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Die Immuntherapie am ASCO 2019

Von der Avantgarde über den Hype zum Mainstream

<p class="article-intro">Es ist ruhiger, aber nicht weniger interessant, um die immunmodulierende Krebstherapie am diesjährigen ASCO geworden.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Checkpoint-Inhibition bei Lungenkarzinomen und Kopf- und Halstumoren</h2> <p>Sicherer Mainstream ist die Checkpoint-Blockade bei metastasierten oder rezidivierten Krebserkrankungen der Luftwege. Bereits etabliert ist sie beim metastasierenden Bronchuskarzinom ohne Driver-Mutation als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie. Auch im neoadjuvanten Setting wird nun die Checkpoint-Blockade als Mono- oder Doublettherapie getestet. Atezolizumab (A) und Nivolumab (N) oder in Kombination mit Ipilimumab (NI) zeigen ein vielversprechendes Ansprechen (&laquo;major pathological remission&raquo;: LCMC3 study<sup>1</sup>: Atezolizumab 19 %; NEOSTAR study<sup>2</sup>: Nivolumab 17 % und Nivolumab/Ipilimumab 33 %). Bei Kopf- und Halstumoren war die Checkpoint-Blockade bis jetzt eine SecondLine-Alternative und ist nun mit der aktuell vorgestellten Studie auch in die Erstlinie vorgedrungen. Die KEYNOTE-048-Studie konnte als Phase-III-Studie zeigen, dass bei Patienten mit einem &laquo;Combined Positive Score&raquo;( CPS) gr&ouml;sser 1 die Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluorouracil und Pembrolizumab der Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluorouracil und Cetuximab bezogen auf das Gesamt&uuml;berleben (OS) &uuml;berlegen ist (13,6 vs. 10,4 Monate; p &lt; 0,01; HR: 0,53&ndash;0,8.<sup>3</sup> Zus&auml;tzlich zeigte die Studie den Vergleich von Pembrolizumab mit einer Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluoruracil und Cetuximab. Bei einem CPS gr&ouml;sser 20 war die alleinige Checkpoint- Blockade &uuml;berlegen (OS: 14,8 Monate vs. 10,7 Monate; HR: 0,44&ndash;0,78). Es muss aber vor dem Einsatz dieses Medikaments die Bestimmung der CPS bei den Pathologen abgefragt werden.</p> <h2>Checkpoint-Inhibition bei gastrointestinalen Tumoren</h2> <p>Im Gastrointestinaltrakt ist das Einsatzspektrum der Checkpoint-Inhibitoren nicht ganz so klar definiert. Auch die am diesj&auml;hrigen ASCO pr&auml;sentierten Daten konnten kein konklusives Bild erzeugen. Bei Patienten mit hepatozellull&auml;ren Karzinomen wurde nach dem Versagen von Sorafenib Pembrolizumab gegen&uuml;ber &laquo;best supportive care&raquo; in einer Phase- III-Studie getestet.<sup>4</sup> Das hepatozellul&auml;re Karzinom ist durch eine komplexe Immunologie gekennzeichnet, da es h&auml;ufig mit einer chronischen Hepatitis vergesellschaftet ist. Es konnte zwar schon in fr&uuml;heren Studien gezeigt werden, dass eine Checkpoint-Blockade bei kontrollierter Hepatitis ohne das Ausl&ouml;sen einer hyperakuten Hepatitis m&ouml;glich ist (KEYNOTE- 224 und CheckMate 040), aber die chronische Entz&uuml;ndung f&uuml;hrt sicherlich zu einer komplexen Situation, die eine Immunantwort gegen die Tumorzellen unter Checkpoint-Blockade negativ moduliert. KEYNOTE-240 erreichte keine statistische Signifikanz bez&uuml;glich einer Verbesserung des Gesamt&uuml;berlebens durch Pembrolizumab. Jedoch war das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) signifikant verl&auml;ngert (3,0 Monate vs. 2,8 Monate) und die Ansprechrate war h&ouml;her (18,3 % vs. 4,4 %).<sup>4</sup> In der Zusammenschau bleibt aus meiner Sicht das Ergebnis hinter den Erwartungen zur&uuml;ck, wenn man bedenkt, dass der Vergleich gegen&uuml;ber &laquo;best supportive care&raquo; gef&uuml;hrt wurde und mit Kosten und Nebenwirkungen einhergeht.</p> <p>Die KEYNOTE-062 &uuml;berpr&uuml;fte den Einsatz von Pembrolizumab als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie bei Patienten mit nicht resektablen oder metastasierten Adenokarzinomen des Magens und des gastro&ouml;sophagialen &Uuml;bergangs.