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Kann bei allen Patientinnen auf eine Axilladissektion verzichtet werden?
<p class="article-intro">Die Studie der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) TAXIS untersucht die fokussierte Axillachirurgie in Kombination mit axillärer Radiotherapie zur Behandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom und hoher Tumorlast in der Axilla.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Axilladissektion gehörte fast ein Jahrhundert lang zur Standardbehandlung jeder Patientin mit Mammakarzinom. In den 1990er-Jahren wurde das Sentinelverfahren eingeführt und die Axilladissektion auf Patientinnen mit palpablen Lymphknotenmetastasen oder tumorbefallenen Sentinellymphknoten beschränkt. Heute weiss man aus verschiedenen randomisierten Studien, dass auch bei vielen Patientinnen mit limitiertem Tumorbefall der Sentinellymphknoten auf die Axilladissektion verzichtet werden kann. Die Axilladissektion ist weiterhin die Standardbehandlung von Patientinnen mit palpablen Lymphknotenmetastasen oder residuellem Tumor nach neoadjuvanter Chemotherapie.</p> <h2>Fokussierte Axillachirurgie</h2> <p>In den letzten Jahren hat die zielgerichtete Axilladissektion («targeted axillary dissection») als Verfahren zum Ausschluss von residuellem Tumorgewebe in den axillären Lymphknoten nach neoadjuvanter Chemotherapie viel Aufmerksamkeit erlangt. Dabei wird das Sentinelverfahren mit der selektiven Entfernung des initial tumorbefallenen axillären Lymphknotens kombiniert, der vor der neoadjuvanten Therapie während oder nach der Biopsie mit einem Clip markiert wurde. Mehrere prospektive Interventionsstudien haben gezeigt, dass mit der zielgerichteten Axilladissektion die Falsch-negativ-Rate auf wenige Prozent gesenkt werden kann, während diese beim alleinigen Sentinelverfahren in dieser Situation bei >10 % liegt. Mehrere prospektive multizentrische Studien, z.B. SenTa in Deutschland oder RISAS in Holland, haben derzeit zum Ziel, die zielgerichtete Axilladissektion weiter zu validieren. Die TAXIS-Studie untersucht ein neues Konzept zur Deeskalierung der Axillachirurgie, das wir fokussierte Axillachirurgie («tailored axillary surgery» [TAS]) genannt haben. Dabei spielt die zielgerichtete Axilladissektion eine wichtige, jedoch nicht obligatorische Rolle zur selektiven Entfernung von befallenen Lymphknoten. Wichtiger sind bei TAS der Einsatz der Finger der Chirurgen zur selektiven Entfernung von palpablen Ablegern und natürlich das Sentinelverfahren zur Entfernung von nicht palpablen Tumoranteilen. Die Axilla muss nach TAS ohne palpable Tumoranteile sein, während die residuellen mikroskopischen Tumoranteile der Radiotherapie überlassen werden.</p> <h2>Vormarsch der Radiotherapie</h2> <p>Parallel zum Rückgang der Axilladissektion bei Patientinnen mit positiven Sentinellymphknoten hat sich ein klinischer Trend hin zu mehr Radiotherapie der Lymphabflusswege entwickelt. Beide Trends stützen sich auf Level-1-Evidenz aus randomisierten Studien. Während die brustchirurgischen Studien gezeigt haben, dass weniger Chirurgie nicht zu mehr Rezidiven führt, haben die radioonkologischen Studien gezeigt, dass vermehrte Radiotherapie das krankheitsfreie Überleben dieser Patientinnen zumindest leicht verlängert. Entsprechend werden Patientinnen mit befallenen Lymphknotenmetastasen zunehmend regionär bestrahlt. Diese Entwicklung begünstigt die kritische Reevaluation der übrigen Indikationen für eine Axilladissektion, die zunehmend durch die Radiotherapie ersetzt wird.</p> <h2>Laufende Studien zur Axillabehandlung</h2> <p>Zurzeit rekrutieren acht grosse randomisierte nationale Studien in mehreren Ländern. Zwei davon untersuchen, ob nach einem unauffälligen Ultraschall ganz auf das chirurgische axilläre Staging – also auch auf das Sentinelverfahren – verzichtet werden kann. Einige Studien validieren das ACOSOG-Z0011-Protokoll, wobei sie die Einschlusskriterien ausgeweitet haben. Dabei geht es grundsätzlich um die Frage, ob in der heutigen Zeit Lymphknotenmetastasen in der Axilla zurückgelassen werden dürfen, wenn wirksame adjuvante Therapien folgen – eine Abkehr von jahrzehntelang etablierten Standards. Einen wichtigen Schritt weiter geht der Alliance Trial A011202, der Patientinnen mit residuellem Tumor in den Sentinellymphknoten nach der neoadjuvanten Chemotherapie einschliesst. Die Patientinnen werden randomisiert in eine Kontrollgruppe mit Axilladissektion und in eine experimentelle Gruppe mit axillärer Radiotherapie. Alle Patientinnen erhalten eine ausgedehnte regionäre Radiotherapie supraklavikulär und parasternal. Somit klärt diese Studie die wichtige Frage, ob auch nach systemischer Vorbehandlung residueller Tumor in der Axilla zurückgelassen werden darf, wenn eine regionäre Radiotherapie folgt.