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Biologika und Malignomrisiko

<p class="article-intro">«Malignome und immunsuppressive Therapien» ist ein Thema, das Ärzte und Patienten stark beschäftigt. Welche Medikamente dürfen Patienten mit einer entzündlichen Systemerkrankung wie rheumatoider Arthritis (RA) und einer Tumorerkrankung bekommen, welche eher nicht? Bei der gemeinsamen Jahrestagung von SGR und SGAI präsentierte dazu Prof. Dr. med. Andrea Rubbert-Roth aus St. Gallen einige Studiendaten und Empfehlungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Durch die Unterdr&uuml;ckung des Immunsystems k&ouml;nnte theoretisch die Immun&uuml;berwachung geschw&auml;cht und somit das Krebsrisiko erh&ouml;ht werden. Prinzipiell ist es jedoch auch denkbar, dass Immunsuppression und niedrige Krankheitsaktivit&auml;t die Malignomentstehung indirekt hemmen. Solche &Uuml;berlegungen f&uuml;hren immer wieder zu Diskussionen &uuml;ber Biologika und das Malignomrisiko. &laquo;Aus randomisierten placebokontrollierten Studien und Registerdatenanalysen existieren etliche Sicherheitsdaten. Diese lassen einige praxisrelevante Schl&uuml;sse, nicht aber eine abschliessende Beurteilung des Themas zu&raquo;, sagte Prof. Rubbert-Roth.</p> <h2>Die Grunderkrankung erh&ouml;ht das Krebsrisiko</h2> <p>Fest steht: Die rheumatische Grunderkrankung erh&ouml;ht per se die Wahrscheinlichkeit, ein Malignom zu entwickeln. Nach einer britischen Registerdatenstudie ist beispielsweise das Bronchialkarzinomrisiko bei RA-Patienten im Vergleich zur Normalbev&ouml;lkerung allein durch die Grunderkrankung um den Faktor 28 erh&ouml;ht.<sup>1</sup> Eine Assoziation zur Biologikatherapie wurde nicht festgestellt. Auch in einer eigenen Metaanalyse konnte Prof. Rubbert-Roth keinen Hinweis darauf finden, dass Biologika das Malignomrisiko bei seropositiven Patienten erh&ouml;hen.<sup>2</sup> <br />RA-Patienten haben nicht nur ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r das Bronchialkarzinom, sondern auch f&uuml;r andere Tumoren wie zum Beispiel das Lymphom. Haupttreiber ist die chronische Entz&uuml;ndung.<sup>3, 4</sup> &laquo;Das Lymphomrisiko ist umso gr&ouml;sser, je h&ouml;her die Krankheitsaktivit&auml;t ist und je l&auml;nger die rheumatische Erkrankung besteht&raquo;, erkl&auml;rte Prof. Rubbert-Roth. Die gute Nachricht ist: Patienten, die fr&uuml;h mit einem konventionellen DMARD behandelt werden und deren systemische Entz&uuml;ndung stark inhibiert wird, haben ein deutlich geringeres Risiko, ein Lymphom zu entwickeln, als RA-Patienten, die keine Steroide erhalten.<sup>5</sup> <br />Daten zur H&auml;ufigkeit eines erstmaligen oder wiederholten Auftretens von Tumoren unter einer Biologikatherapie liefert eine gr&ouml;ssere Registerstudie aus Deutschland.<sup>6</sup> &laquo;Sie zeigte keine Erh&ouml;hung der Inzidenzund der Rezidivrate unter Therapie mit biologischen DMARDs&raquo;, so Prof. Rubbert- Roth. In der Arbeit war allerdings die Anzahl der Bronchialkarzinome und Lymphome geringf&uuml;gig h&ouml;her, als es die Forscher erwartet hatten. &laquo;Diese leichte Zunahme konnte aber ebenfalls nicht auf die TNF-Blocker zur&uuml;ckgef&uuml;hrt werden&raquo;, f&uuml;hrte die Expertin aus.</p> <h2>Red Flag: das maligne Melanom</h2> <p>Studien zeigen weiter eine erh&ouml;hte Inzidenz f&uuml;r das maligne Melanom bei RA-Patienten.<sup>7</sup> Auch diese ist durch die rheumatische Grunderkrankung per se bedingt. Einzig bei sehr hellh&auml;utigen RA-Patienten lieferten Subgruppenanalysen ein kleines Signal f&uuml;r eine etwas gr&ouml;ssere Wahrscheinlichkeit, unter einer Anti- TNF-Behandlung Melanome, Basal- und Plattenepithelkarzinome zu entwickeln. &laquo;Bei dieser sehr hellh&auml;utigen Population sind &ndash; insbesondere bei einer l&auml;nger dauernden Biologikatherapie &ndash; regelm&auml;ssige Krebs-Vorsorgeuntersuchungen besonders wichtig&raquo;, res&uuml;mierte Prof. Rubbert-Roth. <br />Ob ein Malignom w&auml;hrend oder nach einer Anti-TNF-Therapie auftritt, hat offensichtlich keinen Einfluss auf die Prognose.<sup>8</sup> Eine Ausnahme machen gem&auml;ss Daten Patienten mit einem Malignom in der Vorgeschichte. So zeigte eine Studie: Von 17 Patienten mit schwarzem Hautkrebs in der Vorgeschichte entwickeln 3 unter einem TNF-Inhibitor neue Malignome anderer Entit&auml;t, unter einer konventionellen Basistherapie hingegen 0 von 10 Patienten.<sup>9</sup> Das Melanom stellt f&uuml;r Prof. Rubbert-Roth deshalb auch eine &laquo;rote Flagge&raquo; dar. Die Rheumatologin verzichtet deshalb m&ouml;glichst auf den Einsatz von Biologika bei Patienten mit schwarzem Hautkrebs.