<sup>5</sup> Pembrolizumab konnte im Vergleich zur Chemotherapie keinen Vorteil f&uuml;r das Gesamt&uuml;berleben bei der Gruppe der Patienten mit einem CPS gr&ouml;sser 1 zeigen; ab einem CPS gr&ouml;sser 10 war ein Unterschied aber messbar (17,4 Monate vs. 10,8 Monate). Dieses konnte bei einem besseren Nebenwirkungsprofil f&uuml;r Pembrolizumab gezeigt werden (Grad III&ndash;IV: 16 % vs. 68 %). Die Kombination von Pembrolizumab mit Chemotherapie im Vergleich zur Chemotherapie konnte keine &Uuml;berlegenheit zeigen und scheint mir keine neue therapeutische Alternative darzustellen.</p> <h2>Kombinationstherapie bei Nierenzellkarzinomen</h2> <p>Die Behandlung des Nierenzellkarzinoms entwickelt sich zum innovativen Testfeld f&uuml;r die Kombinationstherapien. Seit der Zweitlinienbehandlung von metastasierten Nierenzellkarzinomen mit Nivolumab ist die Checkpoint-Blockade Bestandteil der therapeutischen Optionen. Auf dem ASCO wurde eine erneute Auswertung der KEYNOTE-426-Studie vorgestellt, die Patienten aller Riskogruppen mit metastasierten und unbehandelten Nierenzellkarzinomen eingeschlossen hatte.<sup>6</sup> Hierbei handelt es sich um eine Kombination des VEGF-Rezeptor-Inhibitors Axitinib mit Pembrolizumab im Vergleich zur Standardtherapie Sunitinib. Die Pr&auml;sentation fokussierte auf die gesteigerte Ansprechrate der Kombinationstherapie sowie das Ansprechen der Tumoren mit sarkomatoiden Eigenschaften. 40 % der Patienten erreichten eine 60 %ige Reduktion der Tumormasse mit der Kombinationstherapie, w&auml;hrend dieses nur 16 % in der Sunitinib-Gruppe erreichten. Auch lag das Ansprechen der sarkomatoid differenzierten Tumoren mit der Kombinationstherapie deutlich h&ouml;her (58 % vs. 32 %). Immunologisch darf spekuliert werden, dass neben der direkten Behinderung des Wachstums der Nierenzellkarzinomzellen auch ein immunmodulatorischer Effekt das gute Ansprechen erlaubt haben k&ouml;nnte. Die VEGF-Blockade wirkt sich negativ auf multiple, das Tumorwachstum f&ouml;rdernde Zellen aus und erlaubt so theoretisch eine optimalere Immunantwort gegen den Tumor. So hemmt die VEGF-Blockade unter anderem regulatorische T-Zellen (Treg), immature dendritische Zellen (iDC) und myeloisch suppressive Zellen (MDSC) (Abb. 1).<sup>7</sup> Die Kombination von Pembrolizumab mit Axitinib steht nun in Konkurrenz zur Kombinationstherapie von Ipilimumab und Nivolumab und Avelumab und Axitinib. Die Kombination Ipilimumab und Nivolumab ist zugelassen f&uuml;r die Behandlung von Patienten mit intermedi&auml;rem/ung&uuml;nstigem IMDC-Risikoprofil.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1905_Weblinks_lo_onko_s85_abb1_petrausch.png" alt="" width="701" height="818" /></p> <h2>Checkpoint-Inhibitoren bei Patienten mit HIV-Infektion</h2> <p>Weiter scheint mir noch erw&auml;hnenswert, dass eine Checkpoint-Blockade auch bei Patienten mit kontrollierter HIV-Infektion sicher einsetzbar ist.<sup>8, 9</sup> Dieses unterstreicht auch die wachsende Erfahrung bez&uuml;glich des optimalen Managements einer Checkpoint-Blockade.</p> <h2>Nebenwirkungsmanagement bei Checkpoint-Inhibitor-Therapie</h2> <p>Das optimale Management der Nebenwirkungen war auch Thema vieler Edukationslektionen am ASCO, bei denen nochmals darauf hingewiesen wurde, dass Nebenwirkungen zu jeder Zeit nach Beginn der Therapie auftreten k&ouml;nnen und prinzipiell in jede Liste der Differenzialdiagnosen bei einem Patienten mit neuen Symptomen oder Laborwertver&auml;nderungen aufgenommen werden m&uuml;ssen. Steroide bleiben immer noch das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Nebenwirkungen. Aus meiner Sicht sehr interessant war die Einlassung von Prof. Sznol bez&uuml;glich des Managements einer Colitis. Ventolizumab, ein Integrin-Antagonist, kann genutzt werden bei steroidrefrakt&auml;rer Colitis.<sup>8</sup> Dieses scheint mir aufgrund des Wirkungsmechanismus eine vern&uuml;nftige Erg&auml;nzung zur Behandlung dieser Nebenwirkung.</p> <h2>CAR-T-Zell-Therapie</h2> <p>Aus meiner Sicht etabliert sich die zellul&auml;re T-Zell-Therapie nun deutlich und wird auch in der Schweiz kurzfristig das therapeutische Angebot zun&auml;chst in der H&auml;mato-Onkologie erweitern. Das bisher am h&auml;ufigsten genutzte Zielantigen ist CD19 auf B-Zellen. Dass genetisch ver&auml;nderte T-Zellen therapeutisch genutzt werden k&ouml;nnten, wurde aus eigener Erfahrung vor 5 Jahren noch als absolut avantgardistisch angesehen und galt vor 10 Jahren als undenkbar.