© yuran-78 iStockphoto

Fetale MRT des Cerebellums und häufige Pathologien

<p class="article-intro">Neben Standardparametern wie dem transcerebellären Durchmesser ermöglicht die fetale MRT zusätzlich eine genaue anatomische Visualisierung der Strukturen der hinteren Schädelgrube, insbesondere der Vermislobulierung, welche eine wichtige Rolle im Outcome von Kleinhirnmalformationen spielt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Vermislobulierung korreliert mit dem neurokognitiven Outcome in zystischen Malformationen der hinteren Sch&auml;delgrube.</li> <li>Die Vermismorphologie und insbesondere die Lobulierung sind in der fetalen MRT gut evaluierbar.</li> <li>Die fetale MRT liefert zus&auml;tzliche morphologisch-anatomische Informationen betreffend die hintere Sch&auml;delgrube.</li> </ul> </div> <h2>Das Cerebellum in der fetalen MRT</h2> <p>Das Kleinhirn enth&auml;lt zahlreiche Afferenzen und Efferenzen, die an verschiedenen funktionellen Systemen beteiligt sind, einschlie&szlig;lich affektiver, kognitiver und motorischer Verarbeitung. Voraussetzung f&uuml;r eine optimale pr&auml;natale Visualisierung im MRT ist die exakte anatomische Planung mit orthogonalen Schichten und einer geringen Schichtdicke zwischen 2&nbsp;mm und 4&nbsp;mm. Mithilfe von 1,5- und 3-Tesla-Ger&auml;ten k&ouml;nnen ab der 18. Schwangerschaftswoche (f&uuml;r manche Indikationen bereits fr&uuml;her) routinem&auml;&szlig;ig zahlreiche Pathologien genau abgekl&auml;rt werden.<br /> Einen hohen Stellenwert nimmt die fetale MRT hier unter anderem bei der genauen anatomischen Darstellung der hinteren Sch&auml;delgrube inklusive der Hirnstammproportionen und der cerebell&auml;ren Morphologie ein. Insbesondere die gut evaluierbare Vermislobulierung<sup>1</sup> spielt hier, neben anderen gel&auml;ufigen Parametern, eine wichtige Rolle. Ab der 23. Schwangerschaftswoche k&ouml;nnen zuverl&auml;ssig und reproduzierbar zumindest 7 (von 9) Vermislobuli (die Lappen des median gelegenen Kleinhirnwurms) in einem mediansagittalen T2-gewichteten Schnitt unterschieden werden (Abb. 1). Bei &auml;lteren Feten k&ouml;nnen regelm&auml;&szlig;ig alle 9 Lobuli differenziert werden. Die Anzahl der Vermislobuli korreliert in zystischen Malformationen der hinteren Sch&auml;delgrube, wie dem Dandy-Walker-Syndrom, mit dem neurokognitiven Outcome des Kindes, wobei Kinder mit mehr Vermislobuli eine tendenziell bessere Prognose aufweisen.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1903_Weblinks_jatros_gyn_1903_s10_abb1.jpg" alt="" width="550" height="161" /></p> <h2>Zystische Malformationen der hinteren Sch&auml;delgrube</h2> <p>Zystische Malformationen der hinteren Sch&auml;delgrube werden nach Barkovich et al. auch als mesenchymal-neuroepitheliale Signaldefekte bezeichnet und klassifiziert.<sup>3</sup> In der fetalen MRT sind insbesondere 5 Pathologien h&auml;ufig: Dandy-Walker- Syndrom, Blake&rsquo;s-Pouch-Zyste, (inferiore) Vermishypoplasie, Megacisterna magna und Arachnoidalzysten.</p> <p><strong>Dandy-Walker-Syndrom</strong><br />Das klassische Dandy-Walker-Syndrom (Abb. 1) betrifft etwa 1 von 30 000 Lebendgeborenen und ist definiert als eine zystische Erweiterung der hinteren Sch&auml;delgrube, welche offen mit dem erweiterten 4. Ventrikel kommuniziert. Der Vermis cerebelli zeigt sich hypoplastisch, dysplastisch und nach kranial rotiert mit alterierter Lobulierung. Der Torcular herophili (Sinuskonfluens) ist dabei deutlich erh&ouml;ht positioniert und es kommt zur sogenannten Torcular-Lambda-Inversion. Oft sieht man am dorsokaudalen Ende des Vermis eine fuchsschwanzartig konfigurierte Struktur (&bdquo;vermian tail sign&ldquo;), was histologisch dem dysplastischen Lobus flocculonodularis entspricht.