</p> <h2>SAKK 23/16 (TAXIS)</h2> <p>Die SAKK-Studie TAXIS nimmt diese Frage aus dem Alliance-Trial mit auf und geht einen Schritt weiter: Darf selbst bei Patientinnen mit hoher Tumorlast in der Axilla – mit oder ohne neoadjuvante Chemotherapie – auf die Axilladissektion verzichtet werden, wenn eine ausgedehnte regionäre Radiotherapie durchgeführt wird? Dabei werden in unserer Studie als erster Studie überhaupt auch Patientinnen mit palpablen Lymphknotenmetastasen eingeschlossen. Sie werden randomisiert in eine Gruppe mit fokussierter Axillachirurgie und eine Gruppe mit radikaler Axilladissektion (Abb. 1). Bei der fokussierten Axillachirurgie werden alle palpatorisch auffälligen Befunde zusammen mit den Sentinellymphknoten entfernt. Dabei wird ein Präparate-Radiogramm durchgeführt mit der Frage, ob der Markierungsclip entfernt wurde, der während der bioptischen Sicherung der Lymphknotenmetastase eingelegt worden ist. Ist der Clip im Präparate- Radiogramm, darf eine in die experimentelle Gruppe ohne Axilladissektion randomisierte Patientin weiter in der Studie behandelt werden. Wenn der Clip nicht entfernt wurde, muss die Patientin ausgeschlossen und die Axilla radikal disseziert werden – dies dient der chirurgischen Qualitätssicherung innerhalb dieser Phase-III-Studie. Präoperative Lokalisationstechniken, z. B. mit Draht oder radioaktivem Clip, sind erlaubt, um die Rate der erfolgreichen Entfernungen der clipmarkierten Lymphknoten zu erhöhen, was der zielgerichteten Axilladissektion entspricht. Diese grosse Phase-III-Studie wird interdisziplinär im Netzwerk der SAKK und mit internationalen Partnern durchgeführt werden. Die Hauptrolle teilen sich die Brustchirurgie und Radioonkologie, mit Unterstützung durch die anderen beteiligten klinischen Disziplinen und die Abteilungen für Statistik und Lebensqualität. Die Fallzahl beträgt 1500 Patientinnen, die während eines Zeitraums von 5 Jahren rekrutiert werden. Die maximale Studiendauer beträgt etwa 10 Jahre. Geplant ist die Teilnahme von 34 Zentren aus vier Ländern. Primärer Endpunkt ist das krankheitsfreie Überleben. Wir testen in einem Non- Inferiority-Design die Hypothese, dass die fokussierte Axillachirurgie im Vergleich zur Axilladissektion nicht zu mehr Rezidiven oder einem kürzeren Überleben führt. Wichtigster sekundärer Endpunkt ist die Lebensqualität. Sie wird mit validierten Fragebögen gemessen, um zu zeigen, dass die fokussierte Axillachirurgie im Vergleich zur Axilladissektion weniger Morbidität verursacht. Fällt die Studie positiv aus, könnte der Rückzug der Axilladissektion aus der klinischen Praxis vollendet werden. (red)</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1903_Weblinks_lo_onko_1903_s49_abb1.jpg" alt="" width="2192" height="790" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1903_Weblinks_lo_onko_1903_s48_kommentar.jpg" alt="" width="650" height="565" /></p> <p><br /><strong>Studiendesign:</strong> multizentrische randomisierte «open labeled» Phase-III-Studie<br /> <strong>Studienname:</strong> SAKK 23/16: Tailored AXIllary Surgery with or without axillary lymph node dissection followed by radiotherapy in patients with clinically node-positive breast cancer (TAXIS)<br /> <strong>Coordinating Investigator:</strong> Prof. Dr. med. Walter Paul Weber, walter.weber@usb.ch, Chefarzt Brustchirurgie, Universitätsspital Basel<br /> <strong>Supporting Coordinating Investigator:</strong> PD Dr. med. Michael Knauer, michael.knauer@ kssg.ch, Leitender Arzt Brustchirurgie, Kantonsspital<br /> <strong>Clinical Project Manager:</strong> Dr. Marie-Aline Gerard, marie-aline.gerard@sakk.ch, SAKK Bern<br /> <strong>Teilnehmende Zentren:</strong> Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Baden, Basel Bethesda Spital, Basel/ Claraspital, Universitätsspital Basel, Bern/ Lindenhofgruppe – Engeriedspital, Kantonsspital Graubünden, Chêne-Bougeries/Clinique des Grangettes, Fribourg/Centre du sein Fribourg/ Brustzentrum Freiburg, Hôpitaux Universitaires de Genève, Clinique de Genolier, Hôpital neuchâtelois – La Chaux-de-Fonds, CHUV – Centre hospitalier universitaire vaudois, Luzern/ Hirslandenklinik St. Anna, Luzerner Kantonsspital Luzern, Hôpital du Valais, Hôpital de Sion, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen/Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, Spital Thurgau, Kantonsspital Winterthur, Zürich/Brustzentrum (Seefeld), Zürich/Spital Limmattal, Zürich/Spital Zollikerberg, Zürich/Stadtspital Triemli, UniversitätsSpital Zürich, Landeskrankenhaus Feldkirch, LKHUniv. Klinikum Graz, Linz/Krankenhaus der Barmherzigen Schwester, Wels/Klinikum Wels-Grieskirchen, Wien/Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien, National Institute of Oncology, Budapest, IT/Castellanza (VA)/Ospedale MultiMedica Castellanza</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
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