<sup>11</sup> Dass nun kommerzielle Produkte wie z. B. Axicabtagene ciloleucel oder Tisagenlecleucel zur Verf&uuml;gung stehen, zeigt die Geschwindigkeit der Entwicklung. Nun k&ouml;nnen reifere fr&uuml;he Studiendaten wie die ZUMA- 3-Studie Ergebnisse bei rezidivierender oder refrakt&auml;rer ALL zeigen.<sup>12</sup> Eine CR konnten 28 von 41 behandelten Patienten erreichen. Die Herausforderung f&uuml;r den Einsatz dieser T-Zell-Therapie bleibt das &laquo;cytokine-release syndrome&raquo; (CRS), was einen Notfall darstellt und intensiv-medizinisch behandelt werden muss. Zus&auml;tzlich kann eine Enzephalopathie auftreten. Durch die sich zunehmend entwickelnden Studienerfahrungen konnte das Nebenwirkungsmanagement jedoch bereits deutlich verbessert werden. So steht mit Tocilizumab (Anti- IL-6-Antik&ouml;rper) eine effiziente und rasche CRS-Behandlung zur Verf&uuml;gung. Die Enzephalopathie kann in der Regel gut mit Steroiden kontrolliert werden. Real-World-Daten aus verschiedenen L&auml;ndern (z. B. USA bzw. Frankreich) belegen auch im klinischen Routinebetrieb die Durchf&uuml;hrbarkeit der Therapie und auch ihre Wirksamkeit, da eine langfristige Krankheitskontrolle von ca. 40 % bei rezidivierten bzw. refrakt&auml;ren (rr) DLBCL- Patienten best&auml;tigt wurde.</p> <p>Zusammenfassend war der diesj&auml;hrige ASCO ein weiterer Schritt, das Gebiet der Immunonkologie als festen Bestandteil in unserer Patientenversorgung zu etablieren.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kwiatkowski DJ et al.: Neoadjuvant atezolizumab in resectable non-small cell lung cancer (NSCLC): Interim analysis and biomarker data from a multicenter study (LCMC3). ASCO 2019; Abstr. #8503 <strong>2</strong> Cascone T et al.: Neoadjuvant nivolumab (N) or nivolumab plus ipilimumab (NI) for resectable non-small cell lung cancer (NSCLC): clinical and correlative results from the NEOSTAR study. ASCO 2019; Abstr. #8504 <strong>3</strong> Rischin D et al.: Protocol-specified final analysis of the phase 3 KEYNOTE-048 trial of pembrolizumab (pembro) as first-line therapy for recurrent/metastatic head and neck squamous cell carcinoma (R/M HNSCC). ASCO 2019, Abstr. #6000 <strong>4</strong> Finn RS et al.: Results of KEYNOTE-240: phase 3 study of pembrolizumab (Pembro) vs best supportive care (BSC) for second line therapy in advanced hepatocellular carcinoma (HCC). ASCO 2019, Abstr. #4004 <strong>5</strong> Tabernero J et al.: Pembrolizumab with or without chemotherapy versus chemotherapy for advanced gastric or gastroesophageal junction (G/GEJ) adenocarcinoma: the phase III KEYNOTE-062 study. ASCO 2019, Abstr. #LBA4007 <strong>6</strong> Rini BI et al.: Pembrolizumab (pembro) plus axitinib (axi) versus sunitinib as first-line therapy for metastatic renal cell carcinoma (mRCC): outcomes in the combined IMDC intermediate/poor risk and sarcomatoid subgroups of the phase 3 KEYNOTE-426 study. ASCO 2019, Abstr. #4500 <strong>7</strong> Fukumura D et al.: Enhancing cancer immunotherapy using antiangiogenics: opportunities and challenges. Nat Rev Clin Oncol 2018; 15: 325-40 <strong>8</strong> Uldrick TS et al.: Phase I study of pembrolizumab in people with HIV and cancer. ASCO 2019, Abstr. #2500 <strong>9</strong> Gonz&aacute;lez-Cao M et al.: Phase II study of durvalumab (MEDI4736) in cancer patients HIV-1-infected. ASCO 2019, Abstr. #2501 <strong>10</strong> Abu- Sbeih H et al.: Outcomes of vedolizumab therapy in patients with immune checkpoint inhibitor-induced colitis: a multi-center study. J Immunother Cancer 2018; 6(1): 142 <strong>11</strong> Petrausch U et al.: Re-directed T cells for the treatment of fibroblast activation protein (FAP)-positive malignant pleural mesothelioma (FAPME-1). BMC Cancer 2012; 12: 615 <strong>12</strong> Shah BD et al.: End of phase I results of ZUMA-3, a phase 1/2 study of KTE-X19, anti-CD19 chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy, in adult patients (pts) with relapsed/ refractory (R/R) acute lymphoblastic leukemia (ALL). ASCO 2019, Abstr. #7006</p> </div> </p>
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