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Paradigmenwechsel in der Brustchirurgie

<p class="article-intro">Nachdem die Brusterhaltungsrate zwischenzeitlich auf bis zu 90 % in einzelnen Jahren gestiegen ist, liegt sie nunmehr international bei 70 % aller Brustkrebsfälle. Insgesamt werden bis zu 35 % der Fälle auch schon onkoplastisch behandelt, also brusterhaltend mit Mastopexien, Reduktionen oder Brustentfernung mit Sofortrekonstruktion. Auch die neoadjuvante Chemotherapie hilft, die Rate an brusterhaltenden Operationen hoch zu halten. Dieser Artikel beleuchtet die letzten Neuerungen auf diesem Gebiet.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Neoadjuvante Chemotherapie kann die Brusterhaltungsrate deutlich erh&ouml;hen und die Reoperationsrate deutlich senken sowie das Ausma&szlig; der axill&auml;ren Operation reduzieren.</li> <li>Es ist onkologisch sicher, in den neuen Grenzen nach neoadjuvanter Chemotherapie zu operieren, ohne dabei das Lokalrezidivrisiko der Patientinnen zu erh&ouml;hen.</li> <li>Eine W&auml;chterlymphknotenentnahme ist auch bei prim&auml;r klinisch positivem, aber nach Chemotherapie negativem Lymphknotenstatus (cN1/ycN0) als Standard anzusehen.</li> <li>M&ouml;glicherweise kann in der Zukunft durch bioptischen Nachweis einer pCR nach Chemotherapie auf die Operation verzichtet werden.</li> <li>Onkoplastik wird nun immer &ouml;fter verwendet und erweitert das Repertoire des Brustchirurgen um eine &auml;sthetisch ansprechende Technik, die onkologisch sicher ist.</li> <li>Die pr&auml;pektorale Implantatrekonstruktion nach einer nippeloder hautsparenden Mastektomie ist immer &ouml;fter die Methode der Wahl, muss aber noch wissenschaftlich weiter erforscht werden.</li> </ul> </div> <h2>Neuerungen f&uuml;r Chirurgen nach der neoadjuvanten Chemotherapie &ndash; weniger ist mehr</h2> <p><strong>Bedeutung des Resektionsrandes nach der Chemotherapie</strong><br /> Im Idealfall f&uuml;hrt eine neoadjuvante Chemotherapie, je nach Immuhistochemie, bei 30&ndash;80 % der Patientinnen zu einer kompletten pathologischen Remission (pCR). Auch durch das Schrumpfen des Tumors kann die Brusterhaltungsrate um &uuml;ber 40 % gesteigert werden,<sup>1</sup> die Notwendigkeit einer Reexzision sinkt um die H&auml;lfte.<sup>2, 3</sup> Aus eigenen, noch nicht publizierten Daten k&ouml;nnen wir belegen, dass das Operieren in den neuen Grenzen, also nach neoadjuvanter Chemotherapie, unabh&auml;ngig vom Resektionsrand, sicher ist, da es keine signifikanten Unterschiede im Lokalrezidivrisiko mit sich bringt.<sup>4, 5</sup><br /> Eine andere, neue Herangehensweise wurde 2015 von Heil et al. in einer Pilotstudie pr&auml;sentiert. Hierbei wurde nach absolvierter Chemotherapie neuerlich eine Biopsie entnommen, um im Falle der Komplettremission auf die OP verzichten zu k&ouml;nnen und die pCR nur mittels Biopsie zu verifizieren. In der oben genannten Studie kam es im Durchschnitt jedoch zu relativ hohen falsch negativen Ergebnissen (47 % ), sodass hier noch keine eindeutige Empfehlung, die Operation als kurativen Ansatz auszulassen, gegeben werden kann (Tab. 1).<sup>6</sup> Vakuumassistierte radiologisch &uuml;berpr&uuml;fte Biopsien zeigen hier aber eine geringere Falsch-negativ-Rate (FNR: 4,4 % ) als normale Stanzbiopsien. Die Effizienz dieses Vorgehens soll nun in zwei gro&szlig;en prospektiven Multicenterstudien (RESPONDER in Deutschland und VISION I in &Ouml;sterreich und der Schweiz) &uuml;berpr&uuml;ft werden.<sup>7</sup></p> <p><strong>Einfluss des Nodalstatus &ndash; ist eine Axilladissektion immer noch notwendig?