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Epigenetische Biomarker bei Krebserkrankungen

<p class="article-intro">Die Organisation und die Regulation unseres Genoms unterliegen komplexen epigenetischen Mechanismen, welche die Identität und Funktion von Zellen bestimmen. Veränderungen in epigenetischen Prozessen treten in frühen Stadien von Tumorerkrankungen auf und sind kausal in Tumorentstehung und Progression involviert. Das Tumorepigenom stellt einen wichtigen Angriffspunkt für Krebstherapien dar und epigenetische Muster können mittels sensitiver Analysemethoden als Biomarker für unterschiedliche klinische Aspekte angewendet werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Epigenetische Mechanismen</h2> <p>Ein ungef&auml;hr 2m langer DNA-Faden wird in jeder Zelle unseres K&ouml;rpers in einen 10&mu;m gro&szlig;en Zellkern verpackt. Diese Herausforderung wird durch Aufwickeln der DNA auf sogenannte Nukleosomen bewerkstelligt, welche sowohl Kondensation als auch Zug&auml;nglichkeit der DNA bestimmen. Die Nukleosomen bestehen aus einem Oktamer aus 4 verschiedenen Histonproteinen (H2A, H2B, H3 und H4) und formen gemeinsam mit der DNA das Chromatin. Durch chemische Ver&auml;nderungen der Histonproteine wie zum Beispiel Azetylierung, Methylierung oder Phosphorylierung wird das Chromatin entweder aufgelockert oder eng verpackt und bedingt somit die m&ouml;gliche Expression von Genen. Eine Vielzahl solcher Histonmodifikationen wurde bereits beschrieben und ihr Zusammenspiel resultiert in einem Code, der von speziellen Leseproteinen erkannt wird und &uuml;ber Aktivit&auml;t oder Repression der DNA entscheidet.<sup>1</sup> Nebst Histonmodifikationen k&ouml;nnen auch sogenannte &bdquo;Chromatin-Remodeler&ldquo; den Umbau der Nukleosomendichte veranlassen und wiederum die Zug&auml;nglichkeit der DNA ver&auml;ndern.<br /> Des Weiteren spielt die chemische Modifikation der DNA mittels Methylierung eine essenzielle Rolle in der Regulation der Genexpression. Die Bindung einer Methylgruppe an die C-5-Position der Cytosinbase in der DNA bedingt das Stilllegen des betroffenen DNA-Abschnittes. Dies geschieht zumeist im CpG-Kontext, also wenn ein Cyotosin von einem Guanin gefolgt wird. Etwa 70&ndash;80 % der genomischen CpGs sind methyliert. Die Ausnahme stellen sogenannte CpG-Inseln dar, welche einen hohen GC-Gehalt aufweisen, h&auml;ufig in Promotoren von Genen zu finden sind und generell nicht methyliert vorliegen.<br /> Einen weiteren wichtigen Bestandteil epigenetischer Mechanismen stellen nicht codierende RNAs dar, welche selbst nicht in Proteine abgelesen werden, aber in Form von microRNAs (miRNAs) oder langer nicht codierender RNAs (lncRNA) die Genexpression beeinflussen k&ouml;nnen. miRNAs wirken auf transkriptioneller/ posttranskriptioneller Ebene, w&auml;hrend lncRNAs als Ger&uuml;st f&uuml;r Proteine fungieren k&ouml;nnen, welche Chromatinmodifikationen durchf&uuml;hren.<br /> Die oben beschriebenen Prozesse sind eng verkn&uuml;pft und bilden gemeinsam die Grundlage epigenetischer Regulation der zellul&auml;ren DNA (Abb. 1).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s65_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="642" /></p> <h2>Epigenetische Ver&auml;nderungen in Tumoren</h2> <p>Aus historischer Sicht wurden genetische Ver&auml;nderungen der DNA (Mutationen, Translokationen, Deletionen, Amplifikationen) als Ursache f&uuml;r Tumorerkrankungen verantwortlich gemacht. In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings gezeigt, dass auch epigenetische Ver&auml;nderungen essenziell zur Tumorentstehung und Progression beitragen. Der Begriff &bdquo;Epigenetik&ldquo; beschreibt vererbbare Ver&auml;nderungen in der Genexpression, die nicht durch Ver&auml;nderungen in der DNA-Sequenz hervorgerufen werden. Obwohl das Epigenom generell stabil ist und von Zellgeneration zu Zellgeneration weitervererbt wird, k&ouml;nnen Umwelteinfl&uuml;sse das Epigenom beeinflussen und ver&auml;ndern. Dies f&uuml;hrt zu lokalen Ver&auml;nderungen in DNAassoziierten Prozessen wie etwa Transkription, Reparatur und Replikation, w&auml;hrend globale epigenetische Ver&auml;nderungen genomische Instabilit&auml;t hervorrufen.