<p class="article-intro">Sexualität ist ein essenzieller Bestandteil der Lebensqualität und Gesundheit. Bis zu 80 % der männlichen Diabetiker leiden an einer Sexualfunktionsstörung. Die Urologin ist häufig die erste Anlaufstelle für sexuelle Probleme und sollte gerade bei Diabetikern die erektile Dysfunktion als Warnsignal für eine koronare Herzkrankheit deuten und eine kardiologische Abklärung veranlassen. Durch optimale urologische Betreuung in Kombination mit antidiabetischer Therapie und Lifestyle-Modifikation wird neben dem Diabetes auch die erektile Dysfunktion therapiert.</p>
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<p class="article-content"><h2>Arten der Sexualfunktionsstörungen bei männlichen Diabetikern</h2> <p>Die Prävalenz der Sexualfunktionsstörungen bei Männern mit Diabetes ist in Tabelle 1 ersichtlich. Es konnte gezeigt werden, dass das Risiko, eine erektile Dysfunktion (ED) zu entwickeln, für Diabetiker 2- bis 3-fach erhöht ist und die ED zusätzlich einen unabhängigen Risikofaktor für eine koronare Herzkrankheit (KHK) darstellt. Mit 60–80 %iger Wahrscheinlichkeit kann die ED in drei bis fünf Jahren zu einer KHK führen. Das ist besonders für Diabetiker, die aufgrund der diabetischen Neuropathie oft einen „stillen Herzinfarkt“ erleiden, gefährlich. Daher sollten Diabetiker mit einer ED kardiologisch abgeklärt werden (= Alarmsignal).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_a3.jpg" alt="" width="866" height="355" /></p> <h2>Entstehung der erektilen Dysfunktion</h2> <p>Bei der diabetischen Vaskulopathie wird zwischen Makroangiopathie, Mikroangiopathie und endothelialer Dysfunktion unterschieden. Durch die Makroangiopathie kann der zentrale Blutfluss in die Arteria dorsalis pedis eingeschränkt sein. Die Mikroangiopathie verursacht sowohl die somatische als auch die autonome Neuropathie: Es kommt zur Beeinträchtigung der Leitung der sensorischen Impulse aus dem Penis in die reflexogenen Zentren des Sakral- und Lendenmarks. Zusätzlich kann durch die fehlende Aktivität des Parasympathikus, der für die Erschlaffung der glatten Muskulatur des Corpus cavernosum verantwortlich ist, keine Blutfüllung der Schwellkörper erfolgen. Durch den bei 25 % der Diabetespatienten bestehenden Testosteronmangel ist zusätzlich die Stickstoffmonoxid(NO)- Freisetzung gestört, was ebenfalls die Erschlaffung der glatten Muskelzellen verhindert und zusätzlich die Endothelfunktion gemeinsam mit Insulinresistenz und viszeraler Obesity stört und zur endothelialen Dysfunktion führt. Folgende Mechanismen sind für den Testosteronmangel beim Diabetes verantwortlich: niedrige SHBG-Spiegel, erhöhte Aromataseaktivität, die Testosteron in Östrogen umwandelt, und vermindertes LH und FSH wegen chronischer Inflammation und Leptinresistenz.</p> <h2>Diagnostik und Management</h2> <p>Die Sexualfunktion sollte aktiv von der Urologin angesprochen werden. Mit dem PLISSIT-Modell wird die Erlaubnis („permission“) eingeholt, über Sexualität zu sprechen, wie z. B.: „Viele Diabetiker leiden unter sexuellen Problemen, ist das für Sie auch ein Thema?“ In weiterer Folge werden begrenzte Informationen („limited information“) über physiologische und pathophysiologische Vorgänge gegeben, wie z. B.: „Hoher Blutzucker kann ihre Gefäße angreifen und so zu einer Erektionsstörung führen.“ Durch konkrete Vorschläge („specific suggestions“) wird auf die Beschwerden des Patienten eingegangen, wie z. B.: „Bei guter Stoffwechsellage und regelmäßigem Sport verbessert sich Ihre Erektionsfähigkeit.