</strong><br /> Eine partielle oder komplette Remission ist auch eine gute M&ouml;glichkeit, das Ausma&szlig; der axill&auml;ren Operation und somit auch die zu erwartende Morbidit&auml;t einer Axilladissektion zu vermindern. Bei 30&ndash; 40 % der Patientinnen kommt es durch die Chemotherapie zu einer &Auml;nderung des Nodalstatus von cN1 zu ycN0(8). Intraoperativ kann somit bei eindeutiger Identifikation des Sentinellymphknotens von der Axilladissektion abgesehen werden, wenn der W&auml;chterlymphknoten negativ ist. Eine niedrige falsch negative Entdeckungsrate ist durch duale Markierung (Nukleid/ Farbstoff) oder durch das Entfernen mindestens dreier Lymphknoten gesichert.<sup>9&ndash;11</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s59_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1060" /></p> <h2>Die wachsende Rolle der Onkoplastik</h2> <p><strong>Bedeutung</strong><br /> Durch die gezielte Ausbildung von spezialisierten Brustchirurginnen und Brustchirurgen nimmt die Onkoplastik eine immer gr&ouml;&szlig;ere Rolle in der chirurgischen Therapie ein. Sie soll Patientinnen eine Erh&ouml;hung der Brusterhaltungsrate bei gleichzeitig besserer Kosmetik bieten, was wiederum zu einer Lebensqualit&auml;tserh&ouml;hung der betroffenen Patientinnen f&uuml;hren kann. Durch die gr&ouml;&szlig;eren exzidierten Volumina ist zudem seltener eine Nachresektion notwendig, da die R1-Raten stark reduziert sind.<sup>12</sup> Auch bei vorangegangenen R1-Resektionen mit klassischen Operationsmethoden ist oftmals noch ein Operationserfolg dank onkoplastischer Techniken m&ouml;glich. Mittlerweile kann man durch ausf&uuml;hrliche OP-Atlanten Techniken f&uuml;r jede erdenkliche Position des Tumors in den Quadranten der Brust erlernen und so, ohne die nat&uuml;rliche Form einzuschr&auml;nken, bis zu 50 % des Volumens exzidieren.<sup>13</sup> Weiters wurde in mehreren Studien die onkologische Gleichwertigkeit und somit die Sicherheit dieser Techniken bewiesen.<sup>14</sup></p> <p><strong>Weiterbildung &ndash; Vienna Breast Surgery Day</strong><br /> Um diese Techniken zunehmend in den klinischen Alltag zu bringen, gibt es mittlerweile mehrere onkoplastische OP-Kurse in &Ouml;sterreich, einen in Graz, einen in Linz und einen in Wien. Das Hospitieren an den genannten Kliniken ist schon zur Routine geworden, doch es fehlt noch an einem klaren von der Gesellschaft ausgearbeiteten Curriculum f&uuml;r Brustchirurgie. Erw&auml;hnt werden soll an dieser Stelle der am 19. M&auml;rz 2019 im Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universit&auml;t Wien stattfindende 4. Vienna Breast Surgery Day, der sich dieses Jahr dem Thema &bdquo;Oncoplastic surgery from eminence to evidence&ldquo; widmen wird.</p> <h2>Die verschiedenen Arten der Mastektomie und ihre Sofortrekonstruktion</h2> <p><strong>SSM vs. NSM</strong><br /> Die Sofortrekonstruktion geht mit einer subkutanen (SSM) oder nippelsparenden Mastektomie (NSM) einher. Frauen mit kosmetisch ung&uuml;nstiger Brust-Tumor-Relation oder genetisch erh&ouml;htem Risiko kann hiermit eine ebenso &auml;sthetisch wie onkologisch zufriedenstellende Methode der operativen Therapie angeboten werden. Ob man hierbei nippelerhaltend (nipple-sparing mastectomy, NSM) oder nur hauterhaltend (skin-sparing mastectomy, SSM) operiert, macht onkologisch keinen Unterschied,<sup>15</sup> wohl aber gaben Patientinnen mit NSM postoperativ eine deutlich erh&ouml;hte Zufriedenheit an, sowohl in Bezug auf ihr weibliches Selbstbild als auch mit dem Gesamtergebnis (Tab. 2).<sup>16</sup><br /> Zur weiteren Kl&auml;rung der onkologischen Sicherheit und der Frage, wie viel Brustgewebe nach einer SSM oder NSM tats&auml;chlich &uuml;berbleibt, wurden im SKINITrial von Tausch et al. nach der Mastektomie an 10&ndash;14 definierten Stellen Biopsien entnommen. Bei etwa der H&auml;lfte der Patientinnen fand man noch Residualgewebe, davon in ca. 8 % aller Proben. In diesen Proben wurde jedoch nur in 0,2 % noch Karzinomgewebe entdeckt. Durch die adjuvante Therapie scheint es aber zu keinem h&ouml;heren Lokalrezidivrisiko zu kommen verglichen mit herk&ouml;mmlicher Mastektomie.