</p> <h2>Keine absolute Kontraindikation</h2> <p>&laquo;Abgesehen vom Melanom ist ein fr&uuml;heres Malignom keine absolute Kontraindikation f&uuml;r Biologika bei RA-Patienten&raquo;, fasste die Professorin die Erkenntnisse aus der aktuellen Datenlage zusammen. Die Wahl des Medikamentes ist im Alltag von der Situation des einzelnen Patienten abh&auml;ngig &ndash; unter Ber&uuml;cksichtigung von Tumorstadium, Sicherheitsbed&uuml;rfnis und anderen Faktoren. &laquo;Aufgrund von Studienresultaten scheint Rituximab relativ sicher zu sein&raquo;, sagte Prof. Rubbert-Roth und pr&auml;sentierte dazu Registerdaten aus England. Diese zeigen: Von 426 RA-Patienten mit einem Malignom in der Vorgeschichte entwickelten 101 unter einer Therapie wieder einen neuen Tumor, darunter waren 53,8 Ereignisse unter konventionellen DMARDs, 33,3 unter einem Anti-TNF und 24,7 unter Rituximab pro 1000 Patientenjahre.<sup>10</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Therapieempfehlungen f&uuml;r RA-Patienten mit Malignom</h2> <p>Leitlinien zur Therapie von RA-Patienten mit einem fr&uuml;heren Malignom bestehen in Frankreich.<sup>11</sup> Sie enthalten unter anderem folgende Empfehlungen:</p> <ul> <li>Bei soliden Malignomen (ausser Hautkrebs), insbesondere bei denen, die sich noch nicht lange in Remission befinden, sollten keine TNF-Blocker eingesetzt werden.</li> <li>Remission &gt; 5 Jahre: TNF-Blocker k&ouml;nnen erwogen werden.</li> <li>Kontraindikation bei Lymphknotenbefall, Fernmetastasen oder inkompletter Remission</li> <li>Bei Malignomen mit hoher Heilungsrate, aber kurzer Nachbeobachtungszeit k&ouml;nnen TNF-Blocker erwogen werden (z. B. kleiner Prim&auml;rtumor, M0, keine Invasion, R0-Resektion, transformierte Kolonpolypen, Carcinoma in situ).</li> <li>Vorsicht bei Malignomen mit hohem Rezidivrisiko (Mammakarzinom, Melanom) auch nach &gt; 10-j&auml;hriger Remission</li> <li>Rituximab als Alternative bei Tumoranamnese &lt; 5 Jahre</li> </ul> </div></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGAI/SGR Joint Annual Meeting, 30.–31. August 2018, Interlaken </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mercer LK et al.: Risk of cancer in patients receiving nonbiologic disease-modifying therapy for rheumatoid arthritis compared with the UK general population. Rheumatology 2013; 52(1): 91-8<strong> 2</strong> Rubbert-Roth et al.: Malignancy rates in patients with rheumatoid arthritis treated with tocilizumab. RMD Open 2016; 2(1): e000213<strong> 3</strong> Baecklund E et al.: Association of chronic inflammation, not its treatment, with increased lymphoma risk in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 2006; 54(3): 692-701 <strong>4</strong> Hellgren K et al.: Rheumatoid arthritis and risk of malignant lymphoma: Is the risk still increased? Arthritis Rheumatol 2017; 69(4): 700-8 <strong>5</strong> Hellgren K et al.: Rheumatoid arthritis, treatment with corticosteroids and risk of malignant lymphomas: results from a case-control study. Ann Rheum Dis 2010; 69(4): 654-59 <strong>6</strong> Strangfeld A et al.: Risk of incident or recurrence malignancies among patients with rheumatoid arthritis exposed to biologic therapy in the German biologics register RABBIT. Arthritis Res Ther 2010; 12(1): R5 <strong>7</strong> Mercer LK et al.: Risk of invasive melanoma in patients with rheumatoid arthritis treated with biologics: results from a collaborative project of 11 European biologic registers. Ann Rheum Dis 2017; 76(2): 386-91 <strong>8</strong> Raaschou P et al.: Does cancer that occurs during or after anti-tumor necrosis factor therapy have a worse prognosis? A national assessment of overall and site-specific cancer survival in rheumatoid arthritis patients treated with biologic agents. Arthritis Rheum 2011; 63(7): 1812-22 <strong>9</strong> van Vollenhoven RF et al.: Long-term safety of rituximab in rheumatoid arthritis: 9.5-year follow-up of the global clinical trial programme with a focus on adverse events of interest in RA patients. Ann Rheum Dis 2013; 72(9): 1496-502 <strong>10</strong> Silva- Fernandes L et al.: The incidence of cancer in patients with rheumatoid arthritis and a prior malignancy who receive TNF inhibitors or rituximab: results from the British Society for Rheumatology Biologics Register-Rheumatoid Arthritis. Rheumatology 2016; 55(11): 2033-9 <strong>11</strong> Gaujoux- Viala C et al.: Recommendations of the French Society for Rheumatology for managing rheumatoid arthritis. Joint Bone Spine 2014; 81(4): 287-9</p> </div> </p>
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