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Behandlung von Hirnmetastasen bei HER2-positivem Brustkrebs

<p class="article-intro">Im Rahmen des ersten Brustkrebs-Kongresses der European Society of Medical Oncology (ESMO), der im Mai 2019 in Berlin stattfand, beschäftigte sich eine Educational Session mit den rezenten Entwicklungen auf dem Gebiet des humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor-2(HER2)-positiven Mammakarzinoms. Im vorliegenden Artikel finden Sie eine Zusammenfassung der aktuellen Daten zur Behandlung zerebraler Metastasen („brain metastases“; BM) bei ebenjenem Tumorsubtyp.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bereits in den 1980er-Jahren wurde beschrieben, dass es sich beim HER2- positiven Mammakarzinom um einen Hochrisikosubtyp handelt.<sup>1</sup> Mit Einf&uuml;hrung der modernen Anti-HER2-Therapien ist es mittlerweile gelungen, die Prognose der betroffenen Patientinnen deutlich zu verbessern. Lag das mediane Gesamt&uuml;berleben ab Diagnose einer metastasierten Erkrankung mit alleiniger Chemotherapie bei rund 20 Monaten,<sup>2</sup> so gehen wir heute von einem Gesamt&uuml;berleben von rund 5 Jahren aus.<sup>3</sup> Gleichzeitig wurde seit Beginn der Antik&ouml;rper&auml;ra ein Anstieg der Inzidenz von BM berichtet.<sup>4</sup> Dies wird einerseits auf die verbesserte systemische Erkrankungskontrolle und die daraus erwachsende Verl&auml;ngerung des Gesamt&uuml;berlebens zur&uuml;ckgef&uuml;hrt (d. h., Patientinnen, die fr&uuml;her aufgrund des systemischen Progresses gestorben w&auml;ren, erleben nun das Auftreten von BM), andererseits auf die Tatsache, dass der HER2-positive Subtyp eine intrinsische Affinit&auml;t zum Zentralnervensystem (ZNS) aufweist und die heute verf&uuml;gbaren Therapien keinen prophylaktischen Effekt entfalten k&ouml;nnen.<br /> Zwei Aspekte sind f&uuml;r BM bei HER2- positiver Erkrankung typisch: Sie treten meist bei stabiler extrazerebraler Erkrankung auf,<sup>5</sup> dar&uuml;ber hinaus sterben zwei Drittel der betroffenen Patientinnen am ZNS-Progress, da die extrazerebrale Erkrankung weiter gut kontrolliert werden kann.<sup>6</sup> Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bessere Behandlungsm&ouml;glichkeiten f&uuml;r Patientinnen mit BM zu finden.</p> <h2>Lokaltherapie und systemische Therapie</h2> <p>Aufgrund der Blut-Hirn-Schranke gelten systemische Therapieoptionen bei BM als unwirksam, weshalb lokale Therapieoptionen traditionell die Hauptrolle bei den therapeutischen Bem&uuml;hungen spielen. W&auml;hrend bei oligometastatischer Erkrankung die Radiochirurgie bevorzugt wird, spielt speziell bei multiplen Metastasen die Ganzhirnbestrahlung (&bdquo;whole brain radiotherapy&ldquo;; WBRT) auch weiterhin eine prominente Rolle. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die WBRT mit ausgepr&auml;gten neurologischen Sp&auml;tfolgen assoziiert ist,<sup>7</sup> was das Interesse an alternativen &ndash; systemischen &ndash; Behandlungsm&ouml;glichkeiten wachsen lie&szlig;. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Tatsache relevant, dass bei Patientinnen mit HER2-positiver Erkrankung und BM &Uuml;berlebenszeiten von &uuml;ber zwei Jahren beobachtet werden k&ouml;nnen.