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Von der Avantgarde über den Hype zum Mainstream
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Ulf Petrausch
Onkozentrum Zürich<br> E-Mail: ulf.petrausch@ozh.ch
30
Min. Lesezeit
12.09.2019
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<p class="article-intro">Es ist ruhiger, aber nicht weniger interessant, um die immunmodulierende Krebstherapie am diesjährigen ASCO geworden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Checkpoint-Inhibition bei Lungenkarzinomen und Kopf- und Halstumoren</h2> <p>Sicherer Mainstream ist die Checkpoint-Blockade bei metastasierten oder rezidivierten Krebserkrankungen der Luftwege. Bereits etabliert ist sie beim metastasierenden Bronchuskarzinom ohne Driver-Mutation als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie. Auch im neoadjuvanten Setting wird nun die Checkpoint-Blockade als Mono- oder Doublettherapie getestet. Atezolizumab (A) und Nivolumab (N) oder in Kombination mit Ipilimumab (NI) zeigen ein vielversprechendes Ansprechen («major pathological remission»: LCMC3 study<sup>1</sup>: Atezolizumab 19 %; NEOSTAR study<sup>2</sup>: Nivolumab 17 % und Nivolumab/Ipilimumab 33 %). Bei Kopf- und Halstumoren war die Checkpoint-Blockade bis jetzt eine SecondLine-Alternative und ist nun mit der aktuell vorgestellten Studie auch in die Erstlinie vorgedrungen. Die KEYNOTE-048-Studie konnte als Phase-III-Studie zeigen, dass bei Patienten mit einem «Combined Positive Score»( CPS) grösser 1 die Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluorouracil und Pembrolizumab der Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluorouracil und Cetuximab bezogen auf das Gesamtüberleben (OS) überlegen ist (13,6 vs. 10,4 Monate; p < 0,01; HR: 0,53–0,8.<sup>3</sup> Zusätzlich zeigte die Studie den Vergleich von Pembrolizumab mit einer Kombination eines Platinderivats mit 5-Fluoruracil und Cetuximab. Bei einem CPS grösser 20 war die alleinige Checkpoint- Blockade überlegen (OS: 14,8 Monate vs. 10,7 Monate; HR: 0,44–0,78). Es muss aber vor dem Einsatz dieses Medikaments die Bestimmung der CPS bei den Pathologen abgefragt werden.</p> <h2>Checkpoint-Inhibition bei gastrointestinalen Tumoren</h2> <p>Im Gastrointestinaltrakt ist das Einsatzspektrum der Checkpoint-Inhibitoren nicht ganz so klar definiert. Auch die am diesjährigen ASCO präsentierten Daten konnten kein konklusives Bild erzeugen. Bei Patienten mit hepatozellullären Karzinomen wurde nach dem Versagen von Sorafenib Pembrolizumab gegenüber «best supportive care» in einer Phase- III-Studie getestet.<sup>4</sup> Das hepatozelluläre Karzinom ist durch eine komplexe Immunologie gekennzeichnet, da es häufig mit einer chronischen Hepatitis vergesellschaftet ist. Es konnte zwar schon in früheren Studien gezeigt werden, dass eine Checkpoint-Blockade bei kontrollierter Hepatitis ohne das Auslösen einer hyperakuten Hepatitis möglich ist (KEYNOTE- 224 und CheckMate 040), aber die chronische Entzündung führt sicherlich zu einer komplexen Situation, die eine Immunantwort gegen die Tumorzellen unter Checkpoint-Blockade negativ moduliert. KEYNOTE-240 erreichte keine statistische Signifikanz bezüglich einer Verbesserung des Gesamtüberlebens durch Pembrolizumab. Jedoch war das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verlängert (3,0 Monate vs. 2,8 Monate) und die Ansprechrate war höher (18,3 % vs. 4,4 %).<sup>4</sup> In der Zusammenschau bleibt aus meiner Sicht das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück, wenn man bedenkt, dass der Vergleich gegenüber «best supportive care» geführt wurde und mit Kosten und Nebenwirkungen einhergeht.</p> <p>Die KEYNOTE-062 überprüfte den Einsatz von Pembrolizumab als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie bei Patienten mit nicht resektablen oder metastasierten Adenokarzinomen des Magens und des gastroösophagialen Übergangs.