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Entzündungszentrum Wien

Mehr Zeit für rasche Diagnose und qualitativ hochwertige Behandlung

<p class="article-intro">Viele dermatologische Erkrankungen sind entzündlicher Genese. Oft sind mehrere Organsysteme gleichzeitig involviert, wie etwa bei der Psoriasis, der Psoriasisarthritis oder dem Lupus erythematodes. Eine frühzeitige Diagnose zu stellen und die Patienten bestmöglich zu führen, wird meist nur durch gezielte Fragestellungen erreicht. Das gelingt in einer Wahlarztpraxis. Priv.-Doz. Dr. Rainer Hügel hat gemeinsam mit dem Rheumatologen Dr. Boris Lindner das Entzündungszentrum Wien (EZW) gegründet, um dem interdisziplinären Ansatz in der Praxis gerecht zu werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Derma_1901_Weblinks_rainer_hugel_und_boris_lindner_ccmark_glassner.jpg" alt="" />Rainer H&uuml;gel und Boris Lindner &copy;Mark Glassner</p> <p><strong>Sie bieten Patienten einmal im Monat eine dermatologisch-rheumatologische Sprechstunde an. Welche Vorteile vereint die interdisziplin&auml;re Spezialsprechstunde im Vergleich zur Monoordination?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Durch die interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit sind eine raschere Diagnostik und dementsprechend eine raschere Therapieentscheidung sowie eine Nachbetreuung auf h&ouml;chstem Niveau m&ouml;glich. Neben Zeitgewinn wird auch mehr Sicherheit, nicht nur f&uuml;r den Patienten, sondern auch f&uuml;r uns als betreuende &Auml;rzte, erreicht.<br /><strong>B. Lindner:</strong> Der gr&ouml;&szlig;te Vorteil f&uuml;r die Patienten liegt nat&uuml;rlich in der deutlich beschleunigten Diagnostik. Bei uns erspart sich einerseits der Patient, dass er im Zuge der Abkl&auml;rung seiner Beschwerden von A nach B und wieder zur&uuml;ckgeschickt wird; andererseits k&ouml;nnen auch m&ouml;glicherweise voneinander abweichende Therapievorschl&auml;ge der beiden Spezialisten gleich vor Ort angepasst werden. Dadurch kommt es sicherlich zu weniger Verunsicherung der Patienten.</p> <p><strong>Ist Patienten mit entz&uuml;ndlichen Hauterkrankungen bewusst, dass es sich nicht nur um reine Hautmanifestationen handelt? Wie sch&auml;tzen Sie den derzeitigen Wissensstand ein?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Nehmen wir zuerst das Beispiel der Psoriasisarthritis. W&auml;hrend diese Erkrankung in den 1990er-Jahren (auch unter &Auml;rzten) noch ein Schattendasein fristete, konnte durch die steigende Interdisziplinarit&auml;t zwischen Dermatologen und Rheumatologen und die in den letzten 15 bis 20 Jahren stark vergr&ouml;&szlig;erte Auswahl an therapeutischen M&ouml;glichkeiten ein zunehmendes Bewusstsein f&uuml;r den Zusammenhang von Psoriasis (als Hauterkrankung) und assoziierter Arthritis geschaffen werden. Aufgrund der Initiativen von Patienten- Selbsthilfegruppen und der Pharmaindustrie, insbesondere auch im Internet, konnte diese Erkenntnis in den letzten Jahren auch verst&auml;rkt in das Bewusstsein der &Ouml;ffentlichkeit gebracht werden.