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Erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom: Was soll man den Betroffenen empfehlen?

<p class="article-intro">In der Schweiz liegt die Inzidenz des Mammakarzinoms aktuell bei ca. 6000 Fällen pro Jahr. Bei 70 bis 80 % handelt es sich um sporadisch auftretende Mammakarzinome ohne erkennbare Einzelursache, bei 15 bis 30 % hingegen liegt eine erbliche Komponente oder familiäre Belastung zugrunde.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Man geht heutzutage davon aus, dass 5 bis 10 % aller Mammakarzinome eine genetische Ursache im Sinne eines vererbbaren Gendefekts haben. Die H&auml;lfte dieser heredit&auml;ren Mammakarzinome werden durch Defekte in den Genen BRCA1 oder BRCA2 verursacht. Weitere ca. 20 bis 30 % entstehen auf dem Boden von Gendefekten in weiteren hochpenetranten Risikogenen wie TP53, PTEN, STK11, CDH1 und PALPB2 oder in moderaten Risikogenen wie ATM, CHEK2, BARD1, NF1 und NBN.<br /> Es ist davon auszugehen, dass bei etwa 20 % der genetisch bedingten Mammakarzinome derzeit noch nicht identifizierte Genver&auml;nderungen vorliegen.<br /> Neben diesen hoch und moderat penetranten Brustkrebsgenen existiert auch noch eine Vielzahl an Niedrigrisikogenen, die das Brustkrebsrisiko modulieren und im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren entsprechend erh&ouml;hen k&ouml;nnen (Tab. 1).<br /> Auch ohne Nachweis eines Gendefekts kann in Familien mit einer H&auml;ufung an Brustkrebsf&auml;llen von einer famili&auml;ren Belastung ausgegangen werden, deren Ursache sowohl epigenetische als auch umweltassoziierte Faktoren umfasst. Im Rahmen einer genetischen Beratung und unter Einsatz von computerbasierten Risikoberechnungsmodellen ist es m&ouml;glich, f&uuml;r Ratsuchende das Lebenszeitrisiko abzusch&auml;tzen und damit Empfehlungen f&uuml;r die Fr&uuml;herkennung abzugeben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1901_Weblinks_lo_gyn_s20_tab1.jpg" alt="" width="400" height="517" /></p> <h2>Wer sind die &bdquo;Hochrisiko&ldquo;-Frauen?</h2> <p>Ein hohes Brustkrebsrisiko ist definiert als ein Lebenszeitrisiko von 30 % und mehr. Dieses Risiko sollte mit computerbasierten Risikoberechnungsprogrammen (z.B. IBIS, BOADICEA) kalkuliert und dokumentiert werden.<br /> In diese Hochrisiko-Kategorie fallen Frauen mit einer bekannten BRCA1/2- Mutation oder mit bekannter Genmutation in einem anderen hochpenetranten Gen (TP53, STK11, CDH1, PTEN, PALB2). Aber auch Frauen mit stark positiver Familienanamnese ohne Nachweis einer Genmutation und einem berechneten verbleibenden Lebenszeitrisiko von 30 % und mehr geh&ouml;ren dazu. Ebenso z&auml;hlen Frauen mit einer Genmutation in einem als &bdquo;moderat penetrant&ldquo; klassifizierten Gen (wie CHEK2 oder ATM) dazu, da hier aufgrund der Seltenheit der Mutationen das Risikolevel noch nicht klar definiert ist.<br /> In die Hochrisiko-Kategorie fallen auch Frauen nach Thoraxwandbestrahlung in der Kindheit oder Jugend.<sup>1</sup><br /> Frauen mit einer positiven Familienanamnese und einem Lebenszeitrisiko zwischen 17 und 29 % geh&ouml;ren zur Gruppe mit einem moderat erh&ouml;hten Brustkrebsrisiko.</p> <h2>Genetische Beratung</h2> <p>Der erste Schritt bei Verdacht auf ein erh&ouml;htes Brustkrebsrisiko in der Familie ist die Durchf&uuml;hrung einer genetischen Beratung. Zur Absch&auml;tzung des Risikos dient die Stammbaumanalyse. Auch kommen hier verschiedene Risikoberechnungsmodelle zum Einsatz. Bei Vorliegen definierter Risikokonstellationen kann eine genetische Testung durchgef&uuml;hrt werden (Tab. 2), wobei heutzutage neben der reinen BRCA1/2-Testung mehr und mehr Panel-Testungen zum Einsatz kommen, in denen &ndash; je nach Anbieter &ndash; eine Vielzahl von Brust- oder auch Eierstockkrebs- assoziierten Genen getestet werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1901_Weblinks_lo_gyn_s21_tab2.jpg" alt="" width="550" height="716" /></p> <h2>Besonderheiten BRCA-assoziierter Mammakarzinome</h2> <p>Beim Vorliegen einer BRCA1-Mutation steigt das Lebenszeitrisiko f&uuml;r das Auftreten eines Mammakarzinoms auf 65&ndash;85 % und eines Ovarialkarzinoms auf ca. 40 % . Das Lebenszeitrisiko bei einer BRCA2- Mutation liegt f&uuml;r das Mammakarzinom bei bis zu 45 % und f&uuml;r das Ovarialkarzinom bei 10&ndash;15 % . Etwa die H&auml;lfte der Karzinome tritt bereits vor dem 50. Lebensjahr auf.