliche Dosen gefolgt von 8 Rituximab- Verabreichungen alle 2 Monate). Das mediane ereignisfreie &Uuml;berleben (&laquo;event-free survival&raquo;, EFS) betrug 19 Monate im Kontrollarm gegen&uuml;ber 36 Monaten im verl&auml;ngerten Behandlungsarm.<sup>8</sup><br /> In der anschliessenden Studie SAKK 35/03 wurden die Sicherheit und die Wirksamkeit einer Erhaltungstherapie mit Rituximab bis 5 Jahre nach der Induktion untersucht. Sie zeigte, dass das PFS des Erhaltungsarms l&auml;nger war, w&auml;hrend das OS und das Gesamtansprechen nicht signifikant l&auml;nger und mit einer erh&ouml;hten Toxizit&auml;t verbunden waren.<sup>10</sup><br /> Diese Studien konnten also die Frage nach der optimalen Therapiedauer von Rituximab nicht kl&auml;ren, aber die Verabreichung von 4 w&ouml;chentlichen Dosen von Rituximab mit einer anschliessenden Konsolidierungsphase mit Verabreichungen alle 2 Monate f&uuml;r 8 Male wird in den meisten Schweizer Onkologie-H&auml;matologie-Zentren als Standard-Erstlinienbehandlung des symptomatischen FL-Patienten anerkannt.<sup>11</sup></p> <h2>Vielversprechende Rituximab- Kombinationstherapien</h2> <p>Heutzutage werden immer mehr zielgerichtete Medikamente entwickelt und erprobt, welche in fr&uuml;hen klinischen Studien sowohl eine klinische Wirksamkeit als auch ein g&uuml;nstiges Sicherheitsprofil zeigten und somit Aussicht auf sichere und wirksame Chemotherapie-freie Strategien bieten. Die optimale Kombination dieser neuen Substanzen ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.<br /> Die NLG versuchte, die Wirkung und Sicherheit von Interferon (IFN) &alpha;-2a in Kombination mit Rituximab vs. Rituximab allein bei indolenten, therapiebed&uuml;rftigen Lymphomen zu beurteilen. Obwohl die Rate an kompletter Remission (&laquo;complete remission&raquo;, CR) im Kombinationsarm h&ouml;her war, gab es mit 88 % keinen Unterschied im 10-Jahres-OS.<sup>12</sup><br /> Mit der Kombination von Rituximab und dem Immunmodulator Lenalidomid (R2) wurden vielversprechende Ergebnisse erzielt. R2 erwies sich als aktiver, mit h&ouml;heren Ansprechraten und l&auml;ngerer Ansprechzeit als Rituximab allein.<sup>13, 14</sup> Die randomisierte Phase-II-Studie SAKK 35/10 best&auml;tigte, dass Patienten, die mit R2 behandelt wurden, im Vergleich zu denen, die Rituximab allein erhielten, sowohl eine signifikant h&ouml;here CR-Rate aufwiesen (61 % vs. 36 %) als auch ein l&auml;ngeres PFS und eine Verl&auml;ngerung der Zeit bis zur n&auml;chsten Therapie erzielten, w&auml;hrend das 3-Jahres-&Uuml;berleben vergleichbar war.<sup>15</sup><br /> Die RELEVANCE-Studie verglich R2 mit Rituximab plus Chemotherapie bei unbehandelten fortgeschrittenen FL-Patienten. Die Daten mit einer l&auml;ngeren Beobachtungszeit, welche k&uuml;rzlich an der 15. International Conference on Malignant Lymphoma (ICML) vorgestellt wurden, zeigten, dass R2 bei der Elimination der molekularen Erkrankung ebenso wirksam ist wie die Immunchemotherapie. Erwartungsgem&auml;ss waren die Nebenwirkungsspektren unterschiedlich, indem der R2-Arm mehr kutane Toxizit&auml;t aufwies, w&auml;hrend die R-Chemotherapie mehr Neutropenien und febrile Komplikationen zeigte.<sup>16</sup><br /> Chemotherapie-freie Behandlungen sind insgesamt nicht besser vertr&auml;glich, vielmehr mussten neuere Studien mit Kombinationen neuer Wirkstoffe wegen lebensbedrohlicher Komplikationen und behandlungsbedingter Todesf&auml;lle abgebrochen werden.<sup>17, 18</sup> Aufgrund der negativen Sicherheitsdaten dieser Studien mit Dreierkombinationen wird derzeit vornehmlich die Vertr&auml;glichkeit von Zweierkombinationen gepr&uuml;ft.