<br />Bei vielen anderen entz&uuml;ndlichen Erkrankungen, die sowohl mit Haut- als auch Gelenkbeteiligung einhergehen (k&ouml;nnen), ist dies nicht der Fall. Neben den Kollagenosen und Erkrankungen aus dem vaskulitischen Formenkreis z&auml;hlen hierzu (seltenere) autoinflammatorische Erkrankungen wie beispielsweise der Morbus Still, das Schnitzler- Syndrom oder der Morbus Beh&ccedil;et, aber auch Erkrankungen wie Sarkoidose und die interstitielle granulomat&ouml;se Dermatitis mit Arthritis, um nur einige Beispiele zu nennen.</p> <p><strong>Wie beurteilen Sie die Awareness, dass es Jahre sp&auml;ter zur PsA kommen kann respektive umgekehrt, dass es eine Psoriasisarthritis sine psoriase gibt? Wie f&uuml;hren Sie Ihre Patienten?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Nach aktueller Literatur geht bei ca. zwei Dritteln der Patienten die Schuppenflechte der Gelenkentz&uuml;ndung voraus. F&uuml;r Dermatologen ist daher bei der Betreuung der Patienten mit Psoriasis vulgaris eine sorgf&auml;ltige Anamneseerhebung bez&uuml;glich Arthralgien, Gelenkschwellungen, R&uuml;cken-/Kreuzschmerzen und/oder einer anamnestischen Finger- bzw. Zehenschwellung i.S. einer Daktylitis nicht nur bei der Erstordination, sondern auch bei Folgeordinationen essenziell. Bei mir in der Praxis f&uuml;llt jeder Patient mit Psoriasis neben dem Lebensqualit&auml;tsfragebogen (DLQI) auch den GEPARD(German Psoriasis Arthritis Diagnostic)-Fragebogen aus, der sich zum Screening eignet. Zudem sind das Vorliegen einer Nagelbeteiligung sowie die Frage nach einer positiven Familienanamnese bez&uuml;glich PsA von Bedeutung, da in diesen F&auml;llen das Risiko f&uuml;r die Entwicklung einer assoziierten Arthritis deutlich erh&ouml;ht ist.<br />Bei Patienten mit &bdquo;vermeintlicher&ldquo; PsA sine psoriase sollte auf die Inspektion der Rima ani nicht vergessen werden. Nicht selten kann hier eine scharf begrenzte R&ouml;tung die einzige kutane Manifestation darstellen und eine Biopsie im Zweifel die Diagnose sichern. Bei fehlenden Psoriasiseffloreszenzen ist es sinnvoll, den (&bdquo;rheumatologischen&ldquo;) Patienten &uuml;ber die kutanen Erscheinungen der Psoriasis in ihren Grundz&uuml;gen aufzukl&auml;ren und im Falle des Auftretens von Hautver&auml;nderungen die Vorstellung bei einem Facharzt f&uuml;r Dermatologie zu empfehlen.<br /><strong>B. Lindner:</strong> Als Rheumatologe hat man sehr oft mit Gelenksentz&uuml;ndungen unklarer Ursache zu tun, die h&auml;ufig auch als &bdquo;seronegative rheumatoide Arthritis&ldquo; diagnostiziert werden. Bei allen diesen noch unklaren Entz&uuml;ndungen sollte man als Rheumatologe &ndash; je nach Befallmuster der Gelenke bzw. der Wirbels&auml;ule &ndash; die PsA sine psoriase im Hinterkopf behalten bzw. auch selbst auf die Suche nach Hautl&auml;sionen gehen. Im Optimalfall hat man nat&uuml;rlich einen Facharzt f&uuml;r Dermatologie in der Ordination im Nebenzimmer.</p> <p><strong>Die PsA verursacht nicht die rasch fortschreitenden, dramatischen Gelenksdestruktionen wie die RA, dennoch kommt es zu Gelenkserosionen. Wie lautet das Therapieschema des Rheumatologen bei PsA?