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Nicht provozierte VTE: Wann ist ein Thrombophilie-Screening erforderlich?

<p class="article-intro">Bei schätzungsweise einem Drittel aller Patienten mit venösen Thromboembolien (VTE) finden sich keine Risikofaktoren. Ein Thrombophilie-Screening bleibt trotzdem die Ausnahme. Aus gutem Grund, wie nebst vielen anderen interessanten Themen an der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP) Anfang Mai in Montreux zu erfahren war.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bei ca. 30 % der Patienten mit einer ven&ouml;sen Thromboembolie (VTE) finden sich keine Risikofaktoren: In diesen F&auml;llen handelt es sich um eine nicht provozierte VTE. Die Ursache daf&uuml;r k&ouml;nnten eine angeborene oder erworbene Hyperkoagulabilit&auml;t oder Thrombophilie sein.<br /> Die h&auml;ufigsten genetischen Determinanten der Thrombophilie sind ein Mangel an Prothrombin, Protein C oder S sowie die Faktor-V-Mutation Leiden und die Prothrombin- Mutation G20210A. Ein wichtiger heredit&auml;rer Marker f&uuml;r ein erh&ouml;htes VTE-Risiko ist zudem die Blutgruppe. Personen, die nicht der Blutgruppe 0 angeh&ouml;ren, haben einer Studie zufolge ein 1,5-fach erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r eine VTE.<sup>1</sup><br /> &laquo;H&auml;ufig ist ein Defizit an Gerinnungsfaktoren die Folge internistischer Erkrankungen &raquo;, sagte Prof. Dr. med. Silvia Ulrich vom Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich. Neben Erkrankungen der Leber oder Nieren, wie beispielsweise dem nephrotischen Syndrom, k&ouml;nnen akute Entz&uuml;ndungsprozesse oder maligne Erkrankungen eine Hyperkoagulabilit&auml;t verursachen. Untersuchungen zufolge haben 4&ndash;12 % der Betroffenen bei Diagnose der VTE eine konkomitierende Krebserkrankung.<sup>2</sup></p> <p><strong>Thrombophilie-Test ohne Einfluss auf initiale VTE-Behandlung</strong><br /> Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob man bei Personen mit einer nicht provozierten VTE nach einer Thrombophilie suchen sollte. Gegen die Labordiagnostik auf eine Thrombophilie spricht, dass die &uuml;berwiegende Zahl der VTE durch mehr als einen Risikofaktor verursacht wird. &laquo;Erworbene Risikofaktoren spielen dabei eine wichtigere Rolle als heredit&auml;re&raquo;, sagte Ulrich. Da in der Akutphase einer VTE ohnehin keine Thrombophilie-Diagnostik empfohlen wird (Tab. 1), bleibt die initiale VTE-Behandlung davon unbeeinflusst.<sup>3</sup> Auch im Hinblick auf die Behandlungsdauer und die Rezidivrate ist die Thrombophilie- Diagnostik nicht von Nutzen. &laquo;Aus Untersuchungen wissen wir, dass Personen, bei denen keine Risikofaktoren f&uuml;r eine VTE identifiziert werden konnten, ein h&ouml;heres Rezidivrisiko haben, als solche mit Risikofaktoren&raquo;, erkl&auml;rte die Spezialistin. Das Vorliegen oder Fehlen einer Thrombophilie hatte dagegen keinen Einfluss auf die Rezidivrate. &laquo;Die Thrombophilie-Diagnostik bringt deshalb keinen zus&auml;tzlichen Nutzen&raquo;, so Ulrich.</p> <p>&laquo;Die einzige wichtige erworbene Thrombophilie, nach der man bei Personen mit einer nicht provozierten VTE, die sich unter Antikoagulation nicht verbessert, suchen kann, ist ein Anti-Phospholipid-Syndrom &raquo;, erkl&auml;rte Ulrich. Die Autoimmunerkrankung kann idiopathisch oder sekund&auml;r als Folge einer rheumatologischen Erkrankung, wie eines Lupus erythematodes oder einer rheumatoiden Arthritis, auftreten. Klinisch &auml;ussert sich das Anti-Phospholipid-Syndrom h&auml;ufig mit einer VTE, einer Thrombozytopenie, einer Levido reticularis oder einem Schlaganfall. Die Betroffenen ben&ouml;tigen eine lebenslange Antikoagulation.