<br /> Unter ihnen kann Ibrutinib plus Rituximab aufgrund ihrer synergistischen Wirkung h&ouml;here Ansprechraten erzielen, insbesondere wenn diese Kombination fr&uuml;h im Krankheitsverlauf eingesetzt wird. In einer Phase-II-Studie zeigte diese Kombination als Erstlinienbehandlung eine objektive Ansprechrate (&laquo;objective response rate&raquo;, ORR) von 82 %, mit einer partiellen Ansprechrate (&laquo;partial response&raquo;, PR) von 55 % und einer CR-Rate von 27 %, bei insgesamt guter Vertr&auml;glichkeit.<sup>19</sup></p> <p>Im Weiteren haben Moccia et al. an der 15. ICML gezeigt, dass die POD24 ihren prognostischen Wert auch bei Patienten, die ohne Chemotherapie behandelt werden, beibeh&auml;lt und somit einen n&uuml;tzlichen Endpunkt zur Bewertung neuartiger Chemotherapie-freier Strategien darstellt.<sup>20</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass es zwar keine randomisierten Studien gibt, die Rituximab alleine mit R-Chemotherapie bei unbehandelten FL-Patienten verglichen haben, dass jedoch mehrere Studiengruppen zeigen konnten, dass Rituximab als Monotherapie wirksam ist und eine M&ouml;glichkeit darstellt, eine langfristige Remission und ein verl&auml;ngertes PFS zu erreichen. Dieser Ansatz konnte auch f&uuml;r Subgruppen von Patienten mit hoher Krankheitslast best&auml;tigt werden.<br /> Wir sind der Ansicht, dass Anti-CD20-Antik&ouml;rper weiterhin einen Standard in der Behandlung von FL darstellen und eine geeignete Basis f&uuml;r k&uuml;nftige klinische Studien zur Erforschung Chemotherapie- freier Alternativen bieten. Ob in der Erstlinienbehandlung jemals ein Unterschied im OS f&uuml;r eine bestimmte neuartige Kombination gezeigt werden kann, bleibt angesichts der zunehmenden Salvage- Behandlungsm&ouml;glichkeiten fraglich. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Kollektiv der neuen wissenschaftlichen Behandlungsstrategien das OS der FL-Patienten weiter verbessern wird.<br /> Grunds&auml;tzlich sind lange Beobachtungszeiten in klinischen Studien erforderlich, um die Nebenwirkungsprofile neuer Kombinationen und deren Wirksamkeit umfassend zu dokumentieren, welche als wichtige St&uuml;tzen f&uuml;r Therapieentscheide dienen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kridel R et al.: J Clin Invest 2012; 122(10): 3424-31 <strong>2</strong> Conconi A et al.: Ann Oncol 2015; 26(11): 2317-22 <strong>3</strong> Hiddemann W et al.: Blood 2005; 106(12): 3725-32 <strong>4</strong> Casulo C et al.: Early relapse of follicular lymphoma after rituximab plus cyclophosphamide, doxorubicin, vincristine, and prednisone defines patients at high risk for death: an analysis from the National LymphoCare Study. J Clin Oncol 2015; 33: 2516-22 <strong>5</strong> Ardeshna KM et al.: Lancet 2003; 362(9383): 516-22 <strong>6</strong> Ardeshna KM et al.: Lancet Oncol 2014; 15: 424-35 <strong>7</strong> Ghielmini M et al.: Blood 2004; 103(12): 4416-23 <strong>8</strong> Martinelli G et al.: J Clin Oncol 2010; 28: 4480- 84 <strong>9</strong> Kimby E et al.: Leuk Lymphoma 2008; 49: 102-12 <strong>10</strong> Taverna C et al.: J Clin Oncol 2016; 34: 495-500 <strong>11</strong> Hitz F et al.: Swiss Med Wkly 2011; 141: w13247 <strong>12</strong> Kimby E et al.: Leuk Lymphoma 2015; 56(9): 2598-2607 <strong>13</strong> Martin P et al.: Ann Oncol 2017; 28(11): 2806-12 <strong>14</strong> Fowler NH et al.: Lancet Oncol 2014; 15(12): 1311-8 <strong>15</strong> Zucca E et al.: Hematol Oncol 2015; 33: 105-6 (Abstr. 011) <strong>16</strong> Delfau-Larue MH et al.: Haematol Oncol 2019; 37(S2): 117-8 <strong>17</strong> Ujjani CS et al.: Blood 2016; 128: 2510-6 <strong>18</strong> Cheah CY et al.: Blood 2015; 125(21): 3357-9 <strong>19</strong> Fowler NH et al.: Blood 2015; 126(23): 470 <strong>20</strong> Moccia A et al.: Haematol Oncol 2019; 37(S2): 111-2</p> </div> </p>
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