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Riskantes Unterfangen oder kein Problem?

Marathon nach Stent, Bypass oder Herzinfarkt – geht das?

<p class="article-intro">Regelmäßiger Sport wird zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen. Aber auch in der Sekundärprävention nach stattgehabtem Myokardinfarkt und bei stabiler KHK wird ein regelmäßiges rehabilitatives Training im Rahmen der Sekundärprävention angeraten.<sup>1</sup> Eine offene Frage ist, ob umfangreichere Belastungen wie etwa Marathonlaufen förderlich für Patienten mit bekannter KHK sind oder ob davon eine erhöhte Gefahr ausgeht.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Marathon ist eine Sportart mit einer hohen kardialen Gesamtbelastung. Bei bekannter KHK ist eine Risikoabsch&auml;tzung notwendig.</li> <li>F&uuml;r Patienten mit asymptomatischer KHK kann nach eingehender Besprechung ein Wettkampfsport (z. B. Marathon) freigegeben werden.</li> <li>Bei bestehender KHK mit hohem Risikoprofil sollte zumindest tempor&auml;r keine Wettkampffreigabe erfolgen und eine Abkl&auml;rung und Therapie eingeleitet werden.</li> <li>Bei hohem Risiko sollte die Teilnahme am Wettkampfsport generell sehr kritisch hinterfragt werden, da hohe Beanspruchungen der Maximalbelastungen bestehen.</li> </ul> </div> <p>Gibt man das Stichwort &bdquo;pl&ouml;tzlicher Herztod im Sport&ldquo; in Google ein, so erh&auml;lt man ungef&auml;hr 92 000 Ergebnisse, bei Eingabe von &bdquo;Herzinfarkt bei Sport&ldquo; bekommt man ca. 4 Millionen Ergebnisse. Todesf&auml;lle bei Sport werden immer wieder bekannt und entsprechend medial aufgearbeitet. Wie gef&auml;hrlich ist Sport also?<br /> Statistisch gesehen ist die Ursache f&uuml;r einen pl&ouml;tzlichen Herztod beim Sport bei &uuml;ber 35-j&auml;hrigen Athleten zu ca. 80 % in einer koronaren Herzerkrankung zu suchen; wenn ein pl&ouml;tzlicher Herztod bei Athleten unter 35 Jahren auftritt, ist bei 10 % der Betroffenen eine koronare Herzerkrankung die Todesursache.<sup>2</sup><br /> Dass das Thema koronare Herzerkrankung auch im j&uuml;ngeren Alter eine Rolle spielen kann, zeigen Daten aus der Krankenhausentlassungsstatistik 2017. In dieser waren 4 % der Patienten mit Angina pectoris und akutem Myokardinfarkt in einem Alter zwischen 15 und 44 Jahren und ca. 1 % der t&ouml;dlichen Myokardinfarkte betraf Patienten unter 45 Jahren (www.statistik. at). Insgesamt liegt die Gefahr f&uuml;r pl&ouml;tzlichen Herztod beim Marathon bei 0,5&ndash;2 F&auml;llen pro 100 000 Teilnehmern mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren, wobei das Risiko am h&ouml;chsten bei 40- bis 50-j&auml;hrigen Wiedereinsteigern mit oder ohne Risikofaktoren liegt.<sup>3</sup></p> <h2>Pathophysiologie</h2> <p>Definitionsgem&auml;&szlig; handelt es sich bei der koronaren Herzerkrankung um eine Herzkranzgef&auml;&szlig;verengung, die zu einem Missverh&auml;ltnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf f&uuml;hrt (Koronarinsuffizienz). Durch die zunehmende Stenosierung eines versorgenden Koronargef&auml;&szlig;es kommt es zum Auftreten einer typischen Angina-pectoris-Symptomatik durch Reduzierung des maximalen Blutflusses.<br /> Dar&uuml;ber hinaus besteht das Risiko einer Plaqueruptur schon bei Grenzwertstenosen von 50&ndash;70 %, welche besonders bei Belastungen &uuml;ber der Isch&auml;mieschwelle durch eine neurohumorale Aktivierung inklusive Anstieg der Katecholamine, Hyperkoagulabilit&auml;t und endothelialer Erosionen getriggert werden k&ouml;nnen. Dementsprechend findet sich bei 30 % der F&auml;lle eine ungewohnte k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t als Ausl&ouml;ser f&uuml;r einen Myokardinfarkt.<sup>4</sup> Folglich ist das Auftreten einer stabilen Angina pectoris nur zu 50 % als Erstsymptom einer koronaren Herzerkrankung erhebbar. 25 % der F&auml;lle &auml;u&szlig;ern sich in einem Herzinfarkt als Erstsymptom und weitere 20 % in einem pl&ouml;tzlichen Herztod.