<p class="article-intro">Am diesjähren ASCO Genitourinary Cancers Symposium in San Francisco wurden mehrere wichtige Studien zum Prostatakarzinom vorgestellt. Insbesondere für die Behandlung von Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom wurden drei grosse Studien, welche den primären Endpunkt erreicht haben, präsentiert: LATITUDE, ARCHES und ARAMIS.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Update der LATITUDE-Studie bestätigt den bereits publizierten Gesamtüberlebensvorteil der Kombination ADT plus Abirateron/Prednison gegenüber ADT alleine.</li> <li>Die Resultate der ARCHES-Studie zeigen einen signifikanten Vorteil im radiografisch progressionsfreien Überleben für die Kombination ADT plus Enzalutamid gegenüber ADT alleine.</li> <li>Die ARAMIS-Studie ist die dritte Studie in der Population von Männern mit M0 CRPC mit einer PSA-Verdoppelungszeit von ≤10 Monaten und zeigt einen signifikanten Vorteil im radiografisch progressionsfreien Überleben für den neuen Androgenrezeptorantagonisten Darolutamid gegenüber Placebo.</li> </ul> </div> <h2>Update LATITUDE-Studie</h2> <p>Im Rahmen der LATITUDE-Studie wurde die zusätzliche Gabe von Abirateron und Prednison zur Behandlung von Patienten mit de novo metastasiertem kastrationsnaivem Prostatakarzinom (mHSPC) untersucht. Eine Interimsanalyse war bereits 2017 publiziert worden.<sup>1</sup> Nun hat Kim Chi die abschliessende Analyse präsentiert. Im Rahmen der LATITUDE-Studie wurden insgesamt 1199 Männer mit einem de novo metastasiertem kastrationsnaivem «High-risk»-Prostatakarzinom (mHSPC; Definition «high-risk» mind. 2 von 3 Kriterien: Gleason Score ≥8 ± ≥3 ossäre Metastasen ± viszerale Metastasen) 1:1 randomisiert zwischen Androgendeprivation (ADT) vs. ADT + Abirateron- Acetat (AA; 1000mg/d) und Prednison (P; 5mg/d). Das Gesamtüberleben konnte im Median um 16,8 Monate verlängert werden durch die zusätzliche Gabe von AA + P (53,3 Monate) verglichen mit der Standardtherapie der ADT (36,5 Monate) mit einer Hazard-Ratio (HR) von 0,66 (95 % Konfidenzintervall [CI]: 0,56–0,78). Auch zeigte sich eine signfikante Verbesserung der sekundären Endpunkte, unter anderem mit einer Verlängerung der Zeit bis zur Schmerzprogredienz (im Median 47,4 Monate vs. 16,6 Monate). Zusätzlich wurden die Patienten gemäss der «Highvolume »-Definition der CHAARTED-Studie untersucht (Definition: viszerale Metastasen ± ≥4 ossäre Metastasen mit ≥1 Metastase ausserhalb der Wirbelsäule). Insgesamt 80 % der «High-risk»-Patienten erfüllten auch die «High-volume»-Kriterien und wiesen ein ähnliches medianes Überleben – 49,7 Monate in der ADT+AA+P-Gruppe vs. 33,3 Monate in der ADT-Gruppe – auf mit einer HR von 0,62 (95 % CI: 0,52–0,74). Bei den 20 % der «High-risk»-Patienten, welche «low-volume » waren (total N=243), war kein statistisch signifikanter Überlebensvorteil zwischen den beiden Gruppen nachweisbar (HR: 0,72; 95 % CI: 0,47–1,10). Die Gruppe der «High-risk»-, aber «Low-volume»-Patienten ist klein und deshalb sind die Daten hier mit Vorsicht zu interpretieren. Die STAMPEDE-Studie hat aber auch «Lowrisk »-Patienten eingeschlossen und mit ADT plus Abirateron behandelt; gemäss Präsentation am ESMO 2018 zeigt sich nach 3 Jahren eine Verbesserung des Gesamtüberlebens im Bereich von absolut 4,4 % (HR: 0,66; 95 % CI: 0,44–0,98) gegenüber ADT allein.<sup>2</sup> <br />Mit der abschliessenden Analyse der LATITUDE-Studie wird nun für Patienten mit einem de novo fortgeschrittenen kastrationsnaiven «High-risk»-Prostatakarzinom die Gabe von ADT + Abirateron + Prednison als mögliche Alternative zur Therapie mit ADT + Docetaxel bekräftigt.