Management von periprothetischen Frakturen und Revisionsoperationen am proximalen Femur mittels Langschaftprothese

<p class="article-intro">Mit einer über die letzten Jahrzehnte steigenden Zahl des primären Hüftgelenkersatzes kann im gleichen Maße eine Zunahme an periprothetischen Femurfrakturen, besonders in der älteren Population, verzeichnet werden. Das Therapiemanagement muss, begonnen mit der richtigen Klassifikation, auch patientenbezogene Faktoren berücksichtigen. Im folgenden Artikel möchten wir unsere Erfahrung mit Langschaftprothesen zur Versorgung periprothetischer Femurfrakturen an der unfallchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums St. Pölten vorstellen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Vancouver-Klassifikation und patientenbezogene Faktoren sind entscheidend.</li> <li>Die Versorgung mittels Langschaftprothese ist komplex und anspruchsvoll.</li> <li>Hohe Komplikationsrate</li> </ul> </div> <p>In einer Population mit steigender Lebenserwartung zeigt sich eine deutliche Zunahme der Prim&auml;rendoprothetik des H&uuml;ftgelenks. Aus diesem Grund werden wir auch vermehrt mit periprothetischen Frakturen konfrontiert. Das anspruchsvolle intraoperative und postoperative Management wird durch patientenbezogene Faktoren wie Alter, Komorbidit&auml;ten und verminderte Knochenqualit&auml;t erschwert.<br /> Zur Therapieentscheidung ist eine Klassifikation mittels Nativr&ouml;ntgen und gegebenenfalls CT-Bildgebung erforderlich. Einer der wichtigsten zu ber&uuml;cksichtigenden Faktoren ist die Verankerung des Prim&auml;rprothesenschaftes in der Kortikalis. Ist dieser gelockert, werden eine offene Reposition und eine Plattenosteosynthese von den meisten Autoren als inad&auml;quat und die Versorgung mittels Revisionsoder Langschaftprothese beschrieben (Abb. 1). Die Vancouver-Klassifikation wird als Goldstandard angesehen: Typ A beschreibt Frakturen im Bereich des Trochanter major/minor; Typ B zeigt Frakturen distal des Trochanter major bis zur Prothesenspitze und ist unterteilt in Typ B1 bis B3, wobei ab Typ B2 eine Lockerung des Schaftes vorliegt; Typ-C-Frakturen befinden sich distal der Prothesenspitze ohne Lockerungszeichen.</p> <h2>Indikationen zur Langschaftprothese</h2> <p>In Bezug auf die Vancouver-Klassifikation stellen Frakturen des Typs B2 und B3 mit einer Lockerung des Prothesenschaftes die Indikation zur Implantation einer Revisionslangschaftprothese. Zus&auml;tzlich ist eine genaue Evaluation des Patienten durchzuf&uuml;hren. Ist ein Patient aufgrund seines Allgemeinzustands nicht in der Lage, eine Entlastung der betroffenen Extremit&auml;t durchzuf&uuml;hren, kann die Indikation zur Implantation einer Langschaftprothese gro&szlig;z&uuml;giger gestellt werden.</p> <h2>Ziele der retrospektiven Untersuchung</h2> <p>Diese sind: klinisches und radiologisches Outcome unter besonderer Ber&uuml;cksichtigung von septischen Komplikationen, postoperativer Luxation, intraoperativer Schaftsprengung und neuerlichen Revisionsoperationen nach Implantation einer Langschaftprothese.</p> <h2>Material und Methode</h2> <p>In den vergangenen 5 Jahren (2014 bis 2018) wurden am Universit&auml;tsklinikum St. P&ouml;lten 58 periprothetische Frakturen des proximalen Femurs mittels Langschaftprothese versorgt. 6 periprothetische Frakturen wurden als Typ B1, 52 als Typ B2/B3 nach Vancouver klassifiziert. Die Patienten waren im Mittel 82,4 Jahre alt (Varianz 62&ndash;97 Jahre).</p> <p>Im Durchschnitt erzielten wir ein Followup von 11,7 Monaten, 10 Patienten wurden in einem ausw&auml;rtigen Krankenhaus weiterbehandelt. Im angegebenen Zeitraum wurden postoperativ 16 Infektionen diagnostiziert. Dabei handelte es sich in 11 F&auml;llen um Fr&uuml;hinfektionen (0&ndash;2 Monate) und in 5 F&auml;llen um verz&ouml;gerte Infektionen. Bei 8 Patienten war eine septische Revision angezeigt, dabei wurden D&eacute;bridements durchgef&uuml;hrt und in der H&auml;lfte der F&auml;lle Vakuumverb&auml;nde angelegt. Es kam zu keinem Ausbau des Implantates, lediglich Cerclagen wurden in Einzelf&auml;llen entfernt.