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17. Wachauer Rheumatag

Hochkarätige Fortbildung im Schloss Spitz

<p class="article-intro">Der Wachauer Rheumatag in Spitz an der Donau hat sich zu einer der größten rheumatologischen Fortbildungsveranstaltungen in Österreich entwickelt. Zum 17. Wachauer Rheumatag kamen rund 250 Mediziner aus Niederösterreich, Wien, Tirol, Salzburg und Kärnten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das allj&auml;hrliche Treffen in Schloss Spitz wird vom Verein &bdquo;Wachauer Rheumatag e. V.&ldquo; in Zusammenarbeit mit dem Karl-Landsteiner-Institut f&uuml;r Klinische Rheumatologie veranstaltet und von Dr. Thomas Nothnagl unter der wissenschaftlichen Leitung von Prim. Doz. Dr. Burkhard Leeb organisiert.<br /> Die mittlerweile traditionelle fr&uuml;hmorgendliche Fallpr&auml;sentation bestritt diesmal Prim. Dr. Christa Oliveira- Sittenthaler vom SKA-RZ Laab im Walde. Sie stellte den komplizierten Fall einer 73-j&auml;hrigen Patientin zur Diskussion, die seit fr&uuml;her Jugend an Psoriasis leidet und nach der Menopause Sch&uuml;be von Gelenksarthritis sowie schwerwiegende pulmonale Beschwerden entwickelte.<br /> &Uuml;ber den aktuellen Stand bez&uuml;glich Biologikatherapie berichtete Dr. Raimund Lunzer vom Krankenhaus der Barmherzigen Br&uuml;der Graz-Eggenberg. Die Fakten aus heutiger Sicht: Biologika sind rasch wirksam, gut vertr&auml;glich und haben ein sehr geringes Interaktionspotenzial. Die &bdquo;number-needed-to treat&ldquo; bei TNF-Inhibitoren betr&auml;gt 2&ndash;3 und sie haben auch eine deutliche Wirkung auf andere Befallsmuster wie Enthesitis, Daktylitis, Arthritis und Uveitis. IL17-Inhibitoren wirken sehr gut bei Psoriasis, aber nicht bei CED. IL23- Hemmer hingegen zeigen sehr gute Wirksamkeit bei CED, nicht aber bei SpA. F&uuml;r die neuen JAK-Inhibitoren liegen laut Lunzer exzellente Daten f&uuml;r RA, SpA, atopische Dermatitis und SLE vor; nur bei Psoriasis zeigen sie nicht den gew&uuml;nschten Erfolg. Das Karzinomrisiko steigt unter Biologika nicht an, das kardiovaskul&auml;re Risiko wird sogar reduziert. Biosimilars erweisen sich zunehmend als gleichwertige Therapieoption. Auch der Wechsel auf ein Biosimilar zeigt bis jetzt keine negativen Effekte f&uuml;r die Patienten.<br /> &bdquo;Insgesamt konnte in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Reduktion der Krankheitsaktivit&auml;t bei chronisch-entz&uuml;ndlichen rheumatischen Erkrankungen verzeichnet werden&ldquo;, so Lunzer. Seit Beginn der &bdquo;Biologika-&Auml;ra&ldquo; sind Krankenstandstage wegen rheumatischer Erkrankungen deutlich zur&uuml;ckgegangen. Das derzeit angewandte Treat-to-target-Prinzip f&uuml;hrt zum Therapieerfolg. Was nicht hei&szlig;t, dass es nicht noch Luft nach oben g&auml;be: &bdquo;Ganz so einfach ist es in der Praxis dann doch nicht immer&ldquo;, sagt Lunzer. Komplette Remission erreicht immer noch nur die H&auml;lfte der Patienten. Besonderer Verbesserungsbedarf aus Patientensicht besteht bei Psoriasis und Psoriasisarthritis: Laut der MAPP-Umfrage (Multinational Assessment of Psoriasis and Psoriatic Arthritis) findet fast die H&auml;lfte der befragten Patienten, dass die Therapie schlimmer ist als die Erkrankung. 85 % w&uuml;nschen sich bessere Therapien. Auch die Realit&auml;t der Diagnostik l&auml;sst noch W&uuml;nsche offen: PsA-Patienten warten bis zu 72 Monate auf eine Diagnose und es dauert bis zu 10 Jahre, bis ein Patient ein Biologikum erh&auml;lt.<sup>1</sup> Dabei w&uuml;rde eine fr&uuml;he Behandlung mit TNF-Hemmern (innerhalb von 6 Monaten) bei PsAPatienten zu weitaus besseren Remissionsraten f&uuml;hren.