</p> <h2>ARCHES-Studie</h2> <p>Die ARCHES-Studie wurde von Andrew Armstrong vorgestellt. Im Rahmen dieser Phase-III-Studie wurden 1150 Patienten mit einem neu metastasierten kastrationsnaiven Prostatakarzinom (mHSPC) 1:1 randomisiert in ADT vs. ADT + Enzalutamid (160mg/d). In der ARCHES-Studie waren Patienten mit «de novo» und auch mit metastasierter Situation nach lokaler Therapie eingeschlossen und es war sogar eine Vorbehandlung mit Docetaxel erlaubt (18 % der Patienten). Bezogen auf den primären Endpunkt radiologisch progressionsfreies Überleben zeigte sich in der Gruppe mit ADT + Enzalutamid eine relevante Reduktion des relativen Risikos von 61 % (HR: 0,39; 95 % CI: 0,3–0,5). Ebenso war eine Verlängerung der Zeit bis zum Beginn einer weiteren antineoplastischen Therapie nachweisbar, mit einer Reduktion des relativen Risikos von 72 % in der ADT+Enzalutamid-Gruppe (HR: 0,28; 95 % CI: 0,2–0,4). Bezogen auf das Gesamtüberleben zeigt sich bei einem medianen Follow-up von 14,4 Monaten noch kein Unterschied (HR: 0,81; 95 % CI: 0,53– 1,25). Unter der Einnahme von Enzalutamid zeigte sich entsprechend dem bekannten Nebenwirkungsprofil ein gehäuftes Auftreten von arterieller Hypertonie (8,6 % vs. 6,3 % ), kognitiver Beeinträchtigung (4,5 % vs. 2,1 % ), Fatigue/Müdigkeit (24,1 % vs. 19,5 % ), Frakturen (6,5 % vs. 4,2 % ) und Stürzen (3,7 % vs 2,6 % ). <br />Die ARCHES-Studie zeigt relevante Aktivität von Enzalutamid in der neu metastasierten Situation in Kombination mit ADT. Eine wichtige Einschränkung ist der zurzeit noch fehlende Nachweis einer Verlängerung des Gesamtüberlebens, wie es für Docetaxel (CHAARTED<sup>3</sup> und STAMPEDE<sup>4</sup>) und Abirateron (LATITUDE<sup>1</sup> und STAMPEDE<sup>5</sup>) bereits gezeigt wurde.</p> <h2>ARAMIS-Studie</h2> <p>Karim Fizazi hat die ersten Ergebnisse der ARAMIS-Studie vorgestellt. Darolutamid, ein neuartiger Androgenrezeptor- Inhibitor, hatte zuvor in Phase-I-<sup>6</sup> und -II<sup>7</sup>-Studien bei Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom eine gute Wirksamkeit, gemessen an PSA-Abfall sowie radiologischer Regression, sowie vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Verträglichkeit demonstriert. Im Rahmen dieser Phase-III-Studie wurden nun 1509 Patienten mit einem nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (M0 CRPC) (mit PSA-Verdoppelungszeit ≤10 Monate und einem PSA ≥2ng/ml) 2:1 randomisiert auf Darolutamid (600mg 2x/d) oder Placebo. Die ADT wurde unverändert weitergeführt. Der primäre Endpunkt war das metastasenfreie Überleben mit einer signifikanten medianen Verlängerung in der Darolutamid- Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe (40,4 Monate vs. 18,4 Monate; HR: 0,41; 95 % CI: 0,34–0,5). Ebenso zeigte sich eine Reduktion des absoluten Risikos der Mortalität nach 3 Jahren von 10 % (HR: 0,71; 95 % CI: 0,50–0,99). Das Sicherheitsprofil von Darolutamid war vergleichbar mit der Placebobehandlung, mit einer ähnlichen Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen (8,9 % vs. 8,7 % ). Ausgewählte Nebenwirkungen von Darolutamid gegenüber Placebo: arterielle Hypertonie (6,6 % vs. 5,2 % ), Fatigue (15,8 % vs. 11,4 % ) und epileptische Anfälle (0,2 % vs. 0,2 % ). <br />Nachdem 2018 gezeigt werden hat können, dass eine Behandlung mit Enzalutamid (PROSPER-Studie<sup>8</sup>) beziehungsweise Apalutamid (SPARTAN-Studie<sup>9</sup>) bei Patienten mit M0 CRPC und einer PSA-Verdoppelungszeit von weniger als 10 Monaten zu einer