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1903_Weblinks_lo_innere_1903_s17_tab1.jpg" alt="" width="500" height="355" /></p> <p><strong>Ambulanter Follow-up nach Lungenembolie: Was der Pneumologe wissen sollte</strong><br /> Ungef&auml;hr ein Drittel aller Patienten leidet nach einer Lungenembolie und nach Ausschluss eines VTE-Rezidivs an einer Dyspnoe. Diese ist unter anderem auf einen raschen Verlust der Muskelmasse und die zunehmende Dekonditionierung (reduzierter VO<sub>2</sub>max) infolge der Bettruhe zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Wie eine Untersuchung von Patienten nach einer Lungenembolie zeigte, nahm die Dyspnoe w&auml;hrend der einj&auml;hrigen Beobachtungszeit bei den meisten Patienten ab und die k&ouml;rperliche Leistungsf&auml;higkeit und die Lebensqualit&auml;t zu. Patienten mit einer anhaltend niedrigeren Ausdauer-Leistungsf&auml;higkeit (VO<sub>2</sub>max &lt; 80 %) hatten dagegen eine niedrigere Lebensqualit&auml;t.<sup>5</sup><br /> &laquo;Die Ursache daf&uuml;r k&ouml;nnte eine anhaltende Perfusionsst&ouml;rung aufgrund einer Reststenose sein&raquo;, sagte PD Dr. med. phil. Fr&eacute;d&eacute;ric Lador, Universit&auml;tsspital Genf. Eine aktuelle Studie zeigt, dass ca. 25&ndash; 30 % der Patienten auch ein Jahr nach einer Lungenembolie eine Perfusionsst&ouml;rung aufweisen. Die Patienten leiden h&auml;ufiger an einer Dyspnoe und einer reduzierten k&ouml;rperlichen Leistungsf&auml;higkeit und haben ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r eine chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) oder rezidivierende Lungenembolien.<sup>6, 7</sup><br /> Die Rechtsherzkatheter-Untersuchung ist der Goldstandard in der Diagnostik der CTEPH. Die Untersuchung der pulmonalen H&auml;modynamik in Ruhe und unter Belastung ist wichtig, um eine maskierte pulmonale Hypertonie zu diagnostizieren.<sup>8</sup><br /> Die Diagnose CTEPH ist mit einer lebenslangen Antikoagulation verbunden. &laquo;Patienten mit einer CTEPH sollten f&uuml;r die Evaluierung im Hinblick auf eine pulmonale Endarteriektomie an ein Expertenzentrum &uuml;berwiesen werden&raquo;, riet der Spezialist.<sup>9</sup> Dies sei die einzige potenziell kurative Behandlung. Die Alternativen sind eine medikament&ouml;se Therapie oder eine Ballonangioplastie der Pulmonalarterie (BPA). &laquo;Vor zwei Jahren wurde die BPA noch als weitgehend experimentell betrachtet &raquo;, sagte Lador. &laquo;In der Zwischenzeit gibt es aber gen&uuml;gend Evidenz, die zeigt, dass die minimal invasive Therapie funktioniert.&raquo;</p> <h2>Idiopathische Lungenfibrose: neue diagnostische Kriterien</h2> <p>Die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate bei einer idiopathischen Lungenfibrose (IPF) liegt bei ca. 30 % und ist damit schlechter als bei vielen Malignomen. Eine schnelle Diagnose w&auml;re w&uuml;nschenswert, um die Prognose der Patienten absch&auml;tzen zu k&ouml;nnen. Die oft unspezifischen klinischen Symptome und die fehlende Aussagekraft von Thoraxr&ouml;ntgen und Lungenfunktionsmessung erschweren aber die Diagnose.<br /> 2018 sind nun kurz nacheinander zwei Publikationen mit diagnostischen Kriterien f&uuml;r die IPF erschienen: der interdisziplin&auml;re Konsensus-Report der Fleischner Society und nur wenige Monate sp&auml;ter die offiziellen Praxis-Guidelines von vier medizinischen Fachgesellschaften, darunter die American Thoracic Society (ATS) und die European Respiratory Society (ERS).