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Die Behandlung des CRPC – Sequenz oder Kombination?

<p class="article-intro">Seit acht Jahrzehnten ist die Androgendeprivation (ADT) die Therapie der Wahl beim metastasierten Prostatakarzinom. Allerdings entzieht sich der Tumor früher oder später der Kontrolle durch Androgene und wird kastrationsresistent (CRPC). Die gezielte Erforschung der zugrunde liegenden Progressionsmechanismen führte zur Entwicklung einer Reihe von Medikamenten, die über die reine Palliation hinausgehend bei guter Lebensqualität auch lebensverlängernd wirken.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Zur Behandlung eines mCRPC sind mehrere Substanzen zugelassen. Allerdings konnte eine optimale Sequenz bislang nicht definiert werden.</li> <li>Derzeit gibt es keine Evidenz f&uuml;r eine Kombinationstherapie.</li> <li>Patienten mit nmCRPC und hohem Progressionsrisiko profitieren von einer Therapie mit einem AR-Antagonisten der dritten Generation.</li> </ul> </div> <p>Insgesamt sind heute Zytostatika wie Docetaxel oder Cabazitaxel, der Testosteron- Synthesehemmer Abirateron, die Androgenrezeptorblocker Enzalutamid und Apalutamid und das Radionuklid Radium- 223 zugelassen, wobei die Reihenfolge ihres Einsatzes mehr regulatorischen (Zeitpunkt der Zulassung) als biologischen Grunds&auml;tzen folgt und wenig belastbare Informationen zur optimalen Sequenz existieren. Dar&uuml;ber hinaus beeinflussen neue Konzepte der Prim&auml;rtherapie im hormonnaiven Stadium (ADT plus Chemotherapie oder ADT plus Abirateron/Prednison) ma&szlig;geblich die Vorgangsweise beim CRPC, sodass der Frage nach einer logischen Sequenz immer gr&ouml;&szlig;ere Bedeutung zukommt, bei deren Beantwortung wir leider erst am Anfang stehen und gr&ouml;&szlig;tenteils auf retrospektive Daten zur&uuml;ckgreifen m&uuml;ssen.</p> <h2>Sequenz</h2> <p>Historisch betrachtet begr&uuml;ndete sich der sequenzielle Einsatz in der chronologischen Verf&uuml;gbarkeit der einzelnen Substanzen. Jetzt, wo mehrere Substanzen gleichzeitig verf&uuml;gbar und in unterschiedlichen Szenarien zugelassen sind, besteht grunds&auml;tzlich auch die M&ouml;glichkeit einer Kombination. Dennoch spricht vieles f&uuml;r den sequenziellen Ansatz: geringere Therapiekosten, &uuml;berschaubare Toxizit&auml;t sowie die Verf&uuml;gbarkeit weiterer therapeutischer Optionen bei Progression. Allerdings ist unklar, womit begonnen und womit fortgesetzt werden soll, d. h., wir k&ouml;nnen nicht mit Bestimmtheit sagen, ob Pr&auml;parat A gefolgt von Pr&auml;parat B ein besseres, gleich gutes oder vielleicht schlechteres Ergebnis erzielt als umgekehrt. Retrospektive Studien suggerieren zwar zum Teil betr&auml;chtliche Unterschiede im Ergebnis einzelner Sequenzen, jedoch fehlt eine belastbare prospektive Evidenz. Obwohl Post-hoc- Analysen vorschlagen, dass eine Androgenrezeptor( AR)-gerichtete Therapie gefolgt von einer weiteren zu einem schlechteren Ergebnis als der Wechsel auf eine Chemotherapie f&uuml;hrt, pr&auml;sentierten Khalaf et al. am ASCO 2018 eine erste prospektiv randomisierte Phase-II-Studie zu genau dieser Fragestellung. Dabei wurden 202 Patienten mit mCRPC in einer 1:1-Randomisierung entweder mit Enzalutamid oder mit Abirateron/Prednison behandelt, nach der ersten Progression wurde ein &bdquo;Crossover&ldquo; durchgef&uuml;hrt und die Zeit bis zur zweiten Progression als prim&auml;rer Endpunkt bestimmt. Betrachtet man nur den Zeitraum von der ersten bis zur zweiten Progression, dann schneidet die Sequenz Abirateron/Prednison gefolgt von Enzalutamid signifikant besser ab als die umgekehrte Reihenfolge; insgesamt aber war die Zeit von der Randomisierung bis zur zweiten Progression f&uuml;r beide Sequenzen gleich.