<sup>5</sup> Pembrolizumab konnte im Vergleich zur Chemotherapie keinen Vorteil für das Gesamtüberleben bei der Gruppe der Patienten mit einem CPS grösser 1 zeigen; ab einem CPS grösser 10 war ein Unterschied aber messbar (17,4 Monate vs. 10,8 Monate). Dieses konnte bei einem besseren Nebenwirkungsprofil für Pembrolizumab gezeigt werden (Grad III–IV: 16 % vs. 68 %). Die Kombination von Pembrolizumab mit Chemotherapie im Vergleich zur Chemotherapie konnte keine Überlegenheit zeigen und scheint mir keine neue therapeutische Alternative darzustellen.</p> <h2>Kombinationstherapie bei Nierenzellkarzinomen</h2> <p>Die Behandlung des Nierenzellkarzinoms entwickelt sich zum innovativen Testfeld für die Kombinationstherapien. Seit der Zweitlinienbehandlung von metastasierten Nierenzellkarzinomen mit Nivolumab ist die Checkpoint-Blockade Bestandteil der therapeutischen Optionen. Auf dem ASCO wurde eine erneute Auswertung der KEYNOTE-426-Studie vorgestellt, die Patienten aller Riskogruppen mit metastasierten und unbehandelten Nierenzellkarzinomen eingeschlossen hatte.<sup>6</sup> Hierbei handelt es sich um eine Kombination des VEGF-Rezeptor-Inhibitors Axitinib mit Pembrolizumab im Vergleich zur Standardtherapie Sunitinib. Die Präsentation fokussierte auf die gesteigerte Ansprechrate der Kombinationstherapie sowie das Ansprechen der Tumoren mit sarkomatoiden Eigenschaften. 40 % der Patienten erreichten eine 60 %ige Reduktion der Tumormasse mit der Kombinationstherapie, während dieses nur 16 % in der Sunitinib-Gruppe erreichten. Auch lag das Ansprechen der sarkomatoid differenzierten Tumoren mit der Kombinationstherapie deutlich höher (58 % vs. 32 %). Immunologisch darf spekuliert werden, dass neben der direkten Behinderung des Wachstums der Nierenzellkarzinomzellen auch ein immunmodulatorischer Effekt das gute Ansprechen erlaubt haben könnte. Die VEGF-Blockade wirkt sich negativ auf multiple, das Tumorwachstum fördernde Zellen aus und erlaubt so theoretisch eine optimalere Immunantwort gegen den Tumor. So hemmt die VEGF-Blockade unter anderem regulatorische T-Zellen (Treg), immature dendritische Zellen (iDC) und myeloisch suppressive Zellen (MDSC) (Abb. 1).<sup>7</sup> Die Kombination von Pembrolizumab mit Axitinib steht nun in Konkurrenz zur Kombinationstherapie von Ipilimumab und Nivolumab und Avelumab und Axitinib. Die Kombination Ipilimumab und Nivolumab ist zugelassen für die Behandlung von Patienten mit intermediärem/ungünstigem IMDC-Risikoprofil.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1905_Weblinks_lo_onko_s85_abb1_petrausch.png" alt="" width="701" height="818" /></p> <h2>Checkpoint-Inhibitoren bei Patienten mit HIV-Infektion</h2> <p>Weiter scheint mir noch erwähnenswert, dass eine Checkpoint-Blockade auch bei Patienten mit kontrollierter HIV-Infektion sicher einsetzbar ist.<sup>8, 9</sup> Dieses unterstreicht auch die wachsende Erfahrung bezüglich des optimalen Managements einer Checkpoint-Blockade.</p> <h2>Nebenwirkungsmanagement bei Checkpoint-Inhibitor-Therapie</h2> <p>Das optimale Management der Nebenwirkungen war auch Thema vieler Edukationslektionen am ASCO, bei denen nochmals darauf hingewiesen wurde, dass Nebenwirkungen zu jeder Zeit nach Beginn der Therapie auftreten können und prinzipiell in jede Liste der Differenzialdiagnosen bei einem Patienten mit neuen Symptomen oder Laborwertveränderungen aufgenommen werden müssen. Steroide bleiben immer noch das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Nebenwirkungen. Aus meiner Sicht sehr interessant war die Einlassung von Prof. Sznol bezüglich des Managements einer Colitis. Ventolizumab, ein Integrin-Antagonist, kann genutzt werden bei steroidrefraktärer Colitis.<sup>8</sup> Dieses scheint mir aufgrund des Wirkungsmechanismus eine vernünftige Ergänzung zur Behandlung dieser Nebenwirkung.</p> <h2>CAR-T-Zell-Therapie</h2> <p>Aus meiner Sicht etabliert sich die zelluläre T-Zell-Therapie nun deutlich und wird auch in der Schweiz kurzfristig das therapeutische Angebot zunächst in der Hämato-Onkologie erweitern. Das bisher am häufigsten genutzte Zielantigen ist CD19 auf B-Zellen. Dass genetisch veränderte T-Zellen therapeutisch genutzt werden könnten, wurde aus eigener Erfahrung vor 5 Jahren noch als absolut avantgardistisch angesehen und galt vor 10 Jahren als undenkbar.