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Lebertransplantation – die Zukunft bei kolorektalen Lebermetastasen?

<p class="article-intro">Die Hälfte aller Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) entwickelt im Laufe ihres Krankheitsverlaufes Lebermetastasen. Besteht hierbei keine Möglichkeit zur chirurgischen Resektion, so galt dies lange als Zustand mit infauster Prognose. Wie auf der diesjährigen 35. ACOASSO- Jahrestagung – Kolorektales Karzinom dargestellt, ergeben sich für diese Situation nunmehr durch rezente Erkenntnisse in der Transplantationsmedizin neue Behandlungsmöglichkeiten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Entgegen den entt&auml;uschenden Ergebnissen in den fr&uuml;hen 1990er-Jahren attestieren aktuelle Studien der LT f&uuml;r hepatale, nicht resektable CRC-Metastasen ein 5-Jahres-&Uuml;berleben, welches sich jenem der LT aus benigner Indikation ann&auml;hert.</li> <li>Moderne Split-Leber-Protokolle stellen einen m&ouml;glichen L&ouml;sungsansatz dar, eine Lebertransplantation f&uuml;r CRC-Metastasen trotz der existierenden Organknappheit durchf&uuml;hren zu k&ouml;nnen.</li> <li>Die LT, eingewoben in ein multimodales Therapiekonzept, k&ouml;nnte somit in absehbarer Zukunft f&uuml;r nicht resektable Lebermetastasen eines CRC eine valide Therapieoption darstellen.</li> <li>Wesentlich ist nun die Generierung h&ouml;herer Fallzahlen innerhalb multizentrischer, prospektiver Studien, um definitive Gewissheit bzgl. Sicherheit und Effizienz der Anwendung an einer breiten Patientenschaft zu erlangen.</li> </ul> </div> <h2>Das hepatisch metastasierte CRC</h2> <p>Mit j&auml;hrlich &uuml;ber 1,2 Millionen neu diagnostizierten F&auml;llen repr&auml;sentiert das CRC die weltweit dritth&auml;ufigste Form von Krebs. Trotz deutlicher Verbesserung der &Uuml;berlebensraten innerhalb der letzten Jahre bleibt einem betr&auml;chtlichen Anteil dieser Patienten ein kurabler Therapieansatz verwehrt. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass das CRC in der H&auml;lfte der F&auml;lle eine Metastasierung aufweist. Hierbei sind vor allem Leber und Lunge als h&auml;ufigste Zielorgane betroffen. Die chirurgische Resektion solcher CRCMetastasen stellt die aktuell einzige valide Therapieform dar &ndash; auch wenn die konsekutiven Rezidivraten mit Angaben zwischen 30 und 58 % nach wie vor sehr hoch sind.<sup>1</sup> Eine chirurgische Resektabilit&auml;t ist allerdings lediglich in etwa 20&ndash;25 % gegeben. Fehlt diese Option, so ist die Prognose unter alleiniger Chemotherapie mit einem sich gegen null ann&auml;hernden 5-Jahres- &Uuml;berleben in der &uuml;berwiegenden Zahl der F&auml;lle als infaust zu erachten.<sup>2</sup> Vergegenw&auml;rtigt man sich diese Zahlen, so wird nachvollziehbar, dass bereits vor &uuml;ber 20 Jahren Versuche unternommen wurden, einer fehlenden Resektabilit&auml;t mit anderweitigen therapeutischen Alternativen zu begegnen &ndash; allen voran jene der Lebertransplantation (LT).</p> <h2>Lebertransplantation in der onkologischen Therapie</h2> <p>Die LT, und somit die Resektion aller Lebermetastasen mit maximalem Abstand zum Tumor durch Ersatz der Leber als Instrument der onkologischen Therapie, findet heute vor allem in der Behandlung des hepatozellul&auml;ren Karzinoms (HCC) Anwendung. In Anbetracht der exzellenten Ergebnisse wurde die Indikation zunehmend auch auf andere neoplastische Entit&auml;ten ausgeweitet, so etwa auf das epithelioide Hemangioendotheliom (HEHE), neuroendokrine Tumoren (NET) und innerhalb klinischer Studien rezent sogar auf das hil&auml;re Cholangiokarzinom (h-CCA).