<br /> Genomweite Mutationsanalysen einer Vielzahl von verschiedenen Tumoren haben gezeigt, dass epigenetische Regulatoren zu den am h&auml;ufigsten mutierten Genen in Tumorerkrankungen z&auml;hlen. So sind zum Beispiel Gene, die f&uuml;r DNA-Methylierung und -Demethylierung verantwortlich sind (<em>DNMT3A, TET2</em>), h&auml;ufig in h&auml;matologischen Erkrankungen wie dem myelodysplastischen Syndrom (MDS) oder der akuten myeloischen Leuk&auml;mie (AML) betroffen.<sup>3, 4</sup> Selbst Histonproteine k&ouml;nnen mutieren, wie etwa in Glioblastomen oder Sarkomen gezeigt wurde.<sup>5, 6</sup> Metabolische Ver&auml;nderungen von Tumorzellen f&uuml;hren zu ver&auml;nderten Konzentrationen an Metaboliten, welche die Basis f&uuml;r epigenetische Modifikationen darstellen.<sup>7</sup> Der vermehrte Glukosestoffwechsel von Tumorzellen f&uuml;hrt zu einem h&ouml;heren Angebot von Azetyl- CoA, einem wichtigen Substrat f&uuml;r die Azetylierung von Histonen und anderen Proteinen. S-Adenosyl-Methionin (SAM) stellt einen wichtigen Methylgruppendonator f&uuml;r DNA und Histonmethylierungsreaktionen dar und ist h&auml;ufig in Tumorzellen ver&auml;ndert. Mutationen in den Genen <em>IDH1</em> und <em>IDH2</em> f&uuml;hren zur Produktion des onkogenen Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2HG), welcher zur Inhibierung von Histon- und DNA-Demethylasen f&uuml;hrt. Die Inhibierung der DNA-Demethylierung resultiert in dem sogenannten CpG-Island- Methylator-Ph&auml;notyp (CIMP), wie in verschiedenen Tumorarten wie Glioblastomen, Cholangiokarzinomen oder AML beobachtet werden konnte.<sup>8&ndash;10</sup> CIMP wurde urspr&uuml;nglich in Kolonkarzinomen beschrieben, wo es eine Subgruppe mit klinischer Relevanz darstellt.<sup>11</sup> CIMP-positive Tumoren haben eine bessere Prognose, sind h&auml;ufig mit Mikrosatelliteninstabilit&auml;t und <em>BRAF</em>-Mutationen assoziiert und eher im proximalen Kolon lokalisiert.<sup>12</sup> Letztendlich stellt das methylierte Cytosin selbst einen wichtigen Angriffspunkt f&uuml;r genetische Mutationen dar; durch Deaminierung wird Methyl-Cytosin in Thymin umgewandelt und durch falsche oder fehlende Reparaturmechanismen kommt es zu einer CpG&gt;TpG-Transition. Diese Ver&auml;nderungen z&auml;hlen zu den am h&auml;ufigsten beobachteten Mutationen in Tumoren.<sup>13</sup></p> <h2>Epigenetische Therapien und Biomarker</h2> <p>Da epigenetische Prozesse reversibel sind, stellen sie ein wichtiges Target f&uuml;r spezielle therapeutische Ans&auml;tze dar. Zu den bisher erfolgreichsten Therapien z&auml;hlen DNMT- und HDAC-Inhibitoren wie zum Beispiel Decitabin und Vorinostat, welche f&uuml;r MDS oder T-Zell-Lymphome Anwendung finden. Vielversprechende pr&auml;klinische Studien und das Interesse der Pharmaindustrie lassen auf schnelle weitere Entwicklungen hoffen.<br /> Gro&szlig;e Hoffnung wird auch in die Entwicklung epigenetischer Biomarker gesetzt. Vor allem tumorspezifische Ver&auml;nderungen in der DNA-Methylierung sind sehr stabil und erlauben die Klassifizierung verschiedener Tumorentit&auml;ten.<sup>10, 14&ndash;17</sup> So wurde etwa k&uuml;rzlich eine auf DNA-Methylierung basierende Klassifikation von Tumoren des zentralen Nervensystems vorgeschlagen.<sup>18</sup><br /> Eine gro&szlig;e Anzahl an Studien hat die Bedeutung von tumorspezifischen Methylierungsmarkern untersucht und zahlreiche Publikationen belegen den Nutzen dieser f&uuml;r Risikoeinsch&auml;tzung, fr&uuml;he Diagnose, Prognose und Pr&auml;diktion von Krebserkrankungen (Tab. 1).<sup>19</sup> Vor allem der Nachweis tumorspezifischer Methylierung mittels nicht invasiver Diagnostik erscheint vielversprechend. Zirkulierende freie Tumor- DNA kann mittels sensitiver Methoden zum Beispiel in Blut, Urin, Sputum oder Stuhl nachgewiesen werden. Der erste von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassene kommerzielle Kit Epi proColon<sup>&reg;</sup> wurde als blutbasierter Screeningtest entwickelt und analysiert die DNA-Methylierung des <em>SEPT9</em>-Gens. Weitere vielversprechende Marker sind in klinischen Studien f&uuml;r Tumordiagnostik, Prognose oder Pr&auml;diktion.