<br />B. Lindner:</strong> Uns Rheumatologen stehen die Empfehlungen der EULAR (European League Against Rheumatism) zur Verf&uuml;gung, die zuletzt &ndash; auch durch &ouml;sterreichische Beteiligung &ndash; im Jahr 2015 ein Update erfahren haben. Im Prinzip ist f&uuml;r die Wahl der Therapie der Ph&auml;notyp entscheidend &ndash; das hei&szlig;t, welche Gelenke befallen sind bzw. ob eine axiale Beteiligung vorliegt. Die EULAR empfiehlt hier &auml;hnlich wie bei der rheumatoiden Arthritis, falls eine Behandlung mit NSAR nicht ausreicht, bei einer peripheren Arthritis den Beginn mit konventionellen DMARDs (&bdquo;disease modifying antirheumatic drugs&ldquo;), haupts&auml;chlich Methotrexat (alternativ Sulfasalazin oder Leflunomid). Im Falle eines Therapieversagens und bei ung&uuml;nstigen prognostischen Faktoren wird im n&auml;chsten Schritt der Beginn (bzw. die Kombination) mit einem Biologikum, in erster Linie TNF-alpha-Inhibitoren, aber auch IL-12/23-Inhibitoren oder IL-17-Inhibitoren, alternativ auch der Einsatz von Januskinase-Hemmern empfohlen. Bei haupts&auml;chlich peripherer Arthritis ist auch der Einsatz von Abatacept m&ouml;glich; ebenso ist zur Behandlung einer PsA seit 2015 mit Apremilast ein Phosphodiesterase- 4(PDE4)-Hemmer zugelassen. Im Falle einer im Vordergrund stehenden axialen Beteiligung werden DMARDs nicht eingesetzt. Hier kommt es bei fehlendem Ansprechen auf NSAR gleich zum Einsatz axial wirksamer Biologika.</p> <p><strong>Wer behandelt die PsA vornehmlich &ndash; der Dermatologe oder der Rheumatologe?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Im besten Fall nat&uuml;rlich beide gemeinsam in einer interdisziplin&auml;ren Sprechstunde. Die weitere Hauptbetreuung bei Folgeordinationen &uuml;bernimmt i.d.R. der Rheumatologe. Optimal ist jedoch eine zus&auml;tzliche dermatologische Verlaufskontrolle in regelm&auml;&szlig;igen Abst&auml;nden.<br /><strong>B. Lindner:</strong> Als Rheumatologe dr&auml;ngt man sich im Falle einer PsA in den Vordergrund. Im Falle unserer interdisziplin&auml;ren Sprechstunde sprechen wir uns allerdings immer ab, um die Therapie sowohl vom rheumatologischen als auch vom dermatologischen Gesichtspunkt aus optimal zu gestalten.</p> <p><strong>Wie l&auml;uft die interdisziplin&auml;re Spezialsprechstunde konkret ab? Sehen Sie die Patienten gemeinsam oder nacheinander oder besprechen Sie erst einmal nur die Befunde?<br />R. H&uuml;gel, B. Lindner:</strong> Wir sehen einen interdisziplin&auml;r zu behandelnden Patienten unmittelbar nacheinander.<br /> S&auml;mtliche Befunde des Patienten werden nach der Untersuchung von beiden Fachdisziplinen diskutiert, sodass eine gemeinsame Bewertung vorgenommen werden kann. Der von uns beiden getragene therapeutische Vorschlag wird festgelegt und im Anschluss dem Patienten erl&auml;utert und mit ihm gemeinsam wird eine Entscheidung &uuml;ber die weitere Vorgehensweise getroffen.</p> <p><strong>Wo liegen Ihre weiteren fachlichen Schwerpunkte? Sie behandeln Kollagenosen wie Lupus, Sklerodermie und Polymyositis, bitte schildern Sie einen Fall aus Ihrer Praxis!<br />R. H&uuml;gel:</strong> Im Wesentlichen umfasst das Spektrum s&auml;mtliche chronisch-entz&uuml;ndlichen Erkrankungen, bei denen &Uuml;berschneidungen unserer beiden Fachdisziplinen auftreten k&ouml;nnen, also die bereits von Ihnen erw&auml;hnten Kollagenosen (wie Lupus erythematodes, systemische Sklerodermie, Dermatomyositis und Sj&ouml;gren-Syndrom), den Formenkreis der Vaskulitiden und auch seltenere Erkrankungen, wie z.B. das Schnitzler- Syndrom oder den Morbus Still.