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Es kam in 8 F&auml;llen zu Luxationen, im Durchschnitt 6 Monate nach der Operation, wobei ein Gro&szlig;teil im ersten postoperativen Monat zu verzeichnen war. Bei 5 Patienten bestand die Therapie in der alleinigen gedeckten Reposition, in 3 F&auml;llen war eine Revisionsoperation erforderlich. Bei 2 dieser Patienten konnte mithilfe des modularen Systems der Langschaftprothese durch Ver&auml;nderung der L&auml;nge und Rotation das Drehzentrum so optimiert werden, dass es zu keiner weiteren Luxation kam. Nur in einem Fall (siehe Fallbeispiel 1) war eine zus&auml;tzliche Versorgung im Acetabulumbereich notwendig.<br /> Die 5 Patienten nach geschlossener Reposition wurden mit einer Coxitisschiene vollbelastend mobilisiert, in keinem Fall kam es zu weiteren Luxationen.</p> <p>Intraoperativ kam es zweimal zu einer Sprengung des distalen Femurschaftes bei Einbringung der Langschaftprothese, in zwei weiteren F&auml;llen verursachte die Prothesenspitze eine Perforation an der ventralen Femurkortikalis mit der Konsequenz des Verlustes der Belastungsstabilit&auml;t.</p> <h2>Klinische Fallbeispiele</h2> <p><strong>Fall 1</strong><br /> Ein m&auml;nnlicher, 70 Jahre alter Patient zieht sich im Rahmen eines Sturzes eine mediale Schenkelhalsfraktur (Garden IV) rechts zu, die initial mittels H&uuml;fttotalendoprothese versorgt wird. Im Alter von 72 Jahren st&uuml;rzt der Patient erneut und erleidet dabei eine periprothetische Femurfraktur Typ Vancouver B2. Es gibt die Indikation zur Revision und Implantation einer Langschaftprothese. Die distalen Frakturausl&auml;ufer werden zus&auml;tzlich mittels Cerclagen stabilisiert. Die Operation und der postoperative Verlauf gestalten sich komplikationslos.<br /> Nach 4 Wochen wird der Patient aufgrund einer &Uuml;berw&auml;rmung und R&ouml;tung im Bereich der distalen Verriegelung an unserer Klinik wieder vorstellig. Es zeigen sich eine deutliche Auslenkung der Entz&uuml;ndungswerte sowie klinisch eine Fl&uuml;ssigkeitsretention. Am Folgetag wird die septische Revision mit Entfernung der beiden Cerclagen und Anlegen eines Vakuumverbandes durchgef&uuml;hrt. Nach weiteren 2 Wochen erfolgt bei blanden Wundverh&auml;ltnissen der definitive direkte Wundverschluss. Kurz darauf kommt es neuerlich zu einer Retention und einem Anstieg der Entz&uuml;ndungsparameter, wodurch eine neuerliche Revision und offene Wundbehandlung mit Vakuumverband erforderlich werden. Nach 2 Wochen erfolgt unter konsolidierten Lokalverh&auml;ltnissen und gesunkenen Entz&uuml;ndungsparametern eine Spalthautdeckung mit in weiterer Folge komplikationsloser Einheilung des Transplantates.<br /> Nach einem Jahr wird der Patient erneut mit Infektionszeichen im Bereich des distalen Oberschenkels vorstellig. Nach Inzision und Ableitung der Abszedierung mittels Drainage kommt es in weiterer Folge wieder zu einer Eind&auml;mmung des Entz&uuml;ndungsgeschehens.<br /> 4 Monate sp&auml;ter kommt es zu einer Prothesenluxation, als Ursache sehen wir eine durch den Bruch der beiden distalen Verriegelungsbolzen aufgetretene zunehmende Lockerung und Dynamisierung des Schaftes mit daraus resultierender Verk&uuml;rzung und Instabilit&auml;t. Ein Implantatwechsel mit zweifacher distaler Verriegelung und Einsetzen eines gr&ouml;&szlig;eren Kopfes wird durchgef&uuml;hrt, im weiteren Verlauf erweist sich die neue Langschaftprothese als stabil (Abb. 2).<br /> 1,5 Jahre sp&auml;ter kommt es neuerlich zu einem deutlichen Ansteigen der Entz&uuml;ndungsparameter mit zunehmenden Schmerzen, reduziertem Allgemeinzustand und eingeschr&auml;nkter Mobilit&auml;t ohne &auml;u&szlig;erlich sichtbare Infektionszeichen. Eine Lokalrevision im Bereich des spalthautgedeckten Areals wird durchgef&uuml;hrt, der Keimnachweis ist negativ. Eine antibiotische Dauerprophylaxe wird eingeleitet, derzeit ist der Patient in einem relativ guten Allgemeinzustand, voll mobilisiert und deutlich schmerzgebessert bei nur leicht erh&ouml;hten laborchemischen Entz&uuml;ndungswerten.