<sup>2</sup></p> <h2>Milch statt Bier</h2> <p>Tipps zu Ern&auml;hrungsempfehlungen f&uuml;r Gichtpatienten gab Doz. Dr. Johann Gruber, Innsbruck. Dass Alkohol und insbesondere Bier zu meiden sind, ist hinl&auml;nglich bekannt, aber man sollte die Patienten darauf hinweisen, dass auch alkoholfreies Bier aufgrund der enthaltenen Hefezellen einen hohen Puringehalt hat.<br /> Vorsichtig sollte man auch bei der Empfehlung zur Gewichtsreduktion sein. Denn manche Patienten sind &uuml;bermotiviert und machen eine zu strenge Di&auml;t, die zu kataboler Stoffwechsellage und somit Ketoazidose f&uuml;hrt. Die Folgen: die renale Ausscheidung von Harns&auml;ure wird reduziert und es werden k&ouml;rpereigene Purine freigesetzt. Eine zu rasche Gewichtsabnahme kann somit einen Gichtanfall regelrecht provozieren. &bdquo;Es gen&uuml;gt nicht, den Patienten zu sagen, dass sie abnehmen sollen. Man muss ihnen auch sagen, wie&ldquo;, betont Gruber.<br /> Nur Purine aus tierischen Lebensmitteln steigern die Harns&auml;urekonzentration im Serum. Pflanzliche Purine beeinflussen den Harns&auml;urespiegel nicht. Erh&ouml;hte Harns&auml;urespiegel kommen daher bei Vegetariern seltener vor als bei Fleischessern. Interessanterweise haben aber Veganer im Vergleich zu Vegetariern oder Fleischessern das h&ouml;chste Gichtrisiko.<sup>3</sup> Man vermutet, dass Milchprodukte f&uuml;r die Regulation des Harns&auml;urehaushalts essenziell sind.<br /> Gruber informierte auch &uuml;ber die neuesten Therapieoptionen (siehe auch Artikel auf Seite 66ff). Lesinurad ist nun zugelassen, allerdings nur in Kombination mit einem Xanthinoxidasehemmer. In klinischer Entwicklung befinden sich Arhalofenat und Tranilast.</p> <h2>Patientenumfrage</h2> <p>Was bedeutet eine rheumatische Erkrankung f&uuml;r den Patienten? Dieser Frage ging die Online-Umfrage &bdquo;RA matters&ldquo; nach. Dr. Kerstin Brickmann, Graz, pr&auml;sentierte die Ergebnisse. Frustration, Besorgnis und das Gef&uuml;hl, ein Versager zu sein &ndash; darunter leiden RA-Patienten, wenn sie ihren &uuml;blichen Aktivit&auml;ten im famili&auml;ren und sozialen Bereich nicht mehr nachgehen k&ouml;nnen. Die gr&ouml;&szlig;te Herausforderung im Berufsleben ist bei 52 % der Befragten die eingeschr&auml;nkte Beweglichkeit der H&auml;nde, gefolgt von Ersch&ouml;pfung (43 %) und Schmerzen (39 %). &Uuml;ber die H&auml;lfte der Patienten w&uuml;nscht sich mehr Verst&auml;ndnis f&uuml;r die k&ouml;rperlichen Auswirkungen von RA. Fatigue ist bei allen rheumatischen Erkrankungen ein Hauptproblem.</p> <h2>Morbus Still</h2> <p>Die Fallpr&auml;sentation von Prim. Dr. Johann Hitzelhammer, Wien, zeigte, dass der Morbus Still aufgrund seiner Seltenheit oft Schwierigkeiten bei der Diagnose bereitet und unerkannt zu bedrohlichen Komplikationen f&uuml;hren kann. Bei folgenden Symptomen sollte man an Morbus Still denken: abendliche Fiebersch&uuml;be mit vor&uuml;bergehenden Hautausschl&auml;gen und Gelenksschmerzen. Bei vielen Patienten beginnt der Ausbruch der Erkrankung mit einer Rachenentz&uuml;ndung. Diese ist oft stark schmerzhaft, obwohl die Schleimhaut nur leicht ger&ouml;tet und geschwollen erscheint. Im Laborbefund kann ein deutlich erh&ouml;htes Serum-Ferritin f&uuml;r Morbus Still sprechen.</p> <h2>Wurm heilt Rheuma?</h2> <p>Prof. Dr. Ludwig Kramer, Wien, sprach &uuml;ber den Zusammenhang von Rheuma und Mikrobiom: &bdquo;Immer mehr Erkrankungen werden auf eine mangelhafte oder falsch zusammengesetzte Darmflora zur&uuml;ckgef&uuml;hrt, so auch entz&uuml;ndliche Gelenkserkrankungen.&ldquo;<sup>4</sup> Auch eine orale Dysbiose scheint ein Risikofaktor f&uuml;r RA zu sein.<sup>5</sup><br /> Parasiten wie Peitschen- oder Fadenw&uuml;rmer bzw. das von ihnen produzierte Glykoprotein ES-62 f&ouml;rdern die intestinale Barrierefunktion und reduzieren die Entz&uuml;ndung im Darm, wie der Infektiologe Prof. Dr. Stefan Winkler, Wien, ausf&uuml;hrte: &bdquo;Sie induzieren &uuml;ber IL-10-Produktion und Unterdr&uuml;ckung der IL-17-vermittelten Inflammation eine immunologische Balance.