<sup>8</sup><br /> Tats&auml;chlich konnten Rosner et al. bereits in den 1980er-Jahren nachweisen, dass konventionelle Chemotherapie bei neu diagnostizierten BM zu einer Ansprechrate von rund 50 % f&uuml;hren kann.<sup>9</sup> Lin et al. wiederum berichteten eine klinisch relevante Aktivit&auml;t der Kombination von Capecitabin und dem HER2/epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor(EGFR)-Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) Lapatinib bei Patientinnen mit progredienten Hirnmetastasen nach Lokaltherapie mit einer Ansprechrate im ZNS von 20 %.<sup>10</sup> Aus dieser Beobachtung ergab sich das Design der LANDSCAPE-Studie, in deren Rahmen Patientinnen mit neu diagnostizierten multiplen (meist asymptomatischen oder oligosymptomatischen) Hirnmetastasen Capecitabin und Laptinib als initiale Therapie ohne vorhergehende Strahlentherapie erhalten hatten.<sup>11</sup> Hier zeigte sich eine Ansprechrate im ZNS von 65,9 % (95 %-Konfidenzintervall [CI]: 50,1&ndash;79,5) bei einer klinisch relevanten medianen Zeit bis zur WBRT von 8,3 Monaten. Aus diesem Grund kann diese Kombination in einer entsprechend selektionierten Population als Standard angesehen werden.<br /> Da die Blut-Hirn-Schranke (bzw. die Blut-Tumor-Schranke) im Bereich der Metastasen durchl&auml;ssiger ist, k&ouml;nnen nicht nur kleine Molek&uuml;le wie TKI, sondern auch gr&ouml;&szlig;ere Molek&uuml;le wie Antik&ouml;rper in das ZNS penetrieren.<sup>12</sup> Gleichzeitig ist die Aktivit&auml;t von Trastuzumab innerhalb des ZNS nicht ausreichend belegt; rezent konnten jedoch mehre Arbeiten zeigen, dass das Antik&ouml;rper- Chemotherapie-Konjugat Trastuzumab- Emtansin (T-DM1) eine klinisch relevante Aktivit&auml;t bei BM aufweisen d&uuml;rfte.<sup>13</sup> Somit scheint T-DM1 aufgrund der guten Vertr&auml;glichkeit eine interessante Alternative zu Capecitabin/Lapatinib darzustellen. Weitere Substanzen von Interesse sind der irreversible HER2/EGFR-TKI Neratinib<sup>14</sup>, vor allem aber der Drittgenerations-TKI Tucatinib, der sich vor allem durch die niedrige Diarrh&ouml;rate auszeichnet.<sup>15</sup><br /> Im Falle einer stabilen systemischen Erkrankung und der M&ouml;glichkeit, die BM mittels entsprechender Lokaltherapie zu behandeln, gilt die generelle Empfehlung, die laufende systemische Behandlung nach Lokaltherapie der BM fortzusetzen und sie erst bei lokalem oder systemischem Progress umzustellen.<sup>16</sup></p> <h2>Pr&auml;vention von BM m&ouml;glich?</h2> <p>Auch wenn die systemische Therapie in der Behandlung von BM eine immer gr&ouml;&szlig;ere Rolle spielt, konnte bislang nicht gezeigt werden, dass auch das Auftreten von BM durch eine optimale Systemtherapie verhindert werden kann. In einer explorativen Auswertung der CLEOPATRA-Studie zeigte sich zwar eine Verl&auml;ngerung des Hirnmetastasen-freien &Uuml;berlebens von 11,9 auf 15,0 Monate (95 % CI: 0,39&ndash;0,85; p = 0,0049) in der Patientengruppe, die zus&auml;tzlich zu Docetaxel und Trastuzumab auch Pertuzumab erhalten hatte,<sup>17</sup> die Inzidenz von Hirnmetastasen blieb jedoch gleich. Auch in CEREBEL konnte kein Vorteil f&uuml;r Lapatinib gegen&uuml;ber Trastuzumab in Hinblick auf die Inzidenz von BM gefunden werden.