<sup>15</sup></p> <p><strong>Pr&auml;- vs. retropektorale Implantate</strong><br /> Nach der erfolgten Mastektomie stellt sich als N&auml;chstes die Frage, mit welcher Technik die Brust rekonstruiert werden soll. Auf der einen Seite steht hier die aus der Mammaaugmentation wohlbekannte retropektorale Implantationsm&ouml;glichkeit, auf der anderen die &uuml;ber die letzten Jahre wieder beliebter gewordene pr&auml;pektorale und somit anatomisch korrektere Variante. Bei letzterer Methode kommen auch immer mehr azellul&auml;re, dermale Matrizes (ADM) oder diverse Meshes zum Einsatz, um das Implantat zu fixieren und die Rotationen sowie sekund&auml;re Sp&auml;tserome und Asymmetrien zu vermeiden. Zur Kl&auml;rung der Frage, welcher Implantationsort f&uuml;r die Patientinnen der bessere w&auml;re und zu einer h&ouml;heren Lebensqualit&auml;t f&uuml;hrt, werden einige prospektive Vergleichsstudien geplant, unter anderem die OPBC-2-Studie vom Oncoplastic Breast Consortium (oncoplasticbc. org). Ergebnisse hierzu werden in fr&uuml;hestens f&uuml;nf Jahren zu erwarten sein. Durch bisher vorhandene Daten kann gezeigt werden, dass bei pr&auml;pektoraler Lage eine geringe Kontrakturrate von 7,5 % auftritt sowie in 84 % ein gutes bis sehr gutes optisches Ergebnis erzielt werden kann.<sup>17</sup><br /> Zur Wahl der verschiedenen Implantate beziehungsweise ihrer Oberfl&auml;chenbeschaffenheit kann f&uuml;r die mit Polyurethan beschichteten Implantate eine geringe Kontrakturrate berichtet werden.<sup>18</sup> Dies ist m&ouml;glicherweise der im Vergleich zu glatten Silikonimplantaten dicker ausgebildeten Kapsel zuzuschreiben, die zudem weniger Myofibrillen beinhaltet und so auch zu einem geringeren &bdquo;Rippling&ldquo;, sprich sichtbaren Kr&auml;uselungen unter der Haut, bei pr&auml;pektoralen Implantaten f&uuml;hrt.<sup>19</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1901_Weblinks_jatros_onko_1901_s59_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="897" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Golshan M et al.: Ann Surg 2015; 262(3): 434-9 <strong>2</strong> Waljee JF et al.: Ann Surg Onc 2008; 15(5): 1297-303 <strong>3</strong> Landercasper J et al.: Ann Surg Oncol 2017; 24(6): 1507-15 <strong>4</strong> Mieog JS et al.: Br J Surg 2007; 94(10): 1189-200 <strong>5</strong> Fitzal F et al.: Breast Cancer Res Treat 2011; 127(1): 121-8 <strong>6</strong> Heil J et al.: Br J Cancer 2015; 113(11): 1565-70 <strong>7</strong> Heil J et al.: BMC Cancer 2018; 18(1): 851 <strong>8</strong> Alvarado R et al.: Ann Surg Oncol 2012; 19(10): 3177-84 <strong>9</strong> Boileau JF et al.: J Clin Oncol 2015; 33(3): 258-64 <strong>10</strong> Kuehn T et al.: Lancet Oncol 2013; 14(7): 609-18 <strong>11</strong> Boughey JC et al.: Ann Surg 2015; 261(3): 547-52 <strong>12</strong> Losken A et al.: Aesthet Surg J 2014; 34(8): 1185-91 <strong>13</strong> Clough KB et al.: Br J Surg 2012; 99(10): 1389-95 <strong>14</strong> Clough KB et al.: Ann Surg 2018; 268(1): 165-71 <strong>15</strong> Mota BS et al.: Cochrane Database Syst Rev 2016; 11: CD008932 <strong>16</strong> Bailey CR et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 140(2): 219-26 <strong>17</strong> Salibian AH et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 139(1): 30-9 <strong>18</strong> Adams WP et al.: Plast Reconstr Surg 2017; 140(3): 427-31 <strong>19</strong> Bergmann PA et al.: J Plast Reconstr Aesthet Surg 2014; 67(10): 1364-70</p> </div> </p>
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