</p> <h2>Empfehlungen</h2> <p>Zur Beurteilung einer Sporttauglichkeit bei bekannter koronarer Herzerkrankung m&uuml;ssen mehrere &Uuml;berlegungen angestellt werden (s. auch Tab. 1):<br /> Zum einen stellt sich die Frage, ob es unterschiedliche Auspr&auml;gungsformen der koronaren Herzerkrankung gibt. In Betracht gezogen werden muss bei Stent- Implantation, ob es sich um eine Einstammoder Mehrstammerkrankung handelt, ob die Stent-Implantation akut oder elektiv war und ob noch eine duale Pl&auml;ttchentherapie besteht.<br /> Bypassoperationen m&uuml;ssen hinsichtlich des Gef&auml;&szlig;befalls (Mehrstammerkrankung, Hauptstammbefall) oder unvollst&auml;ndigen Revaskularisierungsstatus beurteilt werden. Herzinfarktpatienten sind hinsichtlich der Schwere zu beurteilen: Handelte es sich um einen STEMI oder NSTEMI, gab es ein Delay in der Versorgung mit entsprechenden Komplikationen und gibt es einen weiterbestehenden Myokardschaden im Sinne einer Herzinsuffizienz?<br /> Dementsprechend sollte eine ad&auml;quate Diagnostik im Verlauf des kardiovaskul&auml;ren Kontinuums durchgef&uuml;hrt werden und eine entsprechende adaptierte Therapie angeboten werden. F&uuml;r Patienten mit bekannter Koronarherzerkrankung m&uuml;ssen der Typ und der Level der k&ouml;rperlichen Belastung abgesch&auml;tzt werden. Diesbez&uuml;glich bestehen sowohl vonseiten der Europ&auml;ischen kardiologischen Gesellschaft<sup>5</sup> als auch vonseiten des American College of Cardiology<sup>6</sup> Einteilungskriterien, welche vor allem statische und dynamische Komponenten einer sportlichen Belastung beurteilen und somit eine Gesamtbelastung des Organismus definieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1901_Weblinks_jatros_kardio_1901_s16_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1642" /></p> <h2>Was ist nun mit Marathon?</h2> <p>Marathon ist auf jeden Fall als hochdynamische, wenig statische Sportart anzusehen und somit mit einer hohen kardialen Gesamtbelastung verbunden. Dar&uuml;ber hinaus ist sowohl der Fitnesslevel als auch das weitere kardiovaskul&auml;re Risikoprofil in Betracht zu ziehen. Das etwaige Vorhandensein einer reversiblen myokardialen Isch&auml;mie, von belastungsinduzierten Herzrhythmusst&ouml;rungen oder einer myokardialen Dysfunktion ist abzukl&auml;ren.</p> <p>Nach den Empfehlungen der Europ&auml;ischen kardiologischen Gesellschaft wird zur Abkl&auml;rung von asymptomatischen Patienten/ Athleten mit oder ohne bekannte koronare Herzerkrankung sowie von symptomatischen Patienten die Durchf&uuml;hrung eines Belastungs- EKG, eventuell erg&auml;nzt durch Myokard-SPECT, Stress-MR oder Stress-Echo, einer Echokardiografie zur Bestimmung der LVEF sowie einer koronaren Bildgebung mittels Koronarangiografie oder Koronar-CT empfohlen.<sup>5</sup> Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse erfolgt eine Risikoabsch&auml;tzung.</p> <h2>Risikoeinsch&auml;tzung</h2> <p>Ein h&ouml;heres Risiko einer zus&auml;tzlichen belastungsinduzierten Sch&auml;digung besteht bei einem akuten Koronarsyndrom in der Vergangenheit, bei einem h&ouml;heren Ausma&szlig; des Koronarbefalles, bei eingeschr&auml;nkter Linksventrikelfunktion, bei reversibler Isch&auml;mie oder gr&ouml;&szlig;erer Isch&auml;mie sowie bei elektrischer Instabilit&auml;t.<br /> Ein geringes Risiko besteht bei asymptomatischen Patienten ohne Isch&auml;miezeichen.</p> <p>Zu beachten ist jedoch, dass auch bei asymptomatischen Patienten eine instabile Plaque lipidreich ist, eine aggressive Lipidsenkung empfohlen wird und eine R&uuml;ckkehr zum Wettkampfsport erst fr&uuml;hestens nach 3 Monaten bis zu 2 Jahren erlaubt werden kann. F&uuml;r die Absch&auml;tzung des Risikos ist auch Tabelle 1 zu beachten.</p> <p><strong>Niedriges Risiko</strong><br /> Voraussetzungen f&uuml;r eine Einstufung in den Niedrigrisikobereich sind:</p> <ol> <li>Ausschluss einer Stenose &uuml;ber 70 % oder Hauptstammstenose &uuml;ber 50 %</li> <li>Eine bestehende EF &uuml;ber 50 % ohne Wandbewegungsst&ouml;rungen</li> <li>Eine Ergometrie sollte eine normale altersadaptierte Leistungsf&auml;higkeit zeigen sowie keine induzierbare Isch&auml;mie bei Maximalbelastung aufweisen und es sollten keine h&ouml;hergradigen ventrikul&auml;ren Rhythmusst&ouml;rungen wie NSVT, polymorphe oder h&auml;ufige VES in Ruhe oder Maximalbelastung auftreten.