<br /> BRCA1- und -2-assoziierte Mammakarzinome haben ein schnelleres Wachstum als sporadische Mammakarzinome. Dabei wachsen BRCA1-Tumoren wiederum schneller als BRCA2-Karzinome. Die im Modell gesch&auml;tzte pr&auml;klinische Phase bis zur klinischen Detektion des Karzinoms betr&auml;gt f&uuml;r BRCA1-assoziierte Karzinome 1&ndash;4 Jahre, f&uuml;r solche auf dem Boden einer BRCA2-Mutation 2&ndash;7 Jahre.<sup>2</sup><br /> Die BRCA1-assoziierten Mammakarzinome sind typischerweise tripelnegativ. Sie zeigen in der Mammografie in der Regel keine Mikroverkalkungen und &auml;hneln in der Bildgebung benignen Tumoren, wie Fibroadenomen. Aufgrund ihres relativ schnellen Wachstums findet man bei BRCA1-assoziierten Mammakarzinomen h&auml;ufiger Intervallkarzinome als bei BRCA2-Mutationen.<br /> Im Gegensatz dazu verhalten sich BRCA2-assoziierte Mammakarzinome sowohl bez&uuml;glich der Histologie als auch der Bildgebung wie sporadische Karzinome und gehen typischerweise mit Mikrokalk einher.</p> <h2>Konsequenzen bei Nachweis eines hohen Brustkrebsrisikos</h2> <p>F&uuml;r Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko werden einerseits intensivierte Fr&uuml;herkennungsmassnahmen empfohlen, andererseits sollten auch prophylaktische Operationen diskutiert werden.<br /> Zu den empfohlenen Fr&uuml;herkennungsmassnahmen geh&ouml;ren j&auml;hrlich die &auml;rztliche Tastuntersuchung ab dem (20.&ndash;) 25. Lebensjahr, die Mammografie ab dem 30. Lebensjahr und das Mamma-MRI. Dieses wird bei BRCA-Mutations-Tr&auml;gerinnen ab dem 25., bei p53-Mutations-Tr&auml;gerinnen ab dem 20. und bei PTEN-Mutations-Tr&auml;gerinnen ab dem 30. Lebensjahr empfohlen (NCCN Guidelines, NICE Clinical Guideline). Bei Vorliegen einer p53-Mutation sollten keine Mammografien durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Frauen nach Thoraxwandbestrahlung in Kindheit oder Jugend sollten ab 8 bis 10 Jahre nach der Therapie (jedoch nicht vor dem 25. Lebensjahr) j&auml;hrlich einer MRI sowie ab dem 30. Lebensjahr j&auml;hrlich einer Mammografie unterzogen werden.<br /> In einer Studie von Phi et al.<sup>3</sup> wurde bei BRCA-Mutations-Tr&auml;gerinnen untersucht, wie viele weitere Mammakarzinome durch den Einsatz der Mammografie zus&auml;tzlich zum Mamma-MRI gefunden wurden. Dieser Anteil war bei BRCA1-Mutations-Tr&auml;gerinnen unter 40 Jahren gering (3 zus&auml;tzliche Mammakarzinome durch Zusatz der Mammografie von insgesamt 46 detektierten Mammakarzinomen). Bei BRCA2- Mutations-Tr&auml;gerinnen unter 40 Jahren war der Beitrag der Mammografie h&ouml;her, mit sechs nur in der Mammografie detektierten Karzinomen bei insgesamt 18 diagnostizierten. Damit erwies sich die zus&auml;tzliche Screening-Sensitivit&auml;t durch die Mammografie (&uuml;ber das Mamma-MRI hinaus) bei BRCA1-Mutations-Tr&auml;gerinnen als limitiert. Jedoch erh&ouml;hte die Mammografie die Screening-Sensitivit&auml;t bei BRCA2- Mutations-Tr&auml;gerinnen. Daher ist es sicher denkbar, das Screening individuell an den jeweiligen Mutationsstatus anzupassen.<br /> Durch die Fr&uuml;herkennungsmassnahmen k&ouml;nnen Mammakarzinome im Risikokollektiv fr&uuml;hzeitig erkannt werden. Dar&uuml;ber hinaus belegen neuere Daten in der Gruppe der BRCA-Mutations-Tr&auml;gerinnen inzwischen auch eine Verl&auml;ngerung der metastasierungsfreien Zeit und eine (noch nicht signifikante) Mortalit&auml;tsreduktion.<sup>4</sup><br /> Effektive Fr&uuml;herkennungsmassnahmen f&uuml;r das Ovarialkarzinom existieren nicht. Aufgrund fehlender Alternativen kann man der Ratsuchenden eine gyn&auml;kologische Untersuchung und Transvaginalsonografie alle 6&ndash;12 Monate ab dem 30.