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Neues und Altbewährtes zur Gicht

<p class="article-intro">Schlemmen und Trinken sind nicht die alleinige Ursache für die Gicht. Diese neue Erkenntnis schlägt sich auch bereits in der Therapie nieder. PD Dr. med. Anne-Kathrin Tausche, Leiterin der Gichtsprechstunde an der Universitätsklinik in Dresden, präsentierte bei der Jahresversammlung der SGR und SGAI in Interlaken die aktuellen Behandlungsempfehlungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>W&auml;hrend die Anzahl der Hospitalisationen wegen rheumatoider Arthritis seit 1993 aufgrund verbesserter Therapien kontinuierlich zur&uuml;ckgegangen ist, steigt die Rate der station&auml;ren Aufenthalte wegen einer Gicht, wie eine US-Studie zeigt (Abb. 1).<sup>1</sup> Neben Schlemmen und Trinken sind genetische Gr&uuml;nde eine wesentliche Ursache f&uuml;r die metabolische Krankheit. &laquo;In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass unter anderem Defekte an verschiedenen Urat-Transportern das Risiko f&uuml;r eine Hyperurik&auml;mie und somit auch f&uuml;r die Gicht erh&ouml;hen&raquo;, erkl&auml;rte Dr. Tausche. Dementsprechend scheiden Patienten weniger Harns&auml;ure &uuml;ber ihre Nieren aus. Ein weiterer Grund f&uuml;r die Zunahme der Gicht ist gem&auml;ss Ausf&uuml;hrungen der Rheumatologin die demografische Entwicklung. Je mehr Menschen &auml;lter werden, umso h&auml;ufiger ist auch die Niereninsuffizienz in der Bev&ouml;lkerung.<sup>2</sup> &laquo;Bereits eine mittelstarke Nierenschw&auml;che erh&ouml;ht das Gichtrisiko um den Faktor 6&raquo;, so die Expertin. Aber auch Medikamente, wie Diuretika, niedrig dosierte ASS oder Betablocker, verschlechtern die renale Harns&auml;ureausscheidung und k&ouml;nnen so zur Entstehung einer Gicht beitragen.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_a4-abb1.jpg" alt="" width="1190" height="633" /></p> <h2>Gelenkpunktion bei atypischer Pr&auml;sentation</h2> <p>Typisch f&uuml;r die Erstmanifestation der Gicht ist der akute Anfall im Grosszehengelenk. Erfolgt dann keine harns&auml;uresenkende Therapie, kann sich die Gicht jedoch in der Regel als Monarthritis an verschiedenen Gelenken manifestieren. Harns&auml;urekristalle k&ouml;nnen sich aber auch in anderen Geweben ablagern. Beispielsweise bestehen Berichte &uuml;ber Harns&auml;ureablagerungen im Auge, am Kehlkopf oder sogar in soliden Organen.<sup>4</sup> <br />F&uuml;r die Diagnose des Gichtanfalls gen&uuml;gt nach den deutschen Guidelines der DGRh die typische Klinik der heftig schmerzenden, ger&ouml;teten Monarthritis zumeist im ersten Metatarsophalangealgelenk.<sup>5</sup> Aus den Niederlanden liegt f&uuml;r die Validierung der klinischen Charakteristika ein praktisches Diagnostik-Tool vor.<sup>6</sup> Nach diesem Punktescore steigt die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r eine Gicht, je mehr der folgenden Kriterien zutreffen: m&auml;nnliches Geschlecht, eine fr&uuml;here anfallartige Arthritis, Beginn der Schmerzen innerhalb eines Tages, Hautr&ouml;tung &uuml;ber dem Gelenk, kardiovaskul&auml;re Risikofaktoren wie z. B. eine Hypertonie oder eine KHK sowie ein Serum-Harns&auml;urewert &uuml;ber 350 &mu;mol/l. <br />Bei atypischer Pr&auml;sentation empfehlen die DGRh-Leitlinien eine Gelenkpunktation durch einen Rheumatologen. Ist eine septische Arthritis ausgeschlossen, steht die Diagnose Gicht, wenn im Mikroskop die typischen Harns&auml;urekristalle nachgewiesen werden k&ouml;nnen. &laquo;Die Forschung konnte in den letzten Jahren zeigen, dass diese Kristalle eine Autoinflammation induzieren &raquo;, f&uuml;hrte Dr. Tausche aus. Die Harns&auml;urekristalle l&ouml;sen &uuml;ber die &laquo;Toll-like &raquo;-Rezeptoren auf den Granulozyten ein Signal aus, das intrazellul&auml;r zur Bildung von Inflammasomen f&uuml;hrt. Diese Komplexe setzen IL-1-&beta; frei, was schliesslich den Gichtanfall ausl&ouml;st.</p> <h2>Massnahmen bei akutem Gichtanfall</h2> <p>Der Gichtanfall wird symptomatisch behandelt. &laquo;Nach den deutschen Leitlinien gilt neben Allgemeinmassnahmen, wie z. B. K&uuml;hlen und Hochlagern, als erste medikament&ouml;se Option die Gabe von NSAR in der jeweiligen Tagesmaximaldosis&raquo;, erkl&auml;rt Tausche. Colchicin sollte wegen der Nebenwirkungen und Toxizit&auml;t nur in einer niedrigen Dosierung verschrieben werden.<sup>7</sup> &laquo;Die Gabe von 0,5 mg drei- bis viermal t&auml;glich hat bereits eine gute Wirkung auf den Gichtanfall, ist sicher und gut vertr&auml;glich &raquo;, so Tausche. Mit Glukokortikoiden behandelt werden Patienten mit Niereninsuffizienz oder wenn andere Medikamente nicht vertragen werden.