<sup>11</sup> Dass nun kommerzielle Produkte wie z. B. Axicabtagene ciloleucel oder Tisagenlecleucel zur Verfügung stehen, zeigt die Geschwindigkeit der Entwicklung. Nun können reifere frühe Studiendaten wie die ZUMA- 3-Studie Ergebnisse bei rezidivierender oder refraktärer ALL zeigen.<sup>12</sup> Eine CR konnten 28 von 41 behandelten Patienten erreichen. Die Herausforderung für den Einsatz dieser T-Zell-Therapie bleibt das «cytokine-release syndrome» (CRS), was einen Notfall darstellt und intensiv-medizinisch behandelt werden muss. Zusätzlich kann eine Enzephalopathie auftreten. Durch die sich zunehmend entwickelnden Studienerfahrungen konnte das Nebenwirkungsmanagement jedoch bereits deutlich verbessert werden. So steht mit Tocilizumab (Anti- IL-6-Antikörper) eine effiziente und rasche CRS-Behandlung zur Verfügung. Die Enzephalopathie kann in der Regel gut mit Steroiden kontrolliert werden. Real-World-Daten aus verschiedenen Ländern (z. B. USA bzw. Frankreich) belegen auch im klinischen Routinebetrieb die Durchführbarkeit der Therapie und auch ihre Wirksamkeit, da eine langfristige Krankheitskontrolle von ca. 40 % bei rezidivierten bzw. refraktären (rr) DLBCL- Patienten bestätigt wurde.</p> <p>Zusammenfassend war der diesjährige ASCO ein weiterer Schritt, das Gebiet der Immunonkologie als festen Bestandteil in unserer Patientenversorgung zu etablieren.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Kwiatkowski DJ et al.: Neoadjuvant atezolizumab in resectable non-small cell lung cancer (NSCLC): Interim analysis and biomarker data from a multicenter study (LCMC3). ASCO 2019; Abstr. #8503 <strong>2</strong> Cascone T et al.: Neoadjuvant nivolumab (N) or nivolumab plus ipilimumab (NI) for resectable non-small cell lung cancer (NSCLC): clinical and correlative results from the NEOSTAR study. ASCO 2019; Abstr. #8504 <strong>3</strong> Rischin D et al.: Protocol-specified final analysis of the phase 3 KEYNOTE-048 trial of pembrolizumab (pembro) as first-line therapy for recurrent/metastatic head and neck squamous cell carcinoma (R/M HNSCC). ASCO 2019, Abstr. #6000 <strong>4</strong> Finn RS et al.: Results of KEYNOTE-240: phase 3 study of pembrolizumab (Pembro) vs best supportive care (BSC) for second line therapy in advanced hepatocellular carcinoma (HCC). ASCO 2019, Abstr. #4004 <strong>5</strong> Tabernero J et al.: Pembrolizumab with or without chemotherapy versus chemotherapy for advanced gastric or gastroesophageal junction (G/GEJ) adenocarcinoma: the phase III KEYNOTE-062 study. ASCO 2019, Abstr. #LBA4007 <strong>6</strong> Rini BI et al.: Pembrolizumab (pembro) plus axitinib (axi) versus sunitinib as first-line therapy for metastatic renal cell carcinoma (mRCC): outcomes in the combined IMDC intermediate/poor risk and sarcomatoid subgroups of the phase 3 KEYNOTE-426 study. ASCO 2019, Abstr. #4500 <strong>7</strong> Fukumura D et al.: Enhancing cancer immunotherapy using antiangiogenics: opportunities and challenges. Nat Rev Clin Oncol 2018; 15: 325-40 <strong>8</strong> Uldrick TS et al.: Phase I study of pembrolizumab in people with HIV and cancer. ASCO 2019, Abstr. #2500 <strong>9</strong> González-Cao M et al.: Phase II study of durvalumab (MEDI4736) in cancer patients HIV-1-infected. ASCO 2019, Abstr. #2501 <strong>10</strong> Abu- Sbeih H et al.: Outcomes of vedolizumab therapy in patients with immune checkpoint inhibitor-induced colitis: a multi-center study. J Immunother Cancer 2018; 6(1): 142 <strong>11</strong> Petrausch U et al.: Re-directed T cells for the treatment of fibroblast activation protein (FAP)-positive malignant pleural mesothelioma (FAPME-1). BMC Cancer 2012; 12: 615 <strong>12</strong> Shah BD et al.: End of phase I results of ZUMA-3, a phase 1/2 study of KTE-X19, anti-CD19 chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy, in adult patients (pts) with relapsed/ refractory (R/R) acute lymphoblastic leukemia (ALL). ASCO 2019, Abstr. #7006</p>
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