signifikanten Verlängerung des metastasenfreien Überlebens führt, liegen nun Daten vor, die einen entsprechenden Effekt von Darolutamid beschreiben. Diese Medikamente stellen eine valable Therapieoption für Patienten mit M0 CRPC dar, wobei mit den aktuell zur Verfügung stehenden neuen bildgebenden Methoden diese Entität des Prostatakarzinoms wohl seltener werden wird. Auch ist wichtig zu beachten, dass wahrscheinlich ein relevanter Anteil der in den oben erwähnten Studien eingeschlossenen Patienten keine Prostatektomie als Initialbehandlung hatte (Daten verfügbar für PROSPER-Studie in EMA Filing: Prostatektomie ca. 25 % , Radiotherapie der Prostata ca. 44 % aller Patienten). Der steigende PSA-Wert bei computertomografisch und szintigrafisch fehlendem Metastasennachweis kann also bei einem relevanten Anteil der Patienten auch von der Prostata selbst ausgehen, so dass hier gegebenenfalls eine lokale Therapiemassnahme evaluiert werden könnte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1902_Weblinks_a3-tab1.jpg" alt="" width="1192" height="725" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>Am ASCO GU 2019 wurden Daten präsentiert, welche das Wissen in der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms konsolidieren beziehungsweise erweitern. War bis vor Kurzem in der neu metastasierten kastrationsnaiven Situation (mHSPC) die Androgendeprivation die Standardtherapie, wurde in den letzten Jahren ein Überlebensvorteil durch den frühzeitigen Einsatz einer additiven Therapie nachgewiesen (Tab. 1). Sowohl der Einsatz einer zytotoxischen Therapie mit Docetaxel als auch die Verwendung von Abirateron (CYP17-Inhibitor) bilden valable Therapieoptionen. Für den Einsatz von Enzalutamid (Androgenrezeptorantagonist) liegen vielversprechende Resultate vor, die Daten zum Gesamtüberleben sind aktuell noch ausstehend. Ebenso ist die lokale Radiotherapie der Prostata in der oligometastatischen «Low-volume»-Situation seit neustem eine Therapieoption mit einem Überlebensvorteil.<sup>10</sup> Welche Behandlungsoption nun die «richtige» ist, muss bei jedem Patienten individuell abgewogen werden. Neben dem Allgemeinzustand des Patienten sowie der Risikostratifizierung («low/high-volume» nach CHAARTED, «low/high-risk» nach LATITUDE) sind auch allfällige Medikamenteninteraktionen sowie spezifische Nebenwirkungen zu beachten (Abirateron: Hypokaliämie, Leberfunktionsstörungen, Flüssigkeitsretention und kardiale Nebenwirkungen; Enzalutamid: Fatigue, erhöhtes Risiko für Krampfanfälle, kardiale Nebenwirkungen). <br />Bei Patienten ≥70 Jahre wird zudem vor Therapieeinleitung ein geriatrisches Assessment mit dem einfachen G8-Screening- Tool empfohlen, gefolgt von gegebenenfalls einer vertieften Abklärung.<sup>11</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Fizazi K et al.: N Engl J Med 2017; 377: 352-60 <strong>2</strong> Hoyle A et al.: ESMO 2018; Poster <strong>3</strong> Sweeney C et al.: N Engl J Med 2015; 373: 737-46 <strong>4</strong> James N et al.: Lancet 2016; 387: 1163-77 <strong>5</strong> James N et al.: N Engl J Med 2017; 377: 338-51 <strong>6</strong> Fizazi K et al.: Lancet Oncol 2014; 15(9): 975-85 <strong>7</strong> Fizazi K et al.: Eur Urol Focus 2017; 3(6): 606-14 <strong>8</strong> Hussain M et al.: N Engl J Med 2018; 378: 2465-74 <strong>9</strong> Smith N et al.: N Engl J Med 2018; 378: 1408-18 <strong>10</strong> Parker C et al.: Lancet 2018; 392: 2353-66<strong> 11</strong> Droz et al.: Eur Urol 2017; 72(4): 521-31</p>
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