<sup>10, 11</sup> Beide Publikationen empfehlen ein in etwa vergleichbares Vorgehen bei der Diagnostik.<sup>12</sup> Der erste Schritt besteht darin, andere Ursachen f&uuml;r eine interstitielle Lungenerkrankung, wie u. a. systemische Autoimmunerkrankungen oder Arbeits- und Umweltbelastungen, auszuschliessen. &laquo;IPF ist eine Ausschlussdiagnose&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Luca Richeldi von der Universit&auml;tsklinik Gemelli, Rom. Bei Verdacht auf eine IPF ist die Durchf&uuml;hrung eines &laquo;High-resolution &raquo;-CT (HRCT) unerl&auml;sslich.<br /> Gem&auml;ss dem Fleischner-Report kann die Diagnose gestellt werden, wenn der klinische Kontext vorhanden ist und das CT-Muster typisch oder wahrscheinlich ist f&uuml;r eine IPF (Tab. 2). Ist die Klinik nicht eindeutig, das CT-Muster unbestimmt oder weist es auf eine alternative Diagnose hin, sollte zus&auml;tzlich eine Lungenbiopsie oder eine bronchoalveol&auml;re Lavage (BAL) durchgef&uuml;hrt werden. Die Durchf&uuml;hrung einer transbronchialen Kryobiopsie wird von den Guidelines nicht als Alternative empfohlen. Diese hatte in einer Studie zum Vergleich mit der chirurgischen Lungenbiopsie eine schlechte &Uuml;bereinstimmung mit der finalen Diagnose gezeigt.<sup>13</sup> &laquo;Die chirurgische Lungenbiopsie ist der Goldstandard &raquo;, sagte Richeldi.<br /> Im Zusammenhang mit dem HRCT-Befund ging der Spezialist auf das Muster der &laquo;Ground-glass&raquo;(Milchglas)-Opazit&auml;ten ein. &laquo;Treten diese Ver&auml;nderungen zusammen mit retikul&auml;ren Ver&auml;nderungen auf, sind sie normalerweise das Zeichen f&uuml;r eine Fibrose&raquo;, so Richeldi. Reine &laquo;Ground-glass &raquo;-Opazit&auml;ten deuteten hingegen auf eine akute Exazerbation, eine exogene alveol&auml;re Pneumonitis (Hypersensitivit&auml;tspneumonie) oder eine andere Ursache hin.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1903_Weblinks_lo_innere_1903_s18_tab2.jpg" alt="" width="750" height="299" /></p> <h2>Screening auf Alpha-1-Antitrypsin- Mangel bei COPD</h2> <p>Dem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Alpha- 1-Proteinase-Inhibitor-Mangel) liegt ein autosomal kodominant vererbter Gendefekt zugrunde. Die Erkrankung manifestiert sich haupts&auml;chlich an Leber und Lunge. Alpha-1-Antitrypsin ist die wichtigste Antiprotease in der Lunge. Sie sch&uuml;tzt das Alveolargewebe vor den aggressiven Proteasen, die von den neutrophilen Granulozyten produziert werden. Fehlt das Alpha-1- Antitrypsin, kommt es zu einem &Uuml;berwiegen der Proteasen, welche das Lungengewebe zunehmend zerst&ouml;ren, und zur Entwicklung eines Emphysems. Von der schweren Verlaufsform mit progredientem Lungenemphysem im fr&uuml;hen Erwachsenenalter und schwerer COPD sind homozygote Tr&auml;ger des Z-Allels betroffen. Die Pr&auml;valenz des ZZ-Genotyps betr&auml;gt in der europ&auml;ischen Gesamtpopulation ca. 1 : 5000 und entspricht sch&auml;tzungsweise 120 000 Patienten.<sup>14</sup> &laquo;Eine h&ouml;here Pr&auml;valenz findet sich unter den COPD-Patienten &raquo;, sagte PD Dr. med. Timm Greulich, Universit&auml;tsklinikum Marburg.<br /> Aus diesem Grund empfiehlt die amerikanische COPD-Foundation in ihren Praxis- Guidelines, alle Patienten mit COPD auf einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu screenen.<sup>15</sup> Die ERS schliesst sich dieser Empfehlung an. Zus&auml;tzlich empfiehlt sie, Personen, die erst im Erwachsenenalter eine Asthmaerkrankung entwickeln, im Hinblick auf einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zu evaluieren.