<sup>3</sup></p> <h2>Lebertransplantation beim hepatisch metastasierten CRC</h2> <p>Es ist somit wenig verwunderlich, dass das Konzept, die LT auch in der Therapie von nicht resektablen, hepatalen CRCMetastasen zu etablieren, keineswegs neu ist. Bereits Ende der 1980er- bzw. Anfang der 1990er-Jahre wurden erste Transplantationen durchgef&uuml;hrt.<sup>4</sup> Diese mussten jedoch in Anbetracht unzureichender Ergebnisse, insbesondere eines niedrigen Gesamt&uuml;berlebens, eingestellt werden. Der Ansatz wurde zwischenzeitlich verlassen &ndash; auch wenn die ung&uuml;nstigen Ergebnisse zu einem gro&szlig;en Teil wohl durch andere Einflussfaktoren als die maligne Indikation bedingt waren. Dies wird umso offensichtlicher, wenn man bedenkt, dass die damalige Mortalit&auml;t nach LT bei 30 % lag.<sup>5</sup><br /> Erst die innerhalb der letzten Jahrzehnte erfolgten zahlreichen Verbesserungen hinsichtlich des radiologischen Stagings und des perioperativen Managements der LT sowie die Etablierung moderner, immunsupprimierender Substanzen mit einem etwas besseren onkologischen Wirkungsprofil (z.B. der mTOR-Inhibitor Rapamycin) bereiteten die Basis der Reevaluation der LT zur Behandlung des hepatal metastasierten CRC.<sup>1</sup></p> <h2>SECA-I</h2> <p>Die Anwendung der LT zur Behandlung nicht resektabler Lebermetastasen eines CRC wurde im Rahmen des SECA-I-Trials mit gro&szlig;em Erfolg verwirklicht. 2013 wurden die Erkenntnisse aus dieser in Oslo durchgef&uuml;hrten, prospektiven Pilotstudie in den &bdquo;Annals of Surgery&ldquo; ver&ouml;ffentlicht. Sie beinhaltete 21 CRC-Patienten mit ausschlie&szlig;lich die Leber betreffenden, nicht resektablen Metastasen und vorangegangener Sanierung des Primums plus zumindest 6 Monaten Chemotherapie. Das Gesamt&uuml;berleben nach 1, 3 und 5 Jahren betrug 95 % , 68 % und 60 % . Diese beeindruckenden Ergebnisse zeigten, dass mittels LT &Uuml;berlebensraten erreicht werden k&ouml;nnen, welche mit jenen von Patienten nach LT mit benigner Indikation verglichen werden k&ouml;nnen. Rezidive von Metastasen, vor allem in der Lunge, wurden h&auml;ufig beobachtet, waren in der Mehrzahl der F&auml;lle jedoch einer Resektion zug&auml;nglich.<sup>6</sup><br /> Bemerkenswert ist auch eine Nachuntersuchung einer Subgruppe von Patienten, welche trotz besonders schweren Krankheitsverlaufs in die SECA-I-Studie eingeschlossen wurden. Alle sechs Patienten wiesen zu diesem Zeitpunkt sowohl einen extensiven Tumorload auf (8&ndash;35 Filiae, die gr&ouml;&szlig;ten zwischen 2,8 und 13 cm) als auch gleichzeitig eine progressive Erkrankung unter laufender Chemotherapie. Die Analyse ergab ein Gesamt&uuml;berleben nach Transplantation von 41 Monaten, mit einem Kaplan-Meierkalkulierten 5-Jahres-&Uuml;berleben von 44 % . Somit konnte selbst dieser Subgruppe ein deutlich besseres Outcome attestiert werden, als bislang durch jedwede andere publizierte Therapieoption beschrieben wurde.<sup>7</sup></p> <h2>SECA-II</h2> <p>Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer bestechend guten Ergebnisse warf die SECA-I-Studie eine Reihe wesentlicher Fragen auf. So etwa, ob man eine LT auch Patienten mit resektablen Metastasen zukommen lassen sollte. Immerhin liegt das akzeptierte 5-Jahres-&Uuml;berleben nach Resektion bei 40&ndash;50 % und &lt;40 % bei Vorliegen von mehr als 3 Metastasen, was jeweils ein geringeres &Uuml;berleben verglichen mit SECA-I darstellt.<sup>8</sup> Genau dieser Frage widmet sich die nachfolgende SECA-IIStudie des Teams aus Oslo. Die als Phase- III-Studie konzipierte, randomisierte Studie vergleicht &Uuml;berleben sowie Quality of Life (QoL) bei Patienten mit hepatalen CRC-Metastasen nach Resektion oder LT. Der prim&auml;re Endpunkt ist das Gesamt&uuml;berleben nach 10 Jahren.