“ Dies sollte immer zusätzlich zu einer pharmakologischen Therapie empfohlen werden: „Viagra wirkt besser, wenn Ihr Testosteronspiegel im Normbereich ist.“ <br />Eine intensive Therapie mit Sexualtherapie, Verhaltenstherapie oder Psychotherapie kann nötig sein, wenn psychologische oder partnerschaftliche Konflikte im Vordergrund stehen.</p> <p><strong>Interdisziplinäre Therapie der Erektionsstörung durch konsequente glykämische Kontrolle und Lebensstiladaptation</strong><br /> Änderungen des Lebensstils mit vermehrter körperlicher Aktivität und einer mediterranen Diät mit reduzierter Kalorienzufuhr verbessern die Erektionsfähigkeit. In der Look-AHEAD (Action for Health in Diabetes)-Studie konnte bei 360 übergewichtigen Diabetikern ein Jahr nach Studienbeginn in der intensivierten Lifestyle-Gruppe eine verminderte Verschlechterung der ED (bei 8 %) festgestellt werden. Im Gegensatz dazu verschlechterte sich die ED in der Kontrollgruppe ohne Lebensstiländerung bei 22 % der Patienten.</p> <p><strong>Therapie durch Medikamentenwechsel</strong><br /> Da eine Vielzahl von Medikamenten (z. B. einige Antidepressiva, Antihypertensiva, Spironolacton oder Diuretika) ED mitverursachen kann, kann ein Wechsel auf ein anderes Präparat sinnvoll sein.</p> <p><strong>Pharmakologische Therapien</strong><br /> Orale PDE-5-Inhibitoren sind die First- Line-Therapie für die ED. Die Erektion wird durch Hemmung von PDE-5, einem Enzym, das für den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) der glatten Muskulatur im Schwellkörper verantwortlich ist, verbessert. Die PDE-5-Hemmung führt zur verlängerten Aktivität von cGMP und so zur Relaxation der glatten Muskulatur und damit zur Füllung der Schwellkörper und zur Erektion. Obwohl bei Diabetes die Ansprechbarkeit auf PDE- 5-Hemmer durch die verminderte NOVerfügbarkeit und den Testosteronmangel verhindert ist, ist die Wirksamkeit dieser Substanzklasse bei Diabetikern gut erprobt und sollte nach kardiologischer Abklärung empfohlen werden (Princeton-IIIKonsensus). Bei „symptomatischen“ Patienten mit niedrigem Testosteronspiegel ohne aktuellen Kinderwunsch oder bestehendes Prostatakarzinom sollte eine Testosteronersatztherapie zum Einsatz kommen, wobei neben NO-Verfügbarkeit im Schwellkörper (wichtig für die Erektion) auch die metabolische Situation durch Testosteron deutlich verbessert wird. Intrakavernöse Injektionen von Papaverin, Phentolamin und Prostaglandin E1 (PGE1) und intraurethrale Verabreichung von PGE1 werden nach Einschulung durch die Urologin angewendet und sind gute Alternativen bei PDE-5-Hemmer-Non- Respondern.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die erektile Dysfunktion bei Diabetikern ist eine Erkrankung mit pandemischer Ausbreitung und wird 2025 über 300 Millionen Männer weltweit betreffen. Sie stellt einen kardiologischen Risikofaktor dar, der abgeklärt werden muss. Durch die Optimierung der Stoffwechsellage und durch die Lifestyle-Modifikation wird nicht nur der Diabetes therapiert, sondern auch die Testosteronsynthese angeregt und die Erektionsfähigkeit verbessert. In einem interdisziplinären Setting kann durch die Erhaltung oder Wiederherstellung der Sexualfunktion auch eine bessere Diabeteseinstellung bewirkt werden.</p></p>
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<p>bei der Verfasserin</p>
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