&ldquo; &Uuml;ber die Modulation des Darm-Mikrobioms bieten W&uuml;rmer einen Schutz vor entz&uuml;ndlichen Erkrankungen wie CED, Asthma und neueren Studien zufolge offenbar auch vor Lupus erythematodes und RA.<sup>6, 7</sup></p> <h2>Guidelines versus Empfehlungen</h2> <p>Im Abschlussvortrag ging Prim. Doz. Dr. Burkhard Leeb, Stockerau, unter anderem auf den Unterschied zwischen Richtlinien und Leitlinien ein: &bdquo;Richtlinien sind meist von Institutionen ver&ouml;ffentlichte Regeln des Handelns oder Unterlassens, die dem Arzt einen geringen Ermessensspielraum einr&auml;umen. Sie haben normativen Charakter, ihre Nichtbeachtung kann dienstrechtliche oder berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Leitlinien dagegen sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen &uuml;ber angemessene Vorgehensweisen bei speziellen diagnostischen und therapeutischen Problemstellungen. Der Arzt hat Entscheidungsspielraum und kann in begr&uuml;ndeten Einzelf&auml;llen von den Leitlinien abweichen.&ldquo; Gr&uuml;nde f&uuml;r das Abweichen k&ouml;nnen z. B. Kontraindikationen oder Nichteignung des Patienten f&uuml;r die Behandlung sein, aber auch ausdr&uuml;ckliche Patientenw&uuml;nsche oder neuere Forschungsergebnisse, die in den Leitlinien noch nicht ber&uuml;cksichtigt wurden. &bdquo;Leitlinien sind kein Kochrezept. Wir m&uuml;ssen uns mit dem Patienten auseinandersetzen&ldquo;, betont Leeb und empfiehlt, die Gr&uuml;nde f&uuml;r eine abweichende Behandlung gut zu dokumentieren und eventuell auch das schriftliche Einverst&auml;ndnis des Patienten einzuholen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1904_Weblinks_jatros_ortho_1904_s69_gruppenfoto.jpg" alt="" width="400" height="318" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1904_Weblinks_jatros_ortho_1904_s70_3er-foto.jpg" alt="" width="400" height="288" /></p> <p><br /><em>Der 18. Wachauer Rheumatag wird am 25. April 2020 stattfinden.</em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 17. Wachauer Rheumatag, 27. April 2019, Spitz </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Boehncke W-H et al.: Clinical specialty setting as a determinant for disease management in patients with psoriatic arthritis: results from loop, a cross-sectional, multi-country, observational study. Ann Rheum Dis 2018; 77(Suppl 2): 371 <strong>2</strong> van Mens LJJ et al.: Achieving remission in psoriatic arthritis by early initiation of TNF inhibition: a double-blind, randomised, placebo-controlled trial of golimumab plus methotrexate versus placebo plus methotrexate. Ann Rheum Dis 2019; 78(5): 610-6 <strong>3</strong> Schmidt JA et al.: Serum uric acid concentrations in meat eaters, fish eaters, vegetarians and vegans: a cross-sectional analysis in the EPICOxford cohort. PloSOne 2013; 8(2): e56339 <strong>4</strong> Maeda Y et al.: Dysbiosis contributes to arthritis development via activation of autoreactive T cells in the intestine. Arthritis Rheumatol 2016; 68(11): 2646-61 <strong>5</strong> Schmidt TSB et al.: Extensive transmission of microbes along the gastrointestinal tract. Elife 2019; 8: e42693 <strong>6</strong> Panda AK, Das BK: Diminished IL-17A levels may protect filarial-infected individuals from development of rheumatoid arthritis and systemic lupus erythematosus. Lupus 2017; 26(4): 348-54 <strong>7</strong> Langdon K et al.: Helminth-based therapies for rheumatoid arthritis: a systematic review and meta-analysis. Int Immunopharmacol 2019; 66: 366-72</p> </div> </p>
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