<sup>1</sup> Eine erste Zwischenauswertung von 15 Patienten, pr&auml;sentiert am Annual Congress of the International Liver Transplantation Society in Lissabon 2018, ist vielversprechend: Auch bei diesem Patientenkollektiv wird von einem 5-Jahres-&Uuml;berleben berichtet, welches jenem von LT-Patienten mit nicht maligner Indikationsstellung gleicht.<sup>8</sup></p> <h2>RAPID</h2> <p>Auch wenn die beschriebenen Ergebnisse &uuml;berzeugen, so l&auml;sst sich das Gewicht eines kritischen Arguments nicht leugnen: Wird ein Lebertransplantat an einen Patienten mit CRC alloziert, so fehlt dieses in Zeiten der noch immer vorhandenen Organknappheit einem anderen Patienten auf der Warteliste. Diesem moralisch- ethischen Dilemma konnte 2015 mit dem sogenannten RAPID-Protokoll wirkungsvoll begegnet werden (RAPID: Resection And Partial Liver Segment 2/3 Transplantation With Delayed Total Hepatectomy). Nach diesem neuartigen Ansatz werden anstatt der gesamten Spenderleber nur deren Segmente II und III verwendet, w&auml;hrend die Segmente I und IV&ndash;VIII an einen zweiten Patienten transplantiert werden. Da die Segmente II und III f&uuml;r einen erwachsenen Empf&auml;nger in der Regel zu klein sind, erfolgt zun&auml;chst nur die Resektion der Segmente I&ndash;III beim Empf&auml;nger. Diese werden nun durch das Spender-Split-Graft ersetzt. Durch Drosselung der Blutzufuhr zu der verbliebenen (tumorbefallenen) Restleber wird das Wachstum der transplantierten Leber erm&ouml;glicht. Eine Entfernung der kranken Restleber erfolgt erst nach einigen Wochen, wenn das Split-Graft zu einer ausreichenden Gr&ouml;&szlig;e herangewachsen ist.<sup>9</sup><br /> Nach Erstbeschreibung der Machbarkeit wird das RAPID-Konzept in Oslo aktuell im Rahmen eines prospektiven Trials an einem gr&ouml;&szlig;eren Patientenkollektiv angewandt (NCT02215889). Mit Spannung d&uuml;rfen auch die Ergebnisse der laufenden LIVERT(W)OHEAL-Studie der Universit&auml;t T&uuml;bingen, Deutschland, erwartet werden, die das RAPID-Konzept im Rahmen einer Leberlebendspende anwendet (NCT03488953).<sup>8</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Moris D et al.: Liver transplantation for unresectable colorectal liver metastases: a systematic review. J Surg Oncol 2017; 116(3): 288-97 <strong>2</strong> Misiakos EP et al.: Current treatment for colorectal liver metastases. World J Gastroenterol 2011; 17(36): 4067-75 <strong>3</strong> Resch T et al.: Liver transplantation for hilar cholangiocarcinoma (h-CCA): Is it the right time? Transl Gastroenterol Hepatol 2018; 3: 38 <strong>4</strong> Muhlbacher F et al.: Is orthotopic liver transplantation a feasible treatment for secondary cancer of the liver? Transplant Proc 1991; 23(1 Pt 2): 1567-8 <strong>5</strong> Toso C et al.: Liver transplantation for colorectal liver metastasis: survival without recurrence can be achieved. Liver Transpl 2017; 23(8): 1073-6 <strong>6</strong> Hagness M et al.: Liver transplantation for nonresectable liver metastases from colorectal cancer. Ann Surg 2013; 257(5): 800-6 <strong>7</strong> Dueland S et al.: Is liver transplantation an option in colorectal cancer patients with nonresectable liver metastases and progression on all lines of standard chemotherapy? Ann Surg Oncol 2015; 22(7): 2195-200 <strong>8</strong> Andres A et al.: Transplantation for colorectal metastases: on the edge of a revolution. Transl Gastroenterol Hepatol 2018; 3: 74 <strong>9</strong> Line PD et al.: A novel concept for partial liver transplantation in nonresectable colorectal liver metastases: the RAPID concept. Ann Surg 2015; 262(1): e5-9</p> </div> </p>
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