<sup>4</sup><br /> In bis zu 70&nbsp; % zeigen sich zus&auml;tzlich assoziierte ZNS-Auff&auml;lligkeiten, unter anderem Corpus-callosum-Dysgenesie, Polymikrogyrie oder subependymale Heterotopien. Weiters tritt das Dandy-Walker-Syndrom im Rahmen einer Reihe verschiedener syndromaler Erkrankungen auf, wie beim Smith-Lemli-Opitz-Syndrom oder dem Walker-Warburg-Syndrom.</p> <p><strong>Blake&rsquo;s-Pouch-Zyste</strong><br /> Der Blake&rsquo;s Pouch (Abb. 1) ist eine physiologische transiente Struktur, welche sich normalerweise bis zur 12. Schwangerschaftswoche zur&uuml;ckbildet, indem er fenestriert und dabei das Foramen Magendie bildet (dorsomedianes Foramen als Kommunikation zwischen 4. Ventrikel und Cisterna magna). Diese Struktur entspricht einer nach dorsal ausst&uuml;lpenden ballonartigen Membran, welche offen mit dem 4. Ventrikel kommuniziert. Bei der Blake&rsquo;s- Pouch-Zyste kommt es zu keiner bzw. einer verz&ouml;gerten Fenestration. In der fetalen MRT zeigt sich dabei ein normal gro&szlig;er Vermis cerebelli, welcher durch die Zyste gering bis m&auml;&szlig;ig nach kranial rotiert ist. Als Unterscheidungsmerkmal zum Dandy-Walker-Syndrom zeigt sich hierbei der Torcular herophili normal positioniert. In Folgeuntersuchungen kann sich der Vermis in einer normalen Position zeigen, was einer verz&ouml;gerten Fenestration entspricht.<sup>5</sup></p> <p><strong>Vermishypoplasie</strong><br /> Die Vermishypoplasie wird im Rahmen zahlreicher Pathologien und Syndrome gesehen. Man spricht bei einer Vermisfl&auml;che unter der 5. Perzentile von einer Hypoplasie. Zus&auml;tzlich zu der globalen Vermishypoplasie gibt es Hypoplasien einzelner Vermislobuli, wie z. B. die inferiore Vermishypoplasie. 23&nbsp; % der Kinder mit inferiorer Vermishypoplasie weisen eine verz&ouml;gerte Entwicklung, grob- und feinmotorische Behinderungen, soziale und Kommunikationsdefizite sowie Verhaltensprobleme auf.</p> <p><strong>Megacisterna magna</strong><br /> Die Megacisterna magna (Abb. 1) ist eine h&auml;ufige anatomische Normvariante, welche bei etwa 1&nbsp; % der postnatal bildgebend untersuchten Gehirne gefunden wird. Sie ist definiert als eine fokale Erweiterung des liquorgef&uuml;llten Subarachnoidalraums inferior und posterior der Sch&auml;delgrube (Cisterna magna oder auch Cisterna cerebellomedularis). Diese kommuniziert &uuml;ber die Foramina luschkae sowie das Foramen magendii mit dem 4. Ventrikel. Auf mediansagittalen Bildern zeigt sich ein Abstand von &gt;&nbsp;10mm zwischen dem kaudalen Vermisrand und der kaudal davon gelegenen Sch&auml;delkalotte. Bei der Megacisterna magna ist der Vermis cerebelli selbst intakt, der Hirnstamm ist unauff&auml;llig, der 4. Ventrikel ist normweit und die Torcularposition regelrecht. Meist ist keine bildgebende Verlaufskontrolle n&ouml;tig. Die Megacisterna magna kann jedoch auch assoziiert sein mit Infarkten, Infektionen (v. a. Cytomegalievirus), Chromosomenst&ouml;rungen (Trisomie 18) sowie auch mit genetischen Syndromen. So kann beispielsweise bei einer Mutation im Filamin-A-Gen die Megacisterna magna mit einem d&uuml;nnen Corpus callosum und bilateralen periventrikul&auml;ren Heterotopien auftreten.