<br /> Ebenso unklar ist, ob im Falle einer Progression Pr&auml;parat A durch B ersetzt (echte Sequenz) oder nur erg&auml;nzt (&bdquo;Sequenz- Kombination&ldquo;) werden soll. Diese Fragestellung wird in einer laufenden Phase-IIIStudie (PLATO) prospektiv untersucht, wo nach Versagen auf Enzalutamid entweder auf Abirateron gewechselt oder Abirateron dazugegeben wird.</p> <h2>Kombination</h2> <p>Unser Wissen, dass derzeit kein Pr&auml;parat alle Progressionsmechanismen gleichzeitig abdecken kann, spricht zumindest theoretisch f&uuml;r eine Kombination zweier oder auch mehrerer Substanzen. Auch wissen wir, dass bei anderen Erkrankungen wie dem Morbus Hodgkin vier oder f&uuml;nf Medikamente notwendig sind, um die Krankheit einigerma&szlig;en kontrollieren zu k&ouml;nnen. Warum sollte also ein Prostatakarzinompatient mit nur einer Substanz auskommen? Und schlie&szlig;lich wissen wir von der Prim&auml;rtherapie im hormonsensitiven Stadium (mHSPC), dass Kombinationen durchaus erfolgreich sind: Die maximale Androgenblockade (MAB) war &ndash; selbst mit Antiandrogenen der ersten Generation &ndash; etwas besser als die reine Monotherapie und rezente Konzepte wie die Kombination von ADT plus Chemotherapie oder ADT plus Abirateron/Prednison f&uuml;hren zu deutlich besseren Ergebnissen als eine ADT allein. Beim mCRPC scheinen aber doch die Nachteile zu &uuml;berwiegen: h&ouml;here Kosten, mehr Toxizit&auml;t und nicht zuletzt weniger verbleibende Therapieoptionen. Um mehr Kosten und Toxizit&auml;t zu rechtfertigen, m&uuml;sste eine Kombination im Vergleich zur Sequenz mit einem signifikanten, vor allem aber klinisch relevanten &Uuml;berlebensvorteil einhergehen.<br /> Eine Phase-Ib-Studie (Morris et al., Clin Cancer Res 2016) zur Kombination von Enzalutamid plus Docetaxel best&auml;tigte zwar erfreulich hohe Ansprechraten; allerdings war die Toxizit&auml;t sowohl w&auml;hrend als auch nach der Chemotherapie-Phase limitierend. Insgesamt waren s&auml;mtliche Studien zur Kombination von Docetaxel mit unterschiedlichsten Substanzen negativ, indem sie nicht nur keinen Nutzen, sondern vereinzelt sogar ein k&uuml;rzeres &Uuml;berleben durch die Kombination zeigten (Tab. 1).<br /> Auch der &alpha;-Strahler Radium-223, der im Vergleich zu Placebo ebenfalls zu einer Lebensverl&auml;ngerung f&uuml;hrt, wurde in Kombination mit Enzalutamid (PEACE III) oder Abirateron/Prednison (ERA223) prospektiv untersucht, nicht zuletzt weil retrospektive Daten einen Nutzen erkennen lie&szlig;en. ERA223 wurde 2017 entblindet, weil f&uuml;r die Kombination ein h&ouml;heres Fraktur- und Sterberisiko gesehen wurde, weshalb die Kombination von Radium-223 plus Abirateron/ Prednison obsolet ist. Im Zuge dessen wurde sogar der Zulassungstext dahingehend ge&auml;ndert, dass Radium-223 erst nach zwei vorangegangenen Therapielinien eingesetzt