<sup>20</sup> Die Menge an zirkulierender freier Tumor-DNA ist jedoch sehr gering und daher sind diese Tests f&uuml;r fr&uuml;he Diagnostik oft nicht ausreichend sensitiv. Gewebe wie Blut, Urin, Mundh&ouml;hlen- oder Zervixabstriche zeigen spezifische epigenetische Muster, welche eine fr&uuml;he Risikoabsch&auml;tzung von Krebserkrankungen mithilfe von Surrogatmarkern erlauben.<sup>21</sup><br /> Obwohl anormale DNA-Methylierung vieler Gene in unterschiedlichsten Tumoren identifiziert wurde, sind bisher nur wenige Marker in der klinischen Anwendung oder in klinischen Studien angelangt. Grund daf&uuml;r sind eine fehlende Standardisierung von Analysemethoden und das Fehlen von gro&szlig;en prospektiven klinischen Validierungsstudien. Vielversprechend erscheinen Multi-Panel-Tests, die sowohl Mutationen als auch epigenetische Ver&auml;nderungen mehrerer Gene untersuchen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s64_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1331" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jenuwein T, Allis CD: Translating the histone code. Science 2001; 293(5532): 1074-80 <strong>2</strong> Egger G et al.: Epigenetics in human disease and prospects for epigenetic therapy. Nature 2004; 429(6990): 457-63 <strong>3</strong> Delhommeau F et al.: Mutation in TET2 in myeloid cancers. N Engl J Med 2009; 360(22): 2289-301 <strong>4</strong> Ley TJ et al.: DNMT3A mutations in acute myeloid leukemia. N Engl J Med 2010; 363(25): 2424-33 <strong>5</strong> Lu C et al.: Histone H3K36 mutations promote sarcomagenesis through altered histone methylation landscape. Science 2016; 352(6287): 844-9 <strong>6</strong> Sturm D et al.: Paediatric and adult glioblastoma: multiform (epi)genomic culprits emerge. Nat Rev Cancer 2014; 14(2): 92-107 <strong>7</strong> Pavlova NN, Thompson CB: The emerging hallmarks of cancer metabolism. Cell Metab 2016; 23(1): 27-47 <strong>8</strong> Borger DR et al.: Frequent mutation of isocitrate dehydrogenase (IDH)1 and IDH2 in cholangiocarcinoma identified through broad-based tumor genotyping. Oncologist 2012; 17(1): 72-9 <strong>9</strong> Mardis ER et al.: Recurring mutations found by sequencing an acute myeloid leukemia genome. N Engl J Med 2009; 361(11): 1058-66 <strong>10</strong> Parsons DW et al.: An integrated genomic analysis of human glioblastoma multiforme. Science 2008; 321(5897): 1807-12 <strong>11</strong> Toyota M et al.: CpG island methylator phenotype in colorectal cancer. Proc Natl Acad Sci U S A 1999; 96(15): 8681-6 <strong>12</strong> Weisenberger DJ et al.: CpG island methylator phenotype underlies sporadic microsatellite instability and is tightly associated with BRAF mutation in colorectal cancer. Nat Genet 2006; 38(7): 787-93 <strong>13</strong> Alexandrov LB et al.: Signatures of mutational processes in human cancer. Nature 2013; 500(7463): 415-21 <strong>14</strong> Bormann F et al.: Cell-of-origin DNA methylation signatures are maintained during colorectal carcinogenesis. Cell Rep 2018; 23(11): 3407-18 <strong>15</strong> Figueroa ME et al.: DNA methylation signatures identify biologically distinct subtypes in acute myeloid leukemia. Cancer Cell 2010; 17(1): 13-27 <strong>16</strong> Paul Y et al.: DNA methylation signatures for 2016 WHO classification subtypes of diffuse gliomas. Clin Epigenetics 2017; 9: 32 <strong>17</strong> Stefansson OA et al.: A DNA methylation-based definition of biologically distinct breast cancer subtypes. Mol Oncol 2015; 9(3): 555-68 <strong>18</strong> Capper D et al.: DNA methylation- based classification of central nervous system tumours. Nature 2018; 555(7697): 469-474 <strong>19</strong> Leygo C et al.: DNA methylation as a noninvasive epigenetic biomarker for the detection of cancer. Dis Markers 2017; 2017: 3726595 <strong>20</strong> Thomas ML, Marcato P: Epigenetic modifications as biomarkers of tumor development, therapy response, and recurrence across the cancer care continuum. Cancers (Basel) 2018; 10(4) <strong>21</strong> Widschwendter M et al.: Epigenome-based cancer risk prediction: rationale, opportunities and challenges. Nat Rev Clin Oncol 2018; 15(5): 292-309</p> </div> </p>
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