<sup>6</sup></p> <p><strong>Arachnoidalzysten</strong><br />Arachnoidalzysten sind h&auml;ufige L&auml;sionen, die entlang des gesamten Zentralnervensystems auftreten k&ouml;nnen. Sie sind meistens im Subarachnoidalraum gelegen und enthalten Liquor. Meist handelt es sich um asymptomatische L&auml;sionen. Sie k&ouml;nnen jedoch wachsen und einen raumfordernden Effekt haben, was zum Hydrocephalus f&uuml;hren kann. In der fetalen MRT sind kleine Zystenmembranen einer Arachnoidalzyste oft schwer zu detektieren. Die L&auml;sionen liegen meistens infraoder retrocerebell&auml;r und man erkennt durch die Vermisverlagerung/-kompression die zugrunde liegende &Auml;tiologie.</p> <h2>Weitere Pathologien der hinteren Sch&auml;delgrube</h2> <p>Es gibt zahlreiche Pathologien der hinteren Sch&auml;delgrube (syndromal, genetisch, isch&auml;misch etc.), wobei hier 3 pathognomonische Ver&auml;nderungen exemplarisch besprochen werden: das Arnold-Chiari- Syndrom, die Rhombencephalosynapsis und das Joubert-Syndrom.</p> <p><strong>Arnold-Chiari-Syndrom</strong><br /> Insgesamt gibt es 4 Chiari-Malformationen, wobei lediglich die Chiari-Malformation II als das klassische Arnold-Chiari- Syndrom bezeichnet wird. Bei diesem tritt eine Myelomeningozele (meist im Bereich der LWS) zusammen mit einer Verlagerung des Vermis cerebelli nach kaudal in den Spinalkanal (Kleinhirnwurmherniation) auf. Sekund&auml;r kommt es oft zu einem Hydrocephalus. In manchen L&auml;ndern kann dies bereits pr&auml;natal in utero therapiert werden, indem die Myelomeningozele verschlossen wird.</p> <p><strong>Rhombencephalosynapsis</strong><br /> Bei der Rhombencephalosynapsis (Abb. 2) zeigt sich eine Kontinuit&auml;t der Kleinhirnhemisph&auml;ren mit Fusion der Nuclei dentati sowie des Pedunculus cerebellaris superior. Diese Kinder haben oft eine Ataxie, eine abnorme Okulomotorik sowie eine verz&ouml;gerte motorische Entwicklung. In der fetalen MRT l&auml;sst sich (aufgrund der Absenz des Kleinhirnwurms) auf den axialen und koronaren Sequenzen eine Kontinuit&auml;t der Fissuren der Kleinhirnhemisph&auml;ren erkennen, zudem fehlt der paravermiale Sulcus. Die Rhombencephalosynapis tritt selten auch im Rahmen des Lopez-Hernandez-Syndrom auf und geht dann mit Trigeminusan&auml;sthesie und Alopezie einher.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1903_Weblinks_jatros_gyn_1903_s11_abb2.jpg" alt="" width="550" height="247" /></p> <p><strong>Joubert-Syndrom</strong><br /> Das Joubert-Syndrom ist mit einer Inzidenz von 1 : 100 000 eine insgesamt seltene Erkrankung, die zur Gruppe der Ziliopathien geh&ouml;rt. Dabei kann es zu einer Beteiligung der Nieren, der Retina sowie zur Leberfibrose und Polydaktylie kommen. Das Joubert-Syndrom verursacht eine Kleinhirnaplasie, wodurch auf axialen Sequenzen das klassische &bdquo;Molar tooth&ldquo;-Zeichen (backenzahnartiges Bild) mit tiefer Fossa interpeduncularis zu erkennen ist. In 30 % wird es von supratentoriellen Auff&auml;lligkeiten mit Corpus-callosum-Agenesie, Migrationsst&ouml;rungen sowie Ventrikulomegalie begleitet.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dovjak GO et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2018; 52(5): 623-30 <strong>2</strong> Klein O et al.: Childs Nerv Syst 2003; 19(7-8): 484-9 <strong>3</strong> Barkovich AJ et al.: Brain 2009; 132(Pt 12): 3199- 230 <strong>4</strong> Brodal A, Hauglie-Hanssen E: J Neurol Neurosurg Psychiat 1959; 22(2): 99-108 <strong>5</strong> Pinto J et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2016; 48(1): 121-4 <strong>6</strong> Stoecklein S et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2018; 52(5): 678-80</p> </div> </p>
Back to top