&ndash;35. Lebensjahr empfehlen.</p> <h2>Prophylaktische Operationen</h2> <p>Bei BRCA-Mutationen f&uuml;hrt die bilaterale risikoreduzierende Mastektomie zu einer Reduktion des Brustkrebsrisikos um 95 % und damit zur Senkung des Erkrankungsrisikos unter das Risiko in der Allgemeinbev&ouml;lkerung. Die Brustkrebs-spezifische Letalit&auml;t wird um 90 % reduziert. Abgesehen von BRCA1/BRCA2-Mutationen liegen keine bzw. ungen&uuml;gende Daten f&uuml;r einen Benefit der prophylaktischen Mastektomie vor. Deshalb kann hier keine generelle Empfehlung abgegeben werden. In einer individuellen Beratung muss sowohl der vorliegende Gendefekt als auch die Familienanamnese betrachtet werden.<br /> Ebenso ist es mit guter Evidenz belegt, dass bei Frauen mit BRCA-Mutation die prophylaktische Salpingoophorektomie zu einer Reduktion des Ovarialkarzinomrisikos um 97 % und einer Reduktion der Gesamtmortalit&auml;t um 75 % f&uuml;hrt. Sie wird ab dem 40. Lebensjahr und nach abgeschlossener Familienplanung empfohlen.</p> <h2>Konsequenzen bei moderatem Brustkrebsrisiko</h2> <p>Wenn sich aufgrund der Familienanamnese oder auch der eigenen Anamnese Hinweise auf ein moderat erh&ouml;htes Risiko (17&ndash;29 % Lebenszeitrisiko) ergeben (z.B. wenn eine Verwandte 1. Grades an Brustkrebs erkrankt ist), dann sollte diesen Frauen die j&auml;hrliche Mammografie ab dem 40. Lebensjahr empfohlen werden. Die Brustdichte selbst muss auch als Risikofaktor gesehen werden. Zum einen kann sie die Genauigkeit der Mammografie reduzieren, da Befunde &bdquo;maskiert&ldquo; werden. Zum anderen hat sich die Brustdichte auch als unabh&auml;ngiger Risikofaktor erwiesen: So lag das relative Risiko bei Brustdichte ACR D im Vergleich mit ACR A bei 4,64 und bei ACR C vs. ACR A bei 2,92.<sup>5</sup> Im Falle einer hohen Brustdichte (ACR C und D) sollte daher die Mammasonografie zus&auml;tzlich zur Mammografie zum Einsatz kommen. Weitere Methoden, wie die Tomosynthese oder das MRI, k&ouml;nnen ebenfalls die Detektionsrate bei hoher Brustdichte verbessern.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Bei Vorhandensein von Risikokonstellationen sollten eine genetische Beratung und gegebenenfalls eine genetische Testung erfolgen. Bei Mutationsnachweis oder auch bei Hochrisikokonstellation ohne Mutation sind intensivierte Fr&uuml;herkennungsmassnahmen zu empfehlen. Der Benefit prophylaktischer Operationen ist f&uuml;r BRCA1/2-Mutationen nachgewiesen. Bei anderen Mutationen ist der potenzielle Nutzen weiterhin unklar und muss unter Abw&auml;gung der Risiken individuell diskutiert werden.<br /> Auch ohne Familienanamnese muss Frauen nach Thoraxwandbestrahlung in Kindheit oder Jugend unbedingt eine intensivierte Fr&uuml;herkennung empfohlen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mulder RL et al.: International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group. Recommendations for breast cancer surveillance for female survivors of childhood, adolescent, and young adult cancer given chest radiation: a report from the International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group. Lancet Oncol 2013; 14(13): e621-9 <strong>2</strong> Heijnsdijk EA et al.: Differences in natural history between breast cancers in BRCA1 and BRCA2 mutation carriers and effects of MRI screening-MRISC, MARIBS, and Canadian studies combined. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2012; 21(9): 1458-68 <strong>3</strong> Phi XA et al.: Contribution of mammography to MRI screening in BRCA mutation carriers by BRCA status and age: individual patient data meta-analysis. Br J Cancer 2016; 114(6): 631-7 <strong>4</strong> Saadatmand S et al.: Survival benefit in women with BRCA1 mutation or familial risk in the MRI screening study (MRISC). Int J Cancer 2015; 137(7): 1729-38 <strong>5</strong> Lee CI et al.: Risk-based breast cancer screening: implications of breast density. Med Clin North Am 2017; 101(4): 725-41</p> </div> </p>
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