<sup>8</sup> &laquo;Wichtig ist, rasch zu therapieren, wenn die Entz&uuml;ndungsreaktionen noch nicht auf Hochtouren laufen.&raquo; Die initiale Dosierung betr&auml;gt 30 mg/Tag Prednisolon&auml;quivalent und wird t&auml;glich um 10 mg reduziert (3 Tage Therapiedauer bei einem unkomplizierten Anfall). <br />Versagen alle erw&auml;hnten Optionen, ist die einmalige subkutane Gabe von 150 mg Canakinumab indiziert. Diese Substanz darf allerdings nur nach Ausschluss von floriden Infektionen und zusammen mit einer beginnenden uratreduzierenden Therapie gegeben werden.</p> <h2>&Auml;hnliche Empfehlungen von EULAR und DGRh</h2> <p>Eine harns&auml;uresenkende Therapie ist gem&auml;ss Guidelines nur bei einer Hyperurik&auml;mie mit klinischer Manifestation (= Gicht) indiziert.<sup>5, 9</sup> Die Behandlungsbasis bildet zuerst eine purinarme Di&auml;t nach dem Motto &laquo;von allem etwas weniger&raquo;. Bringen die Ern&auml;hrungsmassnahmen allein nichts, dann empfehlen DGRh und EULAR, nach dem ersten sicheren Gichtanfall eine Therapie mit einem Xanthinoxidase- Inhibitor zu beginnen. Die erste Therapiewahl ist die Xanthinoxidase-Inhibition mit Allopurinol oder Febuxostat. &laquo;F&uuml;r beide Substanzen gilt: niedrig starten und langsam auftitrieren&raquo;, sagte Dr. Tausche. Ziel ist es, die Harns&auml;ure auf unter 360 &mu;mol/l (&lt; 6 mg/dl) zu senken; wenn Tophi bestehen, auch auf unter 300 &mu;mol/l (&lt; 5 mg/dl). <br />&laquo;In der Praxis ist es wichtig, den Harns&auml;urespiegel langfristig auf unter 360 &mu;mol/l zu reduzieren, damit sich die Harns&auml;ureablagerungen aufl&ouml;sen&raquo;, so Tausche. Zu beachten ist auch, dass Allopurinol und Febuxostat nicht zusammen mit Azathioprin gegeben werden d&uuml;rfen.</p> <h2>Neuen Gichtanf&auml;llen vorbeugen</h2> <p>&laquo;Beim Start einer harns&auml;uresenkenden Therapie ist es wichtig, dem Patienten zus&auml;tzlich eine Gichtanfallprophylaxe mit niedrig dosierten NSAR oder Colchicin 0,5 mg ein- bis zweimal t&auml;glich zu geben&raquo;, betonte die Expertin. Denn das L&ouml;sen der Harns&auml;urekristall-Depots provoziere oft Gichtanf&auml;lle. Die Leitlinien empfehlen ausserdem, die Serum-Harns&auml;ure regelm&auml;ssig zu kontrollieren und andere metabolische Krankheiten und Komorbidit&auml;ten mit zu behandeln. In der zweiten Therapielinie kommen Urikosurika in Kombination mit Allopurinol oder Febuxostat zum Einsatz. In der Schweiz war bisher nur Probenecid verf&uuml;gbar. F&uuml;r die Kombination mit dem Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol ist seit 2017 mit Lesinurad nun auch ein selektiver Urat-Transporter-Hemmer mit einer guten Datenlage zur effektiven Harns&auml;uresenkung bei Gichtpatienten zugelassen.<sub>10</sub></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGAI/SGR Joint Annual Meeting, 30.–31. August 2018, Interlaken </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lim YL et al.: Trends in gout and rheumatoid arthritis hospitalizations in the United States, 1993-2011. JAMA 2016; 315(21): 2345-7 <strong>2</strong> Krishnan E: Reduced glomerular function and prevalence of gout. NHANES 2009-10. PLoS One 2012; 7(11): e50046<strong> 3</strong> Bruderer S et al.: General practice research database-case control study on the use of diuretics and risk of incidence of gout. Arthritis Rheumatol 2014; 66(1): 185-96<strong> 4</strong> Tausche AK et al.: Gout as a systemic disease. Manifestations, complications and comorbidities of hyperuricaemia. Z Rheumatol 2012; 71: 224-30 <strong>5</strong> Kiltz U et al.: Treat-to-target (T2T) recommendations for gout. Ann Rheum Dis 2017; 76(4): 632-63 <strong>6</strong> Kienhorst LB et al.: The validation of a diagnostic rule for gout without joint fluid analysis: a prospective study. Rheumatology 2015; 54(4): 609-14 <strong>7</strong> Terkeltaub RA et al.: High versus low dosing of oral colchicine for early acute gout flare: twentyfour- hour outcome of the first multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, dosecomparison colchicine study. Arthritis Rheum 2010; 62(4): 1060-108 <strong>8</strong> Janssen HJ et al.: Use of oral prednisolone or naproxen for the treatment of gout arthritis: a doubleblind, randomised equivalence trial. Lancet 2008; 371(9627): 1854-60 <strong>9</strong> Richette P et al.: 2016 updated EULAR evidence-based recommendations for the management of gout. Ann Rheum Dis 2017; 76(1): 29-42<strong> 10</strong> Jansen TL et al.: International position paper on the appropriate use of uricosurics with the introduction of lesinurad. Clin Rheumatol 2018; 37(12): 3159-65</p> </div> </p>
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