</p> <p><strong>Fall 2</strong><br /> Eine 62 Jahre alte Patientin zieht sich bei einem Sturz eine subtrochant&auml;re Femurfraktur rechts zu, welche aufgrund der Frakturmorphologie offen reponiert und mittels langer Gleitnagelosteosynthese stabilisiert wird. In den postoperativen R&ouml;ntgenkontrollen zeigt sich eine progrediente Kranialisierung mit nachfolgendem Durchschneiden der Schenkelhalsklinge. 3 Monate nach dem Ersteingriff wird ein Verfahrenswechsel mit Entfernung des Gleitnagels und Implantation einer H&uuml;fttotalendoprothese durchgef&uuml;hrt.<br /> Wegen eines Fr&uuml;hinfektes wird nach 2 Wochen eine septische Revision erforderlich, wegen der tiefreichenden Entz&uuml;ndung im Bereich des Prothesenlagers zeigt sich auch nach mehreren Eingriffen keine Besserungstendenz, das Implantat wird in weiterer Folge zur G&auml;nze entfernt und ein Spacer eingesetzt.<br /> Bei blanden Wundverh&auml;ltnissen und Normalisierung der Entz&uuml;ndungswerte wird der Spacer nach 2 Monaten entfernt und eine Langschaftprothese mit neuem Cup implantiert. Beim Einbringen des Prothesenschafts kommt es auf H&ouml;he der distalen Verriegelungsbolzen zu einer Sprengung der Kortikalis. Es erfolgt die Stabilisierung mit 2 Titancerclagen. Unter entlastender Mobilisierung wird letztendlich die kn&ouml;cherne Konsolidierung ohne weitere Dislokation erreicht.<br /> Ein Jahr postoperativ wird die Patientin mit einer Luxation der Prothese vorstellig. In Sedoanalgesie kann eine geschlossene Reposition durchgef&uuml;hrt werden. Im weiteren Verlauf kommt es jedoch zu rezidivierenden Luxationen, sodass ein weiterer Eingriff mit Implantation einer Revisionspfanne und Kopfwechsel erforderlich wird (Abb. 3). Derzeit ist die Patientin voll mobilisiert in gutem Allgemeinzustand.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die Versorgung von periprothetischen Femurfrakturen mittels Langschaftprothese stellt eine anspruchsvolle Operation dar und bedeutet f&uuml;r den zumeist &auml;lteren Patienten eine sehr hohe Belastung. Intra- und postoperative Komplikationen sind h&auml;ufig und aufgrund der Komorbidit&auml;ten und des fortgeschrittenen Alters der Patienten meist von schwerwiegender Konsequenz.<br /> In unserem Patientenkollektiv zeigte sich eine Revisionsrate (septische Revision sowie Verfahrenswechsel) von rund 19 % bei einem durchschnittlichen Follow-up von etwa einem Jahr. Die Infektionsrate betrug 23 % , bei einer Rate an isolierten septischen Revisionen von 14 % .<br /> In den vergangenen 5 Jahren kam es in 4 F&auml;llen zu einer intraoperativen Sprengung beziehungsweise Perforation des Femurschaftes im distalen ventralen Anteil. Aufgrund der altersbedingt zunehmenden Kurvationsver&auml;nderung des Femurs bei zus&auml;tzlich osteoporotisch geschw&auml;chtem Knochen stellt der rigide Langschaft ein erh&ouml;htes Perforationsrisiko dar. Daher wurde an unserer Abteilung auf ein kurvaturangepasstes System gewechselt (Abb. 1). Seitdem wurden keine Verletzungen des distalen Schaftes mehr verzeichnet.<br /> Intraoperativ soll grunds&auml;tzlich eine Titancerclage am proximalen Ende des distalen Fragments zur Vermeidung einer Schaftsprengung angebracht werden. Diese wird nach Schaftimplantation entfernt, um eine bessere Durchblutung des Periosts zu gew&auml;hrleisten. Cerclagen im proximalen Bereich sind meist notwendig, um eine entsprechende Stabilit&auml;t zu erreichen, jedoch muss auch hier immer die kn&ouml;cherne Durchblutungssituation bedacht werden. Ein gro&szlig;er Vorteil der Langschaftprothese liegt in der Belastungsstabilit&auml;t, weil dem &auml;lteren Patienten meist eine entlastende Mobilisierung nicht m&ouml;glich ist.<br /> Aufgrund zunehmender Inzidenz an Prim&auml;rh&uuml;ftendoprothesen spielt die Versorgung von periprothetischen Frakturen eine immer gr&ouml;&szlig;ere Rolle. Die Versorgung mittels Langschaftprothese sollte durch erfahrene Chirurgen erfolgen und zeigt im Gesamten zufriedenstellende, wenn auch nicht ganz komplikationslose, Ergebnisse.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1901_Weblinks_jatros_ortho_1901_s13_abb1-3.jpg" alt="" width="2150" height="1722" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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