<br />Zum Beispiel kam eine Patientin mit Livedo reticularis in meine dermatologische Sprechstunde. Im Rahmen der durchgef&uuml;hrten Diagnostik konnte ein systemischer Lupus erythematodes festgestellt werden und nach Vorstellung in unserer interdisziplin&auml;ren Sprechstunde wurde eine entsprechende Therapie eingeleitet. Die weitere Betreuung erfolgt nun &uuml;ber Dr. Lindner.<br /><strong>B. Lindner:</strong> Als Rheumatologe versuche ich, quasi im Zentrum des Geschehens zu bleiben, den &Uuml;berblick &uuml;ber den Patienten zu haben und die F&auml;den zu ziehen. Beispielsweise wird bei SLE-Patienten, die in der interdisziplin&auml;ren Ordination gesehen werden, neben der dermatologischen Begutachtung und Therapieplanung von meiner Seite eine weiterf&uuml;hrende Diagnostik zur Abkl&auml;rung einer m&ouml;glichen Organbeteiligung (wie Herz, Lunge, Niere, Nervensystem, Gelenke etc.) veranlasst, um diese m&ouml;glichst fr&uuml;h zu diagnostizieren und ggf. eine Therapieanpassung durchzuf&uuml;hren.</p> <p><strong>Wie sieht die Kooperation mit dem Krankenhaus bez&uuml;glich hochaktiver Autoimmunerkrankungen wie SLE mit Nierenbeteiligung aus?<br />B. Lindner:</strong> Durch meine T&auml;tigkeit an der Abteilung f&uuml;r Rheumatologie im Krankenhaus Hietzing besteht hier die M&ouml;glichkeit, Patienten mit sehr schweren rheumatischen Erkrankungen bzw. im Falle einer schweren &bdquo;Schubsymptomatik&ldquo; zur Diagnostik oder Therapie an den station&auml;ren Bereich weiterzuleiten.</p> <p><strong>Lichen sclerosus et atrophicus und Lichen ruber manifestieren sich neben der Haut auch h&auml;ufig (oder ausschlie&szlig;lich) an den Schleimh&auml;uten. Gyn&auml;kologen, Urologen, HNO-&Auml;rzte und Zahn&auml;rzte sehen diese Erkrankungen oft als Erste. Wollen Sie Ansprechpartner f&uuml;r diese Kollegenschaft werden?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Diese beiden von Ihnen erw&auml;hnten Erkrankungen sind Paradebeispiele f&uuml;r entz&uuml;ndliche Erkrankungen, bei denen eine interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit zwischen den genannten Fachdisziplinen aus meiner Sicht heutzutage unumg&auml;nglich ist. Dies gilt auch f&uuml;r andere Erkrankungen mit Schleimhautbefall, z.B. die blasenbildenden Autoimmundermatosen wie Pemphigus vulgaris oder Schleimhautpemphigoid, bei denen auf jeden Fall Dermatologen mit einbezogen werden sollten.</p> <p><strong>Das Konzept, das Sie mit der Wahlarztpraxis verfolgen, ist innovativ und bietet den Vorteil des gemeinsamen Wissenspools unter einem Dach. Glauben Sie, dass es der richtige Zeitpunkt f&uuml;r diese Entscheidung war?<br />R. H&uuml;gel:</strong> Definitiv war es der richtige Zeitpunkt. Diese Form der dermatologischen- rheumatologischen Interdisziplinarit&auml;t wird ja an einigen Kliniken bereits seit Jahren praktiziert. F&uuml;r mich steht jedoch fest, dass die Umsetzung in einer Wahlarztpraxis im Vergleich zur Klinik mehr Gestaltungsspielraum und selbstbestimmtes Handeln bietet.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p>
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