</li> </ol> <p>Patienten mit asymptomatischer KHK d&uuml;rfen f&uuml;r einen Wettkampfsport freigegeben werden, auch eine Marathonteilnahme ist erlaubt, wobei hier eine eingehende Besprechung mit dem Athleten erfolgen sollte, da vor allem &auml;ltere Patienten &uuml;ber 65 Jahre mit KHK und niedrigem Risiko trotzdem ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r einen pl&ouml;tzlichen Herztod aufweisen. Periodische Kontrollen sind empfohlen.</p> <p><strong>Hochrisiko</strong><br /> Von einem Hochrisikoathleten spricht man, wenn zumindest eines der folgenden Kriterien gegeben ist:</p> <ol> <li>Stenose &uuml;ber 70 % oder Hauptstammstenose &uuml;ber 50 %</li> <li>EF unter 50 %</li> <li>Auff&auml;lligkeiten in der Ergometrie<br /> a. Belastungsinduzierte Isch&auml;mie mit ST-Hebungen &uuml;ber 0,1 mV (horizontal oder deszendierend bei 80 msek nach dem J-Punkt in zwei Brustwandableitungen)<br /> b. Hebungen &uuml;ber 0,1 mV (in nicht QZacken- Ableitungen, ohne Aortenklappenersatz)<br /> c. Neu aufgetretener Linksschenkelblock bei niedriger Belastungsintensit&auml;t oder unmittelbar nach Belastung</li> <li>Atemnot bei niedriger Belastung als AP-&Auml;quivalent</li> <li>Relevante ventrikul&auml;re Tachykardie (NSVT, polymorphe oder sehr h&auml;ufige VES)</li> <li>Schwindel oder Synkopen unter Belastung</li> <li>Bei Vorhandensein eines kardialen Magnetresonanzbefundes gilt der Nachweis einer myokardialen Narbenbildung als Hochrisikoeinsch&auml;tzung.</li> </ol> <p>Bei bestehender KHK mit hohem Risiko sollte zumindest tempor&auml;r keine Wettkampffreigabe erfolgen, eine Abkl&auml;rung und Therapie eingeleitet, vor allem eine antiisch&auml;mische Therapie durchgef&uuml;hrt und der Patient m&ouml;glichst rasch einer Revaskularisation zugef&uuml;hrt werden. Insbesondere die Teilnahme am Wettkampfsport sollte sehr kritisch hinterfragt werden, da hohe Beanspruchungen der Maximalbelastungen, ein hoher myokardialer Sauerstoffbedarf von neurohumoraler Aktivierung und somit ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r eine myokardiale Isch&auml;mie oder kardiale Events bestehen, auf der anderen Seite eine antiangin&ouml;se Medikation wie Betablocker weniger toleriert wird. Wenn trotz ad&auml;quater Therapie nach wie vor eine Isch&auml;mie besteht, ist Wettkampfsport weiterhin nicht zu erlauben und eine weniger intensive Sportaus&uuml;bung sollte empfohlen werden.<br /> Bei Zustand nach Revaskularisation, nach akutem Koronarsyndrom oder akutem Myokardinfarkt wird eine rasche kardiale Rehabilitation empfohlen mit niedriger Anfangsintensit&auml;t und regelm&auml;&szlig;iger Steigerung von Umfang und Intensit&auml;t sowie sorgf&auml;ltiger Beobachtung von etwaigen neuen Symptomen. Eine Kontrolle innerhalb von 3 Monaten sollte erfolgen. Bei Zustand nach NSTEMI bei stabiler KHK mit kompletter Revaskularisation ohne Isch&auml;mie ist auch eine raschere Steigerung m&ouml;glich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Massimo F, Piepoli MF et al.: 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: the Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts) developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention &amp; Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J 2016; 37(29): 2315-81 <strong>2</strong> Kohl HW 3rd et al.: Physical activity, physical fitness, and sudden cardiac death. Epidemiol Rev 1992; 14: 37-58 <strong>3</strong> Kim JH et al.: Cardiac arrest during long-distance running races. N Engl J Med 2012; 366(2): 130-40 <strong>4</strong> Culić V et al.: Meta-analysis of possible external triggers of acute myocardial infarction. Int J Cardiol 2003; 90(2-3): 189- 96 <strong>5</strong> Borjesson M al.: Recommendations for participation in leisure time or competitive sports in athletes-patients with coronary heart disease: a position statement from the Sports Cardiology Section of the European Association of Preventive Cardiology (EPAC). Eur Heart J 2019; 40(1): 13-8 <strong>6</strong> Thompson PD et al.: Eligibility and disqualification recommendations for competitive athletes with cardiovascular abnormalities: Task Force 8: Coronary Artery Disease. A scientific statement from the AHA and ACC. Circulation 2015; 132: e310-4</p> </div> </p>
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