<sup>16</sup><br /> Seit einigen Jahren ist ein Schnelltest verf&uuml;gbar (AlphaKit<sup>&reg;</sup>-QuickScreen), der in jeder Praxis einfach durchgef&uuml;hrt werden kann. Der Test erm&ouml;glicht die Identifikation von Tr&auml;gern des Z-Allels, die zur weiteren Abkl&auml;rung einer Ph&auml;no- und Genotypisierung zugef&uuml;hrt werden m&uuml;ssen. &laquo;Eine fr&uuml;he Identifikation ist umso wichtiger, als die Krankheitsprogression durch eine Substitutionstherapie verz&ouml;gert werden kann&raquo;, sagte Greulich.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 9. und 10. Mai 2019, Montreux </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gill JC et al.: The effect of ABO blood-group on the diagnosis of von Willebrand disease. Blood 1987; 69: 1691-5 <strong>2</strong> Monreal M et al.: Screening for occult cancer in patients with acute deep vein thrombosis or pulmonary embolism. J Thromb Haemost 2004; 2: 876-81 <strong>3</strong> National Institute for Health and Care Excellence NICE: Venous thromboembolic diseases: diagnosis, management and thrombophilia testing. Clinical guideline [CG144]. Published: June 2012, last update November 2015. https://www.nice.org.uk/ guidance/cg144 <strong>4</strong> Lim W: Thrombotic risk in the antiphospholipid syndrome. Semin Thromb Hemost 2014; 40: 741-6 <strong>5</strong> Kahn SG et al.: Quality of life, dyspnea, and functional exercise capacity following a first episode of pulmonary embolism: results of the ELOPE cohort study. Am J Med 2017; 130: 990.e9-21 <strong>6</strong> Sanchez O et al.: Perfusion defects after pulmonary embolism: risk factors and clinical significance. J Thromb Haemost 2010; 8: 1248-55 <strong>7</strong> Pesavento R et al.: Impact of residual pulmonary obstruction on the long-term outcome of patients with pulmonary embolism. Eur Respir J 2017; 49: 1601980 <strong>8</strong> Kovacs G et al.: An official European Respiratory Society statement: pulmonary haemodynamics during exercise. Eur Respir J 2017; 50: 1700578 <strong>9</strong> Kim NH et al.: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Eur Respir J 2018; 53: 1801915 <strong>10</strong> Lynch DA et al.: Diagnostic criteria for idiopathic pulmonary fibrosis: a Fleischner Society White Paper. Lancet Respir Med 2018; 6: 138-53 <strong>11</strong> Raghu G et al.: Diagnosis of idiopathic pulmonary fibrosis. An official ATS/ERS/JRS/ALAT clinical practice guideline. Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: e44-e68 <strong>12</strong> Richeldi L et al.: Diagnosing idiopathic pulmonary fibrosis in 2018: bridging recommendations made by experts serving different societies. Eur Respir J 2018; 52: 1801485 <strong>13</strong> Romagnoli M et al.: Poor concordance between sequential transbronchial lung cryobiopsy and surgical lung biopsy in the diagnosis of diffuse interstitial lung diseases. Am J Respir Crit Care 2019; 199: 1249-56 <strong>14</strong> Blanco I et al.: Alpha-1 antitrypsin Pi*SZ genotype: Estimated prevalence and number of SZ subjects worldwide. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2017; 12: 1683-94 <strong>15</strong> Sandhaus RA et al.: The diagnosis and management of alpha-1 antitrypsin deficiency in the adult. Chronic Obstr Pulm Dis 2016; 3(3): 668-82 <strong>16</strong> Miravitlles M et al.: European Respiratory Society statement: diagnosis and treatment of pulmonary disease in &alpha;1-antitrypsin deficiency. Eur Respir J 2017; 50: pii: 1700610</p> </div> </p>
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