<sup>18</sup> Zuletzt zeigte sich in der NEfERT-T Studie eine Halbierung der ZNSProgressions- Events von 17,3 % unter Trastuzumab auf 8,3 % unter Neratinib (RR :0,48; 95 % CI: 0,29&ndash;0,79; p = 0,002).<sup>19</sup> Da jedoch Unterschiede in der Rate an Patientinnen mit Hirnmetastasen bei Baseline zwischen den beiden Gruppen bestanden, lassen diese Ergebnisse keinen endg&uuml;ltigen Schluss auf die m&ouml;gliche pr&auml;ventive Aktivit&auml;t von Neratinib zu. Dazu m&uuml;ssen weitere Studienergebnisse abgewartet werden.</p> <h2>Vielversprechende Immuntherapie</h2> <p>Auch wenn systemische Behandlungsans&auml;tze bei Hirnmetastasen heute als etabliert angesehen werden k&ouml;nnen, sind die bestehenden Therapieoptionen suboptimal. Hier scheinen immuntherapeutische Strategien vielversprechend: Bei Hirnmetastasen sind h&auml;ufig Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TIL) nachweisbar,<sup>20</sup> die mit einer besseren Prognose gerade bei Patientinnen mit HER2-positiven Hirnmetastasen assoziiert sind;<sup>21</sup> dar&uuml;ber hinaus stellen TIL einen potenziellen pr&auml;diktiven Faktor f&uuml;r den Effekt von Immuncheckpoint- Inhibitoren bei HER2-positivem Brustkrebs dar.<sup>22</sup> Schon heute aber gilt, dass die Diagnose von BM kein Grund f&uuml;r therapeutischen Nihilismus ist.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Slamon D et al.: Science 1987; 235: 177-82 <strong>2</strong> Slamon D et al.: N Engl J Med 2001; 344: 783-92 <strong>3</strong> Swain S et al.: N Engl J Med 2015; 372: 724-34 <strong>4</strong> Frsik G et al.: Br J Cancer 2012; 106: 1850-3 <strong>5</strong> Lin NU et al.: Cancer 2008; 113: 2638- 45 <strong>6</strong> De Ieso PB et al.: Breast 2015; 24: 426-33 <strong>7</strong> Chang EL et al.: Lancet Oncol 2009; 10: 1037-44 <strong>8</strong> Bartsch R et al.: Br J Cancer 2012; 106: 25-31 <strong>9</strong> Rosner D et al.: Cancer 1986; 58: 832-9 <strong>10</strong> Lin NU et al.: Clin Cancer Res 2009; 15: 1452-9 <strong>11</strong> Bachelot T et al.: Lancet Oncol 2013; 14: 64-71 <strong>12</strong> Kurihara H et al.: EJNMMI Res 2015; 5: 8 <strong>13</strong> Bartsch R et al.: J Neurooncol 2014; 116: 205-6 <strong>14</strong> Freedman RA et al.: J Clin Oncol 2019; 37: 1081-9 <strong>15</strong> Murthy R et al.: Lancet Oncol 2018; 19: 880-8 <strong>16</strong> AGO Guidelines: ZNS-Metastasen beim Mamma-Karzinom. 2017. Verf&uuml;gbar unter: https:// www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/ mamma/2017-03/AGO_deutsch/PDF_Einzeldateien_ deutsch/2017D%2023_ZNS % 20Metastasen.pdf; letzter Zugriff: 01.06.2019 <strong>17</strong> Swain SM et al.: Ann Oncol 2014; 25: 1116-21 <strong>18</strong> Pivot X et al.: J Clin Oncol 2015; 33: 1564-73 <strong>19</strong> Awada A et al.: JAMA Oncol 2016; 2: 1557-64 <strong>20</strong> Berghoff AS et al.: OncoImmunology 2016; 5:e1057388 <strong>21</strong> Sambade MJ et al.: Breast Cancer Res Treat 2019; [Epub ahead of print] <strong>22</strong> Loi S et al.: Lancet Oncol 2019; 20: 371-82</p> </div> </p>
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