werden kann, obwohl dann die Wahrscheinlichkeit einer Weichteilmetastasierung zunimmt und gar keine Gabe mehr m&ouml;glich ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_a2-tab1.jpg" alt="" width="631" height="405" /></p> <h2>Nicht metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom</h2> <p>Eine spezielle Gruppe von Patienten verdient eine gesonderte Betrachtung. Wenngleich f&uuml;r biochemische Rezidive nach lokaler Therapie eine ADT nicht routinem&auml;&szlig;ig, sondern nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen empfohlen wird, entspricht ihr Einsatz dennoch g&auml;ngiger Praxis, was zur Kastrationsresistenz (steigendes PSA) bei gleichzeitig negativer Standardbildgebung (Skelettszintigramm und CT) f&uuml;hrt. F&uuml;r diese Gruppe von nichtmetastatischen, kastrationsresistenten Patienten (nmCRPC) gab es bis vor Kurzem keine Standardtherapie. Das Argument, man w&uuml;rde mit molekularer Bildgebung (PSMA-PET) ohnehin Metastasen finden, was den Einsatz von Abirateron oder Enzalutamid rechtfertigte, war nie schl&uuml;ssig, weil unklar war, ob solche Patienten von einer Therapie profitieren (bei COU-302 und PREVAIL waren sie n&auml;mlich exkludiert). Mittlerweile gibt es drei prospektive, placebokontrollierte Studien zu dieser Fragestellung: SPARTAN (Apalutamid), PROSPER (Enzalutamid) und ARAMIS (Darolutamid). Das Ergebnis aller drei Studien ist nahezu ident und die fr&uuml;he Therapie eines nmCRPC f&uuml;hrt zu einer signifikanten Verz&ouml;gerung der klinisch nachweisbaren Metastasierung (MFS) von rund zwei Jahren. Die Studien, vor allem SPARTAN, f&ouml;rderten aber auch zwei weitere bemerkenswerte Aspekte zutage. Erstens, die Lokalisation der Metastasen im Progress war gleichm&auml;&szlig;ig zwischen Placebo und aktiver Substanz verteilt, was den Schluss zul&auml;sst, dass die Therapie keinen negativen Selektionsdruck in Richtung einer ung&uuml;nstigen Metastasenlokalisation (z. B. &uuml;berwiegend Weichteile) aus&uuml;bt. Und zweitens, in SPARTAN wurde auch PFS2 (sekund&auml;re Progression nach Folgetherapie) als eigener Endpunkt untersucht und es zeigte sich, dass der positive Effekt der Therapie auch w&auml;hrend der Folgetherapie anh&auml;lt.<br /> Dank der beispielhaften Forschungsinvestitionen seitens der pharmazeutischen Industrie befindet sich eine Vielzahl neuer Substanzen in pr&auml;klinischer oder bereits klinischer Erprobung und die meisten scheinen durchaus vielversprechend. Dies wird unsere therapeutischen M&ouml;glichkeiten zweifelsohne weiter bereichern, ohne jedoch die wesentlichen Fragen &bdquo;welche Sequenz?&ldquo; oder &bdquo;doch kombinieren?&ldquo; zu beantworten. Dies wird Aufgabe der klinischen Forschung bleiben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Delanoy N et al.: Eur Urol Oncol 2018; 1: 467-75 &bull; Fizazi K et al.: N Engl J Med 2019; DOI: 10.1056/NEJMoa1815671 &bull; Halabi S et al.: Am J Clin Oncol 2016; 34(14): 1652-9&bull; Hussain M et al.: N Engl J Med 2018; 378: 2465-74 &bull; James ND et al.: Eur Urol 2015; 67: 1028-38 &bull; Khalaf D et al.: J Clin Oncol 2018; ASCO, Chicago &bull; Smith MR et al.: J Clin Oncol 2013; 31: 3800-6 &bull; Smith MR et al.: N Engl J Med 2018; 378: 1408-18</p> </div> </p>
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